Die Anfänge der biologisch-dynamischen Landwirtschaft - ein Videobeitrag von Dr. Michael Birnthaler: Unterschied zwischen den Versionen

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+++ Stand 10. Juni 2024: Es handelt sich um eine rein maschinelle Transkription, die noch von Hand überarbeitet werden muss +++
 
Ich freue mich, dass du heute wieder mit dabei bist in der Serie Rudolf Steiner und die Gemeinschaft. Und heute hören wir von der frappierenden Fügung, die es ermöglicht hatte, dass zu Beginns 1924 der Landwirtschaftliche Kurs stattgefunden hatte, trotz der verschiedenen misslungenen Versuche im Vorfeld und dieser Landwirtschaftliche Kurs ja dann auch die Geburtsstunde der Kulturoasenbewegung geworden ist. Schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatte Karl von Kaiserling den Impuls spezielle Orte zu schaffen.
 
Einer, der sich daran erinnerte, war Karl Lang. Er war damals ein junger Wandervogel und angehender Landwirt. Karl Lang erinnerte sich nun.
 
Schon 1918 bat er Karl von Kaiserling den Doktor. Er wolle Orte schaffen, wo Mensch und Tier und Pflanze frei vom Materialismus leben können. Da begann der Doktor mit ihm Kubowitz zu erlangen.
 
Mustergültig lebte er uns vor, wie man Frieden und tiefe Liebe auch in weiteren Kreisen gemeinsam lebender Menschen halten könne. Insofern kann behauptet werden, dass schon mit dem Ende des Ersten Weltkrieges der Impuls zur Gründung von Kulturoasen entstanden war. Vom Neffen Alexander von Kaiserling erfahren wir Wissenswertes über die Wurzeln dieses Kubowitzer Impulses.
 
Es war uns allen beim Einzug ins Schloss Kubowitz klar, dass die Zukunftsaussichten für den Ackerboden, die Nutzpflanzen und auch für Mensch und Tier durch die chemische Düngung immer düsterer werden mussten, auch wenn zu Anfang hohe Erträge über das wahre Ergebnis hinwegtäuschten. Durch die Vermehrung der Nematoden konnte man schon immer weniger Zuckerrüben anbauen. Und da gab es kein Mittel dagegen.
 
Als wir bei Stegemann sahen, wie gut Rudolf Steiner darüber Bescheid wusste, wollten wir mehr erfahren. Mit Onkel Karl war ich einige Male bei Stegemann und dort wurde besprochen, dass Rudolf Steiner gebeten werden soll, für die Landwirte eine Tagung abzuhalten. Stegemann arbeitete damals schon nach Rudolf Steiners Richtlinien, Präparate hatten sie aber noch nicht.
 
Ernst Stegemann war es dann auch, der zeitgleich mit Kubowitz begann, die Landwirtschaft umzustellen. 1920 wurde Rudolf Steiner von einem Anthroposophen und Landwirt auf dem Klostergut Marienstein bei Göttingen, Ernst Stegemann, nach der Entwicklung neuer Kulturpflanzen gefragt. Darauf hatte Rudolf Steiner Hinweise gegeben, wie sich aus Gräsern neue Getreidesorten ziehen lassen.
 
Damals schon verkündete Rudolf Steiner, dass mit Ablauf des Kali-Yuga alle unsere Kulturpflanzen sich erschöpfen würden. Stegemann stellte daraufhin seinen Hof um und soll 1922 mit entsprechenden Suchtversuchen begonnen haben. In den Sommermonaten von 1921 und 1922 wurden in Dornau sogar landwirtschaftliche Versuche zur Pflanzenzucht unter anderem mit Dünger aus Kuhhörnern durchgeführt.
 
Im Januar 1922 besuchte Rudolf Steiner dann zum ersten Mal Schloss Kubowitz. Im August 1922 wurde Steiner von zwei auf dem Kubowitz-Gut arbeitenden Anthroposophen Erhard Bartsch und Immanuel Vögele gebeten, einen Kurs zu halten. 1923 und im Frühjahr 1924 stellten Günter Wachsmuth, Mitglied des Vorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft und Ehrenfried Pfeiffer unter Steiners Aufsicht Horn-Dung-Präparate her.
 
Günter Wachsmuth schien damals sehr verwundert gewesen zu sein. So erinnere ich mich noch lebhaft jener starken ersten Verblüffung, als Rudolf Steiner den Rat gab, zum Beispiel Kuhhörner zu beschaffen, diese mit bestimmten Substanzen zu füllen, sie dann irgendwo in der Nähe in die Erde anzugraben und dort unter den Erdboden überwintern zu lassen. Natürlich stellten wir nach dem Abklingen des ersten Staunens gleich zahlreiche praktische Erfragen, zum Beispiel ob die einzelnen gefüllten Hörner oben abzudichten seien mit Leinen oder Wachs und so weiter, wie lang die Überwinterungsperiode dauern solle, wie tief einzugraben sei und so weiter.
 
Alle diese Fragen wurden sofort von ihm konkret beantwortet und genau beschrieben was zu tun und zu lassen sei. Wir beließen es darum bei den tierischen und pflanzlichen Stoffen und gingen nun sofort ans Werk, die seltsamen neuen Präparate herzustellen und unweites Glythanum in die Erde zu versenken. Auch ein mehr humoristisches Detail sei hier erwähnt.
 
Wir hatten nämlich beim Eingraben der Präparate in einer Wiese im ersten Eifer vergessen, die Stelle genau zu markieren, so dass wir diese im nächsten Frühjahr, als Rudolf Steiner persönlich zur Wiederausgrabung erschien, zunächst nicht finden konnten. Er hat dieses Erlebnis im Koberwitzer Kurs 1924 selbst erzählt. Freundlich lächelnd sah er unseren Graben und Suchen in Angst und Schweiß zu, denn wir wollten ihn ja unbedingt dabei haben, wenn die ersten Präparate den Erdboden verließen.
 
Als wir schon ein großes Stück verzweifelt umgegraben hatten und er bereits wieder das Auto besteigen wollte, stieß der Spaten glücklich auf die vergrabenen Hörner, die nun ans Tageslicht geholt und durch ihn genau untersucht wurden. Dann ordnete er an, Eimer mit Wasser bringen zu lassen, in die er die überwinterten Substanzen hineinschüttete und in Wirbelbewegung kräftig im Wasser zu verrühren begann. Landwirte in allen Ländern haben seither diesen recht anstrengenden Rührprozess alljährlich durchgeführt, doch war es ein ganz besonderes Erlebnis, dass hier der über 61-jährige Schöpfer dieser Methode zum ersten Mal mit kräftiger Hand und unermüdlich den Rührstecken in der Flüssigkeit rhythmisch hin und her bewegte und dadurch das erste Präparat der biologisch-dynamischen Landwirtschaftsmethode eigenständig herstellte.
 
Wir wechselten dann im Verrührungsprozess miteinander ab und er erklärte uns dabei eingehend, wie lange und in welcher Art das Mischen und Rühren durchzuführen sei. Er gab nun gleich auch die nächsten Richtlinien für die Herstellung anderer Präparate und weitere Versuche. Wie viele tausende von Präparaten mögen wohl heute auf allen Erdteilen seit jenem ersten am Glytheanum durchgeführten Versuch hergestellt und für die Landwirtschaft segensreich angewandt worden sein.
 
In Kobowitz wurde Rudolf Steiner dann gefragt, ob es einen Unterschied mache, wer die Präparate anrühren würde. Seine wundersame Antwort war Es spielte also eine Rolle, wer die Präparate rührt, auch mit welcher Einstellung es getan wird. Welche enorme Bedeutung die Präparate spielen würden, machte er auf eine andere Frage hin klar.
 
Nach den Versuchen mit den Präparaten in Dornach wurde die Bedeutung einer Erneuerung der Landwirtschaft als immer dringlicher erlebt. Endlich wurde dann der Plan geschwiedert, Rudolf Steiner mit Nachdruck um einen Kurs dafür anzufragen. Dieses Mal wurde aber der Jungspund Alexander von Kaiserling nach Dornach abgesandt.
 
Wie sich dies in Dornach dann zudruck, erfahren wir direkt aus erster Hand von Alexander von Kaiserling. In Dornach angekommen, ging ich gleich in die Schreinerei und fragte Frau Marie Steiner, Angeblich habe Alexander sogar damit gedroht, sich so lange vor Rudolf Steiners Türe zu setzen, bis er einen Termin habe. Da lächelte der Doktor, nahm sein Notizbuch heraus, blätterte darin herum und sagte dann, Richten Sie Ihrem Onkel aus, dass ich zu Pfingsten zu Ihnen kommen werde.
 
Sein Onkel, der Graf Karl von Kaiserling, hatte ihm wohl vor seiner Abreise nach Dornach angekündigt, dass er Alexander ohne genauen Termin nicht bei ihm in Kobowitz wieder zurückkehren dürfe. Aber eine halbe Stunde später hatten andere Besucher erstaunt beobachtet, wie der junge Graf erhobenen Hauptes und freudig erregt die Schreinerei wieder verließ. Von diesem verblüffenden Erfolg besonders berührt wurde Graf Lerchenfeld, der in Bayern einige große Güter besaß und in Dornach lebte.
 
Der Graf Lerchenfeld stand in Dornach in enger Verbindung mit Ehrenfried Pfeiffer, der im Auftrag Rudolf Steiners der ersten biologisch-dynamischen Präparate herstellte. Ihm selber war es nämlich bis dahin auch nicht gelungen, Rudolf Steiner zu einer Vortragsreise zu bewegen. Gegenüber seinem Freund und Kollegen Karl Lang äußerte er, dass zu diesem Zeitpunkt eine michaelische Kraft gewirkt habe, die den Osten Deutschlands auserkor, die Neugeburt der Landwirtschaft durch einen Kurs Rudolf Steiners vorzunehmen.
 
Zu diesem Zeitpunkt wusste aber noch niemand, dass es dann später nicht nur Vorträge, sondern ein ausgewachsener Seminarkurs werden würde, geschweige denn, dass mit diesem Kurs eine kleine Revolution erfolgen und eine vollständig neue Richtung der Landwirtschaft eingeläutet werden würde. Kaum hatte sich die Neuigkeit mit dem landwirtschaftlichen Kurs herumgesprochen, fingen die jungen studierten Landwirte fleißig an, Briefe an Rudolf Steiner mit Themenvorschlägen zu verfassen. Darunter waren Schreiben von Immanuel Vögele, Erhard Bartsch, Alma von Wistinghausen und Franz Dreitags.
 
Doch wie beim Jugendkurs im Oktober 1922 war es Rudolf Steiner wichtig, dass das Interesse im Vorfeld eine Zielgerichtetheit bekommt. Dem jungen Anthroposophen hatte er auf der Delegiertentagung im Februar 1923 und bei der Begründung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft die Grundprinzipien des umgekehrten Kulturs dargelegt, auch dass es am Anfang eine bohrende Frage benötige, eine Idee, die dann in den Spieltönen Idealismus umgewandelt werden könne. Entsprechend antwortete Rudolf Steiner auf die Briefe der jungen Singlemäß, bitte etwas genauer noch.
 
Schließlich rückte der landwirtschaftliche Kurs im Kobowitz näher. Am Tag zuvor, dem 5. Juni 1924, hatte Rudolf Steiner noch unangenehme Aufgaben in der Nacht zu erledigen. Beispielsweise war am Vormittag der Termin, an dem er den Betonsockel des ersten Götihams wegsprengen lassen musste.
 
Noch kurz vor der Abreise nach Kobowitz gelang es ihm aber auch, das Aquarell, die Urpflanze, fertigzustellen. Gegen Mittag machte sich Rudolf Steiner schließlich zusammen mit den Freunden und Vorstandskollegen Günther Wachsmuth und Elisabeth Frede auf den Weg nach Breslau. Als es Mitternacht war, stieg seine Gemahlin Marie Steiner, die gerade eine Orythmie-Tournee geleitete, in Bebra mit in den Zug.
 
Bei Sonnenaufgang zogen sie dann an der Wartburg vorbei. Auch Karl Lang war bei dieser Reise mit an Bord. Die Wartburg im Morgengrauen an sich vorbeiziehen zu lassen, gehörte auch mit zur Vorbereitung des kommenden Kurses.
 
Wirkte doch in dieser Gegend die Markgreifin Elisabeth von Thüringen, deren Lebensführung eine urchristliche war. Rudolf Steiner hatte ich nicht bemerkt, als er zu mir ans Fenster getreten war und mich mit den Worten ansprach. Wenn es weiter nach Osten geht, wird die Landschaft lebendiger.
 
Diese Worte Rudolf Steiners kann man verstehen, wenn man ihn seine Ausführungen über die Ätherstruktur Osteuropas Einsicht genommen hat. In diesem Gebiet ist ein Zusammenklingen des Licht mit dem chemischen Äther da, was sich segensreich auf alles Wachstum auswirkt. Endlich rollte ihr Zug dann am 6. Juni im Hauptbahnhof in Breslau ein.
 
Karl von Kaiserling und eine kleine Eskorte ließen sich nicht nehmen, die Ehrengäste dort persönlich abzuholen. Es dunkelte bereits, als ihre Limousine schließlich in der Einfahrt von Schloss Kobowitz vorfuhr. Eine kleine Gruppe von Freunden stand im Vestibül des Schlosses Kobowitz bereit, um die Gäste nach langer Reise festlich in Empfang zu nehmen.
 
Besonders aufgeregt war in diesem Augenblick natürlich die Gräfin von Kaiserling selbst. Seit sie wusste, dass Rudolsteiner Kobowitz besuchen würde, kam sie nicht mehr zur Ruhe. Fortan gab sie alles, um mit Fleiß und Tingabe das Gut Kobowitz schön herzurichten.
 
Sie ließ das Schloss schmücken, legte sogar Gärten an und einen blühenden Park mit einem eigenen See. Umso mehr freute sie sich also, Rudolsteiner wiederzusehen. Als Rudolsteiner aber aus dem Wagen ausstieg, erschrak sie fürchterlich, denn Rudolsteiner sah leider verändert und elend aus.
 
Eine am Griff seiner schweren Akttasche befestigte Tragschnur über die Schulter geworfen, schnitt tief in den dunklen Stoff des Mantels ein. Kurt von Wistinghausen, der jüngste des Aufgebots, wollte ihm die Tasche bei seiner Ankunft abnehmen. Rudolsteiner wehrte aber mit der Bemerkung ab.
 
Angewachsen, leider angewachsen. Rudolsteiner taute etwas auf, als Johanna von Kaiserling ihn, gut gelaunt, fragte. Ist es nicht schön bei uns geworden? Dabei blitzte bei ihm ein verstehendes Lachen in seinen Augen auf.
 
Aber auch Marie Steiner machte sich große Sorgen um ihren Gemahl, denn es hatte in den letzten Jahren mehrere Attentate auf ihn und sein Leben gegeben. Diese Angst steckte ihr noch in Mark und Bein. Seit 1922 verübten die Nazis mehrere Anschläge auf das Leben von Rudolsteiner, denen er bislang aber stets entkommen konnte.
 
Er stand noch immer unter den Top 10 der schwarzen Liste, zusammen mit den führenden Politikern, die den Attentaten bereits zum Opfer gefallen sind. Offenkundig war die Hetze gegen ihn auch in Schlesien weit verbreitet. Ihr steckte wohl auch deswegen noch der Schreck in den Gliedern, da sie beim letzten Besuch in Kobowitz von Aufständischen gehindert wurde, mit der Bahn abzureisen.
 
So war es ihre erste Tat, nach der Ankunft in Breslau Leibwächter zu organisieren und einen Wachdienst aufzustellen. Zu den Wächtern gehörten beispielsweise die Söhne von Johanna von Kaiserling, auch Alexander Kaiserling und die angereisten Freunde aus dem Mannervogel. Der junge Priester Rudolf von Koschützky wurde von ihr zum Kopf dieser Wächtergruppe bestellt.
 
Unter ihnen war auch Karl Lange, der am pädagogischen Jugendkurs teilnahm und sich sofort nach dem Brand des Götianums als Wächter anbot. Als Frau Lehmann, die Mitbewohnerin und Haushälterin in der Villa Ansee in Dornach erfuhr, dass er mitkäme, entfuhr ihr spontan. Gott sei Dank findet sich noch jemand Männliches, der mit Doktor Wachsmuth zusammen den Doktor nach Kobowitz begleitet.
 
Der Wachsmuth kann das ja gar nicht alleine, den Doktor mit dem dortigen Hexenkessel zu beschützen. Die Wächter lösten sich rund um die Uhr alle zwei Stunden ab. Eine von ihnen erklärte ganz lakonisch, wir hatten eine Pistole in der Tasche, schießen konnten wir ja alle.
 
Die Leibwächter waren auch gleich mit dabei, als am Samstagvormittag des 7. Juni die Scharen von Kursteilnehmern zum Eingang von Schloss Kobowitz strömten. Ursprünglich war es das Ansehen von Rudolf Steiner, für diese Tagung nur Fachleute zuzulassen. Doch kamen zu den etwa 60 Fachleuten den Landwirten noch einmal mindestens genauso viele fachfremde Interessierte und Gäste mit hinzu.
 
Als besonderen Service für die Gäste hatte man von Breslau nach Kobowitz mehrere Zugabteile vorreservieren lassen, da ab hier eine Schar Kursteilnehmer dazu stiegen. Gleichzeitig wurde aber auch der ganze Fuhrpark von Schloss Kobowitz für den Fahrdienst nach Breslau in Bewegung gesetzt. Die Chauffeure von Schloss Kobowitz, aber auch die Gärtner und Bediensteten der Familie Kaiserling waren samt und sonders in ihrer schmucken und einheitlichen Dienstkleidung erschienen.
 
An diesem Vormittag der Ankunft lag über dem Anwesen, über dem Schloss, dem Park und dem Blumengärten herrlicher Sonnenschein. Das einladende warme Pfingstwetter war ein hoffnungsvoller Auftakt für die sehnlich erwarteten kommenden zwölf Tage. Johanna Gräfin von Kaiserling wusste dementsprechend zu berichten.
 
Es war eine herzliche Freude, alle die Ankommenden mit frohen Gesichtern in unser Haus eintreten zu sehen, um diese bedeutsamen Tage mit uns zu verbringen. Überall war ein erwartungsvolles Kommen und Gehen. Am Portal selbst hatten sich Karl von Kaiserling und Rudolf Steiner postiert.
 
So wurde gleich am Anfang schon jeder Gast persönlich mit Handschlag von den beiden Gastgebern begrüßt. Zwischendurch rollten auch vornehme Wägen in den Hof mit den Ehrengästen, wie zum Beispiel Exzellenz Elisa von Moltke. Wir wollen uns stellvertretend mit zweien dieser Ankömmlinge etwas näher beschäftigen.
 
Der eine davon ist Rektor Moritz Bartsch, der Vater von Erhard Bartsch. Er war lehrer und feuriger Vertreter der Dreigliederungsbewegung. Seinem unermüdlichen Schaffen war es in erster Linie zu verdanken, dass die Anthroposophie sich in Schlesien und um Kobowitz herum stürmisch ausbreitete.
 
Aufgrund seiner angeborenen Bescheidenheit fragte er Rudolf Steiner, ob es überhaupt berechtigt sei, dass er ein Honorar erhalten dürfe, wenn er einen Vortrag halte. Dies brachte er seinerzeit einmal auch unverblümt Rudolf Steiner vor. Warum, fragte Rudolf Steiner.
 
Weil ich im Grunde genommen ihr Gedankengut zum Vortrag bringe, antwortete ich. Da lachte Dr. Steiner und sagte, nein, Herr Bartsch, so ist das nicht. Schauen Sie auf den Bauern.
 
Der hat auch nicht den Boden geschaffen, auf dem er pflügt und erntet. Die Früchte aber, die er mit Fleiß erarbeitet hat, kann er mit Recht als sein Eigentum betrachten. Ebenso ist es im Geistesleben.
 
Nicht jeder schöpft aus dem Ideengehalt der Welt. Was er sich aber durch fleißige Arbeit zu eigen macht, das kann er mit Recht als sein Eigentum ansehen. Danach machte sich Moritz Bartsch mit seinem Eifer auf die Socken und verbrachte das Kunststück, innerhalb von 22 Monaten 366 Vorträge über Anthroposophie und Dreigliederung in Schlesien zu halten.
 
Allein der Zweig in Breslau wuchs dadurch von ein paar Dutzend auf mehrere hundert Mitglieder an. Wie bescheiden Moritz Bartsch aber danach immer noch war, brachte eine kleine Episode zum Ausdruck. Rudolf Steinau wollte sich für meine anthroposophische Tätigkeit in Schlesien bedanken, als wir einmal allein beisammen saßen.
 
Aber Herr Doktor, unterbrach ich sein Wort, Sie wollen sich bei mir bedanken? Bitte sehen Sie mich einmal an. Ich bin nur einen Meter und 62 Zentimeter groß, bin als Junge barfuß über Wege und Stege gelaufen und auf die Bäume geklettert. Und jetzt habe ich die große Gnade, das Christentum im Zeitalter der Bewusstseinsseele in neuer Art den Menschen zu verkünden.
 
Dieses hohe Glück verdanke ich Ihnen, Herr Doktor. Da reichte er mir wortlos seine Hand, aber ich glaube beobachtet zu haben, dass seine Augen feucht geworden waren. Ein anderweitig ehrenwerter Ankömmling am 7. Juni 1924 war dann auch Wilhelm Rath.
 
Aber er soll seine Geschichte besser selbst erzählen. Ich sollte einen Brief an Rudolf Steiner überbringen. Dazu war es auf folgende Art gekommen.
 
In der Osterzeit des Jahres 1924 war ich von Berlin nach Stuttgart übergesiedelt, um das Sekretariat der Freien Anthroposophischen Gesellschaft zu übernehmen. Zu meinen Aufgaben gehörte es, die Jugendgruppen in Deutschland zu besuchen. Und so war es ganz selbstverständlich, nach Breslau zu fahren, wo in der Pfingstzeit neben dem Vortragszyklus für Mitglieder auch eine Jugendansprache Rudolf Steiners angekündigt war.
 
Es wurden daraus dann drei. Als ich unmittelbar vor der Abreise in Stuttgart zu Gast bei Walter Johannes Stein war und von der beabsichtigten Fahrt erzählte, übergab er mir ein großes Kuvert mit einem Brief, dick wie ein Buch, das mit mehreren Siegeln verschlossen war. Diesen Brief sollte ich Rudolf Steiner überbringen.
 
Als ich spätabends in Breslau ankam, erkundigte ich mich sofort, wo Dr. Steiner wohnt. Man sagte mir, in Koberwitz beim Grafen Kaiserling. Das war nur mit der Bahn zu erreichen.
 
Und ich beschloss, mit dem ersten Zug am anderen Morgen dorthin zu fahren. Als alle Gäste eingetreten waren, stand vor der Tür noch Dr. Wachswut. Ich fragte, ob hier Dr. Steiner wohne.
 
Er bejahte das und fügte im abweisenden Ton hinzu, aber das, was jetzt beginnt, ist nur für Landwirte. Im selben Augenblick sah ich Rudolf Steiner die Treppe herunterkommen, ging auf ihn zu und übergab ihm mit einem Gruß von Dr. Stein den dicken Brief. Herr Dr. Steiner nahm ihn in beide Hände, als wenn er ihn abwägen wollte und blickte mich dabei an, als erwartete er, dass ich noch etwas sage.
 
So fasste ich Mut zu fragen, ich sei nun einmal hierher gekommen und obwohl mir Dr. Wachswut schon gesagt hätte, dass der Vortrag nur für Landwirte sei, wollte ich doch fragen, ob ich daran teilnehmen dürfe, auch ohne Landwirt zu sein. Da blitzte es lustig in den Augen Rudolf Steiners und er rief, nun, wenn auch kein Landwirt, sagen wir einmal Landstreicher. Dann legte er seine Hand auf meine Schulter, führte mich so an Dr. Wachswut vorbei in den Raum und sagte dabei zu diesem, nicht wahr? Geben wir ihm eine Karte.
 
So saß ich unter den Landwirten, bekam meine Karte und die Möglichkeit, an allen Vorträgen des landwirtschaftlichen Kurses teilzunehmen. Tagtäglich fuhr dann Wilhelm Rath mit dem Zug von Breslau in der Früh nach Kubowitz und setzte sich brav in die letzte Reihe, um mit Spitzenohren alles genauestens zu verfolgen. Dass er einmal einer der wichtigsten Teilnehmer des Kurses werden sollte, werden wir später noch erfahren.
 
Im Laufe des Vormittags begaben sich die Gäste dann in das Obergeschoss des Schlosses, wo sich eine einladende und fürstliche Halle befand. Hier fieberten die wartenden Teilnehmer der Eröffnung der Tagung um halb zwölf Uhr entgegen. Ja, liebe Freunde, soweit die Geschichte für heute.
 
Und ich darf dich einladen für eine kleine Überraschung. Denn wir werden nicht erst nächsten Freitag fortsetzen mit der nächsten Folge, sondern schon jetzt am Sonntag. Denn es ist jetzt am Sonntag, an diesem Pfingstsonntag, genau ein Jubiläum.
 
Nämlich es sind dann hundert Jahre, seit in Kubowitz 1924 Rudolf Steiner am Pfingstsonntag diese legendäre, große, gewaltige Prophezeiung über die Kulturoasen geäußert hatte. So, eine kleine Überraschung, zu der werde ich einladen, wollen wir an diesem Sonntag, am Pfingstsonntag, exakt hundert Jahre nach der Kubowitzer Prophezeiung, auch am Pfingstsonntag um zwölf Uhr mittags, mit der nächsten Folge fortsetzen, zu der werde ich jetzt ganz, ganz herzlich einladen wollen, bis zum Pfingstsonntag um zwölf Uhr zur Kubowitzer Kulturoase. Prophezeiung.
 
Ich freue mich auf Dich.

Aktuelle Version vom 11. August 2024, 11:34 Uhr

+++ Stand 10. Juni 2024: Es handelt sich um eine rein maschinelle Transkription, die noch von Hand überarbeitet werden muss +++

Ich freue mich, dass du heute wieder mit dabei bist in der Serie Rudolf Steiner und die Gemeinschaft. Und heute hören wir von der frappierenden Fügung, die es ermöglicht hatte, dass zu Beginns 1924 der Landwirtschaftliche Kurs stattgefunden hatte, trotz der verschiedenen misslungenen Versuche im Vorfeld und dieser Landwirtschaftliche Kurs ja dann auch die Geburtsstunde der Kulturoasenbewegung geworden ist. Schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg hatte Karl von Kaiserling den Impuls spezielle Orte zu schaffen.

Einer, der sich daran erinnerte, war Karl Lang. Er war damals ein junger Wandervogel und angehender Landwirt. Karl Lang erinnerte sich nun.

Schon 1918 bat er Karl von Kaiserling den Doktor. Er wolle Orte schaffen, wo Mensch und Tier und Pflanze frei vom Materialismus leben können. Da begann der Doktor mit ihm Kubowitz zu erlangen.

Mustergültig lebte er uns vor, wie man Frieden und tiefe Liebe auch in weiteren Kreisen gemeinsam lebender Menschen halten könne. Insofern kann behauptet werden, dass schon mit dem Ende des Ersten Weltkrieges der Impuls zur Gründung von Kulturoasen entstanden war. Vom Neffen Alexander von Kaiserling erfahren wir Wissenswertes über die Wurzeln dieses Kubowitzer Impulses.

Es war uns allen beim Einzug ins Schloss Kubowitz klar, dass die Zukunftsaussichten für den Ackerboden, die Nutzpflanzen und auch für Mensch und Tier durch die chemische Düngung immer düsterer werden mussten, auch wenn zu Anfang hohe Erträge über das wahre Ergebnis hinwegtäuschten. Durch die Vermehrung der Nematoden konnte man schon immer weniger Zuckerrüben anbauen. Und da gab es kein Mittel dagegen.

Als wir bei Stegemann sahen, wie gut Rudolf Steiner darüber Bescheid wusste, wollten wir mehr erfahren. Mit Onkel Karl war ich einige Male bei Stegemann und dort wurde besprochen, dass Rudolf Steiner gebeten werden soll, für die Landwirte eine Tagung abzuhalten. Stegemann arbeitete damals schon nach Rudolf Steiners Richtlinien, Präparate hatten sie aber noch nicht.

Ernst Stegemann war es dann auch, der zeitgleich mit Kubowitz begann, die Landwirtschaft umzustellen. 1920 wurde Rudolf Steiner von einem Anthroposophen und Landwirt auf dem Klostergut Marienstein bei Göttingen, Ernst Stegemann, nach der Entwicklung neuer Kulturpflanzen gefragt. Darauf hatte Rudolf Steiner Hinweise gegeben, wie sich aus Gräsern neue Getreidesorten ziehen lassen.

Damals schon verkündete Rudolf Steiner, dass mit Ablauf des Kali-Yuga alle unsere Kulturpflanzen sich erschöpfen würden. Stegemann stellte daraufhin seinen Hof um und soll 1922 mit entsprechenden Suchtversuchen begonnen haben. In den Sommermonaten von 1921 und 1922 wurden in Dornau sogar landwirtschaftliche Versuche zur Pflanzenzucht unter anderem mit Dünger aus Kuhhörnern durchgeführt.

Im Januar 1922 besuchte Rudolf Steiner dann zum ersten Mal Schloss Kubowitz. Im August 1922 wurde Steiner von zwei auf dem Kubowitz-Gut arbeitenden Anthroposophen Erhard Bartsch und Immanuel Vögele gebeten, einen Kurs zu halten. 1923 und im Frühjahr 1924 stellten Günter Wachsmuth, Mitglied des Vorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft und Ehrenfried Pfeiffer unter Steiners Aufsicht Horn-Dung-Präparate her.

Günter Wachsmuth schien damals sehr verwundert gewesen zu sein. So erinnere ich mich noch lebhaft jener starken ersten Verblüffung, als Rudolf Steiner den Rat gab, zum Beispiel Kuhhörner zu beschaffen, diese mit bestimmten Substanzen zu füllen, sie dann irgendwo in der Nähe in die Erde anzugraben und dort unter den Erdboden überwintern zu lassen. Natürlich stellten wir nach dem Abklingen des ersten Staunens gleich zahlreiche praktische Erfragen, zum Beispiel ob die einzelnen gefüllten Hörner oben abzudichten seien mit Leinen oder Wachs und so weiter, wie lang die Überwinterungsperiode dauern solle, wie tief einzugraben sei und so weiter.

Alle diese Fragen wurden sofort von ihm konkret beantwortet und genau beschrieben was zu tun und zu lassen sei. Wir beließen es darum bei den tierischen und pflanzlichen Stoffen und gingen nun sofort ans Werk, die seltsamen neuen Präparate herzustellen und unweites Glythanum in die Erde zu versenken. Auch ein mehr humoristisches Detail sei hier erwähnt.

Wir hatten nämlich beim Eingraben der Präparate in einer Wiese im ersten Eifer vergessen, die Stelle genau zu markieren, so dass wir diese im nächsten Frühjahr, als Rudolf Steiner persönlich zur Wiederausgrabung erschien, zunächst nicht finden konnten. Er hat dieses Erlebnis im Koberwitzer Kurs 1924 selbst erzählt. Freundlich lächelnd sah er unseren Graben und Suchen in Angst und Schweiß zu, denn wir wollten ihn ja unbedingt dabei haben, wenn die ersten Präparate den Erdboden verließen.

Als wir schon ein großes Stück verzweifelt umgegraben hatten und er bereits wieder das Auto besteigen wollte, stieß der Spaten glücklich auf die vergrabenen Hörner, die nun ans Tageslicht geholt und durch ihn genau untersucht wurden. Dann ordnete er an, Eimer mit Wasser bringen zu lassen, in die er die überwinterten Substanzen hineinschüttete und in Wirbelbewegung kräftig im Wasser zu verrühren begann. Landwirte in allen Ländern haben seither diesen recht anstrengenden Rührprozess alljährlich durchgeführt, doch war es ein ganz besonderes Erlebnis, dass hier der über 61-jährige Schöpfer dieser Methode zum ersten Mal mit kräftiger Hand und unermüdlich den Rührstecken in der Flüssigkeit rhythmisch hin und her bewegte und dadurch das erste Präparat der biologisch-dynamischen Landwirtschaftsmethode eigenständig herstellte.

Wir wechselten dann im Verrührungsprozess miteinander ab und er erklärte uns dabei eingehend, wie lange und in welcher Art das Mischen und Rühren durchzuführen sei. Er gab nun gleich auch die nächsten Richtlinien für die Herstellung anderer Präparate und weitere Versuche. Wie viele tausende von Präparaten mögen wohl heute auf allen Erdteilen seit jenem ersten am Glytheanum durchgeführten Versuch hergestellt und für die Landwirtschaft segensreich angewandt worden sein.

In Kobowitz wurde Rudolf Steiner dann gefragt, ob es einen Unterschied mache, wer die Präparate anrühren würde. Seine wundersame Antwort war Es spielte also eine Rolle, wer die Präparate rührt, auch mit welcher Einstellung es getan wird. Welche enorme Bedeutung die Präparate spielen würden, machte er auf eine andere Frage hin klar.

Nach den Versuchen mit den Präparaten in Dornach wurde die Bedeutung einer Erneuerung der Landwirtschaft als immer dringlicher erlebt. Endlich wurde dann der Plan geschwiedert, Rudolf Steiner mit Nachdruck um einen Kurs dafür anzufragen. Dieses Mal wurde aber der Jungspund Alexander von Kaiserling nach Dornach abgesandt.

Wie sich dies in Dornach dann zudruck, erfahren wir direkt aus erster Hand von Alexander von Kaiserling. In Dornach angekommen, ging ich gleich in die Schreinerei und fragte Frau Marie Steiner, Angeblich habe Alexander sogar damit gedroht, sich so lange vor Rudolf Steiners Türe zu setzen, bis er einen Termin habe. Da lächelte der Doktor, nahm sein Notizbuch heraus, blätterte darin herum und sagte dann, Richten Sie Ihrem Onkel aus, dass ich zu Pfingsten zu Ihnen kommen werde.

Sein Onkel, der Graf Karl von Kaiserling, hatte ihm wohl vor seiner Abreise nach Dornach angekündigt, dass er Alexander ohne genauen Termin nicht bei ihm in Kobowitz wieder zurückkehren dürfe. Aber eine halbe Stunde später hatten andere Besucher erstaunt beobachtet, wie der junge Graf erhobenen Hauptes und freudig erregt die Schreinerei wieder verließ. Von diesem verblüffenden Erfolg besonders berührt wurde Graf Lerchenfeld, der in Bayern einige große Güter besaß und in Dornach lebte.

Der Graf Lerchenfeld stand in Dornach in enger Verbindung mit Ehrenfried Pfeiffer, der im Auftrag Rudolf Steiners der ersten biologisch-dynamischen Präparate herstellte. Ihm selber war es nämlich bis dahin auch nicht gelungen, Rudolf Steiner zu einer Vortragsreise zu bewegen. Gegenüber seinem Freund und Kollegen Karl Lang äußerte er, dass zu diesem Zeitpunkt eine michaelische Kraft gewirkt habe, die den Osten Deutschlands auserkor, die Neugeburt der Landwirtschaft durch einen Kurs Rudolf Steiners vorzunehmen.

Zu diesem Zeitpunkt wusste aber noch niemand, dass es dann später nicht nur Vorträge, sondern ein ausgewachsener Seminarkurs werden würde, geschweige denn, dass mit diesem Kurs eine kleine Revolution erfolgen und eine vollständig neue Richtung der Landwirtschaft eingeläutet werden würde. Kaum hatte sich die Neuigkeit mit dem landwirtschaftlichen Kurs herumgesprochen, fingen die jungen studierten Landwirte fleißig an, Briefe an Rudolf Steiner mit Themenvorschlägen zu verfassen. Darunter waren Schreiben von Immanuel Vögele, Erhard Bartsch, Alma von Wistinghausen und Franz Dreitags.

Doch wie beim Jugendkurs im Oktober 1922 war es Rudolf Steiner wichtig, dass das Interesse im Vorfeld eine Zielgerichtetheit bekommt. Dem jungen Anthroposophen hatte er auf der Delegiertentagung im Februar 1923 und bei der Begründung der Freien Anthroposophischen Gesellschaft die Grundprinzipien des umgekehrten Kulturs dargelegt, auch dass es am Anfang eine bohrende Frage benötige, eine Idee, die dann in den Spieltönen Idealismus umgewandelt werden könne. Entsprechend antwortete Rudolf Steiner auf die Briefe der jungen Singlemäß, bitte etwas genauer noch.

Schließlich rückte der landwirtschaftliche Kurs im Kobowitz näher. Am Tag zuvor, dem 5. Juni 1924, hatte Rudolf Steiner noch unangenehme Aufgaben in der Nacht zu erledigen. Beispielsweise war am Vormittag der Termin, an dem er den Betonsockel des ersten Götihams wegsprengen lassen musste.

Noch kurz vor der Abreise nach Kobowitz gelang es ihm aber auch, das Aquarell, die Urpflanze, fertigzustellen. Gegen Mittag machte sich Rudolf Steiner schließlich zusammen mit den Freunden und Vorstandskollegen Günther Wachsmuth und Elisabeth Frede auf den Weg nach Breslau. Als es Mitternacht war, stieg seine Gemahlin Marie Steiner, die gerade eine Orythmie-Tournee geleitete, in Bebra mit in den Zug.

Bei Sonnenaufgang zogen sie dann an der Wartburg vorbei. Auch Karl Lang war bei dieser Reise mit an Bord. Die Wartburg im Morgengrauen an sich vorbeiziehen zu lassen, gehörte auch mit zur Vorbereitung des kommenden Kurses.

Wirkte doch in dieser Gegend die Markgreifin Elisabeth von Thüringen, deren Lebensführung eine urchristliche war. Rudolf Steiner hatte ich nicht bemerkt, als er zu mir ans Fenster getreten war und mich mit den Worten ansprach. Wenn es weiter nach Osten geht, wird die Landschaft lebendiger.

Diese Worte Rudolf Steiners kann man verstehen, wenn man ihn seine Ausführungen über die Ätherstruktur Osteuropas Einsicht genommen hat. In diesem Gebiet ist ein Zusammenklingen des Licht mit dem chemischen Äther da, was sich segensreich auf alles Wachstum auswirkt. Endlich rollte ihr Zug dann am 6. Juni im Hauptbahnhof in Breslau ein.

Karl von Kaiserling und eine kleine Eskorte ließen sich nicht nehmen, die Ehrengäste dort persönlich abzuholen. Es dunkelte bereits, als ihre Limousine schließlich in der Einfahrt von Schloss Kobowitz vorfuhr. Eine kleine Gruppe von Freunden stand im Vestibül des Schlosses Kobowitz bereit, um die Gäste nach langer Reise festlich in Empfang zu nehmen.

Besonders aufgeregt war in diesem Augenblick natürlich die Gräfin von Kaiserling selbst. Seit sie wusste, dass Rudolsteiner Kobowitz besuchen würde, kam sie nicht mehr zur Ruhe. Fortan gab sie alles, um mit Fleiß und Tingabe das Gut Kobowitz schön herzurichten.

Sie ließ das Schloss schmücken, legte sogar Gärten an und einen blühenden Park mit einem eigenen See. Umso mehr freute sie sich also, Rudolsteiner wiederzusehen. Als Rudolsteiner aber aus dem Wagen ausstieg, erschrak sie fürchterlich, denn Rudolsteiner sah leider verändert und elend aus.

Eine am Griff seiner schweren Akttasche befestigte Tragschnur über die Schulter geworfen, schnitt tief in den dunklen Stoff des Mantels ein. Kurt von Wistinghausen, der jüngste des Aufgebots, wollte ihm die Tasche bei seiner Ankunft abnehmen. Rudolsteiner wehrte aber mit der Bemerkung ab.

Angewachsen, leider angewachsen. Rudolsteiner taute etwas auf, als Johanna von Kaiserling ihn, gut gelaunt, fragte. Ist es nicht schön bei uns geworden? Dabei blitzte bei ihm ein verstehendes Lachen in seinen Augen auf.

Aber auch Marie Steiner machte sich große Sorgen um ihren Gemahl, denn es hatte in den letzten Jahren mehrere Attentate auf ihn und sein Leben gegeben. Diese Angst steckte ihr noch in Mark und Bein. Seit 1922 verübten die Nazis mehrere Anschläge auf das Leben von Rudolsteiner, denen er bislang aber stets entkommen konnte.

Er stand noch immer unter den Top 10 der schwarzen Liste, zusammen mit den führenden Politikern, die den Attentaten bereits zum Opfer gefallen sind. Offenkundig war die Hetze gegen ihn auch in Schlesien weit verbreitet. Ihr steckte wohl auch deswegen noch der Schreck in den Gliedern, da sie beim letzten Besuch in Kobowitz von Aufständischen gehindert wurde, mit der Bahn abzureisen.

So war es ihre erste Tat, nach der Ankunft in Breslau Leibwächter zu organisieren und einen Wachdienst aufzustellen. Zu den Wächtern gehörten beispielsweise die Söhne von Johanna von Kaiserling, auch Alexander Kaiserling und die angereisten Freunde aus dem Mannervogel. Der junge Priester Rudolf von Koschützky wurde von ihr zum Kopf dieser Wächtergruppe bestellt.

Unter ihnen war auch Karl Lange, der am pädagogischen Jugendkurs teilnahm und sich sofort nach dem Brand des Götianums als Wächter anbot. Als Frau Lehmann, die Mitbewohnerin und Haushälterin in der Villa Ansee in Dornach erfuhr, dass er mitkäme, entfuhr ihr spontan. Gott sei Dank findet sich noch jemand Männliches, der mit Doktor Wachsmuth zusammen den Doktor nach Kobowitz begleitet.

Der Wachsmuth kann das ja gar nicht alleine, den Doktor mit dem dortigen Hexenkessel zu beschützen. Die Wächter lösten sich rund um die Uhr alle zwei Stunden ab. Eine von ihnen erklärte ganz lakonisch, wir hatten eine Pistole in der Tasche, schießen konnten wir ja alle.

Die Leibwächter waren auch gleich mit dabei, als am Samstagvormittag des 7. Juni die Scharen von Kursteilnehmern zum Eingang von Schloss Kobowitz strömten. Ursprünglich war es das Ansehen von Rudolf Steiner, für diese Tagung nur Fachleute zuzulassen. Doch kamen zu den etwa 60 Fachleuten den Landwirten noch einmal mindestens genauso viele fachfremde Interessierte und Gäste mit hinzu.

Als besonderen Service für die Gäste hatte man von Breslau nach Kobowitz mehrere Zugabteile vorreservieren lassen, da ab hier eine Schar Kursteilnehmer dazu stiegen. Gleichzeitig wurde aber auch der ganze Fuhrpark von Schloss Kobowitz für den Fahrdienst nach Breslau in Bewegung gesetzt. Die Chauffeure von Schloss Kobowitz, aber auch die Gärtner und Bediensteten der Familie Kaiserling waren samt und sonders in ihrer schmucken und einheitlichen Dienstkleidung erschienen.

An diesem Vormittag der Ankunft lag über dem Anwesen, über dem Schloss, dem Park und dem Blumengärten herrlicher Sonnenschein. Das einladende warme Pfingstwetter war ein hoffnungsvoller Auftakt für die sehnlich erwarteten kommenden zwölf Tage. Johanna Gräfin von Kaiserling wusste dementsprechend zu berichten.

Es war eine herzliche Freude, alle die Ankommenden mit frohen Gesichtern in unser Haus eintreten zu sehen, um diese bedeutsamen Tage mit uns zu verbringen. Überall war ein erwartungsvolles Kommen und Gehen. Am Portal selbst hatten sich Karl von Kaiserling und Rudolf Steiner postiert.

So wurde gleich am Anfang schon jeder Gast persönlich mit Handschlag von den beiden Gastgebern begrüßt. Zwischendurch rollten auch vornehme Wägen in den Hof mit den Ehrengästen, wie zum Beispiel Exzellenz Elisa von Moltke. Wir wollen uns stellvertretend mit zweien dieser Ankömmlinge etwas näher beschäftigen.

Der eine davon ist Rektor Moritz Bartsch, der Vater von Erhard Bartsch. Er war lehrer und feuriger Vertreter der Dreigliederungsbewegung. Seinem unermüdlichen Schaffen war es in erster Linie zu verdanken, dass die Anthroposophie sich in Schlesien und um Kobowitz herum stürmisch ausbreitete.

Aufgrund seiner angeborenen Bescheidenheit fragte er Rudolf Steiner, ob es überhaupt berechtigt sei, dass er ein Honorar erhalten dürfe, wenn er einen Vortrag halte. Dies brachte er seinerzeit einmal auch unverblümt Rudolf Steiner vor. Warum, fragte Rudolf Steiner.

Weil ich im Grunde genommen ihr Gedankengut zum Vortrag bringe, antwortete ich. Da lachte Dr. Steiner und sagte, nein, Herr Bartsch, so ist das nicht. Schauen Sie auf den Bauern.

Der hat auch nicht den Boden geschaffen, auf dem er pflügt und erntet. Die Früchte aber, die er mit Fleiß erarbeitet hat, kann er mit Recht als sein Eigentum betrachten. Ebenso ist es im Geistesleben.

Nicht jeder schöpft aus dem Ideengehalt der Welt. Was er sich aber durch fleißige Arbeit zu eigen macht, das kann er mit Recht als sein Eigentum ansehen. Danach machte sich Moritz Bartsch mit seinem Eifer auf die Socken und verbrachte das Kunststück, innerhalb von 22 Monaten 366 Vorträge über Anthroposophie und Dreigliederung in Schlesien zu halten.

Allein der Zweig in Breslau wuchs dadurch von ein paar Dutzend auf mehrere hundert Mitglieder an. Wie bescheiden Moritz Bartsch aber danach immer noch war, brachte eine kleine Episode zum Ausdruck. Rudolf Steinau wollte sich für meine anthroposophische Tätigkeit in Schlesien bedanken, als wir einmal allein beisammen saßen.

Aber Herr Doktor, unterbrach ich sein Wort, Sie wollen sich bei mir bedanken? Bitte sehen Sie mich einmal an. Ich bin nur einen Meter und 62 Zentimeter groß, bin als Junge barfuß über Wege und Stege gelaufen und auf die Bäume geklettert. Und jetzt habe ich die große Gnade, das Christentum im Zeitalter der Bewusstseinsseele in neuer Art den Menschen zu verkünden.

Dieses hohe Glück verdanke ich Ihnen, Herr Doktor. Da reichte er mir wortlos seine Hand, aber ich glaube beobachtet zu haben, dass seine Augen feucht geworden waren. Ein anderweitig ehrenwerter Ankömmling am 7. Juni 1924 war dann auch Wilhelm Rath.

Aber er soll seine Geschichte besser selbst erzählen. Ich sollte einen Brief an Rudolf Steiner überbringen. Dazu war es auf folgende Art gekommen.

In der Osterzeit des Jahres 1924 war ich von Berlin nach Stuttgart übergesiedelt, um das Sekretariat der Freien Anthroposophischen Gesellschaft zu übernehmen. Zu meinen Aufgaben gehörte es, die Jugendgruppen in Deutschland zu besuchen. Und so war es ganz selbstverständlich, nach Breslau zu fahren, wo in der Pfingstzeit neben dem Vortragszyklus für Mitglieder auch eine Jugendansprache Rudolf Steiners angekündigt war.

Es wurden daraus dann drei. Als ich unmittelbar vor der Abreise in Stuttgart zu Gast bei Walter Johannes Stein war und von der beabsichtigten Fahrt erzählte, übergab er mir ein großes Kuvert mit einem Brief, dick wie ein Buch, das mit mehreren Siegeln verschlossen war. Diesen Brief sollte ich Rudolf Steiner überbringen.

Als ich spätabends in Breslau ankam, erkundigte ich mich sofort, wo Dr. Steiner wohnt. Man sagte mir, in Koberwitz beim Grafen Kaiserling. Das war nur mit der Bahn zu erreichen.

Und ich beschloss, mit dem ersten Zug am anderen Morgen dorthin zu fahren. Als alle Gäste eingetreten waren, stand vor der Tür noch Dr. Wachswut. Ich fragte, ob hier Dr. Steiner wohne.

Er bejahte das und fügte im abweisenden Ton hinzu, aber das, was jetzt beginnt, ist nur für Landwirte. Im selben Augenblick sah ich Rudolf Steiner die Treppe herunterkommen, ging auf ihn zu und übergab ihm mit einem Gruß von Dr. Stein den dicken Brief. Herr Dr. Steiner nahm ihn in beide Hände, als wenn er ihn abwägen wollte und blickte mich dabei an, als erwartete er, dass ich noch etwas sage.

So fasste ich Mut zu fragen, ich sei nun einmal hierher gekommen und obwohl mir Dr. Wachswut schon gesagt hätte, dass der Vortrag nur für Landwirte sei, wollte ich doch fragen, ob ich daran teilnehmen dürfe, auch ohne Landwirt zu sein. Da blitzte es lustig in den Augen Rudolf Steiners und er rief, nun, wenn auch kein Landwirt, sagen wir einmal Landstreicher. Dann legte er seine Hand auf meine Schulter, führte mich so an Dr. Wachswut vorbei in den Raum und sagte dabei zu diesem, nicht wahr? Geben wir ihm eine Karte.

So saß ich unter den Landwirten, bekam meine Karte und die Möglichkeit, an allen Vorträgen des landwirtschaftlichen Kurses teilzunehmen. Tagtäglich fuhr dann Wilhelm Rath mit dem Zug von Breslau in der Früh nach Kubowitz und setzte sich brav in die letzte Reihe, um mit Spitzenohren alles genauestens zu verfolgen. Dass er einmal einer der wichtigsten Teilnehmer des Kurses werden sollte, werden wir später noch erfahren.

Im Laufe des Vormittags begaben sich die Gäste dann in das Obergeschoss des Schlosses, wo sich eine einladende und fürstliche Halle befand. Hier fieberten die wartenden Teilnehmer der Eröffnung der Tagung um halb zwölf Uhr entgegen. Ja, liebe Freunde, soweit die Geschichte für heute.

Und ich darf dich einladen für eine kleine Überraschung. Denn wir werden nicht erst nächsten Freitag fortsetzen mit der nächsten Folge, sondern schon jetzt am Sonntag. Denn es ist jetzt am Sonntag, an diesem Pfingstsonntag, genau ein Jubiläum.

Nämlich es sind dann hundert Jahre, seit in Kubowitz 1924 Rudolf Steiner am Pfingstsonntag diese legendäre, große, gewaltige Prophezeiung über die Kulturoasen geäußert hatte. So, eine kleine Überraschung, zu der werde ich einladen, wollen wir an diesem Sonntag, am Pfingstsonntag, exakt hundert Jahre nach der Kubowitzer Prophezeiung, auch am Pfingstsonntag um zwölf Uhr mittags, mit der nächsten Folge fortsetzen, zu der werde ich jetzt ganz, ganz herzlich einladen wollen, bis zum Pfingstsonntag um zwölf Uhr zur Kubowitzer Kulturoase. Prophezeiung.

Ich freue mich auf Dich.