Manfred Klett - Biografie als Film: Unterschied zwischen den Versionen

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== [https://www.youtube.com/watch?v=XV-7xOaZd0I=27s Einleitende Worte 0:00:27] ==
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So, kann's los gehen. Ja, ihr lieben Leut'. Einen schönen guten Nachmittag wünsche ich. Ich hab... also an meinen Ohren hat es so geklingelt...der Martin hat mich gebeten hier noch mal aufzukreuzen, und da war die Frage, ob ich noch irgendwie was zu meiner Biografie sagen soll. Jetzt weiß ich nicht ob das auch der allgemeine Wunsch ist, wir können natürlich auch ein offenes Gespräch machen, aber ich kann ja einfach mal mit dieser Thematik anfangen, weil da ein bisschen was aufleuchtet was dann auch die eigene Biografie vielleicht etwas beleuchtet.
So, kann's los gehen. Ja, ihr lieben Leut'. Einen schönen guten Nachmittag wünsche ich. Ich hab ... also an meinen Ohren hat es so geklingelt ... der [[Martin von Mackensen|Martin]] hat mich gebeten hier noch mal aufzukreuzen, und da war die Frage, ob ich noch irgendwie was zu meiner Biografie sagen soll. Jetzt weiß ich nicht ob das auch der allgemeine Wunsch ist, wir können natürlich auch ein offenes Gespräch machen, aber ich kann ja einfach mal mit dieser Thematik anfangen, weil da ein bisschen was aufleuchtet was dann auch die eigene Biografie vielleicht etwas beleuchtet.
== [https://www.youtube.com/watch?v=XV-7xOaZd0I=73s Geboren 1933 in Ostafrika am Kilimanjaro 0:01:13]==
== [https://www.youtube.com/watch?v=XV-7xOaZd0I=73s Geboren 1933 in Ostafrika am Kilimanjaro 0:01:13]==
Ja, die Schicksalswendungen des Menschen im [[A:Bewusstseinsseele|Bewusstseinsseelen-Zeitalter]] sind nicht mehr so geradlinig, als wenn man in den alten Erbgang eingestiegen ist. Früher war es so, dass man hineingeboren worden ist in eine Dorfschaft oder in ein Handwerksdasein oder so. Und da war eigentlich schon mehr oder weniger doch der Lebensweg vorgezeichnet, dadurch, dass man das Erbe derer angetreten hat, die einem vorangegangen sind, und man hat dasselbe Handwerk gelernt. Jedenfalls war da eine größere Geradlinigkeit in den Biografien noch zu vermerken, wenngleich sich das schon im 18./19. Jahrhundert immer stärker differenziert hat.
Ja, die Schicksalswendungen des Menschen im [[A:Bewusstseinsseele|Bewusstseinsseelen-Zeitalter]] sind nicht mehr so geradlinig, als wenn man in den alten Erbgang eingestiegen ist. Früher war es so, dass man hineingeboren worden ist in eine Dorfschaft oder in ein Handwerksdasein oder so. Und da war eigentlich schon mehr oder weniger doch der Lebensweg vorgezeichnet, dadurch, dass man das Erbe derer angetreten hat, die einem vorangegangen sind, und man hat dasselbe Handwerk gelernt. Jedenfalls war da eine größere Geradlinigkeit in den Biografien noch zu vermerken, wenngleich sich das schon im 18./19. Jahrhundert immer stärker differenziert hat.

Version vom 25. August 2024, 14:34 Uhr

Hier berichtet der bedeutende Biodynamiker, Dr. Manfred Klett, am 17. März 2017 den Landbauschülern und Azubis vom Dottenfelderhof aus seiner eigenen Biografie.

Manfred Klett, Foto: François Hagdorn

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Einleitende Worte 0:00:27

So, kann's los gehen. Ja, ihr lieben Leut'. Einen schönen guten Nachmittag wünsche ich. Ich hab ... also an meinen Ohren hat es so geklingelt ... der Martin hat mich gebeten hier noch mal aufzukreuzen, und da war die Frage, ob ich noch irgendwie was zu meiner Biografie sagen soll. Jetzt weiß ich nicht ob das auch der allgemeine Wunsch ist, wir können natürlich auch ein offenes Gespräch machen, aber ich kann ja einfach mal mit dieser Thematik anfangen, weil da ein bisschen was aufleuchtet was dann auch die eigene Biografie vielleicht etwas beleuchtet.

Geboren 1933 in Ostafrika am Kilimanjaro 0:01:13

Ja, die Schicksalswendungen des Menschen im Bewusstseinsseelen-Zeitalter sind nicht mehr so geradlinig, als wenn man in den alten Erbgang eingestiegen ist. Früher war es so, dass man hineingeboren worden ist in eine Dorfschaft oder in ein Handwerksdasein oder so. Und da war eigentlich schon mehr oder weniger doch der Lebensweg vorgezeichnet, dadurch, dass man das Erbe derer angetreten hat, die einem vorangegangen sind, und man hat dasselbe Handwerk gelernt. Jedenfalls war da eine größere Geradlinigkeit in den Biografien noch zu vermerken, wenngleich sich das schon im 18./19. Jahrhundert immer stärker differenziert hat.

Und heute ist es effektiv so, dass man nicht mehr nur nicht das tut, was die Eltern getan haben oder die Großeltern, sondern nicht mal das tut, wofür man sich selbst ausgebildet hat, sondern plötzlich ist man ganz woanders gelandet. Und das ist also ein Phänomen unserer Zeit.

Und was nun meine Person betrifft, so ist es so, dass das Schicksal gewollt hat, dass ich nicht - wie meine Geschwister alle - in Deutschland geboren bin, sondern in Ostafrika am Kilimandscharo, 1933, im Jahr der Machtergreifung hier in Deutschland. Ja, und bin dort auch aufgewachsen, vor dem Zweiten Weltkrieg, auf einer Kaffeeplantage. Mein Vater war Biologe und hat sich eigentlich im Wesentlichen für die Vegetation am Kilimandscharo interessiert, für die verschiedenen Vegetationsstufen von der Steppe bis rauf in die arktischen Klimate, und hat da also pflanzenkundliche Studien betrieben - aber gleichzeitig eine Kaffeeplantage betrieben, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Und da bin ich aufgewachsen, und man hatte sozusagen noch um sich herum das wilde Tierleben. Wenn man also nachts aus dem Haus getreten ist, dann leuchteten da irgendwo in der Dunkelheit die Augen eines Leoparden oder... - na, der Löwe war so ein bisschen weiter weg, aber auch nur ein paar Kilometer - und auch das Nashorn war sehr nah. Und die Elefanten kamen aus dem oberen Regenwald hin und wieder auch mal in die Kaffeeplantagen vorgerückt. Man war noch so mittendrin, möchte ich mal sagen, in diesem ursprünglichsten Leben der Erde, wo der Mensch eigentlich nur eine sekundäre Rolle spielt und die Tierwelt primär im Vordergrund stand.

Nicht weit von der Serengeti war das dann auch - also die Serengeti ist ja bekannt, die große Steppe, die sich da bis an den Viktoriasee hinzieht in Tansania. Also das waren meine frühesten Jugendeindrücke, diese unglaubliche Nähe zur Tierwelt. Tagsüber hat man sie kaum gesehen, und nachts ging's los: Alles voller Geräusche, überall hat es geraunt und getan.

1940 mit dem letzten Schiff zurück nach Deutschland 0:04:58

Naja, dazu brauche ich jetzt nicht viel weitersagen als dieses, dass ich meinem Schicksal dankbar bin, dass es dazu geführt hat, dass ich wieder nach Deutschland gekommen bin. Die Zeit dort in Afrika, das war paradiesisch, absolut paradiesisch, muss man wirklich sagen, aber eben nur von relativ kurzer Dauer, denn der Zweite Weltkrieg brach aus, und die Engländer haben uns sofort festgesetzt.

Die Engländer hatten ja das Mandat über Tansania, das ehemalige deutsche Kolonie gewesen war, sodass sie eigentlich dort die Regierungsgeschäfte mit den Eingeborenen zusammenführten, und die Deutschen waren nur geduldet. Und kaum war der Krieg ausgebrochen, waren wir eigentlich Gefangene. Es hat sich dann aber ergeben, dass die Engländer es zugelassen haben, dass, wer nach Deutschland zurück wollte, dies konnte - indem er alles stehen und liegen ließ, also auf alles verzichtete, was er dort aufgebaut hatte.

Und wir haben es geschafft, mit dem letzten Schiff, das überhaupt noch Flüchtlinge transportierte - ein italienisches Schiff, bevor Mussolini in den Krieg eingetreten ist - kurz davor noch herauszukommen. Mit nichts, als was wir gerade eben auf dem Leib trugen. Sonst hatten wir nichts mehr. Also, wir haben alles stehen und liegen gelassen. Alles, was sozusagen zum Leben gehört hat, haben wir unseren Mitarbeitern geschenkt, den Eingeborenen. Alles andere mussten wir also wirklich - die Kaffeeplantage, alles - stehen und liegen lassen und kamen dann nach Europa zurück, schon während des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1940.

In Salem am Bodensee erlebte ich noch Nazi-Deutschland 0:07:04

Und da habe ich eben Gelegenheit gehabt, noch den Zweiten Weltkrieg wirklich zu erleben, auch den Nationalsozialismus wirklich zu erleben, wie man das - ich war damals dann elf Jahre alt - eben in diesem Alter erleben kann. Aber ich habe das auch hautnah erlebt in vieler Hinsicht. Die Beispiele will ich jetzt nicht im Einzelnen aufzählen, aber es war jedenfalls so, dass mich das derart getroffen hat - bis ins Innerste schon damals - was da sich eigentlich abspielt.

Das kam insbesondere auch dadurch zustande, dass ich noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 1944, nach Salem am Bodensee kam, an die dortige Schule - ich weiß nicht, ob das bekannt ist, Salem am Bodensee, es ist eine sehr freie Privatschule, die schon Anfang der 30er Jahre gegründet worden ist - und von der meine Eltern nicht wussten, dass die wenige Monate bevor ich dorthin kam, im Mai 1944, SS-Schule wurde. Da wurde die ganze Lehrerschaft rausgeschmissen, die alte Lehrerschaft, und da kamen also jetzt SS-Angehörige.

Und da habe ich dann erst recht den Geist erlebt, der da eigentlich gewaltet hat. Ich bin meinem Schicksal dankbar, dass ich das erlebt habe, muss ich wirklich sagen. Also dass man diesen Ungeist - es war durchgängig von morgens bis abends, durch die Nacht hindurch, man möchte sagen, eine Zeit des Ungeistes, also wo man als Mensch gar nicht mehr in dem Sinne Mensch sein konnte.

Nach Kriegsende nach Stuttgart Uhlandshöhe- meine Hoch-Zeit an der Waldorfschule 0:09:15

Und schließlich haben wir das Kriegsende dann auch überstanden, und dann hatte ich das Glück, nach Kriegsende - mit Zwischenstationen - auf die wiedereröffnete Waldorfschule in Stuttgart Uhlandshöhe zu kommen. Das ist die Ur-Schule - damals noch Kanonenweg genannt, also der Kanonenweg oben - und die war auch zerbombt. Als Schüler mussten wir also ständig Schutt aufräumen in den Pausen. Pausen gab's gar nicht, weil wir gearbeitet haben. Mit dem Schubkarren haben wir den Schutt beseitigt, und in der Klasse selber saßen wir, 45 Schüler, in einem ganz engen Raum. Es tropfte immer durch das Dach, wenn es geregnet hat. Der Ofen stand mitten im Klassenraum mit einem großen Ofenrohr durch das Fenster.

Und so verbrachte ich meine Schuljahre in den Neuanfängen der Waldorfschule, nachdem sie ja verboten war - sie war ja seit 1935 offiziell verboten, und endgültig geschlossen wurden die letzten Waldorfschulen 1942, '41 glaube ich. Und diese Zeit an der Waldorfschule, das war eine Hoch-Zeit, das können Sie sich heute überhaupt nicht mehr ausmalen. Das war, wie wenn man eine schwere Last abgeworfen hätte, die des Dritten Reiches, und man konnte jetzt frei atmen.

Es war die große Hungerperiode. Wir haben gehungert, gehungert, gehungert. Wir hatten wirklich nichts zu essen. Wir hatten überall Löcher in den Beinen, sogenannte Hungerlöcher, und ich lief noch bis zur 8. Klasse barfuß, vom Frühjahr bis zum Herbst. Wir hatten keine Schuhe und nichts, es war ja alles kaputt. Und auch unsere Zufluchtsstätte, wo wir hätten noch wohnen können, war von einer Luftmine in die Luft geblasen, da war nichts mehr übrig. Es war damals nur Schutthaufen an Schutthaufen, man lief sozusagen in so schmalen Fußwegen über den Schutt durch die Stadt.

Zeit des geistigen Aufbruchs- Sehnsucht nach dem Ausland 0:11:46

Aber das war wirklich eine Zeit eines unendlichen geistigen Aufbruchs. Also das Zusammenleben von Schülern, Schülern und Lehrern, das war so geladen von Initiativkraft, Vorwärtsdrängen, wirklich etwas im Leben zu ergreifen, wie man es sich heute so gar nicht mehr ohne Weiteres vorstellen kann. Wenn man krank wurde, wurde man nur deshalb gesund, um möglichst schnell wieder in die Schule zu kommen. Das war also die eigentliche Therapie, die Schule war die Therapie.

Jetzt muss man sich mal vorstellen, was da für ein Leben war, also in jeder Hinsicht. Man war befeuert von morgens bis abends. Naja, und dann hatte ich natürlich die Sehnsucht, möglichst schnell wieder ins Ausland zu kommen, nachdem ich da im Ausland geboren war. Gleich nach dem Krieg, bei der ersten Gelegenheit, bin ich dann Austauschschüler geworden nach England, war dann in "Michael Hall" ein Jahr lang - das ist also auch eine Waldorfschule in Südengland - und hab' da viele Freunde auch gewonnen seit dieser Zeit.

Orientierung nach dem Abitur, 2 Semester Studium Bauingenieurwesen 0:13:07

Ja, und nach dem Abitur an der Waldorfschule in Stuttgart, war dann die Frage, was man jetzt also beruflich ergreift, und da stand man wirklich davor. Landwirtschaft war weit, weit, weit außerhalb des Gesichtskreises, weil ja die Landwirtschaft - damals - noch nahezu durchgehend bäuerlich war, dörflich bäuerlich. Und natürlich gab es auch Großbetriebe, aber die waren dann auch natürlich irgendwie verpachtet oder so, aber da war sozusagen das seit dem Mittelalter bestehende Bauerntum noch wirksam - natürlich in Metamorphosen - und hatte noch Bestand. Das war also ganz undenkbar!

Und das Interessante daran war, dass die Lehrer der Waldorfschule uns auch nicht im Leisesten irgendwie einen Beruf eröffnet hätten im Hinblick auf biologisch-dynamische Landwirtschaft oder Heilpädagogik oder Sozialtherapie oder anthroposophische Medizin. Nichts, gar nichts. Nie auch nur ein Sterbenswörtchen, sondern die haben nur wirklich aus der anthroposophischen Menschenkunde heraus einen Unterricht erteilt, und es war wunderbar. Und da wurde uns immer wieder - in jeder Klasse in Metamorphosen - berichtet über die vorangegangenen Kulturen: die der griechisch-römischen Zeit, der davor liegenden ägyptisch-babylonisch-chaldäischen Zeit, und dann die ur-persische Kultur, die ur-indische Kultur. Das hat sich so tief in Bildern in uns eingeprägt - fürs Leben! Das hat sich dann später auch bei mir gezeigt.

Naja, und dann war die Frage der Berufswahl. Und da habe ich gesagt, ich studiere Bauingenieurwesen, ich werde Bauingenieur. Weil mir klar war damals - deutlich - das Problem der Wasserversorgung in der Welt wird das Zentralproblem überhaupt werden. Und das war auch natürlich für mich eine Verlockung, weil ich wieder raus wollte aus Deutschland, also raus in die Welt. Nach dem 2. Semester kam es dann mit einem gewissen brutalen Akt zu Ende, am Ende des 2. Semesters. Ich war damals schon ein bisschen unglücklich, weil ich gedacht hatte, ist das wirklich das Richtige? Das war 1954 zur Weltmeisterschaft.

Das heißt, vorher - das muss ich mal kurz einschieben - also nach meinem Abitur, bin ich zur See gefahren, da war ich Schiffsjunge auf einem Bananendampfer und bin nach Mittelamerika gefahren, habe die Bananen nach Deutschland mit verfrachtet. Also das war auch eine sehr eindrückliche Angelegenheit, als Schiffsjunge noch die letzten Momente der christlichen Seefahrt zu erleben. Heute kann man nicht mehr von einer christlichen Seefahrt sprechen. Früher hieß es ja, die Seefahrt war eine christliche. Die war noch ganz aus den Quellen Heinrichs des Seefahrers gespeist, des Portugiesen, der dann eine Seefahrerschule - siehe Portugal - begründet hat, an der dann all diejenigen teilgenommen haben, die schon seit dem 15. Jahrhundert, also in der Nach-Columbus-Zeit im Wesentlichen, zu Kapitänen der Schiffsfahrt über die ganze Welt geworden sind. Daher rührte noch dieser Begriff "christliche Seefahrt" und das ging eigentlich dann nach dem Zweiten Weltkrieg bald zu Ende, das wurde dann so kommerzialisiert usw. ...

Schicksalswende 1954, ich war 21 und brach mir das Bein 0:17:30

Naja, ich konnte also da noch etwas von dieser Qualität erleben und habe dann angefangen, Bauingenieurwesen zu studieren. Und dann kam eben diese Sache nach dem 2. Semester, das war 1954. Wer das Jahr 1954 hört in Deutschland, der weiß, dass Deutschland damals die Weltmeisterschaft im Fußball gewonnen hat - und zwar war ich persönlich Handballer und spielte auch im Verein und war also richtig so zu Gange. Aber gleichzeitig haben wir natürlich auch ziemlich viel Fußball gespielt auf den Straßen Stuttgarts. Da fuhr noch kein Auto, da konnte man überall die Schulranzen auf die Straße schmeißen und dann anfangen - mit so Tennisbällchen haben wir immer gekickt.

Da waren wir also so befeuert, dass wir gedacht haben, jetzt müssen wir mal der Handelsschule in Stuttgart ein Spiel anbieten. Und die haben angenommen, und wir haben dann also das Spiel angefangen, und es stand schon 3:0 für uns. Da kommt der erste Ansturm so richtig auf mein Tor - ich stand damals im Tor - und ich lief raus, und dann haut der mir mit voller Wucht mit so Böllerschuhen - wir hatten nur Tennisschuhe, wir haben nur mit Tennisschuhen gespielt - also mit so Böllerschuhen haut der mir das Bein ab. Das war abgewinkelt, und es war also ein sehr, sehr, sehr komplizierter Bruch.

Ich stürzte zu Boden - und - es war der glücklichste Moment meines Lebens, den ich je erlebt habe, dieser Moment. Es war genau wenige Tage nach meinem 21. Geburtstag. Da habe ich gesagt: Das ist jetzt mein Engel, der spricht zu mir, der hat ihn nur benutzt, diesen Kerl da benutzt, der mir das Bein abgehauen hat, aber das ist die große Wende meines Schicksals. Das war mir in dem Augenblick vollkommen hell und klar bewusst.

Es war dann eine sehr lange Zeit, wo ich da wirklich noch damit zu tun hatte. Ich musste dann auch noch mal operiert werden, es war also ein sehr komplizierter Bruch.

Syrien/ Bewässerungsanlage auf Baumwollplantage- die schönsten Zeiten meines Lebens 0:19:57

Und tatsächlich, die Schicksalswende trat ein, indem sich ergab, dass drei deutsche Landwirte klassischer Art, so konventionell damals - wirklich fachlich hervorragende Leute - beauftragt waren, einen Versuch zu machen im Vorderen Orient, durch Beregnung Baumwolle zu erzeugen. Und ich konnte mich dann dieser Expedition anschließen - als Schwarzes Schaf sozusagen, keine Ahnung von Landwirtschaft oder irgendwas - und so sind wir da in den Vorderen Orient gezogen, und zwar in den Nordosten Syriens.

Ich war damals in Damaskus, in Hama, in Homs, in Latakia, in Aleppo - all die Städte, die jetzt überall immer wieder durch die Zeitungen geistern. Also ich kannte das Land ziemlich in- und auswendig, soweit man das in dieser Zeit natürlich tun kann. Aber ich habe jedenfalls alles kennengelernt, die Städte, und lebte dann da im Nordosten in einem Zelt unter Beduinen. Und da haben wir damals versucht, am Chabur - das ist der längste Nebenfluss des Euphrat - Baumwolle anzubauen durch künstliche Beregnung.

Das ganze Experiment lief ziemlich schief, aus verschiedenen Gründen - das brauche ich jetzt nicht im Einzelnen zu erzählen - jedenfalls zogen die anderen vorzeitig ab, und ich blieb als einziger übrig, um das ganze Projekt noch abzuwickeln. Es waren wiederum mit die schönsten Zeiten meines Lebens. Ich musste die ganze Baumwollernte alleine machen, ich war damals 22 Jahre alt und hatte 140 Mitarbeiter, die ich dort zu betreuen hatte, also Araber, Beduinen, die gestern noch vom Kamel gestiegen waren und jetzt solche Arbeiten machten. Naja, das war dann sehr, sehr interessant.

Mitarbeit bei Ausgrabungen. Wüste in blühende Kulturen wandeln- mein Motiv für die Landwirtschaft 0:22:09

Und während dieser Zeit war eine Ausgräbertruppe aus Berlin dort oben am Chabur - Raʾs al-ʿAin hieß der Ort. Raʾs al-ʿAin heißt auf Arabisch "Quelle" - "ras" heißt der Kopf, "ain" das Auge. Das ist typisch für diese Sprache, diese arabische Sprache ist ungeheuer bildhaft, aber die Bilder sind immer so, als ob in den einzelnen Worten jeweils eine ganz spezifische Art fixiert wäre. Also es ist so, dass wenn man den Begriff "Löwe" zum Beispiel im Arabischen aussprechen will, dann kommt es immer darauf an, ob er sitzt, oder gerade am Boden liegt und sich herumwälzt, oder ob er gerade aufspringt, oder sein Opfer ergreift. Das ist jeweils ein Begriff für sich. Und so ist es auch mit Raʾs al-ʿAin, also das ist das Oberste des Auges, das ist die Quelle, das ist das Wort für Quelle. Es ist ein Quellgebiet gewesen da oben am oberen Chabur.

Und ja, also dann ging eben die Sache schief. Ich habe das dann zu Ende geführt und habe während dieser Zeit aber auch bei diesen Ausgrabungen teilgenommen. Bei jeder Gelegenheit bin ich da hin und habe dann auch mitgeschürft, weil mich das brennend interessiert hat. Und da habe ich gemerkt, dass ein Teil dieser Hügel, die da so in der Gegend waren, dass das alles alte Siedlungshügel waren, und diese Siedlungshügel gingen dann so in eine Steppe über, eine Grassteppe, Wüste eigentlich. Und da habe ich mir das so angeschaut und gedacht: Na, wenn das mal eine Siedlung, mal eine blühende Kultur war, das alte Babylonien, die Chaldäer, Assyrien - das war ja eine unglaubliche Kultur gewesen, und jetzt ist es eine Halbwüste und nur noch so ein paar Hügel sind da übrig - wenn das so ist, dann muss ich schleunigst nach Deutschland zurück und zusehen, dass das nicht in Deutschland, in Mitteleuropa auch passiert, dass alles eine Wüste wird. Das war so ein Bild, das mir da aufgetaucht ist.

Und gleichzeitig ist mir beim Anschauen dieser Landschaft dort und dieser kargen Hügel und überhaupt so in dieser ganzen Stimmung... da sind mir die Bilder wieder aufgetaucht, die ich von meinen Lehrern in der Waldorfschule gehört habe, die Bilder dieser Kulturen, was da so gelebt hat, was da geistig bewusstseinsmäßig sich vorbereitet hat in der Menschheitsgeschichte für Späteres. Das kam mir aus der Landschaft entgegen, und da habe ich dann den Entschluss gefasst, Landwirt zu werden. Es gab gar keinen anderen Grund, also weder alternativ noch irgendwas, was man sonst so heute denken könnte, ökologisch zu wirtschaften, sondern rein der Gesichtspunkt: Das war hier mal eine wunderbare blühende Kultur, und wir laufen Gefahr in Europa, möglicherweise auch eine Wüstenei um uns auszubreiten, und jetzt muss ich eigentlich doch mich zur Verfügung stellen, nicht irgendwo Brunnenbauer oder sonstwie Wasserbauer zu werden, sondern mich zur Verfügung stellen, dass man dieser Wüstenei entgegenwirkt.

Ich hatte keine Ahnung von biologisch-dynamischem Landbau, kam aber mit diesem Entschluss zurück nach Deutschland - 1955 war das, Ende '55 - und da habe ich zu meinem Vater damals gesagt: Ich werde Landwirt! Da hat er mich völlig entsetzt angeguckt: Ja, da muss man doch reingeboren sein! Das geht doch gar nicht! Man kann doch das nicht irgendwie... - Nein! Ich werde Landwirt! Und dann ergab sich wenig später - ich suchte eine Lehrstelle - dass ich Gelegenheit hatte, mit jemandem mitzufahren, der verschiedene Betriebe aufgesucht hat in Hessen und Nordrhein-Westfalen, um die mal anzugucken.

Winter 1956: Erste Begegnung Ernst Becker auf dem Dottenfelderhof 0:26:49

Naja, da sind wir über verschiedene Stationen schließlich gelandet - wo? Hier auf dem Dottenfelderhof! Es war ein eiskalter Winter, 1956, also wirklich minus 25 Grad Celsius, und da steige ich da unten an der Ecke aus, und von der Treppe kommt da jemand runter, mit so 'ner Zipfelmütze und 'ner Augenklappe. Und dann gucke ich dem nur einmal in das eine Auge, und dann habe ich gesagt: "Hier bleib ich! Hier bleib ich!"

Also, ich bin dann noch weitergefahren nach Nordrhein-Westfalen, habe da verschiedene biologisch-dynamische Betriebe angeguckt, unter anderem auch den von Kruckelmann. Ich weiß nicht, ob der Name Kruckelmann bekannt ist, von Gut Rothenhausen. Die hatten früher ihren Betrieb bei Dortmund-Kruckel, Kruckeler Straße, der Kruckeler Hof. Die haben das ja dann verkauft und haben Rothenhausen gekauft, die Eltern. Friedhelm Kruckelmann war mein Lehrling dann gewesen später.

Naja, dann haben wir den Hof angeguckt und einen anderen Hof, und das hat mich überhaupt nicht mehr interessiert. Nichts. Aus. Ich will hierher! Und so ergab sich das, dass ich hier dann meine Lehre auf dem Dottenfelderhof absolviert habe. Das war damals auch eine Sternstunde des Dottenfelderhofes, muss ich sagen. Der wurde schon seit 1946 biologisch-dynamisch bewirtschaftet von Ernst Becker, eben jenem mit der Augenklappe. Hinzu kamen dann noch Graf Bothmer - der gerade promoviert hatte bei Ernst Klapp in Bonn - der hat Forschungen betrieben zusammen mit der Universität Gießen hier auf dem Hof. Und dann war noch Dr. Wolfgang Schaumann, der Tierarzt. Die bildeten ein Triumvirat.

Und in dieser Phase der 50er Jahre sollte der Dottenfelderhof zum Zentrum der biologisch-dynamischen Bewegung in Deutschland werden. Das war alles schon fix und fertig konzipiert, mit allem drum und dran. Alles, was heute in Darmstadt ist, das Institut und weiß ich was, das sollte alles hier auf den Dottenfelderhof kommen.

Das Triumvirat Becker, Bothmer und Schaumann ringt um die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise 0:29:02

Und dieser Plan, der ausgereift war und eigentlich auf Ernst Becker zurückging in seinen Verhandlungen mit dem Land Hessen, zerbrach im letzten Moment. Das war eine furchtbare Katastrophe! Das habe ich als Lehrling damals miterlebt. Es war eine Intrige, die von den Mitpächtern des Hofes und der Pächtergemeinschaft hier in der Wetterau gegen diesen Plan der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise und gegen die Person von Ernst Becker gerichtet war. Eine richtig große, gut eingefädelte Intrige. Da haben natürlich die verantwortlichen Leute im Staat gesagt: "Ja, unter diesen Bedingungen können wir euch nicht diese Lösungen hier verwirklichen." Eine furchtbare Katastrophe!

Jetzt muss man sich vorstellen: Erstens mal, diese drei - Becker, Bothmer, Schaumann - haben alle am Krieg teilgenommen. Jeder ist dem Tod gerade mal immer wieder von der Schippe gesprungen. Der eine hatte nur noch ein Auge und voller Splitter im Gesicht. Das war Ernst Becker, der zu Pferd mit fliegenden Haaren... An der Grenze zu Russland hat er die Pistole weggeschmissen, den Helm weggeschmissen und ist einfach mit seinem Pferd nach Osten geritten, als 18-Jähriger. Er hat die großen Kesselschlachten in Russland erlebt und war bis weit über Moskau hinaus geritten - südlich von Moskau wollten sie Moskau umfassen. Und dann hat er diese Handgranate ins Gesicht bekommen, und es war dann eben so, dass er dann blind war. Doch er hatte einen wahnsinnigen Willen: "Ich werde wieder sehen! Auf dem einen Auge wenigstens!" Ein unglaublicher Choleriker, ein unglaublich begabter Mensch.

Er hatte schon als Schüler Philosophie studiert. Während des Unterrichts da vorne hat er Kant gelesen und so. Schon am Ende seiner Schulzeit hat er gesagt, mit der Philosophie kann man nichts mehr in der Welt machen, das ist vorbei, das war einmal, und dann hat er Atomphysik studiert und angefangen bei Weizsäcker in Bonn. Aber dann hat er gesagt: "Ach, das hat auch keinen Sinn, das führt in eine Sackgasse! Das ist keine Grundlage für die Entwicklung der menschlichen Erkenntnis." Dann hat er gesagt: "Es bleibt nur noch eins übrig, ich muss das studieren, was mit dem Leben zu tun hat - Landwirtschaft!" Und so hat er dann in Hohenheim Landwirtschaft studiert. Ja, das ist also eine ganze Geschichte für sich...

Mein Zugang zur Anthroposophie. Der Lesekreis 0:31:56

Insofern fand ich hier drei Menschen vor, die vom Zeitenschicksal ganz schön gezeichnet waren und gleichzeitig voller Initiative, irgendwas in die Zukunft neu zu gestalten. Und da fühlte ich mich ja so richtig angesprochen, natürlich, auf der ganzen Linie. Durch die kam ich auch zur Anthroposophie. Wir hatten dann Lesekreise, schon vom ersten Tag an, als ich dahin kam, wo also die Anthroposophie studiert wurde: die erkenntnistheoretischen Schriften Rudolf Steiners und später andere Schriften, also die Geheimwissenschaft usw.

Und da ging mir also eine Welt auf, ich habe gedacht, jetzt kann einen eigentlich nichts mehr halten. Das ist der Weg, auf dem man, im Grunde genommen, jedes Problem in Zukunft lösen kann. Das war so eine begeisterungsvolle Zeit, meine Lehrzeit. Die habe ich allerdings sehr verkürzt, wir haben da sehr viel geschummelt.

Ausbildung, Studium und Promotion in Hohenheim 0:33:14

Ich habe da schon nach eineinhalb Jahren meine Prüfung gemacht und bin dann sofort nach Hohenheim, habe da mein Studium angefangen, und das Studium bestand auch darin, dass ich mich mehr mit Philosophie und Anthroposophie befasst habe als mit dem Studium selbst. Ich bin während dieser Zeit in jedem Semesterferien hierher auf den Dottenfelderhof gekommen und habe den Bewirtschafter gesprochen. Der Bewirtschafter war jetzt kaltgestellt, er musste den Hof konventionell bewirtschaften - das war zwangsweise, er hatte einen Berater, einen konventionellen Berater von außen vor die Nase gesetzt bekommen, der ihn beraten hat, wie man jetzt hier konventionell wirtschaftet. Seit '58 war das so, und ich kam jede Semesterferien hierher und habe gesagt: "Herr Becker, können wir mit dem Hof wieder was machen?" Und dann hat er gesagt: "Nein." Das war für mich bündig und ich habe gesagt: "Gut, dann nicht."

Er wohnte noch hier, hat dann aber später am Institut für Biologisch-Dynamische Forschung in Darmstadt gearbeitet, wo er täglich hin und her fuhr. Naja, dann habe ich gesagt, wenn es so ist, dann mache ich mein Studium zu Ende, dann promoviere ich halt noch.

Dann habe ich im Fach Bodenkunde die Promotionsarbeit gemacht, die mich drei Jahre lang in Atem gehalten hat. Ich habe Wasseruntersuchungen gemacht und bodenkundliche Aufnahmen im Bereich Einzugsgebiet der Stockacher Aach am Bodensee, im Rahmen eines Riesenprogramms, das damals von der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgelegt war - nämlich die Frage: Kann man den Bodensee vor dem Umkippen retten? Kann man die ganzen Zuflussgewässer so rein halten, dass man das als Trinkwasserreservoir für ganz Süddeutschland usw. weiter zur Verfügung hat? Ich habe damals die Ursprungsgewässer, das heißt also nicht-siedlungsbelastete Gewässer, untersucht und versucht festzustellen, was eigentlich die natürliche Stoff-Fracht eines Gewässers aus einem bestimmten geologischen Gebiet heraus ist.

Es ist natürlich klar, jedes Gewässer ist irgendwo ein Spiegel dessen, woher es eigentlich kommt, was sein Einzugsgebiet ist. Da hatte ich also ziemlich umfangreiche Arbeit zu leisten, das hat mich drei Jahre in Anspruch genommen - nur die rein experimentellen und analytischen Angelegenheiten. Und jedes Jahr bin ich wieder hier auf den Dottenfelderhof gefahren und habe dem Ernst Becker jedes Jahr dieselbe Frage gestellt.

1964 geht es endlich los mit dem Dottenfelderhof 0:36:15

Und im Jahr '64, als ich fertig war mit der Promotion, komme ich hierher - das war aber schon im Januar '64 - frage ich Herrn Becker: "Können wir was machen mit dem Hof?" - "JA", sagt er. Plötzlich sagt er JA! Und darauf ich: "Ja, das kann doch nicht wahr sein! Dann müssen wir doch sofort was unternehmen!" Und da haben wir uns noch am selben Tag hingesetzt und einen Brief an den Minister in Wiesbaden geschrieben und unsere Motive begründet, dass wir diesen Hof wiedergewinnen wollen für die biologisch-dynamische Landwirtschaft.

Und der war derart idealistisch, dieser Brief - wenn man den heute liest, fragt man sich wirklich, also wer kann sowas überhaupt noch ernst nehmen.

Da haben wir drei Motive damals dem Ministerium unterbreitet - den Minister kannte Ernst Becker, das ist nicht so, dass der unbekannt war, und der schätzte ihn auch, das war ein guter Mann, Tröscher hieß der. Das erste Motiv war, wir wollen hier auf diesem Hof - das galt als ein Großbetrieb, 186 Hektar war da die Fläche, das war zur damaligen Zeit ein echter Großbetrieb, denn normal war alles Übrige bäuerlich, und die hatten vielleicht 7, 8, 9, 10, 15 Hektar maximal - biologisch-dynamische Landwirtschaft so mustergültig wie nur irgend möglich entwickeln und haben den Staat eingeladen, da mitzuwirken. Wir haben die Minister usw. eingeladen: Ihr könnt alle sozusagen hier mitmachen, das ist eine interessante Sache für die Zukunft.

Wir haben gesagt, wir wollen gerne mit der Universität Gießen zusammenarbeiten, dann können die hier ihre Untersuchungen machen und so. Und der zweite Gesichtspunkt war, eine dafür geeignete Sozialform zu entwickeln. Weil wir genau wussten, so wie vorher kann man es nicht mehr machen. Eine dafür geeignete Sozialform - für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise! Und das Dritte war, eine zeitgemäße Lösung der Boden-Eigentumsfrage. Und das haben wir begründet.

Und als ich meinem Vater diesen Brief dann gezeigt habe, hat er gesagt, den hätte ich sofort in den Papierkorb geschmissen. Mein Vater hatte eine ziemliche Rolle in Baden-Württemberg gespielt, als Leiter der Landesanstalt für Pflanzenschutz, also er hatte da Einblick in solche Geschichten, hatte auch mit den verschiedenen Universitätsinstituten zusammengearbeitet. Er hat gesagt, den hätte ich sofort in den Papierkorb geschmissen, wenn ich diesen Brief gelesen hätte. Der Minister Tröscher hat tatsächlich ein Antwortschreiben darauf verfasst: Er bitte um Präzisierung.

Naja, so ging's los.

Die letzten Spuren der abendländischen christlichen Landbaukultur 0:39:53

Jetzt möchte ich nochmal sagen, bevor ich das weiter schildere: Diese Phase von 1946 bis 1957 war noch eine, wo die gesamte Struktur in Deutschland, auch in der DDR - Deutschland war ja geteilt - rein bäuerlich geprägt war, also so wie noch vor 100, vor 200, vor 300, vor 400 Jahren. Die Kirche war auch noch so gerade eben im Dorf, und die Betriebsgrößen lagen eben bei diesen Hektarzahlen von 7 Hektar bis dann vielleicht... - wenn einer 20 Hektar hatte, dann war das viel - alles noch Gemischtbetriebe, überall noch das Vieh im Stall, die Schweine im Stall, die Hühner im Stall, und dann der Ackerbau usw. Das waren also noch wirklich, man möchte sagen, gewachsene Betriebsorganismen.

Und bestens bewirtschaftet natürlich, das meiste von Hand und überwiegend Pferdezug oder Kühe wurden eben noch eingespannt - vor allem in Süddeutschland. Gerade diese Zeit habe ich noch erlebt, im letzten Augenblick. Und zwar war das hier auf dem Hof dadurch möglich, dass der Hof vollgestopft war bis unter's Dach - wirklich, wirklich, das muss ich sagen - mit Flüchtlingen. Flüchtlinge aus dem Osten, die sich alle bestens auf die Landwirtschaft verstanden haben. Die wussten, wie man mit Pferden umgeht, und handwerklich war das ganz perfekt bei diesen Leuten. Also das Mähen mit der Sense habe ich von einer Frau gelernt aus dem Sudetenland. Die konnte mähen, das war ein Bild für die Götter, das anzusehen, wie die gemäht hat. Die waren handwerklich noch durch und durch präsent. Und die konnten arbeiten! Das waren dann nicht 8-Stunden-Tage, sondern wenn mal Not am Mann war, dann hat man halt, bis es dunkel war, gearbeitet.

Es war ein Leben hier auf dem Hof, es war wunderbar! Aber es war so wie bei einem Kirschbaum, der, kurz bevor er stirbt, nochmal aufblüht. Die letzte Blüte sozusagen... Und so war das da mit der Landwirtschaft generell. Die abendländische christliche Landbaukultur seit dem frühen Mittelalter, die ist endgültig zu Grabe getragen worden just Ende der 50er-, Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Da war es endgültig Schluss und aus und vorbei. Die Bauern wanderten ab, die Flüchtlinge wanderten hier vom Hof ab, wurden aufgesogen von der Industrie. Das waren sozusagen die ersten Migranten, die da die industrielle Produktion in Gang gesetzt haben. Das war der Übergang von den 50ern in die 60er Jahre.

Und dann kamen die Herbizide herauf. Dadurch konnte der Ein-Mann-Betrieb sich entwickeln, mit Hilfe der Herbizide, und die Betriebe konnten sich entsprechend vergrößern. Also man konnte von heute auf morgen, von einem Jahr aufs andere, den Zuckerrübenanbau hier in der Wetterau verdoppeln, sozusagen, und das mit geringerer Arbeiterausstattung als vorher - durch die Herbizide.

Verhandlungen mit dem Land Hessen um den Pachtvertrag mit Erfolg im Jahre 1968 0:43:36

Also es war so eine Umbruchsituation. Und jetzt folgten diese zehn Jahre eines Interregnums hier auf dem Dottenfelderhof, 1957 bis '68 - oder '58 bis '68. 1964 haben wir neu mit dem Land Hessen verhandelt - und es war eine Verhandlung des "JEINs". Jein - das sagt man heute nicht mehr so sehr - Ja und Nein. Also man hat nie Nein gesagt, sondern immer so "JEIN". Es war verzweiflungsvoll für uns, richtiggehend verzweiflungsvoll. Wir haben uns auch nach anderen Objekten umgesehen, aber das hatte alles gar keinen Sinn, und uns wurde immer wieder nahegelegt: "Menschenskinder, warum hängt ihr denn an diesem Dottenfelderhof und habt mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen? Es gibt doch bestimmt noch andere Objekte in Deutschland!" Und letzten Endes mussten wir sagen: Nein! Man muss treu sein zu dem, wozu man sich entschlossen hat, und dann kommt einem auch Hilfe.

Und das war aber hart, es war wirklich eine sehr harte Nuss: Vier Jahre Verhandlungen, nie wissend, wohin das geht, mit maßlosen Widerständen und Intrigen gegen uns. Wir hatten ganz wenige Leute im Ministerium, auf deren Hilfe wir hoffen konnten.

Schließlich und endlich ist es dann gelungen, im Jahr '68, einen Pachtvertrag zu bekommen, der hart, hart, hart, hart erkämpft worden ist - weil das nämlich die vierte Version war, die wir dann schließlich und endlich akzeptieren mussten. Vorher war es vergleichbar so, dass der Pachtvertrag selbst wie ein Mordinstrument war. Nachher war es nur wie die Schlinge um den Hals, die einem noch mitgeliefert worden ist. Es war so unbeschreiblich! Die wollten mit allen Mitteln verhindern, dass wir hier auf dem Dottenfelderhof Fuß fassen, weil der Hof selbst der Nassauer Siedlungsgesellschaft gehörte - heute heißt es HLG, Hessische Landgesellschaft, und das war ein verlängerter Arm des Staates auf dem Gebiet der Bodenspekulation. Die ganze staatliche Bodenspekulation mit dem Instrument der Siedlungsgesellschaft. Und die hatten absolute Vorrechte, das Vorkaufsrecht auf den Grund und Boden vor allen Dingen - aus dem Bodenreformgesetz, welches nach dem Zweiten Weltkrieg erlassen worden ist, usw.

Also jedenfalls, wir hatten eine vollkommen schwache Position. Wir konnten nur mit unserem Ideal kämpfen, mit unseren Ideen kämpfen, sonst hatten wir nichts zur Verfügung. Und das war auch eine Schule fürs Leben.

Seinen eigenen Ideen vertrauen 0:46:44

Und jetzt möchte ich Ihnen ans Herz legen, dass es wirklich so ist: Wenn man seinen eigenen Ideen vertraut - und nicht nur jetzt die irgendwo stilisiert zu einem Dogma - sondern dass man immerfort diese lebendig erhält im Bewusstsein und treu zu dieser Idee bleibt und die ständig prüft an der Wirklichkeit, an den Widerständen, die einem von außen entgegenkommen, dann ist eine solche Idee... - ich möchte sagen, die bricht jeden Widerstand!

Heute glaubt man, Widerstände dadurch brechen zu können, dass man Krieg führt, so im großen Stil. Man meint ja immer noch, das ist ein Böser, und da kann ich nicht lange warten, ich muss jetzt einen Krieg führen und dann ist der andere tot, im besten Falle, bzw. irgendwie muss ich den beseitigen. Das ist keine Methode der Zukunft mehr, sondern wenn man in die Zukunft wirken will, dann einzig und allein mit geistigen Waffen. Geistige Waffen brechen jeden Widerstand. Also das ist meine Lebenserfahrung von A bis Z. Man muss treu zu dem stehen, was man als richtig und wahr - nicht nur richtig, sondern auch wahr - für sich selbst erkannt hat - und dazu stehen - unverbrüchlich - und immerfort mit Geduld warten, warten, warten, warten.

Und uns wurde die Geduld aufgezwungen. Wir waren natürlich auch ungeduldig, klar, und wir konnten manchmal nicht mehr so richtig warten.

Pachtvertrag mit nur 5 Jahren Laufzeit, Widerstände-aber man hatten den Fuß in der Tür! 0:48:37

Also, es war wirklich eine ungeheuer angespannte Situation, denn wir hatten den Staat zum Gegner, und nur wenige Unterstützer - auch der Minister war so ambivalent - und dann haben die uns einen Pachtvertrag diktiert, der wirklich so war, dass jeder landwirtschaftliche Sachverständige in Deutschland gesagt hätte, den könnt ihr nicht annehmen, dann habt ihr die Schlinge um den Hals mitgeliefert. Und uns war klar, das war unbillige Härte. Aber ich habe mir damals gesagt: Einmal den Fuß zwischen Tür und Angel, schmeißt uns niemand mehr von dem Hof runter. Und so war es dann auch, bis zum heutigen Tag jedenfalls.

Aber das war noch ein harter, harter, harter Kampf. Dieser Pachtvertrag war auf fünf Jahre begrenzt, und wir hatten die Verpflichtung zur Inventarübernahme, die sie einfach auf uns abgewälzt haben. Wir mussten das ganze alte Gerümpel, was hier seit Jahrhunderten sich angesammelt hat auf dieser Räuberburg - der Hof sah wirklich wie eine Räuberburg damals aus - alles, was da verrostet herumlag, das mussten wir alles kaufen. Zum Verkehrswert quasi wurde das geschätzt und musste also erworben werden.

Und so der ganze Viehbestand, so die ganze Maschinerie, die gar nichts mehr taugte, und auch was baulich hier verändert wurde, das mussten wir kaufen. Wir mussten 400.000 D-Mark - damals ein Haufen Geld! - als Schätzergebnis auf den Tisch des Hauses legen. Und das war jetzt auf fünf Jahre begrenzt - wenn wir nicht bestimmte Bedingungen erfüllen.

Eine neue Sozialform- Vision vom selbstbestimmten Mitarbeiter 0:50:39

Und eine Bedingung war - das habe ich jetzt noch gar nicht erzählt - wir haben gesagt, wir müssen hier eine neue Sozialform entwickeln und die hieß "Betriebsgemeinschaft". Wir haben gesagt, wir können nicht mehr mit Lohnarbeitskräften arbeiten - das ist heute anders geworden hier auf dem Hof - also, es darf keine Lohnarbeitskraft mehr geben, die Lohnarbeit muss abgeschafft werden. Stattdessen muss jeder selbstbestimmt hier Mitarbeiter sein, selbstbestimmter Mitarbeiter. Das war unser Ideal. Jeder muss motiviert sein, sich aus der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise hier in diesen Prozess einzubringen.

Und das war der Grund, warum wir die Betriebsgemeinschaft gegründet haben. Wir waren überhaupt nicht sozial gestimmt. Also, wenn jemand mit einer sozialen Frage gekommen ist, hat es uns überhaupt nicht interessiert. Sondern wir kamen darauf, weil wir gesagt haben, die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise verlangt nach einer Diversifizierung der verschiedenen Arbeitsbereiche und Betriebszweige: in Viehhaltung, in Ackerbau, in Gartenbau, Obstbau, Wiesenwirtschaft, Weidewirtschaft, Heckenbau, Gewässerwirtschaft usw. Also das muss ein Ganzes bilden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb muss die ganze Landschaft abbilden, in der er sich befindet, und dazu gehört die Viehhaltung, und dazu gehört alles dazu. Ergo brauchen wir Menschen, viele Menschen, die in der Lage sind, diese Vielheit zu bewältigen.

Gestalten eines Organismus aus einem geistigen Quell 0:52:23

Das war das Motiv für die neue Sozialform, und so sehe ich es auch heute noch. Bitte, nicht glauben, man könnte sozial sein und jetzt aus irgendwelchen wunderschönen Empfindungen heraus, was ideal wäre für die Zukunft, so Gemeinschaften bilden. Das kann man alles vergessen! Kann man alles vergessen! Die entstehen ganz anders. Die entstehen aus einem geistig realen Motiv. Man muss selbst genau wissen, was man will - und der andere eben auch. Und wenn man sich in diesem jeweiligen Wollen trifft, dann kann man zusammenarbeiten - und zwar nicht begrenzt irgendwie, dass man meint, übermorgen knallt es wieder auseinander - sondern da kann man wirklich geradlinig in die Zukunft arbeiten, wenn man sich im Motiv trifft mit dem anderen Menschen. Und daraus entsteht die neue Sozialität, daraus entsteht die neue Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist ein Resultat von etwas, es ist nicht der Ausgangspunkt.

Das bitte ich Sie mal ganz streng zu nehmen, aber ganz streng zu nehmen. Weil - wenn man sich dessen klar ist, was man geistig aus seinem geistigen Quell selber vor sich selbst verantworten kann und was man für wahr empfunden hat, was der innerste Impuls seiner eigenen Biographie sein will - und man erkennt, da ist jemand anders, der will das auch so, der sieht die Gestaltung eines Organismus, einer Landwirtschaft als einen Entwicklungsweg in die Zukunft - wer sich in diesem Grundgedanken zusammenfindet... - so eine Gemeinschaft könnte dann auch wirklich relativ unzerstörbar sein. Die trägt!

Und dann kommt natürlich als Zweites dazu: Jetzt muss ich die Gemeinschaft auch gestalten. Das ist klar. Ich kann nicht einfach sie so gehen lassen, sondern - so, wie ich die biologisch-dynamische Landwirtschaft, meinen Betrieb zu gestalten suche, so muss ich dann auch die Zusammenarbeit derer, die die Gemeinschaft bilden, durchgestalten, und zwar jeden Tag neu. Das ist eine riesige Herausforderung.

Beginn der Betriebsgemeinschaft mit 5 Familien 0:54:53

Naja, so haben wir dann gesagt, 1968, wir müssen mindestens fünf Familien sein, die hier die ganze Arbeit bewältigen. Selber Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person. Keine Lohnarbeitskräfte mehr. Das war das Ideal. Und wir hatten dann natürlich noch sozusagen alte Mitarbeiter des Hofes übernommen, mussten wir übernehmen, die wussten ja nicht, was sie jetzt machen sollen. Da haben wir gesagt, ihr könnt hier euer Gnadenbrot haben auf dem Hof - solange bis ihr 65 seid und in Rente geht, könnt ihr hier auf dem Hof weiter Mitarbeiter sein. So zog es sich auch noch über Jahre hin, dass die dann noch da waren, bis in die siebziger Jahre.

Aber das eigentliche Ziel war die Betriebsgemeinschaft, und auch offen lassend, ob es noch mehr Familien werden können. Also mein Ideal, auch noch heute, ist, dass man nur noch mit Menschen einen Hof führen kann, idealiter, wo jeder einzelne Mitarbeiter motiviert ist und selbstbestimmt motiviert ist. Und dann kann man wirklich sagen, bitte, jetzt können wir zusammenarbeiten. Wir haben nie hier auf dem Hof einen Gesellschaftsvertrag gehabt. Heute bedauere ich das, muss ich sagen, unter den heutigen Gesichtspunkten, aber damals war das so. Wir waren so motiviert, diese fünf Familien, dass es nie jemandem eingefallen wäre, einen Gesellschaftsvertrag irgendwie zu machen, sondern wir haben gesagt, alle Probleme, die sich ergeben, die müssen aus den konkreten Zusammenhängen des Zusammenlebens und Arbeitens hier auch ihre Lösung finden. Das war eine Schule des Lebens.

Die ersten 5-7 Jahre (bis 1973/75) waren hart; Politischer Druck- die Zukunft war unsicher 0:57:00

Und ich muss sagen, die ersten fünf Jahre, in denen uns dieser furchtbare Pachtvertrag aufgedrängt worden ist - in dem hieß es also zunächst mal: Wir mussten nachweisen, dass die Funktionsfähigkeit der Betriebsgemeinschaft gegeben ist; wir mussten nachweisen, dass unsere Buchergebnisse keine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit zulassen; wir mussten mit gläsernen Taschen arbeiten - jederzeit konnten die kommen und uns prüfen, wie das ist. Das Dritte war, es durfte keine Minderung der Bodenfruchtbarkeit eintreten - ein ganz schwieriges Problem! Da war das Institut für Bodenkunde in Gießen von der Universität beauftragt, das zu prüfen. Das können die ja nur analytisch machen...

Dann hieß es: Und wenn dann kein überwiegend "Öffentliches Interesse" besteht, dann können wir erwarten, dass wir eine Verlängerung des Pachtvertrages bekommen. Die Technik von der Siedlungsgesellschaft in den folgenden fünf Jahren war dann gewesen, hier also ein Öffentliches Interesse zur Geltung zu bringen, indem sie hier das Untersuchungsgefängnis der Stadt Frankfurt auslagern wollten auf den Dottenfelderhof; dass sie - als das nicht geklappt hat - die Bauern vom Niederurseler Hang aussiedeln wollten hier auf den Dottenfelderhof, weil dort die Universität von Frankfurt hingebaut werden sollte; und dann sollte das große zentrale Ersatzteillager von VW in ganz Europa hier auf dem Hof gebaut werden; und schließlich sollte hier ein Vergnügungszentrum gebaut werden - das war das letzte, das größte Problem geworden - ein Vergnügungszentrum mit Trabrennbahnen und einem 200-Betten-Hotel.

Das war alles spruchreif, das war politisch schon überall verhandelt, wir hatten keine Ahnung, und es wurde uns eines Tages gesteckt von einem Insider. Da sind wir sofort an die Presse gegangen - sind das erste Mal politisch geworden, sind an die Presse gegangen und haben das an die große Glocke gehängt. Da ist das Ganze wie ein Kartenhaus zusammengebrochen, weil das alles Schwarzgelder aus Berlin waren, mit denen die das machen wollten.

Kein Geld und schlechte Perspektiven 0:59:26

Also, verstehen Sie, nur um das als Beispiel zu nennen, in welche Situationen man da geraten kann, und wie wir unbeeindruckt.... - wir waren beeindruckt, selbstverständlich, von diesen Problemen - aber wir haben gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Also die ersten sieben Jahre meines Wirkens hier auf dem Dottenfelderhof von 1968 bis '75 waren so, dass ich nichts weiß, was in der Welt vor sich gegangen ist in der Zeit. Tag und Nacht im Einsatz! Nachts die Schlepper repariert - das war ja alles kaputt, was wir da übernommen hatten, und wir hatten ja auch kein Geld. Wir hatten überhaupt kein Geld. Wir waren arm wie die Kirchenmäuse, weil von diesen 400.000 DM, die wir damals bezahlen mussten, um das Inventar zu erwerben, hatten wir noch nicht mal die Hälfte. Das andere mussten wir uns irgendwie her besorgen.

Ich bin damals mit dem Herrn Becker, Ernst Becker, noch vor Pachtantritt durch Deutschland gereist - von Nord nach Süd, von Ost nach West - und da haben wir Menschen gefragt: Könnt ihr uns Kredite geben? Wir konnten ja den Banken keine Sicherheiten bieten. Nichts! Gar nichts - weil wenn man keine Sicherheiten bieten kann, kriegt man auch keinen Kredit von der Bank. Und da sind wir wirklich rumgefahren und haben Menschen gefragt: Könnt ihr uns nicht helfen, könnt ihr uns nicht zinslose Darlehen geben oder auch Schenkungen oder was es sein mag, nur, wir brauchen Geld, wir brauchen mindestens 150.000 DM - und dann natürlich auch noch Kapital, um hier überhaupt anfangen zu können.

Naja, ich weiß nicht, ob ich diese Geschichte im Einzelnen weitererzählen soll... Es war also abenteuerlich, weil diese Rumreiserei in Deutschland hat also 25.000 DM erbracht, vielleicht, mehr aber auch nicht. Wir waren verzweifelt. Wir hatten jetzt die Chance hier, diese Pacht zu übernehmen. Aber... - wo das Geld herkriegen? Und zuletzt hat uns in Stuttgart bei einem Besuch ein Rechtsanwalt gesagt: Ach, ich kann euch nicht helfen, das ist ganz aussichtslos, und ich wüsste auch nicht wer. Aber fahrt mal nach Bochum, da ist ein ganz Verrückter, dem könnt ihr mal euer Problem vortragen.

Das haben wir dann sofort gemacht, sind zu fünft nach Bochum gefahren, nachts, spät abends - der hat uns erst auf spät abends bestellt in seinem Büro, und da haben wir ihm unsere Geschichte erzählt, zwei Stunden lang. Der hat da zugehört und hat dann gesagt: Gut, das habe ich gehört... - und jetzt erzähle ich Ihnen mal meine Geschichte. Und da hat er uns erzählt, wie er die "Gemeinnützige Treuhandstelle" begründet hat mit anderen zusammen, wie er die "Gemeinnützige Kredit-Garantie-Genossenschaft" begründet hat - wenige Monate bevor wir da hin gefahren sind! Da haben wir gesagt: Menschenskinder, das ist ja genau das, was wir brauchen, eine gemeinnützige Kredit-Garantie-Genossenschaft - also wo eine Gemeinschaft sich bildet, die durch Einlagen kreditfähig wird bei einer Bank und dann dadurch in die Lage versetzt wird, Kredite zu vermitteln an Bedürftige. Da haben wir gesagt, ja das ist doch unsere Lösung!

Und dann ging es da bis nachts um zwölf, ein Uhr, zwei Uhr... Und dann hat er gesagt: Ich helfe euch! Also, Ihr könnt damit rechnen, dass hier bei der endgültigen Obmanns-Taxe - wie man das nennt - dass ihr euer Geld habt! Und tatsächlich, als wir das Inventar übernommen haben, hatten wir einen Scheck über die Gesamtsumme und konnten das Inventar erwerben! Wir haben ja immer gemeint, das wäre uns jetzt vermittelt durch die Garantie-Genossenschaft! Aber eineinhalb Jahre später rückte uns die Commerzbank Bochum auf die Pelle und hat gesagt: Ja also, wir müssen jetzt Sicherheiten bieten. Da haben wir gesagt: Ja, das kann doch nicht wahr sein! Wir müssen Sicherheiten geben... - woher? Das war doch ganz anders veranlagt...!? Ja, wir müssten Sicherheiten bieten, also die hätten eine Revision gehabt in der Bank, und es wurde als fauler Kredit eingestuft. Als fauler Kredit... - also waren die sehr unsicher geworden.

Und dann habe ich immer angerufen in Bochum: Was sollen wir jetzt machen? Dann hat der gesagt: Ach, Papierkorb, Papierkorb! Die Mahnungen, die da von der Commerzbank Bochum kamen: Papierkorb, Papierkorb! Das ging so ein paar Monate, und dann wurden wir aber so derart unter Druck gesetzt, dass wir irgendeine Lösung finden mussten. Und da haben wir erst rausgekriegt damals, dass die Kredit-Garantie-Genossenschaft gar nicht genügend Einlagen hatte, um die volle Summe zu garantieren, sondern nur 40.000 DM damals - und das andere hatte der Rechtsanwalt Barkhoff auf seine eigene Kappe genommen. Ein Mensch hat gesagt: Was die wollen, das ist Zukunft, und dafür stehe ich ein und hat gegenüber dem Chef von der Commerzbank... - hat den so beschwätzt - Rechtsanwälte können das ja - dass der das Geld freigegeben hat!

Und eben jener Direktor Lindemann von der Commerzbank Bochum ist sieben Jahre später gestorben, lag auf dem Krankenbett, und da ist er nochmal besucht worden von einem von der damals schon begründeten GLS-Bank Bochum, und da hat der ihn gefragt: Sagen Sie mal, Herr Direktor Lindemann, was war nun eigentlich das herausragendste Ereignis Ihres Lebens? Da kam wie aus der Pistole geschossen die Antwort: Der Kredit an den Dottenfelderhof! Da hat der gefragt: Ja warum eigentlich? - Und der antwortet: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich bestätigt bekommen, dass man einen Kredit auf Vertrauen geben kann. Und das heißt ja eigentlich "Kredit". "Kredit" heißt ja, letztlich eigentlich, "auf Vertrauen". Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das gemerkt.

Nach Prüfung auf Herz und Nieren: 1973 Pachtvertrag per Ministerbeschluss 1:06:18

Also, so sind die Umstände, wenn man zu seiner Idee steht und unverbrüchlich das, was man für richtig und wahr hält, auch wirklich tut. Dann kommen einem plötzlich von außen Konstellationen zu, die einem helfen, das Problem zu lösen. Und das, was für dieses Beispiel gilt, das gilt für die gesamte Entwicklung des Dottenfelderhofes seither. Alles, was hier steht, also dieses Gebäude... - das war ja früher eine Scheune, da lag Heu, als wir hier angefangen haben - unten war der Pferdestall und anschließend war der Kuhstall - wo jetzt unten der Laden ist, die Küche ist usw., das war der Kuhstall. Es war eine wirkliche Räuberburg, kann man gar nicht anders sagen. Total zerfallen.

Als wir herkamen, tropfte es durch die Decke durch unter jedem zweiten Dachziegel. Hier im Haupthaus stand eine Wanne oder ein Eimer oder irgendwie... - es war also wirklich... unbeschreiblich. Da ist seit Jahrzehnten, Jahrzehnten - eigentlich fast ein Jahrhundert - überhaupt nichts mehr groß gemacht worden. Und dann kam uns aber im entscheidenden Moment doch immer wieder die Hilfe.

Und das schildere ich jetzt auch nochmal, weil das auch einfach mit meiner eigenen Biografie im Zusammenhang steht: Nachdem wir die fünf Jahre schließlich bewältigt hatten und uns in einem pachtlosen Zustand befanden - die haben uns so hingehalten, dass wir sogar eine Klageandrohung an das Land Hessen in petto hatten - war es dann durch die verschiedensten Umstände gelungen, doch den Minister zu bewegen, uns einen neuen Pachtvertrag zu geben - die Siedlungsgesellschaft hätte das nicht gemacht.

Die renommiertesten Gutachter Deutschlands waren berufen - zwei hintereinander, weil sie dem ersten nicht trauten, weil sie geglaubt haben, wir hätten den geschmiert. Der erste hat auf Herz und Nieren den Dottenfelderhof durchgecheckt: Jeden Acker auf Unkrautbesatz, die Bestandessdichte usw.,usw. Den ganzen Tierbestand: Die Kühe, in Bezug auf Gesundheit und Krankheit und alles, alles, alles. Jede Ecke wurde durchgecheckt, und es wurden Gutachten gemacht, und das Gutachten fiel zu unseren Gunsten aus. Das war 1973. Nach fünf Jahren! Und dann haben die uns nicht geglaubt, und haben - nochmal - den zweitbedeutendsten Gutachter uns auf den Hals geschickt, haben da keine Kosten gescheut, und der ist ebenso alles auf Herz und Nieren nochmal durchgegangen. Alles! Wieder ist ein positives Gutachten draus geworden.

Also es war eine Sternstunde für uns. Aber trotzdem haben die nicht reagiert. Und dann, erst durch den Ministererlass, wurden die dann quasi gezwungen, uns einen Pachtvertrag zu geben - das war auch die dritte Version erst - nach den Pachtbedingungen des Landes Hessen. Und da waren wir schon ein bisschen aus dem Schneider, dass die nicht uns ihre Pachtbedingungen aufgezwungen haben, sondern die, die offiziell für die Domänen des Landes Hessen gelten.

Und dann zog sich das so durch die 70er Jahre, und das war ein einziges Tohuwabohu, die 70er Jahre für uns. Es war für mich persönlich hier auf dem Hof, von 1968 bis 1980 allemal, auch wirklich die schönste Zeit auf dem Hof. Diese Kämpfe, diese Auseinandersetzungen und diese Armut, Geldknappheit - wir mussten ja auch investieren und all das... - das war die schönste Zeit meines Lebens! Wochenende gab es nicht. Es wurde durchgearbeitet. Wochen durch, durch. Monate durch, Jahre durch - und vielfach Tag und Nacht. Man fragt sich manchmal, wann man überhaupt geschlafen hat.

Unaufhörlicher Druck auf den Dottenfelderhof; 1979 Die Denkschrift; 19,5ha Landkauf 1:10:57

Also, so sind die Umstände, wenn man zu seiner Idee steht und unverbrüchlich das, was man für richtig und wahr hält, auch wirklich tut. Dann kommen einem plötzlich von außen Konstellationen zu, die einem helfen, das Problem zu lösen. Und das, was für dieses Beispiel gilt, das gilt für die gesamte Entwicklung des Dottenfelderhofes seither. Alles, was hier steht, also dieses Gebäude... - das war ja früher eine Scheune, da lag Heu, als wir hier angefangen haben - unten war der Pferdestall und anschließend war der Kuhstall - wo jetzt unten der Laden ist, die Küche ist usw., das war der Kuhstall. Es war eine wirkliche Räuberburg, kann man gar nicht anders sagen. Total zerfallen.

Als wir herkamen, tropfte es durch die Decke durch unter jedem zweiten Dachziegel. Hier im Haupthaus stand eine Wanne oder ein Eimer oder irgendwie... - es war also wirklich... unbeschreiblich. Da ist seit Jahrzehnten, Jahrzehnten - eigentlich fast ein Jahrhundert - überhaupt nichts mehr groß gemacht worden. Und dann kam uns aber im entscheidenden Moment doch immer wieder die Hilfe.

Und das schildere ich jetzt auch nochmal, weil das auch einfach mit meiner eigenen Biografie im Zusammenhang steht: Nachdem wir die fünf Jahre schließlich bewältigt hatten und uns in einem pachtlosen Zustand befanden - die haben uns so hingehalten, dass wir sogar eine Klageandrohung an das Land Hessen in petto hatten - war es dann durch die verschiedensten Umstände gelungen, doch den Minister zu bewegen, uns einen neuen Pachtvertrag zu geben - die Siedlungsgesellschaft hätte das nicht gemacht.

Die renommiertesten Gutachter Deutschlands waren berufen - zwei hintereinander, weil sie dem ersten nicht trauten, weil sie geglaubt haben, wir hätten den geschmiert. Der erste hat auf Herz und Nieren den Dottenfelderhof durchgecheckt: Jeden Acker auf Unkrautbesatz, die Bestandessdichte usw., usw. Den ganzen Tierbestand: Die Kühe, in Bezug auf Gesundheit und Krankheit und alles, alles, alles. Jede Ecke wurde durchgecheckt, und es wurden Gutachten gemacht, und das Gutachten fiel zu unseren Gunsten aus. Das war 1973. Nach fünf Jahren! Und dann haben die uns nicht geglaubt und haben - nochmal - den zweitbedeutendsten Gutachter uns auf den Hals geschickt, haben da keine Kosten gescheut, und der ist ebenso alles auf Herz und Nieren nochmal durchgegangen. Alles! Wieder ist ein positives Gutachten draus geworden.

Also es war eine Sternstunde für uns. Aber trotzdem haben die nicht reagiert. Und dann, erst durch den Ministererlass, wurden die dann quasi gezwungen, uns einen Pachtvertrag zu geben - das war auch die dritte Version erst - nach den Pachtbedingungen des Landes Hessen. Und da waren wir schon ein bisschen aus dem Schneider, dass die nicht uns ihre Pachtbedingungen aufgezwungen haben, sondern die, die offiziell für die Domänen des Landes Hessen gelten.

Und dann zog sich das so durch die 70er Jahre, und das war ein einziges Tohuwabohu, die 70er Jahre für uns. Es war für mich persönlich hier auf dem Hof, von 1968 bis 1980 allemal, auch wirklich die schönste Zeit auf dem Hof. Diese Kämpfe, diese Auseinandersetzungen und diese Armut, Geldknappheit - wir mussten ja auch investieren und all das... - das war die schönste Zeit meines Lebens! Wochenende gab es nicht. Es wurde durchgearbeitet. Wochen durch, durch. Monate durch, Jahre durch - und vielfach Tag und Nacht. Man fragt sich manchmal, wann man überhaupt geschlafen hat.

Und da hat man gemerkt, was es bedeutet, wenn man sich nicht durch die äußeren Verhältnisse zu sehr bestimmen lässt, sondern innerlich zu dem steht, was man selber will. Und dann kommt plötzlich eben, wie gesagt, diese Hilfe. Und so war es dann auch. 1979 - als wir da so verzweifelt waren - haben wir ein Wagnis gemacht, denn wir wurden so derart bedrängt - die haben Intrigen gesponnen im Land Hessen, man glaubt es nicht, was die da durch die Lande an Gerüchten geschickt haben - also heute nennt man das "fake news", also Verleumdungen und weiß ich was alles, gegen den Dottenfelderhof. Man glaubt nicht, dass ein Staat sich sowas leisten kann.

Und da haben wir nun den größten Feind aufgesucht im Ministerium in Wiesbaden - der war inzwischen Staatssekretär geworden - und dem haben wir gesagt, wir wollen jetzt eine längerfristige Sicherung für den Dottenfelderhof haben. Da haben wir... - also ich brauche das jetzt nicht im Einzelnen schildern - jedenfalls, denen sind plötzlich die Schuppen von den Augen gefallen: Nach zwölf Jahren Zusammenarbeit von fünf Familien... - das hat der nie für möglich gehalten, dass das überhaupt je, je, je klappt. Und dann sagte er am Ende: Arbeitet eine Denkschrift aus! Und da wusste ich: Jetzt haben wir gewonnen! Jetzt haben wir gewonnen! Wenn wir jetzt eine Denkschrift ausarbeiten, dann liegt es nur noch bei uns, ob die wirklich Akzeptanz findet, auch in der Regierung und darüber hinaus. Die haben wir dann auch gemacht, und tatsächlich ist es dann gelungen, hier 19,5 Hektar des Dottenfelderhofes zu kaufen, einschließlich der Gebäude. Hatten aber kein Geld! Wir haben einfach gesagt: Wir kaufen das jetzt, also Schluss, aus! 20 Hektar.

Zuerst wollten sie uns nur fünf Hektar geben - und zwar das Argument war nur, dass wir Kredite bei den Banken aufnehmen, dass wir Sicherungen anbieten können - und dann haben wir so lange verhandelt, bis wir bei 19,5 Hektar gelandet sind. Und das ist alles das Land, was uns abschirmt gegen die Ausweitung der Stadt Bad Vilbel. Deswegen können die hier über die Straße nicht mehr rüber. Das Land dahinter haben wir alles verloren. Die Siedlungen, die dahinter stehen, die gehörten alle früher zum Dottenfelderhof. Naja...., da hatten wir kein Geld!

Und da ich nun schon seit 1970 in Bochum im Aufsichtsrat der Gemeinnützigen Treuhandstelle saß und bei der Bankengründung der GLS-Gemeinschaftsbank mit beteiligt war und laufend mit denen natürlich da in Verbindung stand, und die auch mit Interesse die ganze Sache hier auf dem Dottenfelderhof verfolgt haben, hat sich die Treuhand entschlossen, uns das Geld für den Kauf dieses Landes als zinsloses Darlehen zur Verfügung zu stellen. Das waren 1,67 Millionen! Das war wirklich... - da waren die Himmel offen! Die haben die letzten Kröten zusammengekratzt, die sie hatten, und haben es als zinsloses Darlehen uns zur Verfügung gestellt. Wir hatten natürlich schon damals, 1974, die Landbauschule Dottenfelderhof begründet, die war ja als gemeinnützig anerkannt - also haben wir die Landbauschule zum Eigentümer des Ganzen gemacht, und dann hat die Treuhand uns kreditiert, zinslos, und nach zehn Jahren es verwandelt in eine bedingte Schenkung. So kann's einem gehen.

Naja,... ich muss es jetzt abkürzen, sonst können wir endlos da weitermachen. Jetzt konnten wir überhaupt erst investieren - vorher konnten wir überhaupt nicht investieren - aber hatten natürlich auch kein Geld. Wir mussten einen neuen Kuhstall bauen, da waren ja noch die Kühe unten drin. Da haben wir erst mal die "Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof" begründet - weil wir gedacht haben, wir müssen doch der Treuhand irgendwas wieder auch zurückgeben - und die Idee war: Wir bilden eine Gemeinschaft von Menschen, die hier Anrecht auf ein Stück Grund und Boden von einem Morgen, 2500 Quadratmeter, realisieren können, und zahlen dafür 3000 DM - à fonds perdu - und diese geben wir an die Treuhand zurück. Da kamen auch ein paar hunderttausend DM zusammen irgendwie, ich weiß nicht mehr wieviel genau. Und da haben wir erst mal die "Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof" begründet, also Menschen, die im Umkreis des Hofes stehen und interessiert sind an dieser ganzen Entwicklung hier und sich letztlich mit verantwortlich fühlen für die ganze Führung und die ganze Initiative, die sich hier entwickeln will.

Die besteht ja heute noch, die Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof. Aber das ist eine Frage für sich... - jedenfalls habe ich immer gehofft, dass diese Landwirtschaftsgemeinschaft in der Lage wäre, so viele Kredite zusammenzukratzen, dass wir den Kuhstall bauen können. Und da habe ich gemerkt, die sind alle viel zu bürgerlich. Also 3000 DM - zunächst - das ging ja noch. Aber sich mehr zu engagieren... - da merkte ich, da hätte man Jahre rummachen müssen.

Ein unerwarteter Geldsegen- Bau des Kuhstall 1:17:15

Und dann war es wieder so - es war eine verzweiflungsvolle Situation - und eines Tages kriege ich einen Anruf am Telefon, und der Mann, der da sprach, sagte, er hätte gehört, dass wir einen Kuhstall bauen wollen. Da habe ich gesagt, ja, das ist allerdings so. Da hat er gesagt, ja, er könnte ja auch mal Weihnachtsmann spielen. Und da musste das sofort vereinbart werden für den nächsten Tag - ich war gerade auf dem Weg nach England - und dann kam der da mit einem dicken Mercedes angefahren, und da haben wir uns kurz unterhalten und ich habe gesagt, ja also das ist unsere Notlage jetzt, und was er denken könnte, was er beisteuern kann. Da hat er gesagt: 500.000 DM. Einfach so, zack!

Jetzt muss ich dazu sagen, dass hier kurz vorher, eineinhalb Jahre vorher, die Betriebsgemeinschaft Dottenfelderhof bei der Begründung der Landwirtschaftsgemeinschaft sich entschlossen hat, binnen einer halben Stunde, das gesamte Eigentum herzuschenken. Alles, was wir erworben hatten, ergab durch offizielle Schätzung einen Wert von 1,2 Millionen damals - der ganze Etat und was wir so inzwischen da aufgebaut hatten - und da haben wir gesagt, die wollen wir gar nicht haben, das kann die Landwirtschaftsgemeinschaft haben, das kann die Landbauschule haben. Und ich bin absolut der Überzeugung, noch heute, dass dieser Mensch aufgekreuzt ist, weil wir das gemacht haben. Die Dinge gehen ganz anders im Leben, als man sich normalerweise denkt.

Dass der plötzlich aufgekreuzt ist... - also ich wusste von dem schon, weil ich den in Bingenheim anlässlich von zwei Vorträgen, die ich Ende der 70er Jahre dort zu halten hatte bei so Elternzusammenkünften von Behinderten kennengelernt hatte - denn er hatte zwei schwerbehinderte Söhne und war auch dort. Und da sagte er schon damals, ich könnte mich an ihn wenden, wenn irgendwas wäre. Ich habe das längst vergessen gehabt, ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht, sondern es ging um eine ganz andere Ecke herum, dass der aufmerksam wurde auf unsere Notlage. Und plötzlich hatten wir das Geld, und am Ende hat er den ganzen Stall finanziert. Allerdings unter sehr starker Beteiligung von uns selbst hier auf dem Hof. Und dann hat er zuletzt auch mir noch geholfen, das hier zu machen: Diese Sache hier oben, da standen wir zusammen, er, dieser Mann und ich, und haben diese Bühnenumkleidung gemacht.

Also so laufen die Dinge im Leben. Und darauf muss man einfach vertrauen. Aber es hängt immer davon ab, ob man in dem, was man will, zu dem stehen kann - aber in Selbstlosigkeit. Das heißt - also bitte keine moralische Unterwanderung dieses Wortes - sondern ganz objektiv gesprochen: Dass man auch nicht im Leisesten dabei an sich selber denkt, sondern rein an die Aufgabenstellung, an die Zielsetzung, um die es wirklich geht. Dass man von sich selber, so weit es nur irgend geht - ganz kann es ja nie sein, denn man will ja etwas, das hat immer auch einen subjektiven Zug - aber man muss doch in Selbstbeobachtung sich ganz klar sein: Du willst etwas für andere, du stellst dich zur Verfügung. Und wenn das die Grundgeste ist im Sozialen, dann kommt einem Hilfe von außen. Und die Quelle, wo es herkommt, die ist jeweils immer wieder eine andere. Nicht die, die man sich denkt.

Ja, so lief das auch hier mit der ganzen Landbauschule, das alles hier mit den Jahren (Ergänzung: durch die finanzielle Hilfe dieses Mannes entstand). Und jetzt muss ich doch noch kurz wenigstens das abrunden.

1987- der Ruf aus Dornach 1:22:10

Im Jahr '87, nach all diesen Geschehnissen - der Stall war gebaut, das hier war auch soweit schon fertig, es lag in meiner Regie, das alles zu machen - da musste ich mich entscheiden zu einer noch anders gearteten Aufgabe. Und das war mir sehr schwer gefallen, weil das schon mehrfach an mich herangetragen worden war im Verlauf der 80er Jahre, seit Anfang der 80er Jahre. 1987 musste ich mich entscheiden, die Aufgabe in Dornach zu übernehmen für die Sektionsarbeit am Goetheanum für die biologisch-dynamische Landwirtschaft weltweit. Das ist mir sehr, sehr schwer gefallen, und ich habe sehr lange mit mir gerungen.

Mein Vorgänger war der Professor Koepf in Hohenheim, bei dem ich auch promoviert hatte damals - also wir kannten uns schon lange, am Emerson College hat er ja den dortigen Studiengang aufgebaut - und dann musste ich mich entschließen, den Dottenfelderhof zu verlassen. Das war eine ganz harte Sache, also wirklich... Ich fühlte mich so verbunden mit diesem Hof und mit der ganzen Initiative hier - seit '55 war ich hier mit dem Hof innigst verschwistert, sozusagen! Und dann bin ich nach Dornach gegangen, habe mir aber noch ein ganzes Jahr ausbedungen, um mir das genauestens zu überlegen und habe dann viele, viele Menschen gefragt in der Anthroposophischen Gesellschaft, und wo immer irgendwo eine geistige Größe auftauchte, habe ich gefragt: Könnt ihr mir sagen, was die eigentliche geistig-spirituelle Bedeutung der Sektionsarbeit in Dornach ist?

Ich war damals schon länger auch im Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland gewesen, also ich kannte diese ganzen Leute, die da damals das Sagen hatten, also hatte ich Gesprächspartner. Keiner konnte mir eine Antwort geben. Dann habe ich angefangen - in einem Jahr - die gesamten Darstellungen Rudolf Steiners durchzuarbeiten im Hinblick auf die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, der Bedeutung des Goetheanums, der Neugründung im Jahre 1923, und, und, und, und, und... Das war ein riesen, riesen Kompendium - nur um mir ein Bild zu machen: Das könnte meine Aufgabe in Dornach sein, jetzt, wo ich vom Dottenfelderhof weggehe - denn ich dachte, das ist doch hier meine Aufgabe! Das war ein hartes Ringen.

Und dann bin ich da hin... und bin heute noch dankbar, dass es also diesen Weg genommen hat. Obwohl ich mir sagen muss, was konnte ich von dem erfüllen, was da eigentlich wirklich verlangt ist - das ist absolut über-menschlich. Ich habe das dann 14 Jahre lang gemacht, und es war eine sehr, sehr arbeitsintensive Zeit. Das hat mich ja in die ganze Welt geführt dann, in alle Länder - also Russland nicht, aber sonst nach Osten, Westen, Süden, was weiß ich - Afrika, Südamerika war ich damals auch mehrfach usw., usw. Es war also eine sehr reiche, reiche, sehr reiche Zeit! Aber es hat einen wirklich an Grenzen geführt, also Grenzen der eigenen Möglichkeiten. Man war immer eigentlich grenzwertig irgendwo in Bezug auf die Herausforderungen, in denen man stand. Naja, und dann habe ich nach 14 Jahren die Sachen abgegeben an einen Nachfolger, habe aber noch als freier Mitarbeiter weiter in Dornach gewirkt, weil ich krankheitshalber - das war damals eine sehr schwierige Zeit - diese Sektionsleitung nicht mehr aufrechterhalten konnte.

2010 zurück an den Dottenfelderhof 1:26:40

Und dann kommt schließlich auch der Moment, im Jahr 2010, dass ich hier wieder auf den Dottenfelderhof zurückgekommen bin, um hier nochmal an der Landbauschule so ein bisschen mitzumischen. Ja... ich möchte damit vielleicht die Sache beschließen, was ich schon gesagt habe: Also, wenn man auf die eigene Biografie zurückschaut, dann muss man sagen: Nichts war zufällig! Nichts war zufällig! Alles hatte seine Bedeutung.

Man merkt, dass es eine geistige Führung gibt. Eine geistige Führung. Dass man schicksalsmäßig nicht irgendwo ins Blinde tappt, sondern: Der mir das Bein abgehauen hat damals... - das war mein eigener Engel, der dem den Stiefel geführt hat, so habe ich das empfunden. Also das hat dem Schicksal die Wendung gegeben... - wo ich sagen muss, als Anthroposoph - also der ich mich darum bemühe einer zu sein - dass ich schon im Vorgeburtlichen mich dazu entschlossen hatte. Aber dass es sich verwirklicht, das bedeutet: Dass Zeitereignisse eingreifen, räumliche Verhältnisse - wo man eben gerade in Afrika geboren wird, und dann plötzlich hier ist und dann plötzlich dort und überall... Aber da gibt's einen Roten Faden!

Der rote Faden (in der eigenen Biografie) bin ICH 1:28:25

Da gibt's einen inneren Roten Faden, der ist absolut konsistent. Und dieser Rote Faden bin ICH. Das ist mein ICH, das ist mein eigener innerster Wesenskern, das ist das, was unzerstörbar lebt, man möchte sagen von Erdenleben zu Erdenleben. Und so empfinde ich ja eigentlich auch meinen eigenen Werdegang zurückblickend: Dass alle Widerstände, die ich erlebt habe, alle Leiderfahrungen, die ich erlebt habe, alles, was auch immer mir zugekommen ist, das musste, musste so sein, dass man überhaupt aufwacht zu dem, was Sache ist, was die Aufgabe ist, die man im Leben zu erfüllen hat.

Und da kann es, darf es keinen Stillstand geben. Bloß nie stillstehen, das ist das Allerschlimmste, was einem Menschen begegnen kann, dass er plötzlich meint, er könnte sich ausruhen. Das kann es gar nicht geben, sondern es ist eigentlich ein fortwährendes immer weiter Streben, Streben, Streben, Streben. Man kommt nie an ein Ende. Das muss man einfach wissen. Und trotzdem: Das Ziel ist es, was einen immerfort in die Zukunft zieht. Und das Ziel bin ICH SELBST. Das lebt in MIR, ganz objektiv, und lebt sich dann nach außen hin nur subjektiv dar als der Manfred Klett, der hier hockt.

Aber inwendig ist etwas, was ganz objektiv einen durchs Leben geleitet und das erleben lässt, jenes erleben lässt, diese Erfahrung macht, jene Erfahrung macht, und wo man am Ende sagen muss: Das, was ich erfahren habe und was man selber dann geworden ist, danke ich anderen Menschen. Das muss man sich einfach eines Tages eingestehen: Nicht ich, nicht ich. Sondern, was ich da geworden bin, danke ich sozusagen doch den Begegnungen mit anderen Menschen. Und wenn die noch so große Stolpersteine waren für einen selbst, muss man wirklich sagen: Die größten Stolpersteine sind die größten Förderer der eigenen Entwicklung.

Insofern meine ich, die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ist von der Art, dass man nicht meinen kann, das wäre ein Zuckerlecken, dass man da einfach so irgendwie... - weil jetzt heute der alternative Markt gerade mal so toll erschlossen ist - dass man meint, da irgendwas absahnen zu können. Nein! Das ist schon Stillstand! Schon wenn man glaubt, man könnte heute darauf bauen, dass einem sozusagen Preise zukommen, von denen der konventionelle Landbau nur träumen kann - schon das, wenn man so einen Gedanken hat, ist man schon im Stillstand oder schon rückwärts gewandt.

Sondern man muss immer - in seinem Bewusstsein - einen großen Schritt voraus sein der eigenen Biografie. Also man muss sich die Laterne selber anzünden, die einem sozusagen im Dunkel des eigenen Lebensweges dann vorausleuchtet. Ja, also, die Zeit ist um, und das war nur ein kurzer Abriss. Da ist noch vieles, vieles Andere auch geschehen, aber man kann eigentlich nur mit großer Dankbarkeit zurückschauen auf all das, was da auf einen zugekommen ist.

Abschließende Worte 1:32:33

Die Situation heute auf dem Dottenfelderhof ist eine andere als die damals war, gar keine Frage, und es gibt auch immer wieder neue Herausforderungen. Ich bin keineswegs einverstanden mit dem, was ist, aber das gehört dazu, dass man sowas erkennt, denn - nur das Beispiel zu nehmen, dass hier jetzt sehr viele Lohnarbeitskräfte auf dem Hof sind, das ist genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich angestrebt haben. Das kam natürlich durch die Weiterverarbeitung, das kam durch den Laden. Das kann man nicht alles bestücken mit Menschen, die jetzt total motiviert sind. Und so merkt man: Die Herausforderungen stellen sich immer wieder neu. Man kann sich nie auf irgendwas ausruhen.

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Glossar

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

A

ANTHROPOSOPHIE, ZUGANG

  • Durch Ernst Becker, Graf Bothmer und Schaumann auf dem Dottenfelderhof fand Manfred Klett seinen Zugang zur Anthroposophie: "... da ging mir also hier eine Welt auf, also ich hab' gedacht, jetzt kann einen eigentlich nichts mehr halten. Das ist der Weg, auf dem man, im Grunde genommen, jedes Problem in Zukunft lösen kann." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:31:56

ARBEITEN I.S. VON ARBEITSMORAL

  • Die Phase von 1946 bis 1957 war die letzte Blütezeit der abendländischen christlichen Landbaukultur, geprägt von kleinen, gemischten Betrieben und handwerklicher Landwirtschaft. Auf dem Dottenfelderhof gab es viele Flüchtlinge aus dem Osten. Manfred Klett: "Die waren handwerklich noch durch und durch präsent. Und die konnten arbeiten! Das waren dann nicht 8-Stunden-Tage, sondern wenn mal Not am Mann war, dann hat man halt, bis es dunkel war, gearbeitet" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:39:53

ARBEIT, NEUE SOZIALFORM

  • Die biologisch-dynamischen Wirtschaftweise verlangt die Vielheit der diversifizierten Arbeitsbereiche zu bewältigen. Als Ideal wollte man die Lohnarbeit abschaffen und durch die Betriebsgemeinschaft als neue Sozialform ersetzen. Damit die Menschen aus den Erfordernissen der Aufgabenstellung arbeiten | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:50:39

ARBEIT, DURCHARBEITEN TAG UND NACHT

  • "Diese Kämpfe, diese Auseinandersetzungen und diese Armut, Geldknappheit, ..." dennoch war es für Manfred Klett auf dem Dottenfelderhof "die schönste Zeit meines Lebens! Wochenende gab es nicht. Es wurde durchgearbeitet. Wochen durch, durch. Monate durch, Jahre durch - und vielfach Tag und Nacht. Man fragt sich manchmal, wann man überhaupt geschlafen hat" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:06:18

ARBEITSBEREICHE, VIELFALT

  • Die biologische-dynamische Wirtschaftsweise verlangt nach einer Diversifizierung der vielfältigen Arbeitsbereiche wie Viehhaltung, Ackerbau, Gartenbau, Obstbau, Wiesenwirtschaft, Weidewirtschaft, Heckenbau und Gewässerwirtschaft, um die gesamte Landschaft abzubilden | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:50:39

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

B

BECKER, ERNST

  • Ernst Becker, ein visionärer Landwirt, hatte am Krieg teilgenommen und war schwer verwundet. Er entschied sich, Landwirtschaft zu studieren, nachdem er erkannte, dass weder Philosophie noch Atomphysik die Grundlagen für die menschliche Erkenntnis bieten | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:29:02

BEGEISTERUNG

  • Die Zeit des Lesekreises und das Studium der Anthroposophie (ca. im Jahr 1956) waren für Manfred Klett eine begeisterungsvolle Zeit, in der er den Weg sah, auf dem man jedes Problem in Zukunft lösen könnte | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:31:56

BETRIEBSGEMEINSCHAFT

  • 1969 wurde am Dottenfelderhof eine neue Sozialform namens "Betriebsgemeinschaft" entwickelt, um nicht mehr mit Lohnarbeitskräften zu arbeiten. Ideal war die selbstbestimmte Mitarbeit aus Motivation und Überzeugung an der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:50:39

BIOGRAFIE, AUFLEUCHTEN BEI DEN ZUHÖRERN

BIOGRAFIE, ROTER FADEN

  • Manfred Klett: "Da gibt's einen inneren Roten Faden, der ist absolut konsistent. Und dieser Rote Faden bin ICH. ... Und so empfinde ich ja eigentlich auch meinen eigenen Werdegang ... Dass alle Widerstände, ... alle Leiderfahrungen, ... , das musste, musste so sein, dass man überhaupt aufwacht zu dem, was Sache ist, was die Aufgabe ist, die man im Leben zu erfüllen hat." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:28:25

BIOLOGISCH-DYNAMISCHE BEWEGUNG, ZENTRUM

  • Manfred Klett entschied sich 1956 seine Lehre auf dem Dottenfelderhof zu absolvieren. Der Dottenfelderhof sollte sich zu einem Zentrum der biologisch-dynamischen Bewegung in Deutschland entwickeln | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:26:49

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

C


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

D

DIENST, SICH FÜR ETWAS IN DEN DIENST STELLEN

  • Die Beobachtung, dass ehemals blühende Kulturen am Chabur in Syrien zu Wüsten wurden, inspirierte Manfred Klett schleunigst nach Europa zurück zu kehren, und Landwirt zu werden. Um der Gefahr der Wüstenbildung in Europa entgegenzuwirken | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:22:09

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

E


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

F


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

G

GEDULD

  • In der Entwicklungen des Dottenfelderhofs hat es sehr zähe Phasen gegeben. Daher war es wichtig, seinen eigenen Ideen zu vertrauen. Man muss treu und unverbrüchlich zu seinen Ideen stehen und "uns wurde die Geduld aufgezwungen. Wir waren natürlich auch ungeduldig, klar, und wir konnten manchmal nicht mehr so richtig warten." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:46:44

GEISTIGER AUFBRUCH

  • Die Nachkriegszeit an der Waldorfschule in Stuttgart Uhlandshöhe war geprägt von einem unendlichen geistigen Aufbruch. Das Zusammenleben von Schülern und Lehrern war geladen mit Initiativkraft und Vorwärtsdrang | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:11:46

GEISTIGE WAFFEN

  • Manfred Klett: "Heute glaubt man, Widerstände dadurch brechen zu können, dass man Krieg führt, ... Das ist keine Methode der Zukunft mehr, ... einzig ... Geistige Waffen brechen jeden Widerstand. ... Man muss treu zu dem stehen, was man als richtig und wahr - nicht nur richtig, sondern auch wahr - für sich selbst erkannt hat - und dazu stehen ... und immerfort mit Geduld warten, warten, warten, warten" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:46:44

GEMEINSCHAFT, NEUE

  • Neue Gemeinschaften entstehen aus einem geistig realen Motiv: "Die Gemeinschaft ist ein Resultat von etwas, es ist nicht der Ausgangspunkt. Die neue Sozialität und Gemeinschaft entstehen nicht aus idealistischen Empfindungen, sondern sind ein Resultat geistiger Übereinstimmung und gemeinsamer Ziele" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:52:23

GELDSEGEN

  • Manfred Klett hat innerlich die Überzeugung, dass der unerwartete Geldsegen in den 1970er Jahren durch einen Spender für den Bau des neuen Kuhstalls am Dottenfelderhof mit der eigenen selbstlosen Schenkung zu tun hatte: "Die Dinge gehen ganz anders im Leben, als man sich normalerweise denkt" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:17:15

GOETHEANUM, GEISTIG SPIRITUELLE BEDEUTUNG

  • Bevor Manfred Klett 1987 für die nächsten 14 Jahre seine neue Aufgabe als Leiter der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum übernahm, suchte er Antworten für sich hinsichtlich der Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der geistig spirituelle Bedeutung des Goetheanums | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:22:10

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

H

HILFE IM ENTSCHEIDENDEN MOMENT

  • Trotz der extremen Herausforderungen und der schlechten Ausgangsbedingungen kam im entscheidenden Moment immer wieder Hilfe, die uns ermöglichte, den Dottenfelderhof aufzubauen und weiterzuführen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:06:18

HUNGERLÖCHER

  • Man konnte in der Nachkriegszeit zwar wieder atmen, weil man die Last des Dritten Reiches abgeworfen hatte. Aber "wir haben gehungert, gehungert, gehungert" Es war die große Hungerperiode. Wir hatten überall Löcher in den Beinen, sogenannte Hungerlöcher | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:09:15

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

I

IDEE AN WIRKLICHKEIT PRÜFEN

INDUSTRIELLE LANDWIRTSCHAFT, ÜBERGÄNGE

  • Mit dem Aufkommen der Herbizide in den 1960er Jahren begann der Übergang von der kleinbäulerlichen zur industriellen Landwirtschaft. So konnte sich der Ein-Mann Betrieb entwickeln | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:39:53

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

J


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

K


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

L

LANDWIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT DOTTENFELDERHOF, GRÜNDUNG

  • Menschen aus dem Umkreis vom Dottenfelderhof konnten sich durch eine Einlage von 3000 DM beteiligen und so ein Anrecht auf ein Stück Grund und Boden realisieren. Auf diese Weise wollte man der GLS Treuhand Teile des zinslosen Darlehen an die Landbauschule, zurück zahlen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:10:57

LEBEN, URSPÜNGLICHES

  • Manfred lebte als Kind in Ostafrika am Kilimanjaro, 1933: "Wenn man also nachts aus dem Haus getreten ist, dann leuchteten da irgendwo in der Dunkelheit die Augen eines Leoparden oder... - na, der Löwe war so ein bisschen weiter weg, ... Man war noch so mittendrin, ... in diesem ursprünglichsten Leben der Erde, wo der Mensch eigentlich nur eine sekundäre Rolle spielt und die Tierheit primär im Vordergrund stand | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:01:13

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

M

MÄHEN MIT DER SENSE

  • Auf dem Dottenfelderhof arbeiteten viele Flüchtlinge aus dem Osten (bis ca. 1957), die sich bestens auf die Landwirtschaft verstanden haben. Manfred Klett: "Also das Mähen mit der Sense habe ich von einer Frau gelernt aus dem Sudetenland. Die konnte mähen, das war ein Bild für die Götter, das anzusehen, wie die gemäht hat." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:39:53

MICHAEL HALL


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

N

NATIONALSOZIALISMUS

  • Manfred Klett erlebte 1944 an seiner Schule Salem am Bodensee hautnah den Geist, den Ungeist des Nationalsozialismus. Auch wenn es sehr negativ war, so ist Manfred dennoch dankbar für diese Erfahung den Ungeist zu erleben, wo man "als Mensch gar nicht mehr in dem Sinne Mensch sein konnte" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:07:04

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

O


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

P

PARADIES

  • Manfred Klett erlebte seine Kindheit in Afrika als paradiesisch, absolut paradiesisch- aber sie mussten nach relativ kurzer Dauer alles zurück lassen und nach Deutschland flüchten | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:04:58

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

Q


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

R


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

S

SALEM AM BODENSEE

  • Manfred Klett besuchte mit 11 Jahren (1944) die freie Privatschule Salem am Bodensee (gegründet Anfang der 30er Jahre). Die Schule wurde kurz zuvor zur SS-Schule umfunktioniert, und die alten Lehrer wurden entlassen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:07:04

SCHICKSAL, DANKBARKEIT

  • Trotz der schrecklichen Erfahrungen mit dem Ungeist der Nazis, welcher "... durchgängig von morgens bis abends, durch die Nacht hindurch, man möchte sagen eine Zeit des Ungeistes, also wo man als Mensch gar nicht mehr in dem Sinne Mensch sein konnte", war Manfred Klett seinem Schicksal dankbar, das erlebt zu haben | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:07:04

SCHICKSALSWENDE

  • Der Beinbruch beim Fußballspiel im Jahr 1954 markierte eine bedeutende Schicksalswende für Manfred Klett, die er als klare Botschaft und Führung durch einen schicksalhaften Engel empfand. Es war der glücklichste Moment in seinem Leben | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:17:30
  • Die Schicksalswendungen des Menschen in dieser Epoche sind nicht mehr so geradlinig wie früher. Man wird nicht mehr in eine Dorfschaft oder ein Handwerk hineingeboren, wo der Lebensweg vorgezeichnet ist. Heute landet man oft ganz woanders, unabhängig von der eigenen Ausbildung | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:01:13

SEEFAHRT, CHRISTLICH

  • Nach dem Abitur fuhr Manfred Klett als Schiffsjunge auf einem Bananendampfer zur See und erlebte die letzten Momente der traditionellen christlichen Seefahrt | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:13:07SELBSTLOSIGKEIT, SCHENKEN
  • Wahre Hilfe und Unterstützung kommen erst, wenn man selbstlos zu seinen Zielen steht und nicht an sich selbst denkt, sondern an die Aufgabenstellung und Zielsetzung. Die Großspende für den Bau des neuen Kuhstalls kam in dem Moment, als die Gesellschafter der Betriebsgemeinschaft ihr gesamtes Kapital herzuschenken | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:17:15

SOZIALFORM, NEUE

  • Neue Sozialform für den Dottenfelderhof. Abschaffung der Lohnarbeit mit dem Ideal, dass selbstbestimmte Mitarbeiter aus der biologisch-dynamischen Wirtschaftweise (selbst) heraus arbeiten. Es erfolgte (1969) die Gründung der "Betriebsgemeinschaft" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:50:39

STILLSTAND

  • Manfred Klett: "... es, darf es keinen Stillstand geben. Bloß nie stillstehen, ... das Ziel bin ICH SELBST. Das lebt in MIR, ganz objektiv, und lebt sich dann nach außen hin nur subjektiv dar als der Manfred Klett, der hier hockt." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:28:25

STOLPERSTEINE

  • Was man geworden ist im Leben verdankt man anderen Menschen, durch Begegnungen, durch Stolpersteiner: "Die größten Stolpersteine sind die größten Förderer der eigenen Entwicklung." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:28:25

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T


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

U

UNGEIST

  • Manfred erlebte 1944 die Nazis in seiner Schule Salem am Bodensee. Mit und durch die Nazis herrschte ein Ungeist: "... es war durchgängig von morgens bis abends, durch die Nacht hindurch, man möchte sagen eine Zeit des Ungeistes, also wo man als Mensch gar nicht mehr in dem Sinne Mensch sein konnte" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:07:04

UNVERBRÜCHLICHKEIT

  • "... wenn man zu seiner Idee steht und unverbrüchlich das, was man für richtig und wahr hält, auch wirklich tut. Dann kommen einem plötzlich von außen Konstellationen zu, die einem helfen, das Problem zu lösen." | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 1:06:18

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V

VERTRAUEN, EIGENEN IDEEN

  • Manfred Klett betont die Wichtigkeit, seinen eigenen Ideen zu vertrauen, sie lebendig im Bewusstsein zu halten und sie ständig an der Wirklichkeit und den äußeren Widerständen zu prüfen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:46:44

VERTRAUEN, KREDIT

  • Zum herausragensten Ereignis im Leben des ehem. Chef der Commerzbank gehört die Erfahrung, dass ein unbesicherter Kredit wichtig und richtig war, und dass ein Kredit heißt: Vertrauen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:59:26

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W

WAFFEN, GEISTIGE

  • Manfred Klett: "Heute glaubt man, Widerstände dadurch brechen zu können, dass man Krieg führt, ... Das ist keine Methode der Zukunft mehr, ... einzig ... Geistige Waffen brechen jeden Widerstand. ... Man muss treu zu dem stehen, was man als richtig und wahr - nicht nur richtig, sondern auch wahr - für sich selbst erkannt hat - und dazu stehen ... und immerfort mit Geduld warten, warten, warten, warten" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:46:44

WALDORFSCHULE STUTTGART UHLANDSHÖHE

  • Nach dem Krieg besuchte Manfred Klett die wiedereröffnete Waldorfschule in Stuttgart Uhlandshöhe, die als Ur-Schule bekannt ist. Die Schule war während des Krieges zerbombt worden, und die Schüler mussten in den Pausen Schutt aufräumen | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:09:15

WIDERSTAND BRECHEN

  • Manfred Klett: "...möchte ich Ihnen ans Herz legen, dass es wirklich so ist: Wenn man seinen eigenen Ideen vertraut - und nicht nur jetzt die irgendwo stilisiert zu einem Dogma - sondern dass man immerfort diese lebendig erhält im Bewusstsein und treu zu dieser Idee bleibt und die ständig prüft an der Wirklichkeit, an den Widerständen, die einem von außen entgegenkommen, dann ist eine solche Idee... - ich möchte sagen, die bricht jeden Widerstand!" | Klett, M. Biografie als Film, 2017, 0:46:44

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Z


A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z | 0-9 | Gesamtglossar

0-9

Themenbezogene Medien

Feier zur Buchveröffentlichung von Manfred Klett

Manfred Klett am 18. Juli 2021 auf dem Dottenfelderhof

Manfred zu Ehren, fanden sich am 18. Juli 2021 im Rahmen einer kleinen Feier einige seiner Wegbegleiter ein, die heute ebenfalls zu den bekanntesten Menschen in der biologisch-dynamischen Bewegung gehören. Mit Freude und Erleichterung wurde gefeiert, dass Manfred Klett sein neues Buch "Von der Agrartechnologie zur Landbaukunst" fertig gestellt und veröffentlicht hat.

| hier geht's zum Vortrag |

| hier geht's zum Inhaltsverzeichnis des Buchs |

Buchvorstellung "Von der Agrartechnologie zur Landbaukunst" vom Mitherausgeber Ueli Hurter

Einführung zum Buch von Manfred Klett: «Von der Agrartechnologie zur Landbaukunst» durch den Mitherausgeber Ueli Hurter, Leiter der Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum

Hier zu sehen ist der Leiter der Landwirtschaftlichen Sektion am Goetheanum in Dornach, Ueli Hurter. Ueli war auch Mitherausgeber.

"Also dass dasjenige, was man in die Hände gibt der jungen Generation, dass das auf einem mindestens so guten, wenn nicht sogar weiterentwickelten Niveau übergeben werden kann, als man es selber von der vorhergehenden Generation übernommen hat. Und dass jetzt wirtschaftlich, betriebswirtschaftlich, aber auch volkswirtschaftlich ausgedrückt, ist eben etwas, wo der Autor darauf hinweist, dass hier im Kern etwas vorliegt, was eigentlich die ganze Wirtschaft sucht, nämlich eine regenerative Wirtschaft.

Wir sind in einer Gesamtsituation heute mit unserem Planeten Erde, wo wir unbedingt und schnell und an vielen Orten Ansätze und Setzungen brauchen, in eine Wirtschaft, die nicht nur verbraucht ist, die nicht nur belastend ist, die nicht nur einen negativen Impakt hinterlässt, sondern die regenerativ ist und die Landwirtschaft natürlich durch ihre Nähe zu den Lebensprozessen, aber dann verstanden als die biodynamische Landwirtschaft. Wenn sie das begreift, dann kann sie eigentlich ein Impulsgeber, ein Inspirator werden für die ganze Wirtschaft.

Das wird in diesem Buch herausgearbeitet und es ist ein Ruf, dass die zukünftigen Generationen das noch deutlicher herausarbeiten, damit umgehen und damit auch nicht nur in landwirtschaftlichen Zusammenhängen bleiben zum Bleiben, sondern das Einbringen in den gesamtwirtschaftlichen gesamtgesellschaftlichen Dialog."[1]

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Einzelnachweise