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Biodynamischer Weinbau - eine seminaristische Vorlesung mit Georg Meissner, 2023

Einleitung
Hier erarbeitet sich Dr. Georg Meißner mit dem Azubis und den Landbauschülern vom Dottenfelderhof die Vielfalt, das Wesen und das Wirken der Rebe.
+++ dies ist ein unbearbeiteter maschineller Rohtext. Gerne kannst du bei der Textbearbeitung mitTun +++
Biodynamischer Weinbau am Dottenfelderhof 00:00:00
Einführung und Vorstellung 00:00:00
Dr. Georg Meißner: Hallo und guten Abend. Schön, dass ich hier sein darf. Ich bin Ingwer-Dieter Gerner am Dottenfelderhof. Wir haben heute noch ungefähr grob zwei Stunden zusammen. Jetzt geht es vom Wald in Richtung Rebe. Ich finde es ehrlich gesagt schön, dass der Wald noch präsent ist – deswegen habe ich die Tafel noch nicht freimachen lassen, weil die Rebe hat auch einiges mit dem Wald zu tun. Bevor wir anfangen, kurz zu meiner Person: Mein Name ist Georg Meissner. Ich lebe mit meiner Frau und unseren vier Kindern in Südtirol – da bin ich auch gestern hergekommen, über die verschneiten Alpenpässe hierher. Ich kann auch so babbeln, wenn es sein muss. Ursprünglich komme ich aus Mannheim, wir leben seit zehn Jahren in Südtirol. Wir sind dort hingezogen, weil ich vor zehn Jahren die Betriebsleitung von einem sehr großen Weingut dort übernommen habe. Was mich treibt, ist Forschung und Lehre im biodynamischen Weinbau. Es gibt auch eine Uni, wo man Weinbau studieren kann in Deutschland, das ist die Hochschule Geisenheim – sie ist nicht weit von hier, auch im Land Hessen. Dort nenne ich mich assoziierten Wissenschaftler für biodynamischen Weinbau.
Mir war es aber immer ein Anliegen, auch immer in diesem Atmungsprozess zu sein – nicht als Forscher und Lehrbeauftragter irgendwo an der Uni zu enden, sondern immer wieder in die Praxis zu gehen. Da bin ich ziemlich international unterwegs. Wir haben jetzt gerade als Familie vier Kinder – wir waren von August bis November drei Monate in Kapstadt. Dort haben die Kinder eine wunderschöne Waldorfschule besucht, wir haben auf einem Weingut direkt neben der Waldorfschule gelebt – nur so vielleicht als Bild. Ich bin da relativ international vernetzt. Um mir die Hände ab und an dreckig zu machen, habe ich morgen die internationalen Studenten in Geisenheim – mit denen mache ich eine Exkursion in die Pfalz. Dann fahre ich von dort weiter nach Südfrankreich – dort haben wir einen uralten Weinberg mit Reben, 1899 gepflanzt. Diese alten Skulpturen – ihr kennt vielleicht Miro, den Künstler –, das sind wirklich unglaublich schöne Skulpturen. Es ist für mich immer wieder schön, das tun zu dürfen, nämlich die Reben zu schneiden – das steht jetzt an. Da bin ich nächste Woche dann, um auch selber mal wieder mich zu erden und wieder ein bisschen runterzukommen.
Persönlicher Hintergrund und Motivation 00:03:07
Vor zehn Jahren sind wir nach Südtirol gezogen – auch aus diesem Bild heraus. Ich habe auf der einen Seite die Betriebsleitung übernommen von einem Weingut – die haben selber ungefähr 60 Hektar, aber über 100 Lieferanten. Es ist fast auch genossenschaftsmäßig – da ging es vor allem um den sozialen Prozess mit diesen Lieferanten, die nicht alle biodynamisch waren. Da waren auch noch einige konventionell – ab nächstem Jahr wird es dann die 100%-Marke erreicht haben. Als ich angefangen habe vor zehn Jahren, waren es etwa 30% – peu à peu, nicht zu zwingen. Das geht für mich auch in Umstellungsprozessen immer um soziale Prozesse, um das Miteinander – nicht, dass ein Betriebsleiter in die Hände klatscht und dann macht man alle mit und tanzt im Kreis, sondern wie kommt man da in den langsamen Prozess? Das Grundmotiv, dorthin zu gehen – ich komme gleich auf dich –, war auch als Wissenschaftler in Geisenheim oder Lehrbeauftragter: Wir arbeiten sehr eng zusammen mit dem Dottenfelderhof, wir kommen auch immer mit den Geisenheimer Studenten hierher. Was es im Weinbau braucht, ist wirklich eine Ausbildung – und eben nicht nur an irgendeinem Institut, tolles Forschungsding da hinten irgendwo, sondern für mich, und das ist das, was hier an der Landbauschule Dottenfelderhof so toll umgesetzt wird: Wie kann ich letztendlich aus einer praktischen Realität heraus und aus den oftmals schmerzhaften Prozessen heraus unterrichten? Wir brauchen im Grunde einen Dottenfelderhof dringend im Weinbau – das haben wir noch nicht ganz auf die Reihe gekriegt, kriegen wir vielleicht irgendwann auf die Reihe.
Biodynamischer Weinbau im Fokus 00:04:56
Vielleicht für euch, um das auch noch ein bisschen klarer zu untermauern: Ich bringe euch vielleicht mal eine Zahl – und dann könnt ihr vielleicht auch noch mal selber ein bisschen reingehen. In Frankreich sind wir mittlerweile, glaube ich – und da geht es nur um die Demeter-zertifizierte Fläche –, also Demeter ist für mich nicht der Zertifizierer für Biodynamisches, sondern einer. In Frankreich gibt es auch noch einen anderen Verband unter den Winzern, der nennt sich Biodivar, aber nur Demeter, also gesamt Demeter-zertifizierte Fläche in Frankreich: Was schätzt ihr, wie viel ist da von Weinbau? Ja, so im Verhältnis, einfach mal so. *Sprecher 3:* 40 Prozent. *Sprecher 21:* 90 Prozent. *Dr. Georg Meißner: Fünf Sechstel, kann man so sagen – fünf Sechstel der gesamt Demeter-zertifizierten Fläche in Frankreich ist Wein. Das ist eine Katastrophe – Scheiß Monokultur. Das muss eigentlich andersrum sein. Ich bringe euch einfach dieses Bild, welche Rolle gerade das Biodynamische im Weinbau spielt. Der Weinbau hat auch international gerade so ein bisschen eine Lokomotivfunktion in vielen Ländern – Frankreich ist da ein Extrembeispiel, aber wir können in andere Länder gehen, da sieht es relativ ähnlich aus. Also wo ist der Mobilisierungsfaktor? Und das ist oftmals der Weinbau, der da gerade irgendwie das Ganze pusht. Ja, und wir haben kaum – ich will gar nicht negativ sein – es gibt kaum eine Ausbildungsstruktur so wie hier. Und mir ist auch immer wichtig, auch mit den Studenten oder in der Ausbildung, dass wir auch über den Tellerrand schauen – wir wurden immer mehr gezwungen, uns zu spezialisieren, die Monokultur hat immer mehr zugenommen.
Diskussion und Fragen aus dem Publikum 00:07:03
Da können wir auch gerne ein bisschen einsteigen. Und das ist für mich ganz, ganz wichtig, vor allem wenn ich aus dem Biodynamischen heraus denke: Wie können wir da auch wieder, auch im Weinbau, anders denken – und auch andere Kulturen mit integrieren? Und vielleicht zu guter Letzt: Vom Rebenschneiden werde ich dann nach Dornach fahren – da ist ja nächste Woche dann die Landwirtschaftliche Tagung, und dort bin ich an der Sektion mit einem der Sektionsleiter für die Weinfachgruppe zuständig. Ich bin der, der ans Goetheanum den Alkohol bringt – und für die große 100-Jahr-Feier 2024 möchte ich auch, dass wir ordentlich einen draufklotzen. Da hinten war eine Frage. *Sprecher 5:* Warum ist es so, dass der Weinbau, der einfach mehr in Kasse für weniger ist? *Dr. Georg Meißner: Klar, da würde ich gerne mit euch reingehen, aber ich kann da ganz grob – gibt es da vielleicht im Raum eine Antwort? Ganz viele, ja, einer nach dem anderen. *Sprecher 8:* Leidensdruck am größten. *Dr. Georg Meißner: Der Leidensdruck, okay. Da können wir gerne auch noch ein bisschen rein. *Sprecher 10:* Ich glaube, man merkt einen deutlichen Qualitätsunterschied. *Dr. Georg Meißner: Wow, die Qualitätsfrage. Also dieses Qualitätsbewusstsein, sage ich jetzt mal so, dass wir im Wein sozusagen noch eine Kultur leben – das geht auch immer mehr in Richtung Coca-Cola-Produktion, sage ich jetzt mal so, wenn wir uns die Großproduktion anschauen –, aber wir haben im Weinbau noch eine Kultur. Wir reden von Grand Cru im Französischen, also von großen Lagen – es ist klar, dass, wenn der Wein aus einer speziellen Lage kommt, das was Besonderes sein kann. Und es ist oftmals von einem Stand kurz – gerade mal ein bisschen die Exposition verändert, und es ist schon eine völlig andere Welt.
Qualität und Kultur im Weinbau 00:09:19
Über hunderte von Jahren über die Tradition entwickelt, ist da eine Kultur entstanden, die bis hinein in den Geschmack geht – wir können Wein nach Standort, nach Grundgestein verkosten. Das können wir mit Karotten ganz nebenbei auch – und mit Getreide auch, und mit Milch auch. Milch von einem Kalkstandort ist was völlig anderes als Milch von einem Kieselstandort – da wachsen andere Kräuter –, aber wir machen es nicht. Wir machen es vielleicht ein bisschen in der Käseproduktion, aber nur in der Rohmilchkäseproduktion, was wieder ein verarbeitetes Produkt ist, wo wir auch vielleicht mal über die Grenze gehen können, wo das in Frankreich noch ziemlich stark lebt. Und für gewisse AOC, Grand Cru – wie auch immer Käsearten – ist es völlig klar, dass es eine spezielle Kuhrasse braucht, nämlich die, die dort adaptiert ist, und dass ja nicht Silage oder irgendein Fremdheu oder sonst was zugefüttert werden darf, sondern dass die da futtern, was da wächst, damit ein Beaufort oder sonst was entstehen kann – also diese Qualitätsfrage. Entschuldigung, da waren noch mehr – der Leidensdruck war die Qualitätsfrage, Entschuldigung, ich habe euch jetzt zugetextet.
Also eine finanzielle Frage, dass es sich vielleicht besser vermarkten lässt, kam hier – ja, den Weinbau kann man auch so sehen, wobei man es nicht verallgemeinern kann. Also ich sage euch jetzt einfach mal eine Region, die ihr vielleicht alle kennt: Bordeaux – da denken wir immer „wow“, aber da geht es vor allem auch um die ganz großen, bekannten Namen, da sind Preise, das ist völlig absurd. Aber wenn es dann um das Gros der Produktion geht, da geht es da gerade ziemlich schief her – also es ist dann oftmals auch: Ich kann mir oftmals mehr leisten in so einem Weinbaubetrieb, aber es ist nicht immer unbedingt der Fall. Also es lässt sich schwierig pauschalisieren – aber das stimmt schon, es ist was anderes als in dieser extrem engen Milchproduktion oder wie auch immer. *Sprecher 3:* Ich bin kurz davor, die Frage zu vergessen, die ich am Anfang hatte – mach bitte. Du hattest gesagt, dass die Betriebe, die bei eurer Genossenschaft quasi dabei sind, jetzt in Richtung 100% Demeter gehen. Heißt das also, dass die konventionellen überzeugt wurden, Demeter anzubauen? Oder heißt es, dass die konventionellen weggefallen sind? Ist es faktisch weniger geworden an Genossenschaftsmitgliedern praktisch? Oder ist es so, dass da genügend Aufklärung oder auch nicht Interesse, sondern auch so Überzeugung quasi gekommen ist, dass die in diese Richtung gehen?
Soziale Prozesse im Weinbau 00:12:23
'Dr. Georg Meißner:' Also die Frage war jetzt auf den einen Betrieb bezogen, den ich gerade vorgestellt habe – wie das kommt, dass da jetzt die 100% sind. Es ist ein Betrieb, es ist ein Beispiel – und es ist auch keine Genossenschaft, sondern es ist ein privates Weingut. Was aber interessant ist – kann ich vielleicht auch kurz einen Exkurs machen –, es gibt, ihr habt ja hier jetzt im Januarkurs einiges über Geothermie wahrscheinlich gehört und gemacht, Blattformen und solche Geschichten? Gar nicht? Okay, dachte ich. *Sprecher 22:* Vielleicht unterbewusst. *Dr. Georg Meißner: Unterbewusst – ich mache mal eine kurze Klammer: Es gibt ein Buch von Goethe, das nennt sich „Die italienische Reise“. Dort beschreibt er ganz genau die Pflanzen, aber auch die Geologie, aber auch die Kultur, wo er da eben reist. Und als er dann nach Bozen kommt, dann beschreibt er damals schon, Anfang des 19. Jahrhunderts, wie die Weinhändler in Bozen die armen Bauern doch ausnutzen – und einer dieser Weinhändler war das Weingut, wo ich gearbeitet habe. Also es war ein Weinhändler ursprünglich, ist es heute auch noch, der letztendlich mit vielen Bauern zusammenarbeitet und aber dann auch 100 Jahre später, Anfang des 20. Jahrhunderts, selber Winzer geworden ist.
Und vielleicht hier als der Prozess – das meinte ich damit –, das ist für mich, gerade wenn ich da auch in wirtschaftlichen Beziehungen habe, dort anhand dieses einen Fallbeispiels ist es teilweise die dritte, vierte Generation an Traubenlieferanten, die letztendlich die Trauben an dieses Weingut oder an diesen Händler liefert. Und das ist nicht von heute auf morgen, dass ich sage: „Wir machen jetzt alle biodynamisch“, sondern da war ein anderer Prozess hintendran – und der Prozess wurde eingeleitet. Die eigenen Flächen wurden umgestellt, wobei auch da kann man aus der Familienkiste plaudern: Der Großvater wollte erstmal nicht umstellen, die Flächen vom Großvater waren erstmal eine Weile nicht umgestellt – auch da gibt es diese Familienzwistigkeiten. Und so habe ich da eigentlich angefangen, weil der Sohn des Weinguts war Student, war in Geisenheim auch, und so kamen wir in Kontakt. Und dann haben wir einfach angeboten – oder hat das Weingut angeboten –, monatlich einfach Begehungsrunden zu machen, und hat diesen ganzen Lieferanten angeboten: „Wir bringen euch sozusagen das Technische bei, wenn ihr wollt, und ihr könnt daran teilnehmen.“
Umstellungsprozesse und Reflexion 00:15:16
Und so fing es eigentlich an – und dann haben diese Begehungsrunden nicht nur auf dem Weingut stattgefunden, sondern auch peu à peu, und das ist mir ganz wichtig, bei den Winzern auf ihren Höfen. Und so war es nicht ein Aufoktroyieren, sondern dann hat der eine einfach mal umgestellt, und dann haben die anderen beim anderen abgeguckt – das hat auch ein paar Jahre gedauert, und dann ging es irgendwann relativ schnell. Das ist das eine, aber es sind auch ein paar abgesprungen, die da nicht mit konnten – und es kamen vor allem auch viele Neue dazu, die plötzlich gesehen haben, die vielleicht schon bio gearbeitet haben, aber eine Genossenschaft geliefert haben, dann kam das in das konventionelle Zeug rein und die gemerkt haben: „Da lebt vielleicht ein anderer Spirit.“ Um das jetzt mal als Grundanalyse zu machen: Für mich geht es in der Umstellungsfrage oftmals – das steht und fällt im Sozialen – und es sind soziale Prozesse, und es ist eine Frage, wie man die gestaltet, und ich sage auch gar nicht, dass da alles perfekt gelaufen ist. Aber das ist vielleicht eine Antwort auf deine Frage ein bisschen. Ja, wir können einfach hier so weitermachen, ist doch gut.
Sprecher 21:* Was bedeutet eigentlich Leidensdruck? *Dr. Georg Meißner: Also der Leidensdruck, der kam von da hinten – da würde ich gerne mit euch jetzt gleich auch mal reingehen. Und vielleicht auch nehmen wir jeder mal einen Stift in die Hand – man sagt ja so pädagogisch auf Deutsch, ihr hattet jetzt auch den ganzen Tag Unterricht: „Es muss durch die Hand gehen“, sagen wir im Deutschen. Und vielleicht machen wir das jetzt einfach mal zwei Minuten: Wenn ihr an die Rebe oder den Weinbau denkt, nehmt wirklich mal einen Stift in die Hand, ein Stück Papier – das ist auch ein ganz anderes Zu-sich-selbst-Kommen. Es ist auch anders, ob ich jetzt hier tippe oder ob ich wirklich einen Stift nehme oder was aufschreibe. Und dann schauen wir uns mal die Rebe an, und das würde ich heute gerne auch mit euch ein bisschen machen – auf der einen Seite vielleicht den Weinbau mehr anschauen: Was ist denn da? Wir haben auch jetzt schon einiges angekratzt – aber wie ist das denn eigentlich mit dieser Pflanze? Und wie steht es um diese Pflanze? Und vielleicht jetzt jeder von euch: Wenn ich an den Weinbau oder an die Rebe denke, was kommt mir denn da? Schreibt es einfach mal auf – und was inspiriert mich denn da dran, was begeistert mich? Dass wir es uns von dieser Wärmeseite anschauen, aber dass wir uns auch anschauen: Wo habe ich denn da eigentlich Fragen? Was stört mich denn da? Machen wir mal zwei Minuten.
Dialog und Sammlung der Gedanken 00:19:39
Kommen wir langsam mal zu einem Ende – vielleicht noch so eine halbe Minute. Okay. Und dann würde ich jetzt vielleicht in dem zweiten Schritt noch ein paar Fragen an euch stellen – vielleicht zu zweit oder zu dritt, ja, zu zweit ist ja okay, das klappt ja meistens, vielleicht manchmal zu dritt – einfach mal drüber redet. Aber auch jetzt noch mal so zwei Minuten, dass jeder einfach mal vorstellt oder jede, was da jetzt rauskam – geht mal in den Dialog, aber fangt nicht an zu diskutieren, sondern hört euch vielleicht erst mal zu: Und was entsteht denn da als Bild? Und dann können wir es ja auch mal kurz hier sammeln – aber geht erst mal in den Dialog. Gut, dann vielleicht kommen wir mal zu einem Ende – bling, bling. Ja, das hat ziemlich laut geklungen. Was kam denn hier so? Oder was kommt denn so bei der Rebe und beim Weinbau? Ja, bitte – vielleicht versucht das mal zu kondensieren und auf ein, zwei Worte, dann kann man auch hier ein bisschen sammeln an der Tafel. Da hinten war zuerst.
Sprecher 19:* Also wir sollten aufschreiben, was uns so in den Sinn kommt, wenn wir an Wein denken. *Dr. Georg Meißner: An Wein und an die Rebe, auch an die Pflanze. *Sprecher 19:* Geile Nächte. *Dr. Georg Meißner: Soll ich das aufschreiben? Ja, geile Nächte – geile Nächte, bin ich dabei, das zähle ich jetzt hier mit rein. *Sprecher 19:* Supergeil. *Sprecher 3:* Traurige, landschaftszerstörende Monokultur. *Dr. Georg Meißner: Monokultur – darf ich das auf „Monokultur“ oder „traurige“? Landschaftszerstörend – landschaftszerstörende Monokultur, ja, ist gut. *Sprecher 2:* Ich habe Leidenschaft, Generation, Familiengeschichte und Zeit – und mit Zeit meine ich eher so, dass die Rebe ja sehr, sehr alt werden kann. Und für mich ist ein Weinanbau gehört auch immer zu einer gewissen Leidenschaft. *Dr. Georg Meißner: Ja, ist das okay, wenn man das so reduziert? Ich mache das einfach mal hier so durch. *Sprecher 10:* Die Rebe ist ja sehr abhängig von Menschen. *Dr. Georg Meißner: Wow, toll. *Sprecher 10:* Abhängigkeit – und insofern ist es auch sehr eine große Kunst, glaube ich, die sie zu motivieren, dass man nicht sehr nah dran sein muss. *Dr. Georg Meißner: Kunst, Nähe – kann man das so schreiben? Ja? Super, da kann man ganz viel dran entwickeln.
Vielfalt der Perspektiven 00:24:17
Sprecher 7:* Die Vollendung der Kulturpflanze – die Verbände zwischen Natur und Kultur, ist das, glaube ich, das Absolute? *Dr. Georg Meißner: Sehr hochgegriffen, aber diese Frage von Natur und Kultur, können wir das – oder willst du das Absolutum da drin haben? *Sprecher 7:* Na ja, ich weiß ja nicht, was uns in den nächsten Jahrzehnten noch einfällt. *Dr. Georg Meißner: Ich finde es ja toll, jetzt darf hier ruhig widersprüchlich sein, da können wir ein bisschen mitspielen – das finde ich total gut. Ich kann mich da voll reindenken, was du gebracht hast, aber ich bin auch voll bei dir – das geht aber in Richtung das hier: Kulturlandschaft. Lass uns, bevor wir anfangen, sammeln wir erst mal weiter – das ist schön, wir können hier entwickeln, wir merken ja schon, es arbeitet. *Sprecher 15:* Ich habe zuerst an Krankheiten, und dann an Hitze, und die Schönheit der einzelnen Pflanzen, und die Hässlichkeit der Monokultur. *Dr. Georg Meißner: Können wir die Hässlichkeit der Monokultur – sollen wir das ein bisschen „Hässlichkeit“ machen? *Sprecher 15:* Die Schönheit der einzelnen Pflanzen. *Dr. Georg Meißner: Okay, vielleicht als einen Widerspruch: die Schönheit der einzelnen Pflanzen, die Schönheit des Individuums – darf ich das schreiben, des Individuums? Versus Hässlichkeit der Monokultur – okay, super. War das alles? Ach ja, die Krankheitsfrage – das ist ja vielleicht hier auch so ein bisschen drin, aber diese Hochsensibilität der Krankheit: Krankheitsfrage – darf ich das als „Krankheitsfrage“? Hier hängt natürlich die Pflanzenschutz- oder Spritzung dran, ich nenne es mal „Spritzung“ – Spritzungen, sehr schön.
Sprecher 4:* Wir hatten auf der einen Seite so eine romantische Vorstellung, die damit verknüpft war, die würde ich unter „kultiviert“ zusammenfassen, und dann noch „Ausbeutung“, weil man denkt, da waren ja auch immer eher südliche Länder, wie Italien, wo es arbeitsrechtlich eher nicht so einfach oder ein bisschen schwieriger war als in Deutschland – also „Ausbeutung“ war auch irgendwie dabei. *Dr. Georg Meißner: Also „Ausbeutung im Sozialen“ sozusagen – und was ist die Romantik, um das noch mal ein bisschen genauer? *Sprecher 4:* Das war einfach, als wir überlegt haben, was uns dabei kommt, bei jedem war irgendwie so ein Bild von so einem schönen Hang, in einer schönen Lage, mit schönem Klima. *Dr. Georg Meißner: Also Romantik in Bezug auf die Weinkulturlandschaft in ihrem alten Stil, würde ich jetzt mal so sagen – das gibt es ja teilweise noch: Romantik bei der Kulturlandschaft – und dann die „Ausbeutung im Sozialen“. Ja? Da hinten, Entschuldigung.
Die Rebe als Individuum und Kulturpflanze 00:28:35
Sprecher 8:* Das passt vielleicht ein bisschen zu dieser Abhängigkeit vom Menschen – das hat der Landbaustudio im letzten Jahr so formuliert: die Rebe, also eine Pflanze, die so viel Zuwendung braucht, aber dadurch auch dem Menschen den Kopf verdreht, nicht nur im Sinne des Alters, sondern eben auch diese totale Aufmerksamkeit, sodass die Weinbauern eigentlich außer Weinbau gar nichts mehr denken können. *Dr. Georg Meißner: Ganz toll – Mensch, ist das klasse! Können wir ein Buch schreiben? Wie kann man das auf ein Wort zusammenkriegen, was du da gerade gebracht hast? Oder auf zwei? Total cool – sie ist eine Diva, tatsächlich so: Pflanze, Mensch – Mensch, Pflanze – Abhängigkeit. Ich mache mal „Diva“ Fragezeichen. Entschuldigung, meine Schrift ist eine Sauklaue – das hört ja nicht mehr auf: „Keltern und Frost“ – also „Keller und Frost“, die Winterthematik – Diva, Entschuldigung. Ich lese es euch gleich noch mal vor – macht man „Keltern“ oder „Keller“? „Keltern versus Frost“ – „Keltern“ ist das mit der Presse und so Saft pressen und runter in den Keller bringen: „Keltern“, ja.
Sprecher 3:* Mir fehlt noch ein „Wesenwirtschaft“ – klein, strukturierte, private... *Dr. Georg Meißner: Vielleicht machen wir „Selbstvermarktung“ in Klammer „Wesenwirtschaft“ – wobei das „klein strukturiert“... *Sprecher 8:* ... *Sprecher 3:* ... *Dr. Georg Meißner: Rein theoretisch, ja – in vielen Regionen eine richtige Kultur. *Sprecher 24:* ... *Dr. Georg Meißner: Okay, kommen wir bis zur Pause hin. *Sprecher 23:* ... *Dr. Georg Meißner: Also dieses Spezielle – „spezifisch“ oder dieses genau dieses „spezifische Standortfrage“, kann man das so sagen? Ich mache mal „Grand Cru“. Ja, jetzt gehen wir mal hier rüber – ihr. *Sprecher 16:* Dieses Bild von der Rebe erinnert mich an so eine Spannung zwischen ganz alt, der knorrige Stamm, und dieser junge Trieb, der heidlich gestorben war. *Dr. Georg Meißner: Voller Leben – „Alter versus voll im Leben stehen“, kann man das so sagen? Das ist tatsächlich, sie steht dafür in der Mythologie – Dionysoskult, ich mache es kurz: „Dionysoskult“ heißt wirklich als Urbild des unzerstörbaren Lebens – wir könnten jetzt da auch in die Mythologie einsteigen, das ist hochspannend. Darf ich das hier auch als „Verlust“ mit dem Fragezeichen – weil, wie überall, es ist erbärmlich, was die letzten Jahrzehnte geschehen ist? Das ist okay, aber „Geschichte“ hattest du noch – da hinten, ja.
Identität und Prozesse im Weinbau 00:34:13
Sprecher 5:* Ich weiß nicht, was die regionale Identifikation ist, aber ich komme selber auch aus der Weinbauregion – aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass man sich irgendwie schon identifiziert mit der Region und wie das aussieht und weiß und so, aber eigentlich hat man auch keine Ahnung, was das eigentlich ist – so dass es eigentlich so ein bisschen abgeschottet ist und eigentlich so aufgeklärt wird in der Gesellschaft, was meine Bauregion überhaupt ist und was für Effekte das hat und so. Also eigentlich ähnlich wie Landwirtschaft, da ist ja noch Landwirtschaft, aber dann ist es so spezifisch. *Dr. Georg Meißner: Machen wir mehr? Also dieses, das hat ja hier schon ein bisschen diese „spezifische Standortfrage“, aber um wirklich dieses Typische dieser Region nochmal hervorzuheben – ist das ein bisschen das Bild, was du da entwickeln willst? Oder können wir das hier drin sehen, was du meinst? Also „Identifikation mit der Region“ – dürfen wir das so hinschreiben, dass das dazu hilft? *Sprecher 5:* Also ich habe mir auch geschrieben, dass dieser Prozess viel mit Geduld zu tun hat und auch viel mit Sinn und irgendwie Sinnlichkeit. *Sprecher 10:* Also die Sinne, also ich werde viele Dinge beanspruchen. *Dr. Georg Meißner: „Geduld, Beanspruchung, Sinn und Sinnlichkeit“ – boah, ist das ein Bild hier! Ja, bitte.
Sprecher 13:* Eine enorme Triebigkeit, die man nie so wirklich zügeln lassen würde – also die könnt ihr auch simulieren, könnt ihr auch enorme Maße ausnehmen, könnte auch riesig sein, aber vielleicht ganz klein gehalten. *Dr. Georg Meißner: Also dieses ganz, ganz, ganz wichtiges Bild – wir werden noch ins Wesen der, im zweiten Teil müssen wir da einsteigen, ins Wesen der Rebe – und es ist ganz wichtig, diese „enorme Triebigkeit“ – darf ich das hinschreiben? Und dann würde ich die „Zügelung“ oder das „Nicht-Ausleben lassen“ – ist ganz wichtig: Was machen wir da als Kulturtat eigentlich? Und auch hier das Wort „Trieb“ – in seiner Doppeldeutigkeit trifft es bei der Rebe total zu: „Die Zügelung der Triebe“, die einschlägigen griechischen Vasen, der Johannes-Horst-Kult. *Sprecher 12:* Ich habe mich gefragt, was so der Toleranzbereich von so einer Weinrebe ist – standortmäßig, was für Temperaturen und was für Bodenbedingungen da ausschlaggebend sind und was für eine Auswirkung das dann auch auf die Qualität hat. *Dr. Georg Meißner: Also da ist wirklich diese Diva-Frage – also das ist ja die Rebe als wirkliches Abbild dieses speziellen Standortes, und da ist die schon sehr, sehr speziell. Und das ist ein Riesenunterschied, ob ich da oder da – ist das das ein bisschen? Oder „wo sind die Grenzen“? Das ist dann so ein bisschen die Frostfrage – die Frostfrage finden wir hier so ein bisschen – oder brauchst du da jetzt einen ganz eigenen Punkt? Du hattest als erstes ein Wort: „Toleranzbereich“ – warum nicht?
Vielfalt und Handwerk 00:38:42
Das sind ja tolle Worte auch, die ihr hier habt – ja, vielleicht bei dir. *Sprecher 9:* Ich habe auch ein bisschen darüber nachgedacht, dass die Qualität immer so eine große Rolle spielt – wenn man so an Äpfel zum Beispiel denkt, die müssen ja überhaupt nicht so schön aussehen, die werden ja eh gepresst, und inwiefern das dann der Wein auch so ist – und ja, und dann noch so an das Handwerk, dass ja irgendwie auch überall auf der Welt Wein gemacht wird oder auch auf ganz verschiedene Art und Weise. *Dr. Georg Meißner: Okay, also dieses – kann ich es reduzieren auf die „Qualitätsfrage“? „Qualitätsschönheit Handwerk“ vielleicht so? Ja, einmal. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich – machen wir bis zwölf heute Abend? *Sprecher 2:* Nur mit ein paar Weinchen. *Dr. Georg Meißner: Ja – hinten noch und dann kommen wir auch lang – ja, wobei wir können auch bis zur Pause durchmachen und dann... Aha, da sind wir wieder bei der – kann man das hier dazuschreiben? Ja. Ich bin, ich weiß nicht mehr, hier, genau. *Sprecher 14:* Für mich trägt das etwas Urbildliches, aber so, dass – dadurch wird es fast ein bisschen religiös, im Sinne von „religiös“ – das ist so urbildlich, dass die Erscheinung davon oder das Produkt der Wein etwas fast wieder Verbindendes hat. *Dr. Georg Meißner: Brot und Wein – ja, also „religiös“ unter „Religio“, ja, so würde ich das mal machen, ja. Jetzt gehe ich mal wieder hier rüber, da hinten.
Sprecher 17:* Ich denke da immer an die Umschnitte, die wir machen mussten im Weinbau – also wieder rausnehmen von allen ihren Betrieben und der inneren Pflege – ich weiß nicht, von wem das schon drin war, aber... *Dr. Georg Meißner: Sind wir bei der Diva, so ein bisschen? Dieses wahnsinnige, dieses arbeitsintensive – das hat man schon ein bisschen – ist das okay, wenn man das da... Super – nebendran, ja. Aber ich fand die cool, das gehört dazu. *Sprecher 19:* Gehört zu Dionysos. *Dr. Georg Meißner: Ich habe es bewusst aufgenommen – dieser Rausch, Eros und so weiter, das ist bei Dionysos. *Sprecher 3:* Aber hallo. *Dr. Georg Meißner: Also wir können mal rein – *Sprecher 3:* Na klar. *Dr. Georg Meißner: Wir können in die gesamte Drogenthematik einsteigen – es ist der... Ja, das ist auch hier in dem Brot- und Weinthema drin: „Das Wissen über reife Prozesse“ – können wir das so nennen? *Sprecher 21:* Ha. *Dr. Georg Meißner: Boah – „das Wurzelwerk“, wie ist das mit den Wurzeln? Wahnsinn – ihr hattet ja heute Wald – und sie ist eine spannende Pflanze, und das machen wir nach der Pause, ja.
Mythologie und das Wesen der Rebe 00:43:37
Jetzt war da, glaube ich, noch eine, und dann – nein, es ist nicht nur eine – bitte, Entschuldigung, ich habe dich die ganze Zeit da so... *Sprecher 11:* Da ist keiner irgendwie schon ein bisschen raus mit diesem Vorbildlichen – und dass es einfach ein uralter Begleiter ist des Menschen. Aber ich frage mich, was für einen Einschlag hat das wirklich auf die Entwicklung des Menschen? Also, ja, wie hat sich das dadurch ausgedrückt? Oder was wäre das, wenn wir nicht... *Dr. Georg Meißner: Habt ihr noch eine Tafel? *Sprecher 4:* Ja, das ist mir schon klar. *Dr. Georg Meißner: Ich würde es gerne in seiner Gänze sehen – ich baue mal jetzt hier was ein: „Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit“ – „auf Menschheitsentwicklung“ allgemein – und natürlich aus der Anthroposophie heraus auch. Können wir uns das auch mal anschauen – hochspannendes Ding, auf jeden Fall, ganz wichtig und auch in der Anthroposophie ein wichtiger Faktor. *Sprecher 18:* Ich dachte mal: „Keine Zeit“, in der Weintrauben nur Trauben hießen – keiner kommt auf die Idee, dass es auch einen Traubensaft gibt, jetzt sind alle auf den Beispiel Wein ausgedrängt – Wein ist ja nur eine Lebensweise Trauben. *Dr. Georg Meißner: Du meinst, es gibt auch Trauben bei der Rebe – es gibt auch getrocknete Trauben, Rosinen – ich meine, das ist jetzt gar nicht blöd – ja, die Rebe ist unglaublich vielfältig. Ihr habt vorhin von Birkenwasser gesprochen – ihr kennt den Rebblutungssaft? Wahnsinn, was da drin ist – kann man auch einsteigen, wird in der Kosmetik viel verwendet – Rebenblätter kennt ihr auch, Reis gibt es Kulturen – da gehen wir rüber in den Balkan und Griechenland und Türkei. Ist das das, was du meinst? Dass über den Wein hinaus die Rebe auch noch vielfältig anderweitig nutzbar ist?
Es gibt einen Unterschied, da muss ich ein bisschen rein – es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen Weintrauben: Da wollen wir was anderes als den Esstrauben – aus diesen großen, dicken, knackigen Dingern mache ich keinen besonders guten Wein. Beim Wein geht es eher um dieses kleine Konzentrierte, weil ich da wirklich diese Urstofflichkeit haben will – es sind aber auch unterschiedliche Traubensorten. Ich sage jetzt mal „Traube“ – ich glaube, dann wissen wir alle, was du damit meinst: „und Verarbeitung“. Ich weiß, man kann es nicht sonderlich lesen – ich möchte es aber, bevor wir in die Pause gehen, noch mal vorlesen in seiner Gänze, weil es ist ein unglaubliches Bild, was hier entstanden ist. Jetzt würde ich sagen, noch zwei Punkte, und dann gehen wir in die Pause – ich lese es dann noch mal vor. Wer bist du, Wesen? *Sprecher 16:* Oder was bist du denn für eine Kultur? *Dr. Georg Meißner: Ich bringe jetzt mal das „Urbild des Wesens der Rebe“ – das hat man hier schon so ein bisschen, öfter mal – ich muss das gleich auch ein bisschen versuchen zu sammeln: „Urbild des Wesens der Rebe“. Ja, und dann warst du, glaube ich, noch? *Sprecher 2:* Bei mir dauert es ein bisschen länger, glaube ich – das ist eher mit einer Frage noch behaftet. *Dr. Georg Meißner: Machst du das auch nach der Pause? *Sprecher 2:* Ja, oder ich frage dich einfach mal in der Pause. *Dr. Georg Meißner: Du kannst es gerne vor allem machen.
Weinbau und Wetterbeeinflussung 00:47:56
Sprecher 2:* Ich war mal in Griechenland, in der Nähe von Thessaloniki – wir waren auf so einem Naturcampingplatz, und da ist alles drumherum voll mit Weinbergen. Und es stand halt ein großer Regen bevor – und es war halt kurz vor der Ernte. Und die Bauern, die haben – man hat laute Knalle gehört – und dann haben wir halt den Typen vom Campingplatz da gefragt. Und der meinte – und ich weiß halt nicht, ob das wirklich stimmt oder nicht –, der meinte halt, dass die Bauern Angst haben, dass der Regen kommt und denen die Trauben versauen, und deswegen schießen die halt irgendwie Gas in die Luft – ist das wirklich so? *Dr. Georg Meißner: Das gibt es tatsächlich in gewissen Regionen, dass da Flieger fliegen und Silberionen hochjagen, um letztendlich zu verhindern, dass der Hagel entsteht. *Sprecher 2:* Ja, die Wetterbeeinflussung. *Dr. Georg Meißner: Also das ist auch dieses Divenhafte, diese Wetterabhängigkeit – „Standortfrage, Wetter, Sensibilität“ – darf ich das so hinschreiben? Okay – da war es noch einer und dann machen wir Pause. Nee, nicht? Dann da hinten – na klar, beantworte ich, gucken wir uns gleich an – beziehungsweise ihr habt da schöne Bilder von Organismusgedanken, können wir in Weinbau auch. Ich würde euch jetzt, damit ihr rechtzeitig zum Essen kommt, ich würde es nochmal vorlesen in seiner Gänze, weil es ist ein unglaubliches Bild, was hier entstanden ist – und dann nehmen wir das mit und dann kommen wir hinterher wieder zusammen.
Zusammenfassung vor der Pause 00:49:54
„Geile Nächte – landschaftszerstörende Monokultur – Erosion – Zeit, Familiengeschichte – Leidenschaft – Abhängigkeit vom Mensch – Kunst – Nähe – Absolutum in dem Zusammenklang Natur versus Kultur – Schönheit des Individuums versus Hässlichkeit der Monokultur“ – also diese Pflanzenfrage, diese Schönheit der Rebpflanze – „Krankheitsfrage versus diese Spritzung, Pestizide – Romantik bei der Kulturlandschaft“ – also wenn man an Mosel oder solche Landschaften denkt – „Ausbeutung im Sozialen – Abhängigkeit über Pflanze oder der Mensch über die Pflanze, aber auch die Pflanze über den Menschen“ – diese Frage der Diva – „das Urbild, die Urbildfrage – Religio – Keltern“ – also nach unten bringen – „die Frostfrage, die Winterfrage“ – was passiert da eigentlich im Winter? – „Selbstvermarktung – kleinstrukturiert – Besenwirtschaft – dann Weinleser“ – und diese Frage nach dem perfekten Lesezeitpunkt – „spezifische Standortfrage – Alter versus voll im Leben stehen – Sortenvielfalt – Verlustfragezeichen“ – die Geschichte auch hintendran, hinter vielen dieser Sorten – „Identifikation mit der Region“ – die Menschen können sich darüber identifizieren – „Geduld – Beanspruchung – Sinn und Sinnlichkeit – enorme Triebigkeit und deren Zügelung“ – diese Einengung – „Toleranzbereich beim Standort – Qualität, Schönheit, Handwerk – Verwandlung und Entwicklung – Wissen über Reifeprozesse – Wurzelwerk – Einfluss auf die Menschheitsentwicklung“ allgemein – „Traube – Verarbeitungsfrage – Urbild des Wesens der Rebe – und... Was hatte ich jetzt hier? Wettersensibilität“ – Entschuldigung, ich kann meine eigene Schrift nicht mehr lesen – guten Appetit, wir sehen uns in einer Stunde wieder.
Nach der Pause: Einstieg ins Pflanzenwesen 00:53:11
Okay, jetzt haben wir noch eine Stunde – jetzt haben wir hier was für die nächsten zehn Tage. Jetzt würde ich vielleicht nach dem Essen mit euch mit der Pflanze anfangen, wenn es okay ist – oder habt ihr noch andere Wünsche? Ich muss ganz ehrlich sagen, ich fand das jetzt wunderschön – allein nur durch das Hören und das Einsteigen habe ich auch noch mal viel Neues gelernt. Ihr hattet ja heute den ganzen Tag das Thema Wald – und ich bringe es jetzt einfach mal als Bild, weil wir haben hier ja einige Punkte: Wir haben hier diese enorme Triebigkeit, wir haben das Alter voll im Leben stehen als Frage – also dieses alt werden können, aber trotzdem Triebigkeit voll im Leben stehen können. Wir haben hier diese Schönheit – das ist auch toll – und dann auch letztendlich hier überall so ein bisschen diese Kunstfrage: Natur, Kultur – dieses Durchformte würde ich mal sagen vom Menschen. Und vielleicht können wir jetzt mal in das Pflanzenwesen oder dieses „Urbild des Wesens der Rebe“ – vielleicht können wir versuchen, da mal gemeinsam einzusteigen. Wenn wir jetzt an die Naturpflanze denken: Rebe – wo wächst die denn? Die Wildrebe – ja? *Sprecher 13:* Das ist eine Raubpflanze – also die sich vermutlich an anderen eigenen Bäumen hochbanken, von der Natur, oder die Nächste. *Dr. Georg Meißner: Also es ist eine Rangpflanze – hören wir da –, die braucht die Unterstützung, wo sie sich letztendlich festklammern kann.
Mythologie und Polaritäten 00:55:37
Wir hatten vorhin auch, als ich jetzt noch am Ende da eingestiegen bin, noch den Efeu gehört – und Efeu und Rebe gehören ganz eng zusammen. Aber vielleicht doch machen wir ein bisschen Mythologie – Dionysoskult. Es gibt einen anderen Namen für Dionysos im Griechischen – der wird auch ganz gerne Kissos genannt, und „Kissos“ heißt im Altgriechischen auch der Efeu. Und wenn wir uns die Dionysos-Darstellung anschauen – ich mache es vielleicht mal ganz grob mit euch –, es geht ja immer wieder auch in der Mythologie, aber auch im Biodynamischen letztendlich immer wieder um die Frage des Findens der Mitte. Also dass wir vielleicht zwei Polaritäten haben – und wo ist eigentlich das Herz? Wo ist hier eigentlich diese Mittlergeste, wo ich sozusagen meine innere Balance finden kann? Im Organismusgedanken, in Verbindung zwischen oben und unten – aber im Pflanzenwachstum ja vielleicht auch Xylem, Phloem und zwischendrin das Kambium, oder der Ton-Humuskomplex – diese ersten 30 Zentimeter auch als eine Mittlerebene zwischen diesen oberen Lichtwärme-Planeten-Einflussfaktoren und den da unten Grundgestein, Wasser und so weiter. Und was ist da dazwischen? Dazwischen ist das Leben – oder diese lebendigen 40 Zentimeter: Ton. Und im Deutschen „Ton“ ist ja wunderschön, dass wir das sowohl im Boden haben, Ton-Humuskomplex, als auch in der Musik – und „Ton“ hat ja viel mit Frequenzen auch zu tun, mit diesem Atmungsprozess, mit diesem rhythmischen Prozess. Könnten wir jetzt stundenlang reingehen in diese Polaritätsfrage.
Dionysos und das Leben 00:58:09
Ich komme zurück zu Dionysos – und ihr habt vielleicht alle von Delphi gehört und vom Apollon-Tempel, und über dem Apollon-Tempel stand „Gnothi Seauton“ oder „Erkenne dich selbst“. Was viele aber nicht wissen, ist, dass Delphi gleichzeitig nicht nur das höchste Apollon-Heiligtum war, es war gleichzeitig eines der höchsten Dionysos-Heiligtümer. Und Apollon ist sozusagen der Gott der heiligen Ordnung, Hierarchie – diese göttliche Ordnung, dieses Urbild, dieses kosmische Prinzip – und das Gegenbild ist die Auflösung, die Liebe, der Eros, der Chaos: Dionysos. Und die beiden treffen sich da auch. Vielleicht jetzt mal als ein Bild – ich kann es nur ankratzen, weil wir haben ja nur eine Stunde –, aber „Kissos“, Efeu und Rebe, also dieses „im Leben stehen“, oder Dionysos auch als Repräsentant des Völligen – es gibt ein wunderschönes Buch, das heißt „Dionysos, Urbild des unzerstörbaren Lebens“ – also des Lebens als solches. Und jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter mit euch, weil wir schon dabei sind: Wenn wir in das Dionysos-Motiv reingehen, dann haben wir im Griechischen zwei Begrifflichkeiten für das Leben – wir haben da auf der einen Seite das „Bios“, das kennen wir ja vielleicht, daher kommt das Wort „Biologie“, also „Bios“ Leben und „Logos“ Biologie oder „Biographie“. Es gibt aber noch ein anderes Wort für das Leben, das ist „Zoe“ – bist du Grieche? Nee – und „Zoe“ in der Begrifflichkeit des Lebendigen ist: Bei „Bios“ im Griechischen oder im Altgriechischen gehört der Tod dazu, da gibt es einen Anfang und ein Ende, deswegen reden wir auch von der „Biographie“. Und bei „Zoe“ gibt es den Tod nicht – „Zoe“ ist sozusagen das Leben als solches.
Zoologie und das Seelische 01:01:04
Ich male das jetzt einfach mal so dahin – innerhalb von „Zoe“ gibt es vielleicht ganz viele „Bios“ – also da könnten wir jetzt vielleicht die mehrjährige Pflanze reindenken, oder viele Biographien, Reinkarnationsfrage und so weiter, wir können da vieles reindenken. Und wenn wir jetzt – ich komme gleich auf dich –, wenn wir jetzt auf die Wissenschaft vom Lebendigen schauen, dann reden wir ja von „Biologie“ – aber wenn wir auf die Wissenschaft vom Lebendigen als solches schauen wollen und da vielleicht die Begrifflichkeit nehmen wollen, dann sollten wir vielleicht von „Zoologie“ reden. Und dann wird die Anthroposophie wieder spannend, weil: Wo reden wir denn über „Zoologie“? Was kommt denn da noch dazu? Das Astrale, das Seelische, das Tier – jetzt knall ich euch am Abend aber ganz schön zu. Also hier finden wir das als Urbild, als Hauptrepräsentativ für Dionysos – und wenn wir uns die mythologischen Darstellungen von Dionysos anschauen, dann wird Dionysos gerne dargestellt mit einer Schlange. Und Schlange ist diese Schlüpfrigkeit – Schlange ist sozusagen auch nicht nur in der Griechischen, oftmals in der Mythologie ist die Repräsentantin der Weisheit und des Lebens, weil das Leben als solches ist beweglich, und es kann man kaum greifen und festhalten – der Merkurstab bei den Ärzten, haben wir ja auch sozusagen das Schlangenmotiv, kennt ihr ja auch, könnt mal einsteigen.
Efeu und Rebe als Polaritäten 01:03:11
Und was hat man jetzt gemacht in der Mythologie? Man hat dann gesucht – oder ich formuliere es jetzt einfach mal so –, man hat auch in diesen Orgien oder in diesen ganzen Zeremonien und im Dionysos-Kult hat man tatsächlich Schlangen zerrissen, man hat auch viele andere Dinge gemacht – und man hat dann Pflanzen gesucht, die dieses Schlangenartige in sich tragen. Und da gibt es zwei Hauptrepräsentanten, die da immer wieder dargestellt werden: Das eine ist eine schlangenartige Pflanze, das ist der „Kissos“, das ist der Efeu – und wenn man in diese Auenwälder hineingeht, Auenwälder, ich sage das jetzt mal so, auch an diesen Flusslandschaften, auch in Griechenland, aber auch hier bei uns: Was wächst denn da? Der Efeu und die Rebe – und beides Gewächse, die in sich sozusagen im Pflanzenwachstum dieses Schlangenartige tragen. Und dann hat man sozusagen auch gerne mal die Rebe oder den „Kissos“ oder den Efeu zerrissen – also wir haben oftmals diese Darstellung auch hier wieder eine Polarität von Rebe und Efeu.
Und wir haben es vorhin auch gehört: Der Efeu ist die Pflanze, die relativ spät noch im Jahr, im Herbst blüht, als Bienenweide, und im Winter fruchtet – jetzt können wir die Früchte sehen – sie ist die polare Pflanze zur Rebe, sie wächst auch vegetativ ganz stark in der dunklen Phase des Jahres im Winter. Und die Rebe als polares Gegenbild: voll in der Sonne, voll im Sommer – nachvollziehbar? Also auch hier diese Polaritäten, auch in der Darstellung dieser einen Gottheit: Efeu und Rebe – „Zoobios“. Und wo wächst denn jetzt die Rebe? Und wir haben das schon gehört: Die Rebe wächst also, ist ein Lianengewächs – und trägt in sich als Wesen, das haben wir schon gehört, diese Triebigkeit – auch das hat was mit Dionysos zu tun.
Eurythmische Übung und Natur der Rebe 01:05:46
Und dadurch, dass sie eigentlich diese Stützpflanze braucht, würde ich gerne mit euch, damit ihr wieder wach werdet, eine kurze eurythmische Übung machen – ja, aber ihr braucht nicht viel Platz, ich mache es euch einfach vor. Und vielleicht macht ihr einfach mit, es tut vielleicht uns allen auch ganz gut – einige von euch werden die vielleicht auch kennen. Ja, das heißt, wir gehen so voll in die Verkrampfung, in das Verhaltene – ja, gehen da mal rein – und dann gehen wir raus und lösen uns und versuchen uns mal da hinten irgendwo am besten hinzulegen. Ja, ich mach das nochmal – und dann geht das voll rein – und dann gehe ich mal so zurück und gehe langsam und nehme einfach mal den Raum auch hinter mir wahr und was da so passiert und wie sich das anfühlt: „Ah, wenn da jetzt jemand hinter mir wäre und mich vielleicht stützen würde.“ Und ich mach das nochmal – und dann versuchen wir mal zu erklären: Was heißt das, diese aufrichte Geste, da nach oben gehen, in den Himmel hinein und sich da hinten reinlegen? Und wie fühlt sich das an? Und ich nehme sozusagen von unten alles mit und bring das jetzt da hoch – und dann habe ich hinter mir vielleicht so irgendeine Stütze oder eine Baumkrone, wo ich mich drauflegen kann. Wie fühlt sich das an?
Warum mach ich das mit euch? Was will der Meissner jetzt? Sie wächst also im Wald oft als Naturpflanze – sie wächst oft, wo wir sie hier in unseren Gefilden finden, ist in diesen alten Rheinauen zum Beispiel, dort ist sie noch. Und dann dieses Lianengewächs, was da hoch wächst – was heißt denn: Sie muss erst, um überhaupt ans Licht zu kommen, sie wächst also da im Schatten und muss, um ans Licht zu kommen, erst mal richtig viel Substanz bilden als Pflanze, sowas Stammartiges. Sie muss große Höhen überwinden – je nachdem, also Sequoia-Reben habe ich jetzt noch nicht gesehen, aber je nachdem, wie hoch so ein Baum da eben ist – reden wir schon mal über 20 Meter oder 30 Meter. Das heißt: Was muss sie denn auch entwickeln als Pflanze? Sie muss eigentlich in sich selbst fast baumartig sein – sie muss einen unglaublichen Druck aufbauen können, um letztendlich diese Höhenmeter zu überwinden.
Wurzeln und Kulturtat 01:09:36
Als Naturpflanze ist es nachvollziehbar – wir reden bei der Rebe von bis zu 16 Bar Saftfluss – also diese Mehrjährigkeit, dieses voll da reindrücken, richtig reindrücken. Und vielleicht ist das okay, diese Vorstellung: Die als Kulturpflanze muss sie also da den Saft in richtig hohe Höhen bringen und dadurch letztendlich auch die Kapazität zu haben, dort unten – es ist nicht nur das da oben, sondern die Wildrebe hat eine unglaubliche Wurzelfähigkeit. Also sie kann richtig tief da runtergehen, holt da unten sozusagen raus, was geht – aus den widrigsten Bedingungen auch im tiefsten Gestein. Sie hat auch Wurzeln, wo sie wirklich auch mal so in den Fels rein und mal aufbrechen kann – und kann dann sozusagen über diese Fähigkeit richtig hoch zu wachsen da hochlegen. Und was macht die Wildrebe dann? Sie legt sich sozusagen oben auf die Baumkrone obendrauf, bildet ein Blattwerk und bildet nicht unbedingt Früchte, sondern sie bildet erstmal vegetatives Blattwerk, was da oben so liegt – und je nachdem wie die Bedingungen sind, eigentlich erst dann, wenn es vielleicht mal dahin geht: „Uh, jetzt muss ich mal für Nachkommen sorgen, damit meine Spezies weitergeht“, fängt sie an zu fruchten.
Also dieses hatten wir hier auch als Bild: „enorme Triebigkeit und deren Zügelung“ – wenn sie sozusagen gezügelt wird, wenn sie sozusagen ihre Raum-Entfaltung nicht voll ausleben kann, dann bildet sie Frucht, oftmals – also dieses unter den Druck zu kommen: „Jetzt muss ich für meine Nachkommen sorgen“, teilweise. Also ich möchte jetzt hier – es geht ja auch, wir reden von Tierwohl – und wir müssen auch mehr und mehr als Winzer verstehen lernen: Wir reden von Mensch-Tierbeziehung, und wir reden aber auch – und ich fand es total toll, dass wir das hier auch hatten, wo war es denn? – dieses Doppelverhältnis „Mensch-Pflanze-Mensch“ – dieses „Abhängig-Überpflanzt-Mensch“ und dieses Divenhafte. Also eigentlich eine Pflanze, die in diesem Schattigen wächst, da hoch geht – und jetzt nehme ich diese Pflanze, und das ist jetzt die sogenannte Kulturtat des Menschen: Ich nehme sie und pflanze sie plötzlich an einen Standort, der eigentlich das polar Gegensätzliche dessen ist, wo sie herkommt – es ist nicht mehr dieser tiefgründige Auenwaldboden, sondern es ist plötzlich ein karger Sonnenstandort.
Standortfrage und Erziehung 01:13:11
Also die Standortfrage haben wir uns hier auch schon angeschaut, diese spezifische Adaptionsfähigkeit der Rebe – wir hatten hier auch – ich weiß nicht mehr von wem das kam – dieses „Absolutum Natur und Kultur“. Ich gehe mit euch jetzt da so ein bisschen schrittartig vor: von einem schattigen Auenwaldstandort hin zu einem extrem exponierten Sonnenstandort – das sind diese ganz berühmten Top-Weinlagen, polar gegensätzlich: Kulturtat. Und dann reden wir tatsächlich – wir verwenden pädagogische Begriffe hier –, wir reden im Deutschen von der „Rebenerziehung“ – ich weiß nicht, ob ihr den Begriff schon mal gehört habt. Also die Rebenerziehung – je nachdem, und da gibt es die verschiedensten Formen – das, was ihr alle heutzutage kennt, das sieht man meistens in den Reblandschaften, ist die sogenannte Drahtrahmenerziehung – das können wir, würde ich vielleicht auch gleich mit euch ein bisschen näher anschauen. Ein guter Freund von mir, einer der Pioniere der Bioberatung in Deutschland, Matthias Wolf, der hat immer ein Bild gebracht: Das ist die Käfighaltung der Rebe – also: Wo mache ich jetzt eine autoritäre Erziehung – ich bleibe jetzt mal in den pädagogischen Begrifflichkeiten – und versuche dir irgendwas aufzuoktroyieren, versuche dich in ein Umfeld reinzuzwängen, zu zügeln, wo du eigentlich deine Potenziale, dein Wesen kaum ausleben kannst – oder kaum atmen kannst – oder versuche dich letztendlich in deinen Potenzialen zu erkennen und dir auch einen Raum und eine Erziehung zu geben, wo du vielleicht auch das machen kannst?
Sprecher 21:* Ja – ja. *Dr. Georg Meißner: Ja – also wir müssen, glaube ich, beides denken – es ist... Sagt mir bitte, wenn ihr nicht mitkommt – ja, also ich gehe jetzt mit euch ein bisschen rein, ich wollte jetzt erstmal an diese größeren Bilder – wir können das jetzt auch nur ganz grob angreifen: Was heißt diese Kulturtat – eben auf der einen Seite diese Standortfrage und auf der anderen Seite sozusagen aus dieser Kulturpflanze? Wir haben auch noch alte Rebenkulturen – gibt es auch noch heute teilweise, wo die Reben an Bäumen hochwachsen? Ist nicht ganz so wirtschaftlich, ne? Gibt es in Italien und in den alten Subsistenzwirtschaften – ich habe auch einige Jahre im Kosovo gearbeitet, da sieht man das teilweise noch – in Portugal gibt es da auch noch einige Beispiele. Und jetzt ist die Frage: Wie kann ich sozusagen, um letztendlich eine Kulturtat zu machen und in Anführungszeichen Effizienz steigern, zu arbeiten – welche Erziehungsform ist es, Waldorferziehung oder wie auch immer – ich übertreibe jetzt –, gibt es, wo ich sozusagen das Wesen, dieses Urbild der Rebe immer noch erkennen kann und sie zumindest enteilen? Ich will von ihr ja eine Kulturpflanze, ich will von ihr Trauben – insofern war deine Frage berechtigt –, ich will ja die Trauben ernten, also insofern möchte ich auch, dass sie was für mich tut, deswegen ist sie ja da, deswegen schaffe ich ihr ja den Raum – aber inwieweit respektiere ich sie sozusagen in ihrer Urbild, in ihrer Urwesenart, dass sie letztendlich dieses auch noch ausleben kann?
Ranken und Kultivierung 01:17:20
Frage da hinten, ja. *Sprecher 6:* Eine Frage, eine Überlegung von mir, die in die Richtung kommen könnte – also die Reben, auch wenn die jetzt nicht nach oben ranken, ranken die ja trotzdem zur Seite, wenn man sich jetzt so das anschaut, wie es angebaut wird, dann bleiben die – also die sind ja alle so auf Höhe, dass man es entspannt sagen kann, rücken kann, die Trauben – gleichzeitig kann sie ja nach rechts und links ranken, wenn man ihnen halt Rankenhilfen gibt, nur nach oben gibt es halt keine Möglichkeit für die zu ranken, also müssen sie sich dahin ausbreiten, wo es für sie möglich ist, und das dann halt nach rechts und nach links. Und somit gibt man ja im Wesen der Rebe trotzdem noch naturgemäß eine Möglichkeit zum Ranken, nur halt in die Richtung, sodass man selber entspannt rankommt und wirtschaftlich man klar wird. *Dr. Georg Meißner: Also jetzt kommt der Mensch dazu – ich nenne das jetzt mal hier die „Ausbeutung im Sozialen“, und dann hatten wir hier den Mensch auch hier – wir hatten ihn öfter mal – und diese „Abhängigkeit vom Menschen“.
Bleiben wir mal an dem Wesen der Rebe dran – ich gehe mit euch mal in eine Erziehungsform, die wir alle so kennen, und dann kommt es vielleicht auch das Bild, was du jetzt gerade entwickelt hast, mit: „Sie kann ja auch auf die Seite ranken.“ Ich mache das jetzt mal mit euch – ich male jetzt einfach mal so eine Rebe dahin, wie wir sie jetzt aus dem Drahtrahmen kennen: Dann ist das jetzt das, was schwarz ist, hier mal das alte Holz, dann haben wir hier vielleicht einen Trieb, der gewachsen ist, hier raus, und den male ich jetzt mal so hin – das ist der Betrieb vom letzten Jahr, der stand letztes Jahr so nach oben. Ist das nachvollziehbar? Ich male das jetzt einfach mal schematisch so hier hin – dann habe ich hier einen Zapfen, dann habe ich sie hier abgeschnitten, und an diesem Zapfen habe ich zwei Augen. Und dann habe ich hier an diesem Trieb – jetzt im Winter, wenn er jetzt da rausgeht –, dann ist das, was die Winzer in dem sogenannten Drahtrahmen, den wir alle kennen – ich mache jetzt mal eine Erziehungsform, das ist die sogenannte Flachbogenerziehung – wer hat es noch nicht gesehen? Und wer kann da gerade nicht mitdenken? Stellt euch hier jetzt so einen komischen Drahtrahmen vor – das sind hier solche Drähte, wo man sie dann letztendlich schematisch reinmacht.
Apikale Dominanz und Kulturtat 01:20:06
Nachvollziehbar? Und wenn wir uns jetzt diese Geste hier anschauen, dieses von unten nach oben wachsen – dann male ich euch jetzt hier ein bisschen Pfeile rein –, dann haben wir hier sozusagen diese Geste nach oben – ist das nachvollziehbar? Dann haben wir hier die Geste nach oben, dann haben wir hier die Geste auf die Seite, und dann hier vielleicht ein bisschen nach unten. Und ich male euch jetzt was hin: Dort, wo sie sozusagen ihr Wesen ausleben kann, wächst sie triebiger – also ich male es jetzt mal schematisch dahin: Hier kann sie – ich kann nach oben wachsen –, wir reden bei der Rebe von der sogenannten apikalen Dominanz: Sie will also möglichst weit nach da oben – „apikale Dominanz“ heißt hier oben, solange diese Triebspitze nicht verletzt ist, wächst sie wirklich permanent nach oben, das ist unkrautartig, die hört nicht auf, teilweise, in der vegetativen Phase.
Ich mache das jetzt mit euch – und was ist denn das hier, dieser Trieb hier? Das ist sozusagen die Triebspitze vom letzten Jahr – ist das nachvollziehbar? Das ist das, was oben war – stellt euch jetzt mal bildlich vor, wir wiegen den hier wieder hoch, dann war das hier die Triebspitze. Das heißt: Hier hat sie noch aus der Vergangenheit wächst sie auch so – und dann wächst sie hier, weil hier ist ja die nach oben gerichtete Geste, wächst sie so. In dem Moment, wo es hier wirklich – stellt euch vor, ich mache euch das jetzt mal bildlich, wir haben das gerade eurythmisch gemacht – stellt euch vor, ihr wollt den da machen und jetzt macht einer mit euch... Ja? Das ist für mich Anthroposophie, dass wir ins Wesenhafte einsteigen können – das heißt, hier wird es ein bisschen schwieriger für mich, diese Geste zu machen, hier muss ich es so machen. Und das ist das, was wir Winzer kennen – das heißt: Hier diese mittleren Betriebe, Triebe, sind oftmals so.
Lebendigkeit und Qualität 01:22:45
Und wenn wir hier über Triebigkeit, über Vitalität, über Lebendigkeit – ich rede ja zu euch auch als Önologe und Kellermensch, wo es um Qualitätsfragen geht, wo es um Knackigkeit geht –, also es ist ein Riesenunterschied, ob ich eine Knackigkeit habe oder eine schlaffe Frucht – ich bringe immer das Beispiel: Wenn wir über Ätherkräfte oder über Lebendigkeit reden, stellt euch vor, ihr geht bei euch morgens in euren Gemüsegarten und erntet einen frischen Salat – und dann macht ihr einen Salat damit zum Mittagessen. Dann haben wir doch oftmals in der Wahrnehmung diese Knackigkeit, da ist eine Präsenz – und stellt euch vor, wir nehmen jetzt denselben Salat und legen den einen Tag in den Kühlschrank. Könnt ihr das nachvollziehen? Was passiert? Stofflich gesehen, wenn ich das analytisch mache – soll ich auf die Seite gehen? – stofflich gesehen, pH und so weiter, sage ich jetzt mal so, wir messen ja auch im Labor ganz viel, ist da kein großer Unterschied – aber die Lebenskräfte sind weniger da.
Und das ist hier für uns Winzer auch relativ klar – wir haben ja dann irgendwann hier überall Trauben, meistens so zwei, drei pro Trieb – ich mach das jetzt mal so schemenhaft hier hin – und hier natürlich auch. Die Knackigkeit und Präsenz in diesen Trauben hier, wo die Aufrichtekraft so ist, ist eine ganz andere – bis ins Physische hinein, Gesamtsäure und so weiter – ich mach euch jetzt keinen önologischen Vortrag – als hier, das sind Schlaffies. Das stimmt nicht ganz – ich rede hier wirklich Pflanze – das hat mit biodynamisch erstmal... Wir wollten ja ein bisschen in das Pflanzenwesen einsteigen – und für mich als Winzer besteht die Kunst darin, letztendlich – und jetzt ich komme gleich auf dich zu sprechen –, was ich mit euch einfach nur als Urbild aufmalen will, in meinem Grundverständnis: Ich mache jetzt hier mal in der Mitte, mach ich das blau – und ich nenn das jetzt hier einfach mal „Natur“ – und hier nenn ich es „Kultur“.
Natur und Kultur im Gleichgewicht 01:25:34
Es geht hier ganz viel auch um die Frage der Resilienz – hier, weil diesen oberen Trieb, müsst ihr euch vorstellen, ganz schematisch: Diesen Trieb hier, der ganz links ist, den würde ich jetzt nächstes Jahr nehmen und binden – das wäre dann der hier – dem anderen mach ich diesen Zapfen, das ist dann der hier – ich mach das jetzt mal ganz schematisch. Ich hab das jetzt hier bewusst getrennt aufgemalt, dass ich dieses Blaue hier hinmalen kann – das heißt: Hier – ich bringe euch das nur als Bild – in dieser Erziehungsform hab ich auf der einen Seite, wenn ich das verstehe, lass ich sie ihr Wesen ausleben – hier darfst du es auch ein bisschen, aber hier sag ich: „Hier bist du meine Kulturpflanze, hier will ich Trauben von dir“ – aber hier darfst du auch Rebe sein. Und wenn wir – da liegt ein bisschen ein Geheimnis –, als ich meine Weinbaulehre gemacht hab und im Studium, hab ich nichts davon gelernt – und heute sind zwei gute Bekannte von mir: Einer in Italien, Marco Simonet, der reist um die ganze Welt, der bringt den Winzern das Schneiden bei – man nennt das „sanften Rebschnitt“. Und der hat von Wesensgemäßem – was wir hier in der Anthroposophie oft verwenden – nie was gehört, der ist einfach nur über das Zeichnen dahin und merkt: Und die Resilienzfrage, auch Krankheitsfrage, Spritzungen – dadurch, dass die Rebe plötzlich wieder ihr Wesen ausleben darf, weil wir es vergessen haben, ist das die ganze Zeit – wie in der Tierhaltung ganz nebenbei auch.
Und das hat natürlich einen riesen Einfluss auf Resilienzfragen – wenn ich nur so arbeite, aber wenn ich das auch mal zulasse, ist es was anderes – ja, hier war eine Frage. *Sprecher 22:* Werden Sie das Schlattertrauben auch so einfahren? *Dr. Georg Meißner: Klar – aber ein guter Winzer muss jetzt schauen, was kann meine Pflanze hier leisten – das heißt, nächstes Jahr schaue ich mir hier, wir reden dann auch von Kümmertrieben, die werden teilweise auch rausgebrochen – das hatten wir vorhin auch, dieses Bild – und jetzt muss ich natürlich angucken, welche Kraft hat welche Pflanze. Das habe ich aber auch nicht mehr gemacht – ich bin schematisch dadurch und habe jede irgendwie gleich geschnitten – heute geht es auch wieder darum zu sehen: Der schneide ich vielleicht ein bisschen weniger an, und dann schaffen es die Triebe hier, obwohl sie den da machen, vielleicht auch ein bisschen mehr in diese Kräftefrage einzusteigen – ist das nachvollziehbar?
Rebschnitt und Vitalität 01:28:12
Jetzt gehen wir aber schon sehr detailliert in eine bestimmte Schnitttechnik, die ich jetzt mal beispielhaft verwenden wollte – die Schlaffies sind die hier, wo die Rebe nicht in der Lage ist, diese Geste zu machen, sondern das korreliert mit diesem auf die Seite gerichteten Pfeil – unbedingt du, ja. *Sprecher 4:* Wenn die Pflanze an sich nach oben wächst und dass sie erst, wenn sie genötigt ist, diese Trauben bildet – ansonsten würde sie einfach nur wachsen – aber jetzt ist ja die Seite, die ihr Wesen ausleben kann, also nach oben wachsen kann, die wird trotzdem die beste Früchte... *Dr. Georg Meißner: Du musst dir mal bedenken, dass dieser eine Trieb hier sein kann – habe ich im Jahr vorher nur diesen – ich lasse jetzt von diesem Gesamtbild, was hier ist, nur diesen einen Trieb stehen. *Sprecher 4:* Okay, das ist ja trotzdem noch unterdrückt dann quasi so ein bisschen. *Dr. Georg Meißner: Also wenn wir sozusagen Anthroposophie hier reden, dann ist die Rebe eine der Pflanzen, wo ich wirklich – wir reden ja oft davon, dass wir die Formkraft von außen bringen können an die Pflanze, oder die Seelenkraft – und das ist schon ein Divenhaftes, wo wir – das ist beim Weizen so nicht der Fall –, diese Mensch-Pflanze-Beziehung.
Der Getreidebauer hat nicht zu jeder Pflanze so eine Beziehung wie der Winzer – der Winzer sagt jeden seiner Reben, und das kann ich so oder so tun, der begrüßt die mehrfach im Jahr – ich muss sie schneiden. Und wenn ich das gut tue, muss ich in eine Beziehung treten – ich muss mir anschauen: Was hast du denn letztes Jahr geleistet und wozu bist du in der Lage? Ist das nachvollziehbar? Es ist wirklich eine ganz andere Form auch der Betrachtungsweise: Wenn ich sozusagen dieses Wesenhafte, diese Seelenebene, von der ich jetzt rede, mit einbeziehe, dann entsteht eine andere Beziehungsebene – ich möchte jetzt nicht werten, dass die Winzer besser sind als die Getreidebauern, aber es ist was anderes hier, in der Schönheit – deswegen fand ich das total spannend – des Einzelindividuums. Wir sind jetzt noch nicht an die Kulturlandschaftsfragen und was da eigentlich geschehen ist, was haben wir eigentlich daraus gemacht – aber in der Einzelindividuumsfrage ist ein unglaubliches Potential und eine unglaubliche Kultur entwickelt worden, die vorhin hier sogar als „Absolutum“ bezeichnet wurde.
Die Rebe in Zeit und Kultur 01:31:23
Zeitströme und Philosophie 01:31:23
Dr. Georg Meißner: Und was ich vielleicht noch – bevor ich auf die nächste Frage eingehe – vielleicht hier noch als einen weiteren Reflexionspunkt bringe, ist, dass das hier sozusagen die Zukunft ist – ist das nachvollziehbar? Das hier ist die Zukunft – das, was wir hier sehen, ist die Gegenwart – und dieser Teil hier ist sozusagen ganz grob, sagen wir mal, die letzten zwei, drei Triebe, ist die apikale Dominanz der Vergangenheit, des Vorjahres. Wir haben hier also auch in unserem Blick, in unserem Denken drei Zeitströme präsent – jetzt wird es aber sehr philosophisch, und harter Tobak um Viertel nach acht am Abend nach einem langen Tag. *Sprecher 5:* Ja. *Dr. Georg Meißner: Das ist beim Obstbaum so – und der Obstbaum hat eben auch: Ich lasse deswegen beim Obstbaum immer einen Trieb nach oben stehen, dass dieser Leittrieb sozusagen zieht nach oben, dass der Baum versteht, die unteren Triebe auch zu ernähren – ansonsten habe ich die Verkümmerung. Und das hat auch was mit Apikaldominanz zu tun, weil ein Baum ja letztendlich auf der einen Seite auf die Seite wächst, aber auch nach oben, je nach Baumart. Ihr hattet heute genug Bäume, und ich bin auch kein Forstwirt – aber die Rebe ist eine Liane, und die Rebe hat ganz klar diese Geste – und sie hat diese Geste gleichzeitig darunter, weil sie das eben als Einzelpflanze leisten muss.
Ja – also ich bleibe es mal bei der mythologischen Pflanze – und wir reden bei der Rebe von dieser unglaublichen Triebigkeit, es hat was in diesem Leben stehen. Ich komme jetzt mal ganz grob auf Brot und Wein – Getreidepflanze reden wir von der Todreife, das habt ihr wahrscheinlich schon mit Martin zur Genüge gemacht – ja, dieser Prozess von oben nach unten reifend. Die Rebe drückt da nach oben mit 16, von unten nach oben mit 16 Bar – also mal auch als ein polares Gegenbild auch nochmal. Und wo ist hier sozusagen diese Mitte? Und nicht umsonst haben wir das auch in den verschiedensten Mythologien – auch in unserem Kulturkreis ist es nicht ganz unrelevant: Brot und Wein oder das Abendmahl. Da hinten – du meinst das jetzt hier? Das ist ja sozusagen – das sind ja die beiden, das sind ja, wenn du jetzt hier die beiden Augen nimmst, die beiden – ja, dann sind es sozusagen, wenn du jetzt diesen Trieb nimmst, dann sind es die beiden. Und die beiden hier, die würden jetzt weiter wachsen, weil sie ja in die Höhe will – das ist sozusagen die Grundinfo, und den Trieb biege ich jetzt darüber, und das hat sie eben aus der Vergangenheit noch hier. Also es ist wichtig, dass ihr diese Verständnisfragen stellt – die haben das nicht mehr, weil sie waren ja nicht die Triebspitze. Die zeigen aber hier – es geht ja um diesen Trieb hier, und der zeigt hier auf die Seite und hier zeigt er nach oben, deswegen die Pfeile – nachvollziehen wir? Also es ist wichtig, dass wir am Verständnis dranbleiben, vor allem um Viertel nach acht – ja? Du warst, glaube ich, zuerst.
Erziehungsformen der Rebe 01:35:48
Sprecher 20:* Du hast gesagt, dass das eine Möglichkeit zu schneiden ist. *Dr. Georg Meißner: Eine – ganz viele andere. *Sprecher 20:* Ich kann mir sehr schwer vorstellen, wie man das noch anders machen könnte. *Dr. Georg Meißner: Ich bring euch eine andere – das ist die sogenannte Einzelpfahlerziehung an der Mosel – ja? Das heißt, man hat einen Pfahl, einen Holzpfahl, und dann steht die Rebe dran, und dann lasse ich ihr beispielsweise – wenn ich jetzt meine Hand nehme – fünf Arme mit altem Holz und habe dann jeweils so einen Zapfen mit zwei Augen stehen, und dann wachsen aus diesem Zapfen, der dann aber jeweils diese nach oben gerichtete Geste hat – ist das nachvollziehbar? – wachsen die Triebe nach oben, die je nach Rebsorte, wenn da genug Lignin-Gehalt ist, also Holzverholzung stattfindet – gibt es auch Sorten in Südfrankreich, zum Beispiel wo ich meine Reben habe, die brauchen gar keinen Stützpfahl. Die haben so eine starke Holzigkeit in sich drin, dass sie nach oben stehen können – aber viele der Sorten, Riesling zum Beispiel, deswegen Diva, den muss ich nehmen und sozusagen dann immer wieder an diesen Pfahl binden.
Das ist natürlich deutlich aufwendiger, weil hier noch mal – ich bringe noch eine Geste, das ist eigentlich eine wunderschöne Geste, die viele Moselwinzer machen: Die haben dann hier sozusagen ihr Bindegeschirr drin oder ein Binde – ja, nicht Draht, sondern es ist oftmals auch aus Stroh oder so, ja, etwas Schnurartiges, eine Bindeschnur. Und wenn – stellt euch vor – jetzt im Sommer wächst es, und die Triebe würden jetzt auf den Boden fallen, dann muss ich die ja um diesen Pfahl festbinden – und was machen die dann als Geste? Die nehmen sozusagen von unten die Pflanze hoch – wieder eine Beziehungsebene – und dann nehmen sie sozusagen diese Schnur und machen diese Geste. Ich bringe das mal als Bild – zum Arm der Pflanze. Ich bringe das einfach nur, ich möchte es hier nicht zu sehr romantisieren, aber ich möchte euch mitnehmen – und im Drahtrahmen mache ich zehn Pflanzen das einmal so, und nehme den unteren Draht und mache den vielleicht in meinem Draht ein bisschen höher – also dieses wirklich in Verbindung mit jeder einzelnen Pflanze entfällt da. Es ist deutlich rationeller und wirtschaftlicher, aber es ist eine andere Geste.
Vielfalt der Erziehungsformen 01:38:31
Eine andere Erziehungsart – und dann komme ich auf dich – ist die sogenannte Pergola-Erziehung, das kennt ihr ja auch – hat man ja oftmals in irgendwelchen Gärten in Südtirol, in der Region, wo ich lebe, ist das völlig normal: Das sind sozusagen große Gestelle, wo die Rebe tatsächlich wie eine Liane sich hochranken kann, und dann legt sie sich auf so ein Dach – und auch dort kann man beobachten, werden die Reben älter – also ganz andere Resilienzfragen. Über die Erziehung kann sie dort auch ihr Potenzial anders ausleben – jetzt gehen wir aber in Rebenerziehung, aber auch okay. *Sprecher 10:* Wie machst du das mit deinen Reben? *Dr. Georg Meißner: Dort in Südfrankreich, das sind uralte Reben, die haben gar nichts – das ist die sogenannte Gobelet-Erziehung, die haben so viel Holz in sich, dass die nach oben wachsen können. Das ist die typische Erziehungsform, die wir im Mediterranen, also im Mittelmeerraum haben, grob zwischen Marseille und Valencia – das sind auch die typischen Rebsorten, die dort wachsen. Oder du kannst eigentlich auch bis nach Nizza hochgehen – aber in der Carmargue und im südlichen Rhône-Tal geht es dann los – das sind typische Rebsorten für Rot, ich nenne euch jetzt einfach Namen, ist nicht so wichtig: Carignan und Grenache – und das sind Rebsorten, die das eben können.
Sprecher 3:* Im Allgäu? *Dr. Georg Meißner: Im Allgäu? Da gibt es noch kein Grenache und noch kein Carignan, aber da können wir vielleicht irgendwann mal hinkommen – ich verstehe jetzt deine Frage mit Allgäu nicht. *Sprecher 3:* In Südtirol – im Allgäu sehe ich Kuhweiden. *Dr. Georg Meißner: In Südtirol ist die alte, traditionelle Reben-Erziehungsform diese sogenannte Pergola-Erziehung – das ist auch so –, aber es gibt in Südtirol auch viele sogenannte Drahtrahmen, so wie wir das oft kennen. Also wir können jetzt regional gucken: Der Drahtrahmen hat sich in Südtirol relativ spät aus Rationalisierungsgründen durchgesetzt – ihr dürft es aber nicht missverstehen, dass ich hier komplett gegen den Drahtrahmen arbeite, weil das, was ich jetzt euch versucht habe hier darzustellen ist: Drahtrahmen wurde das die ganze Zeit vergessen – wenn ich in der Drahtrahmenanlage aber darauf achte, dann habe ich immer noch auch in der Drahtrahmenanlage die Möglichkeit, der Rebe diese Selbstentfaltungskraft zu geben und bekomme dadurch – wirklich gibt es genug Beispiele aus der Praxis, aber mittlerweile auch in der Forschung – den Krankheitsdruck deutlich unter Kontrolle, nicht nur über Pflanzenschutzmaßnahmen, sondern auch über Raumgestaltungsmaßnahmen.
Raumgestaltung und Resilienz 01:41:25
Wir sind noch nicht da hingekommen, weil was wir da veranstaltet haben, ist ja noch viel radikaler und schlimmer, die Monokulturfrage – in der Raumgestaltung kann ich ja nochmal ganz anders greifen: Was heißt das, wenn plötzlich wieder die Tiere da sind oder wenn ich wieder Bäume da hab? Wir können über Agroforst oder sonst was reden – da gibt es ja ganz, ganz viele Fragen, die letztendlich mit dieser Divenfrage, der Umkreis des Einflusses der Kulturlandschaft, auch zusammenhängen. Da liegt noch ganz viel begraben – können wir gerne auch gleich noch drauf eingehen, aber es war hier noch eine Frage. *Sprecher 7:* Das ist schon fast meine Frage, wenn der krankheitsentschädigende Druck weiterhin umgegangen wird – ob man da um Pflanzenschutzmaßnahmen rumkommen kann. *Dr. Georg Meißner: Da würde ich gerne kurz noch mit zwei Begrifflichkeiten umschmeißen, die ihr vielleicht schon gehört habt, aber die nochmal präzisieren – war deine Frage: Also, dass wir sozusagen die Mischform haben innerhalb der Landwirtschaft oder innerhalb des Weinbaus, das gibt es und das gab es – wobei wir natürlich auch schauen müssen: Ist es in einer Monokultur wirklich dann jetzt gut, dass wir da jetzt Gemüse anbauen? Weil wenn wir Gemüse anbauen – das habt ihr hier am Dotti gut genug gemacht, über das Fruchtfolgethema gehe ich von aus, habt da geredet und habt euch auch angeschaut –, dann ist es ja nicht nur Gemüse, Gemüse, Gemüse und jedes Jahr Kartoffeln, jedes Jahr Hackfrucht, sondern: Wie kann ich letztendlich in dieser Sonderkultur, die mindestens hoffentlich 30 Jahre da steht – heutzutage wird eine Rebe meistens 20, 25 Jahre alt, Katastrophe! Das sind wahnsinnige Kosten, die entstehen – aber nach 20 Jahren ist die so durch, es ist wie eine Hochleistungskuh.
Langfristige Perspektiven 01:43:31
Und alte Rebanlagen – ich habe euch erzählt, die Anlage, die ich da bewirtschafte, ist noch eine altangelegte Anlage, die ist 1899 gepflanzt –, also das geht auch: Die hat nicht mehr den Hochleistungsertrag, das ist eine alte Kuh, das ist eine ruhige Kuh, ja, aber die bringt natürlich auch eine andere Qualität – ich sage nicht besser, nicht schlechter, aber es ist anders. Nochmal deine Frage. *Sprecher 7:* Ja, zu der Art, ja weiter geht es um Pflanzengesundheit und Krankheits- und Pflanzenschutzmaßnahmen, wo man vielleicht durch die Art der Düngung oder Umweltgestaltung drum rum kommt. *Dr. Georg Meißner: Ich weiß nicht, hattet ihr schon mit den Begrifflichkeiten gespielt? Wo ist denn meine Rot hingeschmissen? In irgendeiner Hosentasche? Verwurscht, machen wir es mit Orange – habt ihr da schon mit rumgespielt: „Pathogenese und Salutogenese“? „Pathogenese“ – wenn wir jetzt über Pflanzenschutz reden, über Krankheiten als eine Antwort: „Patein“ ist das Leiden, und „Genesis“ kennen wir ja, ist die Frage nach dem Ursprung – also „Pathogen“, davon haben wir auch schon gehört: „pathogenetisch“ vorgehen heißt, ich habe irgendeinen Schaderreger und ich versuche irgendeine Krankheit, und was kann ich dagegen tun? „Salutogenese“ heißt: „Salus“, „Salutes“ ist die Gesundheit oder gesund, und „Genesis“ ist die Frage nach dem Ursprung von Gesundheit.
Ich habe euch ein bisschen ein praktisches Beispiel hier gegeben: Wenn ich mein Wesen ausleben kann, meine Potenziale ausleben kann – im physischen, im rhythmischen, im seelischen, aus meiner Biografie heraus –, dann geht es mir doch besser – also welches Umfeld brauche ich, Georg Meissner, damit es mir gut geht, damit ich gesund sein kann? Als Frage – was aber nicht heißt – ich habe bewusst diese beiden Kringel ineinander gemalt –, weil manchmal bin ich krank und muss vielleicht auch was dagegen tun: vielleicht sogar ein Antibiotikum schlucken, vielleicht sogar eine Chemotherapie machen. Für mich die Grundlage – was das Spannende am landwirtschaftlichen Kurs ist – dass Steiner uns ganz viele Hinweise gibt, wie wir zusätzlich, erweitert, komplementär an diesen Fragen hier arbeiten können, ohne das komplett zu negieren – es kann auch manchmal sein, dass ich da was spritzen muss, aber mein Ziel ist doch nicht, dass ich hier dauernd spritzen will.
Gesundheit und Heilung 01:47:11
Und das Ziel sollte doch sein – das Ziel, was für mich ist die Hauptfrage: Was bedeutet es, ein guter Bauer zu sein? – dass dieser Kringel hier immer größer wird, dass ich es sozusagen hinkriege über die Veränderung der Umweltbedingungen – da könnten wir jetzt stundenlang einsteigen: Was heißt es, die Reintegration des Tieres? Was heißt es, mit Hecken zu arbeiten? Was heißt es, mit Begrünungsmischung zu arbeiten? Was heißt es, mit Fruchtfolge zu arbeiten in der Monokultur? Was heißt es, auf das Soziale zu achten? – dass ich versuche, das groß zu halten und das jedes Mal immer kleiner werden lasse. Und vielleicht irgendwann ist das Ding so groß, und hier ist nur noch ein Punkt – dann bin ich doch gut – was aber nicht heißt, dass, wenn ich total krank bin, dass ich vielleicht auch mal eingreifen muss. Vielleicht erstmal als eine Grundmessage, die ich euch gerne mitgeben würde.
Und das ist das: Für mich geht es auch hier nicht um eine alternative Landwirtschaft – also biodynamisch –, sondern eine anthroposophische Medizin: Das Hauptwerk in der anthroposophischen Medizin – oder eins der Hauptwerke –, was Steiner mit Ita Wegmann geschrieben hat, heißt nicht „Grundlegendes einer Alternativmedizin“ oder „Grundlegendes einer anthroposophischen Medizin“, sondern es heißt „Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst“ – die Kunst des Heilens. Wir hatten hier auch schon die „Kunst, Nähe und Abhängigkeit von Menschen“ – wunderschön, was ihr hier gebracht habt. Das heißt: Die Kunst des Heilens heißt, ich muss auf der einen Seite ein guter Schulmediziner sein, ich habe aber erweiterte Methoden auch in der Hand – das ist das, was sie da in dem Buch auf Seite 1 bringen, Wegmann und Steiner: „Seid erstmal richtig gute Schulmediziner, stellt euch voll und ganz in die Naturwissenschaft, und jetzt in dem Buch bringen wir aber erweiterte, zusätzliche“ – für mich ist das das ganz starke Motiv am Biodynamischen – „zusätzliche oder modern ausgedrückt, komplementäre Methoden, mit denen ihr zusätzlich auch heilen könnt.“ Ich habe extra Werkzeuge in der Hand, extra Tools, wenn ich das verstehe.
Landwirtschaft und Wirtschaftlichkeit 01:49:28
Und das Gleiche gilt für mich in der Landwirtschaft – das heißt, auf der einen Seite – das haben wir jetzt hier mit dem Rebschnitt mal ein bisschen versucht – ich muss verstehen: Wer bist denn du, Rebe, wenn ich Winzer bin? Was brauchst du denn? Wie kann ich denn dein Umfeld so gestalten, dass du möglichst gesund bleibst? Und inwieweit steht es denn eigentlich im Maß zu der Gesamtlandschaft? Ich komme aus einer der extremsten Monokulturlandschaften, und dann mache ich auch Schluss: Südtirol – jeder vierte Apfel in Europa kommt aus Südtirol. Aus ökonomischer Sicht – ich habe einige Obstbauern, auch konventionelle, als Freunde – aus ökonomischer Sicht kann ich in Südtirol momentan noch – auch das ist langsam in Frage – zwischen 30 und 80.000 Euro netto pro Hektar pro Jahr verdienen mit Äpfeln – das heißt, ich kann eine Familie eigentlich relativ gut mit 2 Hektar ernähren. Das ist eine der wenigen Regionen der Welt, wo der Bauer noch wirklich Geld verdient – wirtschaftlich, also aus dem Wirtschaftlichen herausgedacht: guter Bauer. Aus dem Agronomischen herausgedacht: Ich muss momentan zwischen 35 und 45 Pflanzenschutzbehandlungen machen im Apfelbau – das heißt, ich sitze momentan auf meinem hochsubventionierten 3,2-Tonnen-VarioFendt, 70% von der EU finanziert – ich bin jetzt ein bisschen sarkastisch –, sitze ich jeden zweiten Tag und spritze irgendwas.
Ist das Sinn und Unsinnlichkeit für mich als Bauer, als Mensch? Ist das für mich das, was ich die nächsten 30 Jahre tun will? Und ich zeige nicht mit dem Finger da drauf, weil wenn ich mir die Entwicklung vieler dieser Höfe anschaue – und ich mache gerne diesen Rückblick, und gerade machen wir das in der Biodynamischen Bewegung irgendwie dauernd, weil wir nächstes Jahr die 100 Jahre feiern –: Wie war denn euer Hof vor 100 Jahren aus? Und vor 100 Jahren waren das bettelarme Höfe – ihr habt vielleicht von den Schwabenkindern gehört, das war in Südtirol relativ normal, dass die Kinder entweder auf die schwäbischen Märkte verkauft wurden und dort dann gearbeitet haben oder nach Mailand und dort die Kamine ausgekehrt haben – das ist noch nicht so lang her, das waren oftmals Tagelöhner. Und dann haben die Großelterngenerationen vielleicht diesen Hof erworben oder waren Tagelöhner und haben zwei Hektar erworben – dann hat die Elterngeneration nach dem Krieg und auch ein bisschen später und die Großelterngeneration die Vorteile der industriellen Landwirtschaft angenommen, hat sich wirtschaftlich stabil gesetzt, und jetzt kommt unsere Generation und soll diesen Hof plötzlich übernehmen und stellt sich die Frage: Macht es für mich Sinn, 35 Mal da raus zu powern?
Generationenwechsel und Klimawandel 01:53:23
Also inwieweit habe ich hier eigentlich eine Abhängigkeit, weil da ist das hier so und das hier so – also ein Grundbild. Und ich möchte hier gar nicht verurteilen, aber da ist jetzt natürlich die Frage – auch das hatten wir hier auch – „Selbstvermarktung, Kleinstrukturiertheit, Besenwirtschaft“: Wie kann ich versuchen, über ein – ich kann es nicht rückgängig machen – diese landwirtschaftzerstörenden Maßnahmen? Aber ich kann versuchen: Was ist die Ist-Situation? Ich kann auch, ohne die Finger auf die Vorgenerationen zu lenken, die diesen Blödsinn – in Anführungszeichen – gemacht haben, aber die haben immerhin die wirtschaftliche Situation so geschaffen, sodass ich jetzt befreiter denken kann und es vielleicht anders machen kann – ist das nachvollziehbar? Also für mich auch immer hier: Wie finde ich da die Mitte?
Und ein letztes Beispiel: Wir gehen immer mit den Studenten zum Rüdesheimer Berg, das ist eine absolute Steillage in der Nähe von Geisenheim, wo die Uni ist, wo ich arbeite – in den 60er Jahren noch komplett kleinterassiert – wir hatten vorhin die „Romantik“ hier irgendwo: diese romantischen Kleinterrassen-Reblandschaften mit Hecken und Tieren und Bäumen und Trockensteinmauern – Steillage, extrem exponiert, Klimawandel. Dann kamen die 60er, 70er Jahre, die sogenannte Flurbereinigung – die Terrassen waren im Weg, man hat alles platt gemacht, man hat gleichzeitig die A3 gebaut, die da am Frankfurter Flughafen nach Köln geht. Man hat den Bauschutt der A3 genommen, hat es in diese Weinbergflächen – so viel zu den großen Lagen, ja, da ist jetzt viel A3 und so weiter drin – hat es da platt gemacht, hat sozusagen diese extrem Monokulturlandschaft gegründet. Man hat nebendran Betonröhren gebaut, dass das Wasser möglichst schnell abfließen kann – ja, was machen wir denn heute mit Agroforst? Ich weiß, gerade drei Monate in Südafrika, da ist das noch viel mehr relevant – das ist doch das Gegenmodell, was wir gerade... Wir müssen doch daran arbeiten: Wie können wir sozusagen das Wasser in unserem Berg halten? Vor 40 Jahren hat man auch das Gegenteil gemacht, man hat geguckt: Wie kriege ich das Wasser, Drainage und so weiter, möglichst schnell weg?
Zukunft des Weinbaus 01:55:55
Könnt ihr mir folgen? Ja, also da jetzt auch die Frage – und der Präsident von der Uni, mit dem ich viel mache, mit dem sein Haupt-Ding ist Klimawandelsfragen –, der stand mit mir in diesen Anlagen – das sind mit die berühmtesten Anlagen in Deutschland, der Rüdesheimer Berg – und sagt: „Jörg, wenn die aktuellen Zahlen stimmen, dann ist hier in 30 Jahren kein Weinbau mehr möglich – zumindest so, wie wir das momentan machen.“ Das heißt – und nächster Punkt – es wäre schön, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten und die alten Kleinterrassen wieder hätten, dann hätten wir ganz andere mikroklimatische Bedingungen, Grundbedingungen, die dem Klimawandel ganz anders entgegentreten könnten – aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen, das heißt: Was können wir jetzt machen und was müssen wir jetzt machen als Generation, um letztendlich die Grundvoraussetzungen zu schaffen, dass hier in 30 Jahren noch Weinbau möglich ist? Und das ist möglich – ich muss halt jetzt das, was da gemacht wurde, wieder ein bisschen umbauen.
Und so weiter und so weiter – jetzt haben wir 20 vor 9, und ihr werdet, glaube ich, langsam immer müder – das vielleicht für euch jetzt, es soll nicht negativ sein, sondern für mich auch: Ich versuche immer, da ins Verhältnis und in das Gleichgewicht zu setzen. Und natürlich kann ich jetzt sagen: „Die blöden Idioten, die Großvatergeneration, die das in den 60er, 70er, 80er Jahren auch heute noch macht“ – aber das ist ein anderes Zeitgeistdenken, und jetzt kommt wieder ein anderer Zeitgeist. Und meines Erachtens haben wir da in den Grundprinzipien des biodynamischen Anbaus unglaublich viel Potenzial – aber mir geht es nicht nur biodynamisch, sondern mir geht es darum: Was ist da vor allem auch im landwirtschaftlichen Kurs, wo wir meines Erachtens auch – ich zumindest habe vielleicht so viel verstanden davon –: Was liegt da vielleicht noch als Potenzialquelle für uns drin, um an diesen Grundverständnisfragen zu arbeiten? Ich würde mal sagen: Vielen, vielen Dank für eure Aufmerksamkeit – es sei denn, es kommen jetzt noch Fragen, aber ich glaube, ihr seid jetzt langsam auch – ihr hattet einen langen Tag. Vielen Dank.