Stefan - Menschen in der Landwirtschaft, 2021

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Die Auszubildende Therese im 2. Lehrjahr, Interview am Dottenfelderhof am 31. Januar 2021

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Transkription vom Interview am 28. Januar 2021 am Dottenfelderhof

Einleitung

Ich bin Stephan, bin jetzt 39 Jahre alt und ich mache seit März letzten Jahres die Ausbildung im biologisch-dynamischen Landbau. Also ich bin jetzt am Ende meines ersten Lehrjahres. Ich bin im Moment in der Gärtnerei der Lebensgemeinschaft Bingenheim.

Das ist insofern eine besondere Gärtnerei, weil wir dort auch mit Menschen zusammenarbeiten, die woanders erstmal keinen Platz finden würden und dort versuchen wir zusammen mit ihnen eine Umgebung zu schaffen, in der sie auch gärtnerisch tätig sein können. Also ich kannte die Lebensgemeinschaft Bingenheim schon längere Zeit, weil ich auch hier aus der Region stamme. Ich bin hier aufgewachsen in der Gegend und die Lebensgemeinschaft war mir schon lange Zeit ein Begriff.

Beruflicher Werdegang

Ich war längere Zeit weg, habe im Ausland gelebt und bin dann jetzt vor bald zwei Jahren wieder nach Deutschland zurückgekommen und hatte einfach den Gedanken, die Idee, mich in dieser Lebensgemeinschaft einzubringen. Natürlich, und das war da schon ganz stark, mit dem Wunsch in der Gärtnerei mitzuarbeiten. Der Weg hin zu der Ausbildung war für mich schon sehr durchwachsener.

Also ich habe vorher, bevor ich die Ausbildung angefangen habe, sehr viele verschiedene und andere Dinge getan. Ich habe nach der Schule erstmal einen Zivildienst gemacht in einer Psychiatrie, danach eine kaufmännische Ausbildung als Großhandelskaufmann in einer Firma, die Eierverpackungen verkauft. Das war vielleicht so meine erste halbwegs Verbindung mit der Landwirtschaft und habe mich dann nach der Ausbildung dafür entschieden, noch einmal die Schulbank zu drücken und zwar mit einem Studium der Geografie.

Verbindung zur Natur

Das ist vielleicht auch so ein bisschen der rote Faden, der sich bei mir so durchzieht, bei all dem Geschlängele, so ein Hang zur Natur. Also ich war schon immer gerne viel draußen. Wir hatten auch immer einen großen Garten zu Hause, wo ich aufgewachsen bin, mit dem Feld und Landwirtschaft direkt dahinter.

Also ich habe immer den Bauern beobachtet, oft bei Mitgefahren, beim Pflügen und Eggen, also so diesen gesamten landwirtschaftlichen Zyklus auch mitbekommen. Ich bin aber selber nie auf die Idee gekommen, selber in die Landwirtschaft oder ins Gärtnerische einzusteigen. Ich habe dann hier und da mal mitgeholfen im Garten, aber das war es dann eigentlich auch.

Geografiestudium und Auslandserfahrung

Ich habe dann aber eben Geografie studiert und ganz klar mit dem Hintergrund, dass ich wusste, ich will beruflich gerne irgendwie viel mit Natur zu tun haben. Das Studium habe ich dann auch abgeschlossen. Das war jetzt vor, auch schon wieder zehn Jahre her, über zehn Jahre her.

Ich habe dann auch lange Zeit in dem Bereich gearbeitet. Also ich habe mich, ich habe dann so ein bisschen einen Schwerpunkt entwickelt mit Kartografie. Das nennt man neudeutsch geografische Informationssysteme.

So einer der inzwischen, einer der größeren Bereiche, wo Geografen Arbeit finden. Die finden ja sonst immer nur schwer Arbeit. Und hatte dann da auch das Glück, eine interessante Tätigkeit im Ausland zu finden und zwar in Laos in der Entwicklungszusammenarbeit.

Da war ich in einem Projekt für ländliche Entwicklung, in dem es vor allem darum ging, die Behörden und die laotische Regierung ein bisschen dabei zu unterstützen, eine sogenannte Landnutzungsplanung, aber auch ein Landkataster wieder aufzubauen. Also eben schon so ein bisschen im Hinblick auch auf eine nachhaltige Landnutzung. Und das habe ich durch die Kartografie unterstützt.

Rückkehr zur Gärtnerei

Ja und das war auch in Laos, war das dann so die Zeit, wo ich durch verschiedene Ereignisse, unter anderem einem Besuch einer alternativen ökologischen Gemeinschaft in Thailand, also ist ja ein Nachbarland von Laos, zum ersten Mal wieder das Gefühl hatte, ich will mehr mit Erde zu tun haben. Ich will wieder mehr draußen sein, weil ja, weil ich auch beruflich einfach sehr, sehr viel vor dem Computer saß. Und das hat dann da so ein bisschen angefangen, dass ich auch in Laos wieder plötzlich draußen im Garten war.

Wir hatten da zum Glück einen, also in der Wohngemeinschaft, in der ich da gelebt habe und Beete gemacht habe, ein bisschen was angepflanzt, das wenige was ging, weil es ein sehr beschatteter Garten war mit vielen großen Bäumen, wie sie eben so in tropischen Regionen wachsen. Und das nahm dann seinen Lauf mit dem Umzug nach Thailand, wo ich dann auch wieder durch interessante Umstände die Gelegenheit bekommen hatte, auf einem kleinen Land gärtnerisch tätig zu sein. Auch bei einer sehr netten Familie, die uns dann da auch aufgenommen hatte, bei der wir wohnen konnten.

Und da habe ich dann angefangen mit einer Gemüsegärtnerei, aber auch ein bisschen Zitronengras und Zitronelle anbauen für die Herstellung ätherischer Öle. Die habe ich dann selber destilliert und teilweise auf dem Markt verkauft, teilweise verschenkt und auch kleine Produkte daraus gemacht, zusammen mit meiner Frau. Seifen, Hautöle, Balsam.

Begegnung mit der Anthroposophie

Und in Thailand hat es dann auch angefangen, dass ich mich zum ersten Mal mit dem biologisch-dynamischen Ansatz auseinandergesetzt hatte. Das war auch wieder so eine Geschichte. Eigentlich hatte so ein bisschen seine Wurzeln im Geografiestudium, was ja im Prinzip ein Studium der Erde ist.

Es geht ja in Geografie eigentlich darum, ein ganzheitliches Verständnis von der Erde zu bekommen, mit allem, was dazugehört. Also der Natursphäre, aber eben auch der Menschensphäre. Das Studium war unheimlich interessant und ich finde nach wie vor, das ist wahrscheinlich einer der interessantesten Studiengänge überhaupt, die es im Moment so in der deutschen Universitätenlandschaft gibt.

Aber trotzdem hat mir immer etwas Bestimmtes gefehlt, und zwar so eine Art geistiger Zugang zu Landschaft und zu der Erde, den ich da im Studium nicht gefunden hatte. Später habe ich versucht, solche Ansätze zu finden, ob es die irgendwo anders gibt, und bin dann ziemlich schnell in Asien auf das Feng Shui gestoßen, was ja im Prinzip so eine Art spirituelle Geografie ist. Also eine Untersuchung der Landschaft auf einer feinstofflichen, geistigen, energetischen Ebene.

Und habe dann darüber entdeckt, dass es in Europa auch eigentlich etwas Vergleichbares gibt, nämlich die moderne Geomantie. Und habe dann auch einen Kurs dazu besucht in Deutschland, der auch sehr spannend war und sehr interessant. Und mir zum ersten Mal auch in einer Gruppe mit anderen Menschen so einen etwas feinstofflicheren Zugang zu Landschaft und damit eben auch zur Erde eröffnet hat.

Und interessanterweise hatten wir dann am Ende des Kurses so eine kleine Literaturliste bekommen, auf der eben unter anderem auch immer wieder Rudolf Steiner vorkam. Und da sind bei mir so ein bisschen in der Art die Schuppen von den Augen gefallen, weil ich kannte Anthroposophie schon sehr, sehr lange vom Hörensagen, hier vom Dottenfelderhof, der ja auch in der Nachbarschaft von meinem Geburtsort lag. Also ich kannte es vom Hörensagen, hatte mich aber selber nie genauer damit auseinandergesetzt.

Und mit dieser Literaturliste in der Hand, aus dem Geomantiekurs kommend, war dann plötzlich für mich die Zeit reif, mir doch auch mal ein Rudolf Steiner Buch vorzunehmen. Ja, und dann habe ich angefangen, Rudolf Steiner ein bisschen zu lesen. Und das hatte mich dann ziemlich schnell auch ziemlich in seinen Bann genommen.

Vertiefung in die Anthroposophie

Also da hat irgendwie ganz viel mit mir resoniert, was ich so nie erwartet hätte. Das hatte mich auch irgendwie erstaunt, dass da in den Schriften von Steiner irgendwie so viele Sachen gesagt wurden, die mir schon lange wichtig waren, die ich aber so in der Form noch nie gehört hatte, dass man da auch so drüber sprechen kann. Und dass da vor allem, und das lag mir ja eigentlich am Herzen, sehr viel auch über das gesprochen wurde, was man halt nicht sieht.

Also im Prinzip so das Gegenteil von dieser sehr materialistischen Wissenschaft, die sich ja im Prinzip nur mit dem auseinandersetzt, was man jetzt direkt vor Augen hat. Oder eben unter dem Mikroskop oder mit irgendwelchen analytischen Methoden untersuchen kann. Also soweit ich mich erinnern kann, war, glaube ich, das erste Buch, was ich gelesen hatte von ihm.

Das hieß Christus und Buddha oder Buddha und Christus. Ich weiß nicht mehr genau, wie. Die Wahl dieses Buches hatte bei mir natürlich sehr stark damit zusammengehangen, dass ich in Laos, einem sehr buddhistischen Land, gelebt hatte. Oder auch Thailand. Das sind ja beides buddhistische Länder. Und ich mich sehr intensiv auch mit dem Buddhismus auseinandergesetzt hatte, aber eben auch aus einem sehr christlichen Hintergrund kam.

Also das war für mich ganz spannend, dass da jemand plötzlich in einem Buch über beides gleichzeitig spricht, was eigentlich aus dem Hintergrund, aus dem ich kam, also diesem sehr strengen, pietistisch-christlichen Hintergrund, Gegensätze waren, die man eigentlich gar nicht zusammenbringen kann. Also das Buch war allein von dem Titel her, war das für mich schon sehr spannend. Der Inhalt, das war ja dann im Prinzip eine Auseinandersetzung mit dem Lukas-Evangelium, also nicht so ganz genau das, was ich erwartet hatte.

Wobei da natürlich schon sehr viel darüber gesprochen wurde, wie Buddha und Christus zusammenhängen und dass praktisch Buddha eine Vorankündigung, eine Vorbereitung war von dem, was dann 500 Jahre später mit Jesus passiert ist. Das fand ich eine sehr interessante Darstellung, die mich auch angesprochen hatte. Ja, das war so ein bisschen der Anfang, der mir eben so eine ganz neue Spiritualität irgendwie eröffnet hatte, mich so ein bisschen rausgebracht hat aus diesen engen Entweder das oder das und entweder muss ich jetzt Christ sein oder ich muss Buddhist sein oder sowas.

Sondern mich da so ein bisschen herausgehoben hat aus diesem Entweder-Oder, sondern irgendwie da gibt es auch etwas, das über dem steht, dass es alles so ein bisschen zusammenfasst. Ja und durch mein Interesse an Geomantie, der Erde, Natur, Geografie habe ich natürlich bei Steiner auch sehr schnell entdeckt, dass er sich sehr sehr viel auch mit der Erde und eben mit der Natur in seinen Schriften auseinandergesetzt hatte. Ganz prominent natürlich der Landwirtschaftliche Kurs, der fast schon sowas wie eine Synthese darstellt aus ganz ganz vielen Einblicken, die er ja sonst so hatte in die Welt der Natur, aber natürlich auch in die Welt des Menschen, in der Landwirtschaft.

Und das war für mich dann auch nochmal eben jetzt so ein anthroposophischer Blick auf Natur, Geomantie und die Erde. Sehr erfrischend, aber natürlich auch in gewissen Bereichen ein bisschen befremdlich und eigenartig, weil da auch einfach sehr viele Sachen drinstehen, die man nicht verstehen kann so ohne weiteres. Aber trotzdem war es eine sehr große Inspiration für mich, die mich dann sogar soweit gebracht hat, so einen kleinen Einführungskurs in biologisch dynamische Landwirtschaft zu machen in Indien, im Kodaikanal.

Das war praktisch so die nächste Möglichkeit, weil in Thailand ist die biologisch-dynamische Bewegung noch sehr in den Kinderschuhen, beziehungsweise es gibt sie eigentlich so gut wie noch gar nicht. Aber in Indien schon sehr weit entwickelt und ausgebreitet und da gibt es inzwischen eben auch gute Möglichkeiten, sich da vorzubilden, Kurse zu nehmen. Und so hat es dann so ein bisschen angefangen.

Praktische Anwendung der biologisch-dynamischen Methoden

Dann habe ich eben in meinem Garten auch selber Hornmist hergestellt, Hörner vom Metzger, von einem Kuhhirten, der ganz nah bei uns vom Haus gelebt hat und immer noch so in den Wäldern um unser Haus herum seine Kühe reingetrieben hat und eben auch auf die Wiesen, die da waren. Hornmist gespritzt, Kiesel gespritzt und dann so ein bisschen meinen Zugang zum Garten natürlich dadurch auch sehr verändert. Es hat so eine meditative Komponente gefunden, also auch eine Beschäftigung mit meinem Garten, mit meinen Pflanzen auf einer Ebene, die so ein bisschen über dieses rein Technische hinausgeht.

Also wann pflanze ich meine Pflanzen und wie dünge ich die am besten, sondern eben auch ganz stark dieses, wie kann ich eine Beziehung zu der Welt, die außerhalb von meinem Körper liegt und ständig um mich herum ist, aufbauen.

Zukunftsperspektiven

"Ja, ich habe natürlich auch gerade so aufgrund meines etwas quirligen, serpentinenartigen Lebenslaufes immer wieder so die Gedanken, ob es denn immer so weitergeht? Ja, ob ich von hier dann wieder zu dem nächsten und dann wieder von dort nach hier und dass auch jetzt praktisch die Ausbildung und dann meine Tätigkeit als Gärtner oder Landwirt am Ende auch wieder nur eine von vielen weiteren Stationen sein wird."

Der Gedanke ist da. Auf der anderen Seite habe ich aber im Moment irgendwie auch das Gefühl, dass jetzt gerade so mehrere, viele, viele Stränge zusammenlaufen, die schon immer da waren in meinem Leben, so aus verschiedenen Richtungen gekommen sind, ganz viele Einflüsse und Impulse und dass da jetzt doch so langsam so eine Art Ankommen stattfindet. Ja, auch im Prinzip ja auch ganz physisch dadurch, dass ich wieder nach langer Abwesenheit an meinem Heimatort wieder zurück bin, an dem Ort, wo ich herkomme, wo ich auch irgendwie so das Gefühl habe, mich gerne einbringen zu wollen.

Da bin ich sehr gespannt, wie das weitergeht, aber vom Gefühl her könnte ich mir vorstellen, dass das jetzt vielleicht mal eine längere Station wird.

Erfahrungen an der Landbauschule

Und gerade auch jetzt hier, das würde ich gerne auch nochmal schnell so einbringen, an der Landbauschule auf dem Dottenfelderhof, das ist ja so einer der Höhepunkte in der Ausbildung, der Januarkurs und nächstes Jahr dann der Februarkurs, für mich vor allem ein Höhepunkt, weil hier ein sehr starker Fokus auf die anthroposophischen Inhalte der Ausbildung sind. In den meisten anderen Seminaren, die wir haben, da geht es meistens doch eher um auch technische Dinge im Ökolandbau, die natürlich alle dazugehören und auch sehr, sehr wichtig sind für das Handwerkszeug.

Aber hier geht es im Kern jetzt vor allem auch um diese geistigen Aspekte der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, was sie ja auch so originär macht. Also ich kenne jetzt persönlich keinen anderen Ansatz in der Landwirtschaft oder im Gartenbau, der so klar auch diese spirituelle Komponente hat. Und das steht für mich schon sehr stark im Zentrum.

Und deswegen ist jetzt hier diese Zeit für mich an der Landbauschule auch schon so eine Art Hochzeit. In Bezug auf die Ausbildung, aber irgendwie auch so in Bezug auf meine Biografie, weil auch jetzt hier ganz viele Dinge so zusammenlaufen. Und ich Menschen treffe, die ich schon lange irgendwie gedanklich gerne getroffen hätte, aber die mir in meinem Leben bisher noch nie über den Weg gelaufen sind.

Und plötzlich sind sie hier da. Und nicht nur einer, sondern mehrere davon. Dass da Leute sind, die ganz ähnliche Dinge suchen, aber eben teilweise dir schon um Jahre oder Jahrzehnte voraus sind.

Also schon ganz viel durchgemacht haben, wo du gerade noch so stehst. Das ist schon eine spannende Erfahrung. Ja, das ist interessant.

Wertschätzung und Perspektivwechsel

Hier fühlt man sich mit so einem Lebenslauf wertgeschätzt. Aber wenn ich mich jetzt irgendwo beim Großkonzern bewerben würde, dann würden wahrscheinlich lauter Fragezeichen auftauchen. Fragen über Fragen, die nicht beantwortet werden können.

Ein ganz anderer Fokus, ein ganz anderer Blick auf die Wirklichkeit. Das ist sehr spannend, auch hier am Dottenfelderhof zu beobachten und aber auch mitzuerleben, wie so ein ganz anderer Blick, eine ganz andere Wertigkeit gesetzt wird. Also Sachen, die jetzt aus so einer mainstream-materialistischen Perspektive als unwichtig oder komisch oder vielleicht sogar als Verfehlung angesehen werden könnten, hier plötzlich ganz ganz wertvoll werden.

Und Dinge, die man normalerweise gar nicht sehen würde oder gar nicht wichtig finden würde, so hervorkommen. Also zum Beispiel das Brot, was man hier essen kann. Ich könnte sagen, ja gut, Brot, das kann ich mir auch bei der Bäckereikette in der Innenstadt kaufen.

Nee, das Brot, das aus dem Getreide hergestellt wird, das aus dem Organismus des Hofes stammt, auf dem er lebt, auf dem er mitarbeitet, das dort von Menschen mit ihren Händen gebacken wurde in einem Holzofen, das ist was ganz anderes. Das ist, mir kommt gerade irgendwie so dieses Bild, so ähnlich wie, ich mache eine lange Wanderung in zwei Tagen oder in drei Tagen auf die Zugspitze und komme, laufe auf dieser Wanderung durch Wälder, gehe durch einen Gebirgsbach durch, übernachte in einer Hütte oder sogar unter freiem Himmel und kraxele dann auch so die letzten paar hundert Meter auf dem Schotterfeld mit von Schnee umgeben auf die Bergspitze und komme dann oben an und in diesem tiefen Erlebnis und treffe dann auf der Zugspitze jemanden, der da mit der Zahnradbahn hochgefahren ist. Und ich weiß genau, dass wir uns in diesem Moment, obwohl wir auf demselben Berg stehen, nicht auf demselben Berg befinden.

So dieses Bild kam mir jetzt gerade im Zusammenhang mit dem Brot und wie man am selben Ort sein kann, aber ganz andere Dinge sieht, wenn man diesen Blick hat, diesen neuen Blick.

Motivation und Zukunftsvision

Ja, aber das ist für mich auf jeden Fall auch mit einer Grundmotivation mich hier auch einzubringen, da irgendwie davon teil sein zu können, von einer Landwirtschaft, die eben im Blick hat, nicht immer mehr Profite herauszuschlagen, immer mehr Geld mit irgendetwas zu verdienen, immer noch mehr Produktivität zu erzeugen und noch mehr Kartoffeln zu haben oder noch mehr Umsätze zu bekommen, sondern wo es eigentlich darum geht, mit der Erde zu arbeiten, aber eben in einer Art und Weise, dass sie zu einem noch schöneren, noch lebendigeren, noch lebenswerteren Ort wird. Also Mitschöpfer zu sein an der Landschaft, in der wir die Landwirtschaft betreiben oder eben auch die Gärtnerei, das ist für mich so die eine der Hauptmotivationen, weil daran teilnehmen zu dürfen, das war ja eigentlich schon immer so ein bisschen mein Impuls, auch eigentlich beim Geografiestudium und dann auch später meine Arbeit, wo ich aber am Ende immer wieder so aus dem Eigentlichen herausgezogen war, irgendwie doch nicht Teil war von diesem Schöpfungsprozess an der Erde, sondern eigentlich meistens leider eher an einem Zerstörungsprozess.

Dadurch, dass man in einem klimatisierten Büro sitzt vor dem Computer und den ganzen Tag nichts anderes macht, als E-Mail zu schreiben und irgendwelche Dinge zu tun, die nichts damit zu tun haben, das Leben irgendwie schöner zu machen. Ja und ich bin sehr gespannt, was jetzt passiert. Also bei mir steht erst einmal ein Hofwechsel an, ab März, ab kommendem März, also für mein zweites Lehrjahr.

Darauf freue ich mich sehr, weil ich da dann auch nochmal den Wechsel von im Moment einer eher gärtnerischen Tätigkeit ganz in die Landwirtschaft gehen werde, also auf einen Milchviehbetrieb mit Ackerbau und da nochmal sozusagen das landwirtschaftliche Handwerkszeug kennenlernen, natürlich auch auf einem Demeterbetrieb. Und ich sehe mich selber in der Zukunft vielleicht auf einer Hofgemeinschaft, wo ich zusammen mit Menschen zusammen einen Hoforganismus betreiben kann, wo ich mit dazu beitragen kann, einen Hof, aber eben auch die Landschaft drumherum inklusive des sozialen Lebens, was da stattfindet, also in einem in dem Dorf, wo sich das befindet, aber eben auch in der Hofgemeinschaft lebenswerter zu machen. Das kann ich mir sehr gut vorstellen und so eine Tätigkeit würde ich in der Zukunft gerne ausführen.

Und das wäre für mich Geomantie, Geografie und gleichzeitig auch Produktion von Nahrungsmitteln zusammengefasst, kombiniert, ganz obendrauf. Und das ist natürlich für mich fast das Wichtigste mit einer geistigen Ebene, mit einer Spiritualität.

Karriere in einem neuen Licht

Du hast jetzt gerade das Wort Karriere benutzt.

Das finde ich auch spannend in dem Zusammenhang. Wieso kann man das nicht auch einfach benutzen in dem Sinne? Das ist ja fast inzwischen manchmal, gerade auch so in alternativen Kreisen, ein bisschen so ein Unwort, Karriere machen. Das heißt ja man kann ja eigentlich automatisch immer in einer großen Firma irgendwo immer weiter aufsteigen und immer mehr Geld verdienen und immer toller und immer besser zu werden.

Aber ich finde es irgendwie auch schön, das jetzt mal in dem Zusammenhang zu benutzen, Karriere zu machen, im Sinne von, ich will meine Fähigkeiten ausbilden und weiterentwickeln, die mich dazu befähigen, noch in einen intensiveren Austausch mit Landschaft, mit Natur, mit der Erde und auch mit Tieren, aber natürlich auch mit Menschen zu treten. Also dieses Handwerkszeug auszubilden, was diese Art von Arbeit in einem Hoforganismus noch lebendiger und spannender und tiefer werden lässt. Und mit dieser Weiterentwicklung der Fähigkeiten, aber natürlich auch der sozialen Fähigkeiten, der Gemeinschaftsbildung zum Beispiel, auch einen inneren Weg zu gehen, sich selber innerlich auch weiter zu erforschen.

Wer bin ich eigentlich? Warum bin ich hier? Was mache ich hier eigentlich? Was will ich wirklich so im Kern? Mal jenseits von Sicherheit oder genug Geld zum Leben und vielleicht noch eine gute Partnerschaft, aber mal jenseits davon, was will ich eigentlich? Und das ist eine sehr, sehr schwere Frage. Und das herauszufinden, nicht ohne. Und das braucht einfach einen Fokus.

Und in dieser Umgebung ist dieser Fokus sehr begünstigt. Also es fällt einem leichter, das in dieser Umgebung hier zu betreiben, als in einer Atmosphäre, wo es vordergründig darum geht, immer mehr Geld zu verdienen, immer mehr Profite zu machen, immer erfolgreicher zu sein, immer effizienter zu sein, also in einer materialistischen Umgebung.

Beitrag zur Welt

Mir ist bei all dem natürlich auch wichtig, nicht nur das Innerliche, was mit mir selber passiert, sondern auch, was mit dieser Welt um mich herum passiert, die ich ja wirklich sehr gerne habe und die schon immer Thema für mich war, gerade auch im Geografiestudium, dem Studium der Erde.

Das liegt mir schon sehr am Herzen, auch in irgendeiner Form mit dazu beizutragen, dass diese Erde noch ein interessanterer, schönerer, lebenswerterer Ort wird. Ich habe das Gefühl, dass der Ansatz der biologisch-dynamischen Landwirtschaft da einen sehr interessanten und irgendwie auch einen sehr zentralen Beitrag leisten kann bei der Frage darum, wie wir mit der Erde in Zukunft umgehen wollen. Die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft hängt für mich auch ganz eng mit der Frage der Zukunft der Menschheit zusammen.

Ich habe zumindest für mich persönlich schon das Gefühl, dass es eigentlich nur eine Zukunft geben kann, wenn wir in irgendeiner Form auch schaffen, diese krasse Abtrennung von der Natur, die sich in den letzten Jahrhunderten ganz extrem entwickelt hat, in irgendeiner Form wieder in eine Beziehung, in eine tiefere Beziehung transformieren. Da sehe ich in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft sehr viele Möglichkeiten, sehr viele Chancen, sehr viele Tore, die sich da auftun. Nicht dadurch, dass man neue Techniken anwendet, neue Verfahren, wie man noch besser einen Hof betreiben kann, sondern eigentlich dadurch, dass man einen ganz neuen Blick darauf wirft, was die Welt, die uns hier umgibt, eigentlich ist und was der Sinn von dem Ganzen ist.

Das wünsche ich mir, dass dadurch, dass ich jetzt auch eine Chance habe, in der Landwirtschaft mitzuarbeiten, ich dadurch eben gleichzeitig damit einen Beitrag leiste, diesen Blick auf die Welt zu erneuern und mit daran zu arbeiten, dass wir anders auf die Welt schauen, als das im Moment durch das materialistische Weltbild passiert. Das wünsche ich mir, und da habe ich sehr viel Hoffnung, dass das möglich ist. Und das gibt mir meine Motivation, weiterzumachen, weil es ja ansonsten manchmal auch ganz schön dunkel aussieht.

Aber da sehe ich sehr viele Lichtblicke.