Therese - Menschen in der Landwirtschaft, 2021

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Die Auszubildende Therese im 2. Lehrjahr, Interview am Dottenfelderhof am 31. Januar 2021

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Thereses Herkunft und Veränderung 0:00:23

Ich bin Therese und komme aus dem Erzgebirge. Zumindest würde ich sagen, dass ich daherkomme, weil ich dort die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe. Aber dort bin ich gar nicht mehr. Jetzt wohne ich in Brandenburg und ich glaube, dass ich hier eine noch längere Zeit meines Lebens verbringen werde.

Warum werde ich die nächste Zeit in Brandenburg verbringen? Hier sehe ich für mich eine Perspektive, habe Lust, etwas aufzubauen, etwas Neues anzufangen und mein Leben aufzubauen. Und nicht nur meins, sondern auch zusammen mit meinem Partner und allen anderen Menschen, die zu uns finden und mit denen wir zusammen etwas machen wollen. Das ist alles noch sehr vage.

Ausbildung und der Weg zur Verwirklichung 0:01:28

Jetzt bin ich erst mal hier in der Ausbildung, im zweiten Lehrjahr, und habe noch zwei Jahre vor mir. Deswegen kann ich noch gar nicht sagen, was alles noch kommen wird und entstehen kann. Ich bin im zweiten Lehrjahr, habe schon zwei Jahre geschafft und muss noch zwei Jahre durchhalten. Das klingt bescheuert, aber es ist keine leichte Zeit.

Vorher habe ich viele verschiedene Sachen gemacht, vieles ausprobiert, weil es so schwer ist, herauszufinden, was mich wirklich trägt. Was ist das, was für mich Sinn macht? Und nicht nur für mich, sondern auch für die Welt, in der wir gerade leben.

Fragen nach dem Sinn des Lebens 0:02:35

Diese Frage hat mich schon immer begleitet. Schon in der Schule habe ich mich gefragt, ob das alles Sinn macht. Die Schule erschien mir nicht sinnvoll, und ich wollte mich davon lösen, um herauszufinden, was meins ist. Ich war auf Reisen und habe viele Menschen beobachtet.

Oh, ich habe so einen rauen Hals, da bleibt mir die Spucke weg. Das habe ich noch nie so erlebt.

Erfahrungen auf Reisen 0:03:27

Ich war ein halbes Jahr auf Reisen, habe viele verschiedene Menschen kennengelernt und viele Arten gesehen, wie sie ihr Leben gestalten. Ich kannte nur das von meiner Familie und den Menschen in meiner Umgebung und merkte immer wieder: Nein, so will ich nicht leben. Das erfüllt mich nicht.

Es fühlte sich an, als würde ich in ein Schema gezwungen. Auf der Reise sah ich zum ersten Mal Menschen, die aus ihrer Freiheit heraus ihr Leben gestaltet haben. Dabei habe ich gemerkt, was mich anspricht und wo ich schnell weiterreisen wollte. Nach einem halben Jahr hatte ich dann genug und dachte, jetzt muss ich zurück, jetzt muss ich ankommen. Ich wollte das, was ich gesammelt hatte, mitnehmen und schauen, was ich daraus machen kann.

Leben in der Stadt 0:04:38

Ich kam dann nach Dresden, eine große Stadt, in der ich drei oder vier Jahre lebte. Irgendwann merkte ich, dass ich dort nicht leben konnte. Es war kein Lebensraum, nur toter Asphalt, Lärm, Dreck, ständige Bewegung und Überreizung. Ich machte eine Ausbildung zur Körpertherapeutin – eine spezielle Massageart, die tief ins Gewebe geht. Dabei kamen viele seelische Prozesse in Gang.

Ich war die Jüngste in der Ausbildung, alle anderen waren Anfang 40 und ich war knapp 20. Ich merkte, dass ich noch nicht fest im Leben stand. Die anderen konnten Menschen zuhören und begleiten, ich hatte diese Verbindung noch nicht. Mir fehlte noch etwas.

Der Entschluss, Gärtnerin zu werden 0:06:21

Dann erfuhr ich zufällig von einer Ausbildung, die nicht so war wie die Schule, die ich kannte und verabscheute. Ich sagte einfach: Ja, das mache ich jetzt. Ich wollte Gärtnerin werden. Das erschien mir am grundlegendsten, weil ich etwas zu essen brauche. Ich hatte viele andere Ideen, wollte Schneiderin werden, malen oder Kunst studieren, oder in die soziale Richtung gehen.

Ich habe auch mal ein FSJ angefangen, merkte aber, dass es nicht das Richtige für mich war. Ich wollte etwas mit meinen Händen machen, etwas Lebensnahes, wovon ich leben kann. Also, was war es? Ernährung. Wir alle brauchen gutes Essen, um etwas Gutes tun zu können.

Verbundenheit mit der Natur 0:07:39

Es ging auch darum, sich mit dem Boden zu verbinden, den Kontakt zur Erde zu finden, weil ich merkte, dass mir das fehlte. Diese große Sehnsucht nach Verwurzelung, nach Verbundenheit mit den Jahreszeiten und Rhythmen. In der Stadt ist der Rhythmus ganz anders als in der Natur, und es braucht viel Kraft, sich dem Stadtrhythmus zu entziehen und zurückzufinden.

Das waren meine ersten Ideen, die mich dazu brachten, mehr über Gärtnern und Biodynamik zu lernen. Von der Anthroposophie wusste ich damals noch gar nichts. Als mir klar war, dass ich die Ausbildung anfangen musste, war es schon März – also eigentlich schon zu spät.

Ausbildungsbeginn und Hofsuche 0:09:47

Mir war klar, dass ich sofort loslegen musste. Ich fand nur drei Höfe, die mich noch nehmen konnten, und habe sie alle besucht. Ich wollte eigentlich nicht so weit weg, bin dann aber von Sachsen nach Brandenburg gezogen. Jetzt war ich zwei Jahre auf einer Gärtnerei ohne Tiere. Es war kein typischer Hof, sondern ein Gemüsebetrieb.

Jetzt steht ein Hofwechsel an und ich hoffe, dass ich nicht so weit weg wechseln muss. Eigentlich lebe ich gerade auf zwei Höfen gleichzeitig. Einerseits arbeite ich noch auf dem Hof, wo ich meine Ausbildung mache, und andererseits baue ich etwas Eigenes auf. Ich habe jemanden kennengelernt, mit dem ich zusammenlebe. Er hat einen kleinen Hof, in der Nähe von meinem Ausbildungsplatz. So tue ich gerade beides.

Das eigene Zuhause aufbauen 0:11:24

Ich weiß, dass ich auf diesem kleinen Hof bleiben werde, auch wenn ich jetzt einen Hofwechsel vornehme. Das ist jetzt mein Zuhause. Ich bin angekommen, nach Jahren der Suche, und habe einen Ort, wo ich bleiben und etwas aufbauen will. Es ist ein riesiges Geschenk, so einen Ort gefunden zu haben.

Viele Menschen haben nicht die Möglichkeit, ihren Ort so intensiv zu suchen. Vielleicht war es einfach notwendig für mich, diesen Platz zu finden. Noch habe ich zwei Jahre vor mir, in denen ich neue Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln kann. Danach werde ich zu diesem kleinen Hof ziehen, wo ich jetzt schon halb lebe.

Hofsuche und die Herausforderungen der Landwirtschaft 0:13:28

Die Suche nach einem neuen Hof ist schwer für mich. Viele Höfe haben starke Ideologien und stehen gleichzeitig unter dem Druck des Marktes. Die Balance zu finden, ist oft schwierig. Es gibt diese Idylle, Momente des Einklangs mit der Arbeit, aber auch viel Stress und Konflikte, vor allem, wenn Hierarchien sichtbar werden.

Es gibt aber auch die Momente, in denen man mit sich, der Pflanze und der Arbeit im Einklang ist. Diese nährenden Momente sind wichtig. Doch gerade muss ich mich für einen neuen Hof entscheiden, was eine große Herausforderung darstellt.

Der Tanz zwischen eigenen Ideen und der wirtschaftlichen Realität 0:17:24

Vielleicht ist es gar kein Spagat, sondern ein Tanz zwischen dem, was erwartet wird, und der eigenen Idee. Wir alle müssen diesen Tanz machen, egal ob wir auf einem Hof leben oder nicht. Es könnte uns zerreißen, aber es könnte auch ein Tanz sein. Wir können uns unserer Idee nähern, ohne uns abzuschotten.

Meine Mission ist die Wahrhaftigkeit 0:20:43

Meine Mission ist die Wahrhaftigkeit, mit der Wahrheit zu sein. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie man leben sollte, sondern möchte, dass die Wahrheit einfach strahlt. Wenn ich Menschen sehe, die etwas tun, das sie erfüllt, spüre ich das. Das ist, warum ich hier bin.

Wie genau mein Weg aussehen wird, weiß ich noch nicht. Ich möchte erst einmal Gemüse anbauen und von unserem Hof leben. Wie viele Menschen daran teilhaben werden, wie viele Kinder dort aufwachsen können – das sind alles Fragen, die sich noch entwickeln müssen. Wichtig ist, bei meiner Wahrheit zu bleiben, um das herauszufinden.

Die gestaltende Kraft des Menschen 0:23:04

In den letzten Tagen habe ich zusätzlich zu meiner Mission noch etwas Wichtiges erkannt: Ich will gestalten. Wir Menschen haben die gestalterische Kraft, uns einzubringen. Ich kann Bienen halten, Hecken pflanzen, die nützlich sind und in Kreisläufe eingebunden werden.

Dieses Forschen nach dem, was wir Menschen sind und wie wir uns entwickelt haben, ist Wahrhaftigkeit. Immer wieder merke ich, dass ich diese Gestaltungsaufgabe annehmen will. Das erfüllt mich und gibt mir Kraft.

Meine landwirtschaftliche Ausbildung und neue Erkenntnisse 0:23:22

Jetzt sind wir ja gerade hier, mein Lehrjahr, auf dem Dottenfelderhof zur Winterschule und bekommen jeden Tag so viel geschenkt. Wir können uns von früh bis Abend anhören und gezeigt bekommen, wie der Hof hier funktioniert. Aber auch noch viele andere Themen, auch über die Anthroposophie oder andere anthroposophische Themen, werden uns hier nahegebracht. Und auch da merke ich, da steckt so viel Wahrheit drin.

Bei vielen Sachen, die mir hier erzählt werden, spüre ich innerlich, dass sie bei mir ankommen, dass ich sie irgendwie kenne. Es fühlt sich mir vertraut an, ich kann es nachempfinden. Es ist diese Ursprünglichkeit, die Ursprünglichkeit, wie wir als Menschen auf der Welt sind. Wir sind verbunden mit dem Tierreich, mit dem Pflanzenreich, und wir haben die gestalterische Kraft, weil wir ein Bewusstsein haben, uns einzubringen. Wir können das reflektieren. Genau, wir haben diese gestaltende Kraft.

Dieses Forschen, was wir Menschen sind, wie wir uns entwickelt haben, was alles in uns steckt, das ist auch Wahrhaftigkeit. Und immer wieder, wenn ich die Gestaltungsmöglichkeiten sehe, merke ich innerlich: Ja, das will ich machen. Bienenhaltung, wie sinnvoll. Da kann ich wirklich etwas tun, da kann ich gestalten. Ich kann ein Bienenvolk halten und in diese Aufgabe hineinwachsen. Ich kann schöne Hecken pflanzen, die nützlich sind, die in Prozesse und Kreisläufe eingebunden sind und wichtig sind.

Ich kann als Mensch gestalten. Ich glaube, das ist mir besonders in den letzten Tagen zusätzlich zu dem Ziel für mich, Wahrhaftigkeit zu leben, noch hinzugekommen: Ich will gestalten.

Abschluss - Scherz 0:26:28

[François] Wow, das war aber schön. Kannst gut lügen. [Therese] Das ist nicht gelogen. [François] Das war ein Scherz.

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