Der Ton als Vermittler im Kräftewirken der Pflanze - ein Vortrag von Stefan Sylla, 2024

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Stefan Sylla am 18. Dezember 2024 im Hotel Deinhards in Bernkastel-Kues
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Überleitung zu Nikolaus von Kues und Tonmineral 00:00:20

Einführung und Kontext 00:00:20

Ich kann ja trotzdem schon mal anfangen, unabhängig von der Tafel. Ich darf jetzt so ein bisschen die Überleitung machen, weil wir haben ja heute auch noch so ein bisschen ein anderes Thema, was wir mit reinnehmen wollen. Und zwar Nikolaus von Kühs. Das hat ja auch so ein bisschen was mit dem Ort hier zu tun und das wollen wir ein bisschen zusammenbringen, auch mit dem Thema, das wir heute weiter besprechen. Aber ich kann mich ja noch mal ganz kurz vorstellen. Also ich bin Stefan Süller, auch von der Landbauschule vom Dortenfelder Hof, war auch letztes Jahr schon bei dem Seminar mit dabei und bin vom Hintergrund aus der Geologie, Geografie, bin aber auch gleichzeitig als Gemüsebauer in der Solawi tätig.

Ja, ich will an der Stelle noch mal ganz kurz so ein bisschen ausholen. Wir waren ja gerade schon mit Georg sehr tief im Anthroposophischen drin, also auch so von der Denksphäre, von der Denkart her. Aber ich will jetzt noch mal so einen kleinen Schritt zurückgehen, so ein bisschen auch in die Zeit, in der wir ja heute sind. Das geht bestimmt vielen so, wenn man jetzt irgendwie eine Ausbildung gemacht hat, aus der Schule kommt, ein Studium gemacht hat. Man ist voll von Wissen, aber man kommt doch immer wieder so in die Situation, wo man dann vor etwas steht, vor einem Problem oder in der Natur, in bestimmten Situationen, hat so das Gefühl, ich weiß zwar irgendwie so ganz viel, ich habe ein unheimliches Wissen mir angereichert, angehäuft. Es bleibt aber alles so ein bisschen hier oben. Das ist halt dieses Kopfwissen, dieses Schulwissen.

Grenzen des Schulwissens 00:02:07

Und gerade bei komplexeren Dingen, gerade wenn man dann in die Natur geht, sich eine Landschaft anschaut, von einer Pflanze steht, mit Tieren zu tun hat, kommt man doch immer wieder relativ schnell so in dieses Gefühl, ich weiß eigentlich gar nicht so viel. Ich kann zwar irgendwie alles erklären, ich kann irgendwie argumentieren, diskutieren, aber da ist so eine Schwelle, über die ich irgendwie nicht rüberkomme. Ich möchte ganz kurz nochmal, um das zu verdeutlichen, einen kleinen Abschnitt aus dem Text vorlesen von Werner Heisenberg. Ich weiß nicht, wem das was sagt, Werner Heisenberg, Atomphysiker. Das war auch mit der Entwickler der Quantenmechanik, hat so seine große Zeit gehabt in 30er Jahren und hat sich auch sehr viel mit dem philosophischen Aspekt der Naturwissenschaften beschäftigt.

Heisenberg und Polarität des Denkens 00:03:06

Heisenbergs Vergleich 00:03:06

Und er ist hier dieser Text aus einem Vortrag, ich glaube aus den 30er Jahren oder was, 28, bin mir gar nicht sicher, mit dem Titel zur Geschichte der physikalischen Naturerklärung, wo er das nochmal so ein bisschen gegenüberstellt, wo wir heute sind, also die Art und Weise, wie wir heute über die Welt denken und wie das mal in der Antike war. Auch wieder so eine Polarität aufspannt. Wie hat man früher über die Welt gedacht und wie ist das heute? Das will ich gerade nochmal durch den Text ein bisschen hervorheben, um nochmal klar zu machen, wo wir eigentlich gerade stehen. Also, es geht jetzt darum, um Newton und sozusagen Newtons Theorie des Sonnensystems, des Planetensystems. Trotzdem, also trotz der Entdeckung von Newtons, muss wieder die Frage gestellt werden, inwieweit ist durch Newtons Entdeckung die Bewegung der Sterne erklärt worden? Verstehen wir sie wirklich besser als früher?

Zur Erläuterung dieser Frage mag es nützlich sein, die Beschreibung der Planetenbewegung in der griechischen Wissenschaft zu vergleichen mit einer entsprechenden Beschreibung in einem modernen Lehrbuch der Astronomie. Bei Platon im Timaeus heißt es in der Kosmogonie, nachdem also alle die Sterne, die zur Erzeugung der Zeit mitwirken sollten, in den einem jeden zukommenden Umschwung gebracht und durch beseelte Bänder, die ihre Körper zusammenhielten, zu lebendigen Wesen erhoben und des ihnen aufgetragenen inne geworden waren, so gingen sie herum, indem sie teils eine größere, teils eine kleinere Kreisbahn umschrieben. Und zwar die, welche eine kleinere beschrieben, schneller und die, welche eine größere, langsamer. Das war jetzt Platon aus dem Timaeus.

Newton und Moderne 00:05:04

So und jetzt, die entsprechende Stelle im Lehrbuch der Astronomie von Newcomb Engelmann heißt so, also jetzt machen wir den Sprung in die Modernen, in unsere Zeit. Die Planeten bewegen sich um die Sonne und müssen demnach einer gegen die Sonne gerichteten Kraft gehorchen. Diese Kraft kann nichts anderes sein als die Gravitation, die Anziehung der Sonne selbst. Eine einfache Rechnung nach Keplers drittem Gesetz zeigt, dass die Kraft, mit der die Planeten gegen die Sonne gravitieren, sich umgekehrt wie die Quadrate ihrer mittleren Entfernung verhält. Es fragt sich jetzt nur noch, welche Art von Bahn ein Planet beschreiben wird, wenn eine Kraft von der erwähnten Beschaffenheit ihn um die Sonne führt. Newton wies nach, dass die Bahn allgemein ein Kegelschnitt sein müsse, mit der Sonne in einem der Brennpunkte.

So verschwand alles Geheimnisvolle aus den himmlischen Bewegungen und die Planeten erwiesen sich einfach als schwere Körper, die sich nach denselben Gesetzen bewegen, die wir um uns wirksam sehen. Also das war das Zitat, jetzt nochmal ganz kurz eine kleine, aber sehr interessante Erläuterung von Heisenberg. Die moderne Beschreibung unterscheidet sich von der alten durch drei charakteristische Züge. Dadurch, dass sie anstelle der qualitativen Aussagen Quantitative setzt, dass sie verschiedenartige Phänomene auf den gleichen Ursprung zurückführt und dadurch, dass sie auf die Frage nach dem Warum verzichtet.

Denkweise und Erkenntnis 00:06:43

Moderne Denkgrenzen 00:06:43

Das nur mal so ein bisschen nochmal so als Hintergrund zum Verständnis, wo wir heute gerade stehen, diese Art über unsere Welt zu denken, mit der wir aber immer wieder in diese Situation kommen, wir können immer nur bis zu einem bestimmten Punkt gehen und bleiben in dieser Sphäre des Erklärens und was letzten Endes eher so ein bisschen technisch bleibt. Und wir sind ja heute auch mit aus dem Grund zusammengekommen, um eben da ein bisschen weiterzugehen. Also gerade auch so diese Frage, wie können wir aus diesem schulwissenschaftlichen Denken uns erheben in eine andere Sphäre des Denkens, die uns dem, was wir eher als etwas Wahres empfinden, näher bringen. Da war jetzt gerade der Georg vor mir schon ein bisschen weiter, ja, er hat schon sehr, sehr viele Elemente benutzt, um eben da so eine gewisse Art von Erhebung herbeizuführen, was ja sehr stark auch gerade so in den Vorträgen von Rudolf Steiners in seinen Büchen immer wieder mitschwingt, dieser Versuch rauszukommen aus dieser, von der rein sinnesweltlichen Begrifflichkeit, die uns aber wirklich immer nur in der Sinneswelt verhaften bleibt, da rauszukommen.

Nikolaus von Kues 00:08:10

Und da können wir jetzt an dieser Stelle den Bogen zum Nikolaus von Kühs spannen, weil vor diesem Dilemma standen eben nicht nur wir, sondern das hat schon vor mehreren hundert Jahren angefangen, dass Menschen gemerkt haben, dass sich die Sprache und damit das Denken doch immer mehr in so eine Richtung entwickelt, wo es immer schwieriger wird, so aus diesem rein materiellen Denken hinauszukommen, also die Dinge auch mehr aus einer größeren ganzheitlichen Perspektive zu denken. Ja, ich sage jetzt mal zu Nikolaus von Kühs jetzt nicht so viel mehr, also ein paar Leute hier im Raum, bin ich mir sicher, die wissen dann noch viel mehr über die Hintergründe und auch seine Geschichte. Also wir sprechen da so um das im 15. Jahrhundert, ein geistlicher, aber auch gleichzeitig sehr wissenschaftlich interessierter Mensch, der sich aber eben nicht nur mit der reinen christlichen Theologie auseinandergesetzt hat, sondern auch dann sich für alte Traditionen geöffnet hat, sich auch damit beschäftigt hat, zum Beispiel der Neoplatonismus, der ja in der Zeit gerade auch noch eine sehr wichtige Strömung war, also ein Anknüpfen an alte Traditionen, noch aus der Antike oder sogar noch davor.

Neoplatonismus, Alchemie, Hermetik, Paracelsus gehört auch noch so ein bisschen in diese Linie rein. Und hat das jetzt versucht, eben in so einen, in einen philosophisch-christlichen Korpus hineinzubringen, eben mit dem Ziel, eine Möglichkeit zu finden, dieser immer mehr in die Materie hineingehende Begrifflichkeit und Sprache ein Gegenstück zu geben. Und da hat er diese drei, da gibt es dann diese drei großen Prinzipien, die er dann umschrieben hat in verschiedenen Werken. Also einmal dieses Prinzip der Dr. Ignorantia, Dr. Ignorantia, also das Wissende Nichtwissen. Das Prinzip der Koinzidencia Oppositorum, das Zusammenfallen der Gegensätze. Und letzten Endes die Conjectura, die Kunst des spekulativen Mutmaßens.

Cusanus' Erkenntnisfilosophie 00:10:39

Wissendes Nichtwissen 00:10:39

Und es ist natürlich total spannend, dass er sozusagen seine Erkenntnisfilosophie, wo es ja wirklich darum geht, in höhere Bereiche des Erkenntnis hineinzukommen, damit beginnen lässt mit diesem Schlagwort Nichtwissen. Das ist ja jetzt erst mal ganz komisch. Wie meint er das, ja? Wie kann man sich das vorstellen? Was hat denn dieses Nichtwissen zu tun mit einer erhöhten Erkenntnisstufe? Ein paar von von euch, von Ihnen haben sich vielleicht schon mal so ein bisschen auch mit Goetheanismus auseinandergesetzt. Also diese Forschungsart, die ja sehr stark von Goethe entwickelt wurde, später auch von Rudolf Steiner weiterentwickelt wurde, wo auch so ein wichtiges Kernelement ist, in der Forschung eben mit so einer gewissen demütigen Offenheit hineinzugehen.

Also eben nicht nach dem Motto, ich verfasse meine Hypothese und in der Hypothese ist auch irgendwie schon mehr oder weniger abgegrenzt, wo das Ergebnis liegen könnte oder eben auch nicht liegen könnte, sondern eigentlich eher so das Gegenteil. Ich schaue mir das an, was ich erforschen will und warte mal, was sich zeigt. Also diese Unvoreingenommenheit, diese demütige Unvoreingenommenheit. Vielleicht kann man Cusanus so ein bisschen in der Richtung verstehen. Also diese Geisteshaltung des Nichtwissens in der Begegnung mit dem, was man erforschen will oder auch noch nicht weiß. Mal so als Idee, ja, aber vielleicht meint er auch noch so ein bisschen mehr damit.

Polarität und Bewusstheit 00:12:26

Mit der Betonung auf Wissen des Nichtwissens, ja, also auch diese Bewusstheit hinter dem Ganzen, ja, eine ganz starke Bewusstheit. Und dann haben wir schon, dann baut er da wieder auch so eine gewisse Polarität auf, ja, also dieser Verstandesbegriff auf der einen Seite und dann auf der anderen Seite das Nichtwissen. Und wie kann man sich da jetzt irgendwie bewegen, ja, auf der anderen Seite, wie kommen wir aus dieser Verstandesbegrifflichkeit heraus und wie können wir uns in diese Sphäre des Nichtwissens erheben, ohne dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren, ja, ohne in ein Verklärtes, in eine verklärte mystische, ja, Geisteshaltung zu kommen, ja, sondern immer noch so in diesem klaren Denkenden.

Zusammenfall der Gegensätze 00:13:20

Polaritäten in der Welt 00:13:20

Coincidentia oppositorum, der Zusammenfall der Gegensätze. Wir hatten es eben schon so ein bisschen auch von den Polaritäten. Irgendwie scheint ja unsere Welt auch aus diesen Polaritäten aufgebaut zu sein. Oben, unten, also mit allen unseren Sinneswahrnehmungen basieren ja letzten Endes auf Polaritäten, ja, beim Sehen hell und dunkel, beim Fühlen hart und weich, beim Schmecken salzig, süß, beim Fühlen kalt und heiß, hatten wir schon, riechen und so weiter und so fort. Also wir sind in irgendeiner Form von Polaritäten umgeben, die letzten Endes ja diese Welt, in der wir auch sind, aufbauen. Ohne die würde es diese Welt, so wie wir sie erkennen, wahrscheinlich gar nicht geben, ja, wie ein Zelt, das die Anker braucht und die Schnur muss gespannt werden auf zwei Seiten und dann spannt sich zwischen diesen zwei Ankern das Zelt auf.

Also die Polarität braucht diese Welt. Aber jetzt trotzdem diese Frage, auf der einen Seite leben wir in diesen Polaritäten und müssen uns auch unsere Welt irgendwie mit Begriffen erklären, die aus dieser reinen sinnesweltlichen Erfahrung stammen, aber trotzdem ist ja auch immer die Frage, was verbirgt sich hinter dem Schleier? Wie können wir denn auch dahinter schauen? Den Blick hinter den Vorwang werfen, wo letzten Endes sich ja auch das Wesenhafte verbirgt? Cusanus war ein begeisterter Mathematiker. Das sind wahrscheinlich viele nicht so begeistert, so wie ich auch, wenn ich das zum ersten Mal höre. Aber er hat sich jetzt für die Mathematik weniger in der Form interessiert, wie wir sie heute lernen, also als eine Formalmathematik mit dem Ziel, irgendwelche technischen Dinge zu regeln, sondern vielmehr Mathematik als eine Ausdrucksform geistiger Gesetzmäßigkeiten.

Mathematik als Symbolsprache 00:15:26

Also für ihn war die Mathematik interessant als Bildsprache, als Symbolsprache, um sich eben aus dieser reinen materiellen Sphäre in eine geistige Sphäre zu heben. Und das war jetzt sozusagen das Instrument, was er benutzt, um diesen Schritt zu tun, also diesen Schritt über die Schwelle von dem Verstandesbegriff in diese Sphäre des Nichtwissens. Und da will ich jetzt gerade mal ein Beispiel anzeichnen, was eigentlich sehr interessant ist, wo man das auch mal sehr schön daran erleben kann, was er eigentlich meint. Also einmal mit diesem Dr. Ignorantia, diesem wissenden Nichtwissen, dann aber auch diesem Zusammenfall der Polaritäten. Also wie können wir sozusagen aus der Polarität rauskommen in ein höheres Schauen?

Geometrisches Beispiel 00:16:21

Gerade und Dreieck 00:16:21

Und zwar haben wir dann erst mal so zwei geometrisch sich gegenüberstehende Objekte. Einmal die Gerade und in dem Fall eine unendliche Gerade. Deswegen male ich die auch bis an den Rand von der Tafel. Aber da haben wir jetzt sozusagen schon ein Objekt, das können wir uns nur noch bedingt vorstellen. Die unendliche Gerade. Unendlichkeit ist erst mal nicht wirklich vorstellbar, aber trotzdem soll das jetzt mal bildhaft eine unendliche Gerade darstellen. Und darüber ein ganz klar begrenztes Dreieck. Also da sind wir wieder jetzt in unserer Welt. Klare Abgrenzungen, Ecken, ein Raum, der aufgespannt wird. Und die zwei stellen wir jetzt mal so gegenüber. Da haben wir jetzt so eine gewisse Polarität.

Einmal diese unendliche Gerade, die wir uns nicht mehr wirklich vorstellen können. Und dann dieses Dreieck, das ja irgendwo ganz klar auch ein Teil von unserer Welt ist. Und jetzt die Frage, wie können wir uns von diesem Dreieck dieser Gerade nähern? Ja, genau, ganz einfach. Du machst schon diese Geste. Also im Prinzip immer mehr diesen Winkel vergrößern. Also irgendwie sowas. Immer kleiner, immer größer. Das ist ungefähr nachvollziehbar. Und das können wir jetzt bis ins Unendliche treiben. Also diesen Winkel immer weiter vergrößern. Diese zwei Seiten des Dreieckes werden sich immer näher, immer mehr dieser Gerade annähern. Aber das geht ins Unendliche.

Annäherung an Unendlichkeit 00:18:28

Das lässt sich ja ewig teilen, die Annäherung. Also immer weiter, immer weiter, immer weiter, immer weiter. Und da kriegen wir dann mal so ein bisschen eine Ahnung davon, was damit gemeint ist. Also einmal dieses sich herausbewegen aus der Polarität und das sich annähern an die Unendlichkeit. Und dann sozusagen zu einer Vorstellung davon zu kommen, was es bedeuten könnte, wenn denn diese Polaritäten zusammenfallen. Weil in dem Moment, wo sie zusammenfallen, verliert auch der Begriff des Dreiecks seine Bedeutung. Und desto mehr man sich dann diesem anbewegt, desto mehr man da drankommt an diese Unendlichkeit von dieser Gerade und das Dreieck immer mehr seine Bedeutung als Bild verliert, weil irgendwann sieht man das Dreieck ja gar nicht mehr, weil es so nah an dieser Gerade dran ist, verliert das sozusagen immer mehr seine Bedeutung.

Und die Vorstellung von dem, was Unendlichkeit eigentlich ist, erscheint so langsam, aber nicht wirklich am Horizont. Und das ist sozusagen diese Denkbewegung, die Cusanus damit anregen will, weil darum geht es eigentlich im Kern, dass sozusagen eine Denkbewegung stattfindet, die uns dieser Idee des Unendlichen, aber damit eben auch des Geistigen näherbringt. Und sozusagen das Alte absterben lassen, also das, was wir wissen über das Dreieck, stirbt langsam seinen Tod. Und hinter der Schwelle der Unendlichkeit, die wir aber in diesem Körper noch nicht wirklich übertreten können, erscheint ein ganz neuer Begriff, den wir uns dann öffnen in dem Moment. Also Tod und Auferstehung, so ein bisschen steckt da auch mit drin.

Tonmineral als Vermittler 00:20:35

Cusanus' Geisteshaltung 00:20:35

Ja, das ist so die Geisteshaltung, die Cusanus versucht, darüber zu vermitteln. Und ich finde, das geht sehr, sehr stark in die Richtung, was wir jetzt auch eben von Georg schon gehört haben, diese Art und Weise, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Also die Begrifflichkeiten, die man so kennt, loslassen zu können und gleichzeitig sich öffnen zu können für etwas Neues, was aber jenseits der polaren Welt steht. Jetzt gibt es noch einen anderen interessanten Aspekt, weil wir heute auch in die Geologie einsteigen wollen. Kalk und Kiesel und in der Mitte, da ist etwas anderes. Ja, und immer diese Frage, wenn wir denn Polaritäten haben, da muss es ja immer irgendetwas geben dazwischen, was vermittelt, weil sonst wird nichts passieren.

Ja, sonst kann ja kein Leben dazwischen stattfinden. Dann hat man da zwar die zwei Flöcke vom Zelt und irgendwie den Raum aufgespannt, aber beides bleibt erstarrt auf einer Seite. Also es braucht etwas dazwischen, was leben will. Und da finde ich jetzt dieses Bild von dem Dreieck sehr, sehr spannend. Ja, also wie gesagt, um noch mal so auf diesen Gedanken zu kommen, was passiert denn da, wenn jetzt Polaritäten sich auflösen oder wie kann denn jetzt etwas dazwischen stattfinden? Und da kommen wir auf das Tonmineral.

Tonmineral zwischen Mineralischem und Organischem 00:22:07

Wir haben ja im letzten Jahr schon mal so ein bisschen uns da herangetastet, was das Tonmineral denn jenseits seiner chemischen, kristallografischen Eigenschaften ist. Ja, wir haben versucht mal anzunähern, was es denn auch in seiner Wesenhaftigkeit eigentlich sein könnte. Welche Rolle spielt es in der Landschaft, im Boden, im Pflanzenleben, in der Mineralwelt und darüber hinaus aber eben auch als ein Vermittler zwischen Kräfte, Wirkungen in der Welt und im Boden. Und da kamen wir ja bis zu dem Punkt, dass wir gesagt haben, das Tonmineral steht sozusagen an der Schwelle zwischen dem mineralischen und dem organischen. Es ist beides, es ist weder das eine noch ganz, aber es bringt beides sozusagen zusammen.

Also es ist von sich aus ein Mineral, hat aber die Fähigkeit auch Organisches in sich zu tragen, bis hin in die Kristallstruktur hinein. Das ist etwas ganz Besonderes, das gibt es eigentlich sonst bei keinem anderen Mineral. Und das Tonmineral ist ja ein sogenanntes Schichtsilikat, also plattig, ausgerichtet. Das sieht man ja so schön hier am Schiefer. Wenn da Druck und Kraft drauf kommt, dann richten sich die Tonminerale alle entsprechend des Kräfte-Wirkungs-Outs aus und weil sie eben plattig sind, wird dann auch der Schiefer plattig. Ähnlich wie Glimmerminerale, die sieht man ja manchmal auch ein bisschen größer, wo man so richtig schön sehen kann, wie Glasscheiben liegen die aufeinander.

Ton und Unendlichkeit 00:23:48

Beim Ton sieht man es halt normal nicht so schön, weil die Minerale vom Ton sehr, sehr klein sind, also die Kristalle. Also der Ton hat insofern schon ein bisschen diese Geste in sich, die sich so weit es geht in die Unendlichkeit ausdehnen. Ein Gramm Ton hat eine Fläche, also eine Oberfläche von umgerechnet ungefähr 100 Quadratmetern in sich, also wie eine kleine Wohnung. Das hat wieder so ein bisschen dieses Gefühl, sich der Unendlichkeit annähern, also diese Vorstellung. So ein Mini-Tonpartikel birgt irgendwie die gesamte Wohnung in sich. Das ist wahnsinnig und da steckt diese Geste drin.

Der Ton sozusagen jetzt eben nicht nur ein Vermittler in der Mineralwelt und auch etwas, das dafür sorgt, dass die Pflanze im Boden die Nährstoffe aufnehmen können, dass überhaupt die Nährstoffe auch im Boden gespeichert werden, sondern eben auch nochmal auf einer anderen Ebene irgendwie da so zwischen diesen Welten stehend. Ganz in der Materie drin, aber auf der anderen Seite auch so etwas im Geistigen. So viel erstmal dazu. Cusanus, Nikolaus von Kues, seine Erkenntnisfilosophie, das Zusammenfallen der Polaritäten und der Tone.


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