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Die Weisheit des Misthaufens, Buchvorstellung von Christian Göldenboog, Dottenfelderhof, 2018

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Geschmack und Konzepte der biodynamischen Landwirtschaft 00:00:27
Vorstellung und Hintergrund 00:00:27
Sprecher:* Hallo, ich bin Christian Göldenburg. Ich habe diverse Bücher geschrieben, unter anderem eines über Philosophie der Biologie. Ich habe auch diverse Bücher über Wein geschrieben, beispielsweise zwei über Champagner. Das heißt, Geschmack und philosophische Konzeptionen haben mich immer interessiert und vor zehn Jahren ist ein Verleger mal zu mir gekommen und hat gesagt, ich soll doch ein Buch über den Dottenfelderhof schreiben, biologisch-dynamische Landwirtschaft. Ich habe damals hier in der Nähe, in der Wetterau, auch gewohnt, habe dann auch längere Zeit hier auch gearbeitet auf dem Feld, um das alles mal kennenzulernen, wie das funktioniert, habe mich sehr intensiv mit den Leuten unterhalten und habe dann ein Buch geschrieben, was jetzt vor zwei Monaten erschienen ist, "Die Weisheit des Misthaufens, Expeditionen in die biologisch-dynamische Landwirtschaft" bei Beck im Taschenbuch erschienen.

Und das Buch ist so ein Versuch, erstens der Versuch einer Reportage, ein bisschen den Leuten zu erklären, was hier eigentlich auf dem Hof passiert, wie gearbeitet wird. Es geht aber vor allen Dingen, mir geht es vor allen Dingen auch um Konzeptionen, also Ideen. Was für Ideen haben die Leute eigentlich? Und da ist es natürlich so, dass Biodyn oder Demeter oder Steiner, überhaupt Anthroposophie, wird gerne so ein bisschen in die obskure Ecke gestellt und ich habe versucht, in die metaphysische Ecke, um das freundlicher zu sagen, und ich habe halt versucht herauszufiltern, was sind eigentlich die rationalen Kerne oder der rationale Kern oder die Ideen, die guten Ideen oder auch die Ideen, die man unterstützen sollte an der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Und da bin ich in der Tat auf ganz wesentliche oder auch für mich neue Sachen gestoßen.
Stickstoff und Haber-Bosch-Verfahren 00:02:16
Eine Sache, die für mich sehr, sehr wichtig war, war die Stickstoffgeschichte. Es gibt in dem Buch ein längeres Kapitel über Stickstoff, was recht wissenschaftlich und auch historisch geschrieben ist, weil es wird ja immer gesagt, der Stickstoff, also das Haber-Bosch-Verfahren, mit dem der Stickstoff in der Luft industriell verfügbar gemacht wird, unter hohem Energieaufwand, sei erfunden worden, um die Menschheit vor dem Verhungern zu retten. Dem kann überhaupt nicht so sein, weil dieses Verfahren 1914, da haben ja Haber und Bosch auch einen Nobelpreis dafür bekommen, aus reinen Kriegsgründen entwickelt wurde, nämlich weil Deutschland im Ersten Weltkrieg keinen Salpeter mehr hatte aus Chile. Und der Erste Weltkrieg wäre zu Ende gegangen, wenn man nicht den Stickstoff aus der Luft hätte verfügbar machen können und dadurch Ammoniak herstellen können. Und das hat dazu geführt, dass die Deutschen weiter Sprengstoff und Dynamit herstellen konnten. Und das ist im Grunde genommen der Grund gewesen, warum das Haber-Bosch-Verfahren entwickelt wurde.
Und nach dem Krieg, nach dem Ersten Weltkrieg, hat man dann sich gefragt, was machen wir denn jetzt alles mit dem ganzen Stickstoff, mit den großen Anlagen. Da ist ja eine Fabrik in Leuna, ist explizit während des Krieges gebaut worden, ein Riesending, ein Riesending, und dann hat man sich gefragt, was macht man damit? Und dann hat man das, wie das so häufig so ist, auch nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Pestiziden, dass man gesagt hat, wir nehmen das mal schön für die Landwirtschaft. Und dann hat man den Landwirten den industriellen Stickstoffdünger angedreht. Zuerst hat man gesagt, es ist Kunstdünger und wie auch immer. Und da muss man sagen, da hatte der Haber, Entschuldigung, der Steiner schon eine avantgardistische Funktion, weil er hat dann diesen landwirtschaftlichen Kurs gemacht, 1924, wo an ihn reiche Landwirte an ihn herangetreten sind, die sehr genau gesehen haben, dass dieser Kunstdünger dazu führt, dass der Boden taub gemacht wird.
Ursprung der Bio-Bewegung 00:04:38
Und da hat der Steiner halt gesagt, und er war im Grunde genommen dann, das war der Ursprung der Bio-Bewegung, weil das die Ersten gewesen sind, die gesagt haben, wir nehmen keinen synthetischen Kunstdünger, sondern wir machen das, versuchen das selber aus sich heraus mit Kuhdünger und Kompost, die die Erde zu verlebendigen, wie das gesagt wird. Und das finde ich heute, das ist heute ein Programm, was aktueller ist denn je. Es ist allgemein bekannt, dass der Kunstdünger und die viele, die ganze Nitratdüngung ja dazu geführt hat, dass die Böden sind im Grunde genommen tot, die Insekten werden maltretiert. Es ist so, dass die Gewässer, die Nitratbelastungen immer weiter steigen. Es ist ja allgemein bekannt, dass die deutsche Bundesregierung da auch immer regelmäßig Strafen zahlt an die EU, weil die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Aber das stört die alles gar nicht. Und die Agrarförderung läuft einfach so weiter.
Und das, denke ich, ist eine Message auch von dem Buch, dass es sicherlich wichtig ist, auch sich mit dem biologisch-dynamischen Landwirtschaft von der Konzeption her auch mal auseinanderzusetzen. Worum geht es da eigentlich beim Stickstoff? Was ist Kunstdünger? Und warum nehmen die Biodynamiker den nicht? Es ist in der Tat so, dass mit dem In England ist diese Geschichte, dass der Haber und der Bosch dieses Verfahren entwickelt haben, damit Deutschland überhaupt den Krieg weiterführen kann. In England ist das bekannt. Und ich habe mit zwei Wissenschaftlern darüber gesprochen. Das eine war der Max Perutz, das ist ein Nobelpreisträger, der hat darüber auch publiziert. Und das andere war ein Genetiker.
Geschichtliche Perspektive und Rationalität 00:06:32
Kriegsgründe und Täuschung 00:06:32
Und die beide haben im Grunde genommen so ein bisschen spöttisch und zwar relativ einfach so in so einer lockeren Konversation gesagt, dass die Deutschen den Ersten Weltkrieg gar nicht hätten überstehen können, wenn das nicht so gewesen wäre. Und das fand ich eine sehr bemerkenswerte Geschichte, weil das in Deutschland überhaupt nicht kommuniziert wird. Also wenn Sie jetzt beispielsweise gucken, BASF in Ludwigshafen, da gibt es irgendwelche Geschichtsbücher oder es gibt irgendwelche Broschüren und da wird dieser Unsinn erzählt, dass das Haber-Bosch-Verfahren entwickelt worden ist, um die Menschheit vom Verhungern zu retten. Davon kann aber, wie gesagt, keine Rede sein, weil es auch rein aus militärischen Gründen entwickelt worden sind.
Und das fand ich immer sehr bemerkenswert, dass man den Leuten einfach hier in Deutschland Geschichten erzählt, die erstens nicht richtig sind, die den Fakten nicht entsprechen, zweitens irgendwas verschleiern sollen und drittens, wo in anderen Ländern die Leute das aber sehr genau wissen, dass das ganz anders gewesen ist. Und daher kann man schon sagen, dass die Erfindung oder diese Nutzbarmachung des Stickstoffs in der Luft durch hohe Energie, da wird ja eine unglaublich hohe Energie dafür gebraucht. Und das waren ja damals Anlagen, die im Grunde genommen, die Stickstoffindustrie hatte ja nach dem ersten Weltkrieg oder auch teilweise nach dem zweiten Weltkrieg eine Bedeutung wie die Ölindustrie, dass da einfach von der Wissenschaftsseite her völlige Märchen erzählt werden.
Rationaler Kern der Biodynamik 00:08:04
Also ich sehe das auch so mit Permakultur. Es gibt verschiedene Richtungen und Bewegungen, wo man einfach versucht zu sagen, die Erde ist etwas, was sehr wichtig ist und wir können die Erde nicht einfach immer nur malträtieren und unsere Böden, sondern wir müssen gucken, dass wir da ein Gleichgewicht herstellen. Und so sehe ich das auch, was ich bei der biologisch-dynamischen Landwirtschaft vom Konzept her auch wiederum sehr bemerkenswert finde. Das wusste ich auch nicht. Das hat sich in meinen Recherchen ergeben, weil, wie gesagt, ich bin kein Anthroposoph und bin auch jetzt nicht jemand, der sich intensiv früher mit Metameter oder so, ich habe die Produkte gekauft, weil sie gut geschmeckt haben, aber ich habe mich jetzt nie intensiv damit beschäftigt, was jetzt direkt dahinter steht.
Und da finde ich auch, dass es der rationale Kern einfach der ist, das geht ja auch auf den landwirtschaftlichen Kurs zurück, dass der Steiner zu den Landwirten gesagt haben, ihr müsst das Rind nehmen und um das Rind herum etwas machen. Also dass quasi auch eine Landwirtschaft ein geschlossener Kreislauf ist. Und was macht natürlich heutzutage, ist die Landwirtschaft kein geschlossener Kreislauf. Es ist alles offen. Der Landwirt kauft irgendwelche Futtermittel aus Amerika oder aus Neuseeland, weil es da halt alles so billig ist. Und das ist natürlich klar. Das ist natürlich auch eine ganz andere Herangehensweise. Es erfordert sehr, sehr viel Mühe.
Geschlossener Kreislauf und Geschmack 00:09:51
Unterschied Bio und Biodynamik 00:09:51
Ich finde auch den Unterschied zwischen Bio- und Biodyn auch sehr bemerkenswert, dass im Bio wird eigentlich nur gesagt, okay, wir nehmen keinen Stickstoff und wir nehmen keinen Kunstdünger, wir nehmen keine Herbizide. Das ist ja sicherlich auch richtig und gut. Aber eigentlich die Konzeption ist nicht da. Und das ist ja so, heute, das muss man ja auch sagen, dass teilweise Bio auch ein Verkaufsargument ist. Und jeder Supermarkt hat inzwischen eine große Bio-Anlage, verkauft es da. Das ist ja auch völlig okay. Aber es kann nicht das Einzige sein. Und da denke ich wirklich, diese Idee des geschlossenen Kreislaufes biologisch-dynamischer Landwirtschaft, das finde ich sehr gut.
Deswegen heißt so das Buch auch "Die Weisheit des Misthaufens", weil man sagt, man macht mit der Kuhscheiße, man macht etwas Vernünftiges draus. Also wichtig ist für mich auch der Geschmack. Ich zitiere Nietzsche in dem dass es wichtiger ist, den Geschmack zu verändern als allgemeine Meinungen. Ob das jetzt politische Meinungen sind oder wie auch immer. Das ist ein Gedanke von Nietzsche aus der fröhlichen Wissenschaft, wo ich denke, das ist ein sehr wichtiges Buch. Und das ist etwas, was mich eigentlich schon vor 20 Jahren fasziniert hat. Entschuldigung, weil ich denke, politische Meinung, heute hat man die Meinung, heute Morgen hat man die Meinung, man sitzt irgendwo zusammen, der eine hat die und dann schreitet man und in zwei Jahren hat man wieder eine andere Meinung. Aber wenn man den Geschmack verändert, dann ist das etwas Bleibendes.
Geschmack als Wert 00:11:32
Und ich denke beispielsweise hier die Produkte, wir hatten vorhin hier gerade eine Lesung und da hat eine Dame auch gesagt, man anstatt drei Brötchen, die aufgeblasen sind vom Pre-Bake-Verfahren, kauft man lieber ein Brötchen vom Dottenfelderhof. Und das Brötchen, erstens schmeckt es gut, es schmeckt auch besser, das kann man ohne weiteres sagen. Zweitens ist es nahrhafter und man ist von einem Brötchen dann satt und es macht auch nicht müde. Das ist ja auch wichtig, dass dieses ganze Stickstoff-Essen und diese komischen Sachen, die man da teilweise bekommt, das machen dann müde, sie machen nicht lebendig, sie geben auch keine Freude her.
Und diese Geschmacksveränderung finde ich sehr, sehr wichtig und deswegen freut mich das hier auch auf dem Hof. Jetzt zu dem Hoffest, das quasi 5.000 Menschen kommen, die sind sicherlich jetzt nicht alle harte Bio-Fans, aber die wissen einfach, hier gibt es etwas Gutes, hier gibt es auch etwas Gutes zu kaufen, hier gibt es etwas Gutes zu essen und vor allen Dingen, es schmeckt gut. Und das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt. Geschmack ist etwas sehr, sehr Subjektives und die Studien haben auch alle ergeben, dass beispielsweise die Leute, die Haarmilch trinken, sagen, die Haarmilch ist die Milch, die mir am besten schmeckt. Das ist auch völlig okay.
Qualität und Minderheit 00:12:41
Subjektiver Geschmack 00:12:41
Ich habe jetzt auch nichts gegen Leute, die eine Haarmilch trinken, aber es ist natürlich schon so, dass wenn man eine Tomate hat, die im Grunde nur nach Wasser schmeckt und dann hat man eine Tomate, die gut gedüngt ist vom Kompost von der Kuh, dass die schon einfach anders schmeckt. Die schmeckt halt noch nach einer Tomate und da habe ich selbst die Erfahrung gemacht, wenn man den Leuten bestimmte Lebensmittel mal hinstellt, die sie vorher nicht gekannt haben, dass die auch sofort sagen, das schmeckt ganz anders. Manche mögen es dann in der Tat nicht. Das ist auch völlig okay, aber ich denke zum Beispiel gerade bei so Produkten, die von der Milch kommen oder die von der Erde, direkt von der Erde kommen, zum Beispiel bei Käseprodukten, merkt man einfach den Unterschied, ob etwas industriell hergestellt ist und das gibt es ja in Frankreich auch, Fromage fermier, also direkt vom Bauern, das schmeckt einfach anders als die industriell hergestellten Produkte.
Und ich denke, das ist klar, es sind immer noch relativ wenig Leute, vielleicht ein Prozentsatz von fünf Prozent, aber ich denke, das ist inzwischen eine qualifizierte Minderheit, die gehört wird und die man auch berücksichtigen sollte.