Betriebsorganismus und Düngung - 1. Folge von Manfred Klett, 2018

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Vortrag vom 6. März 2018 von Dr. Manfred Klett: 1. Folge Betriebsorganismus und Düngung.Audio zum streamen, Video zum streamen

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1. Folge Betriebsorganismus und Düngung

Der Werdegang von Manfred Klett auf dem Dottenfelderhof 00:00:48

Ja, ich wünsche einen schönen guten Morgen. Und ich wünsche Ihnen auch, dass hier eine interessante Woche vor Ihnen steht und neue Einblicke in die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Nun möchte ich mich kurz vorstellen.

Ich bin hier Mitbegründer der Betriebsgemeinschaft Dottenfelderhof gewesen, 1968, als wir hier angefangen haben auf dem Dottenfelderhof. Aber ich war schon hier auf dem Hof 1956/57 als Lehrling tätig. Ich habe hier meine landwirtschaftliche Lehre durchlaufen, in einer ersten Phase der biologisch-dynamischen Bewirtschaftung von 1946 bis 1957.

Dann kam das an ein Ende. Die Bewirtschaftung wurde wieder konventionell auf zehn Jahre, ein Interregnum. Weil eben dieser Hof im Zuge der Bodenreform - die gab es nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Besatzungszonen - auch in der russischen. Die Bodenreform, dass jeder Landbesitzer, der über 100 Hektar Land besaß Land abgeben musste, zur Ansiedlung ostvertriebener Bauern.

Der Landgraf von Hessen, dem dieser Betrieb gehört hat, hat den Betrieb dann komplett abtreten müssen an eine Siedlungsgesellschaft. Die wurden ja damals neu belebt nach dem zweiten Weltkrieg, um diese ganzen Vorgänge zu steuern. Sodass wir uns damit abfinden mussten, dass jetzt der Eigentümer eine Siedlungsgesellschaft war, die nur die eine Absicht hatte, diesen Hof zunächst einmal für ostvertriebene Landwirte freizumachen. Andererseits später, nachdem das nicht so gelungen war, diesen Hof scheibchenweise nach der Salamitaktik zu verscherbeln. Stadtnah gelegen und sehr hohe Bodenpreise - Baupreise hier in der Gegend - sodass der Dottenfelderhof also in seinem ganzen geschichtlichen Verlauf seinen Nullpunkt erreicht hat, in den 60er, 70er, 80er Jahren, nein, sagen wir einmal, 60er Jahren, 50er, 60er Jahren.

Der Dottenfelderhof als Klostergut bis in die heutige Zeit 00:03:30

Der Hof selber hat eine Geschichte, die weit über 1.000 Jahre hinausgeht. Er ist einer der ältesten Siedlungsorte überhaupt, weit und breit, weil - er wird urkundlich schon erwähnt im Jahre 843, als ein freies Königsgut, unter Karl dem Großen.

Also in der Zeit war Karl der Große schon gestorben, aber es waren dann seine Söhne und Enkel. Er war ein freies Königsgut, ein karolingisches Königsgut. Es kamen ja dann die Sachsen-Kaiser, und es war dann Otto der Zweite, der Kaiser also, der jetzt diesen Hof seinerzeit dem Kloster Worms als Lehen gegeben hat im Jahre 976. Das ist alles urkundlich erwähnt.

Im Jahr 976 wurde der Dottenfelderhof ein Klostergut von Worms. Die Klöster konnten nur existieren, wenn sie Pfründe hatten. Das heißt, ihnen ist entsprechender Landbesitz zugeteilt und zu Lehen gegeben worden, damit sie in der Lage waren in der Landwirtschaft nicht nur täglich ihren eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten, sondern damit ein paar Mönche freigestellt worden sind, um die Bibel abzuschreiben. So war das damals.

Um die Bibel abzuschreiben, brauchte man Pfründe, man brauchte also den Zehnten, der dann abgeliefert worden ist an das Kloster, damit das Kloster überhaupt existieren konnte. So war der Dottenfelderhof ein solches Lehensgut geworden. Dann 1121, 1122, 1123 wurde das erneut zu Lehen gegeben, an den gerade eben gegründeten Orden der Prämonstratenser.

Die Prämonstratenser waren ein relativ kleiner Orden in der Aufsplitterung der Zisterzienser gewesen. Auch wiederum seit dieser Zeit war der Dottenfelderhof ein Klostergut - von Kloster Ilbenstadt hier ganz in der Nähe - und blieb es über 800 Jahre lang bis zur Säkularisation. 1803 bis 1806 unter Napoleon wurde der ganze Klosterbesitz hier aufgeteilt in Mitteleuropa. So kam der Hof in die Hände schließlich der Landgrafen von Hessen-Kassel. Er wurde dann eine Art Beispielbetrieb im 19. Jahrhundert für moderne Verfahren in der Landwirtschaft, wie Zuckerrübenanbau und dergleichen mehr. Weitere Details möchte ich jetzt nicht darüber sagen, sonst verlieren wir zu viel Zeit. Aber es war ja so, dass 1946 hier ein Landwirt eingeheiratet hat, der eigentlich aus einer Goldschmied-familie stammte. Ein hochintelligenter, befähigter Mann, der diesen Hof hier dann auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umgestellt hat. Der Dottenfelderhof sollte eigentlich in den 50er Jahren das Zentrum der biologisch-dynamischen Bewegung in Deutschland werden.

Dann zerbrach das 1954, weil eben der Druck auf das Land hier so groß war. Sie wollten hier formal noch ostvertriebene Landwirte ansiedeln. Aber das Ganze zerbrach dann. Wie ein Kartenhaus fiel das in sich zusammen, 1957. Das war eine unglaubliche Tragik, weil die Möglichkeit, hier jetzt so eine ganz neue Entwicklung zu inaugurieren, erstmal aussichtslos wurde.

Da habe ich eben versucht in der Folgezeit mit meinem ehemaligen Lehrchef hier zu prüfen, ob wir diesen Hof doch wiedergewinnen können. Das war uns nach vierjährigen Verhandlungen mit dem Land Hessen von 1964 bis 1968 schließlich gelungen. Allerdings in Form von Kriegszuständen, kann man fast sagen, in den Verhandlungen mit dem Land Hessen. Also man hat sich sozusagen mit schärfsten Waffen da bekämpft. Wir mit den Waffen der Idee, wir hatten ja keine anderen. Es war eine Zeit, wo der konventionelle Landbau sozusagen sein Aufstiegserlebnis hatte: "Jetzt endlich können wir also technologisch alles so machen, dass der Mensch als Arbeitender überflüssig wird in der Landwirtschaft."

Diese Entwicklung fing damals an. Wir haben vier Jahre mit dem Land Hessen verhandelt und dann schließlich einen Pachtvertrag über fünf Jahre bekommen, einen Knebelvertrag, bei dem jeder Sachverständige auf diesem Feld gesagt hat: "Damit habt ihr die Schlinge um den Hals mitgeliefert bekommen". Das war ein furchtbarer Knebelvertrag. Ich kann jetzt nicht im Einzelnen darauf eingehen. Aber jedenfalls war der so, dass sie sich gesagt haben: "So stehen die das nie durch". Sie versuchten eben, uns irgendwie hier von vornherein wegzukriegen. Nur der Minister selber und ein paar wenige Menschen, die haben ein bisschen die Hand über uns gehalten.

Das waren also außerordentliche schwierige Jahre. Der Dottenfelderhof war heruntergewirtschaftet bis zum geht nicht mehr. Das war eine Räuberburg, so wurde sie damals bezeichnet, alles war völlig am Boden. Sowohl der Zustand der Böden als auch der Gebäude. Es war jahrzehntelang nichts mehr gemacht worden. Wir haben uns damals gesagt, einmal den Fuß zwischen Tür und Angel, kriegt uns niemand mehr von dem Hof runter. So war es dann auch.

Obwohl es manchmal aussah, wie wenn wir morgen hier weggehen müssten. Ende der 70er Jahre, haben wir schließlich endlich erreicht, hier einen 18-jährigen Pachtvertrag neu zu bekommen für den Hof und haben durchgesetzt, dass das Land Hessen den Hof gekauft hat, von der Siedlungsgesellschaft. Wir sind in den Kauf eingestiegen und haben die Hofgebäude mit 20 Hektar drum herum gekauft, als gemeinnütziger Verein. Jetzt sind die Gebäude und diese 20 Hektar Eigentum des gemeinnützigen Trägers Landbauschule Dottenfelderhof und alles übrige Land sind natürlich noch Zupachtungen von außerhalb. Jetzt sind es direkt um den Hof arrondiert ungefähr 165 Hektar. Insofern war jetzt zunächst mal eine Entwicklung gesichert.

Dadurch konnten wir überhaupt investieren, auch in den folgenden Jahren. Das war ja vorher völlig unmöglich. Wir haben dann die Landbauschule Dottenfelderhof gegründet - schon in den 70er Jahren - und haben hier auch eine Forschung eingerichtet - dort drüben, das werden Sie vielleicht noch sehen, oder Sie haben das schon gesehen. Unsere ganze Züchtung, die wir hier jetzt auf dem Hof betreiben, die Forschung, die wir hier auf dem Hof betreiben und alle möglichen sonstigen Initiativen, die hier eben stattfanden.

Die biologisch-dynamische Landwirtschaft und die soziale Frage 00:11:29

So hat sich das entwickelt und ich möchte nur noch ein Wort sagen zur Betriebsgemeinschaft. Weil ich meine, dass das der springende Punkt ist für die gesamte Zukunft der biologisch-dynamischen Landwirtschaft in Europa, in Mitteleuropa ganz besonders. Wir müssen da Pioniere sein auf diesem Felde, dass nicht mehr der bäuerliche Familienbetrieb das eigentliche Ideal sein kann in die Zukunft. Das ist vielleicht zu viel gesagt. Aber jedenfalls, da liegen ja auch Probleme vor. Denn wie soll eine einzelne Familie in der Lage sein, einen biologisch-dynamischen Betrieb, Viehhaltung, Ackerbau, Gartenbau, Obstbau, Heckenbau, Wiesen- und Weidewirtschaft betreiben und dann auch noch Weiterverarbeitung und Vermarktung unter einem Dach möglich zu machen? Ganz aussichtslos. Man ist dann burned out nach nicht allzu langer Zeit. Man muss sehen: Wie können wir sozial, nicht nur biologisch-dynamisch ... das Biologisch-Dynamische ist eine ungeheuere Zukunftsaufgabe. Und so ist auch in Verbindung mit dem Biologisch-Dynamischen die soziale Frage ungeheuer aktuell. Die Landwirtschaft hat in Zukunft dafür eine ungeheure Aufgabe, eine Mission förmlich, neue soziale Entwicklungen zu inaugurieren. Das war auch von Anfang an unser Anliegen hier auf dem Dottenfelderhof.

Die Betriebsgemeinschaft ergab sich nun nicht aus diesem Anliegen primär. Wir hatten keinen - wie soll man sagen - sozialen Impetus, hier und da etwas zu schaffen, sondern es ergab sich rein und ausschließlich aus den Bedingungen des biologisch-dynamischen Landbaus. Wir haben gesagt, ein Einzelner kann niemals mit angestellten Mitarbeitern auf die Dauer einen biologisch-dynamischen Betrieb umtreiben, sondern die Mitarbeiter müssen selbst motiviert sein. Die müssen selber aus sich heraus das Motiv haben, biologisch-dynamisch wirtschaften zu wollen, und zwar auf Augenhöhe. Also nicht mehr die hierarchische Struktur von einst: Da ist der Betriebsleiter und dann kommen die verschiedenen Stufen bis herunter über die Lehrlinge und Mägde und dann die Ratten und Mäuse, so war das ja früher. Sondern dass diejenigen, die hier wirtschaften - das war ja unser großes Ideal gewesen - das hat sich ein bisschen hier gewandelt - ist unser großes Ideal gewesen. Und das ist es für mich auch in alle Zukunft, dass wir eine Form, eine soziale Form entwickeln müssen, wo jeder Einzelne voll motiviert ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Person ist.

Also wir wollten eigentlich jede Lohnarbeit abschaffen. Das ist auch noch heute mein Ideal, dass wir keine Lohnarbeitskräfte mehr haben, sondern dass jeder, der da mitarbeitet, Mitunternehmer ist. Geistiger Mitunternehmer. Voll motiviert und dann auf Augenhöhe zusammengearbeitet wird. Das war der Grund, warum wir überhaupt die Betriebsgemeinschaft gegründet haben. Das war damals ein derartiges Novum, 1968. Obwohl es gab schon Bemühungen vor dem Zweiten Weltkrieg. Es gab ja schon Bemühungen nach dem zweiten Weltkrieg in der biologisch-dynamischen Bewegung. Die sind alle zerbrochen, alle zerbrochen.

Und wie wir dann 68' anfingen, unter den unmöglichen Bedingungen hier: kein Geld, kein nichts, kein gar nichts, sondern nur die Idee. Da leuchtete plötzlich sozusagen historisch ein Moment auf und man sagte: "Jetzt. Jetzt ist der Moment da, jetzt ist er reif. Jetzt können wir diesen Versuch wagen".

Wir hatten so gut wie keine Rückendeckung von irgendwo. Also es kann man an fünf Fingern abzählen, die Menschen, die uns sozusagen gesagt haben, dass wir nicht total verrückt sind. So sind es jetzt 50 Jahre, dass der Hof in dieser Form existiert.

Es hat sich vieles gewandelt, nicht mehr so ganz, wie ich mir das wünsche. Aber das ist immer so, alle Entwicklung ist immer ein Stirb und Werde, immer ein Stirb und Werde. Das hört man nicht gern, wenn man jung ist. Man möchte ja immer, dass etwas wird, oder dass man jedenfalls Teil hat, dass da irgendwas wird. Aber dass auch etwas sterben muss, das möchte man so gar nicht so wahrhaben wollen.

Aber es ist ein Entwicklungsgesetz, dass alles erst mal... Wenn etwas wird, dann muss erst etwas sterben, um neu zu werden, um immer neue Stufen der Entwicklung zu erklimmen. So ist es auch heute, dass durch die Erweiterung der Entwicklung des Dottenfelderhofes, durch die Weiterverarbeitung, durch den Laden hier unten, durch die Bäckerei, die Konditorei, die Käserei und dann die Forschung und allem, was sich hier angesiedelt hat, dass dadurch natürlich viele Menschen von außen hinzukamen. Die konnten zunächst nur als Lohnarbeitskräfte oder als Angestellte hier am Rande, sozusagen um den Kernbetrieb herum hier ihre Arbeit aufnehmen. Das hat sich dann auch irgendwo ausgewirkt auf den Hof selbst. Ich möchte damit sagen, das Ideal steht. Die ersten Erfahrungen auf diesem Felde sind gemacht. Und ich weiß, wie schwer es ist, eine Betriebsgemeinschaft wirklich am Leben zu erhalten. Ich weiß das. Bis in den letzten Winkel weiß ich das, welche Gefährdungen und welche Probleme auftreten können. Einfach damit, dass man lernt, als Individuum, als individueller Mensch wirklich dieses Maß von Selbstlosigkeit - objektiver Selbstlosigkeit, nicht emotionaler - objektive Selbstlosigkeit zu entwickeln, dass man wirklich mit dem anderen zusammen eine wirkliche Gemeinschaft zielstrebig in eine Zukunft hineinarbeitet, um der Sache willen, nicht um seiner selbst willen! Aber das ist die Perspektive in die Zukunft, das möchte ich Ihnen ans Herz legen!

Jedes Schicksal läuft anders. Da gibt es keine Norm. Aber es muss klar sein: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ist nicht nur biologisch-dynamischer Pionier, sondern auch im sozialen Felde muss sie Pionieraufgaben haben, muss sie etwas vorleben, anderen Menschen, der Gesellschaft vorleben, dass ganz andere Entwicklungsgänge in die Zukunft möglich sind, die heilsam sind, im Sozialen heilsam sind.

Die Düngung im biologisch-dynamischen Landbau und der Betriebsorganismus 00:18:48

Aber das ist eigentlich gar nicht mein Thema, über das ich hier heute spreche, sondern ich habe jetzt noch mal ein bisschen historisch zurückgegriffen. Ich bin ja gefragt worden, noch etwas zu sagen über die Düngung im biologisch-dynamischen Landbau und das im Kontext mit dem Betriebsorganismus.

Einführung in den Betriebsorganismus 00:19:11

In aller Kürze möchte ich erst mal eingehen auf den Betriebsorganismus, was das eigentlich ist, wie man ihn überhaupt verstehen kann, welchen Zugang es da überhaupt gibt. Es wird ja immer drüber geredet, aber es ist irgendwie ein Wort, das ist ein Nomen. Was verbindet man damit jetzt ganz konkret? Von da ausgehend beschäftigen wir uns morgen mit der Frage der tierischen Düngung, gerade im Kontext des Organismus-Gedanken und am Freitag und Samstag wollen wir auf dieser Grundlage uns noch wenigstens symptomatisch mit einzelnen Aspekten der biologisch-dynamischen Präparate befassen.

Die Frage nach dem landwirtschaftlichen Organismus 00:20:11

So, aber jetzt diese Frage nach dem Betriebsorganismus. Sie stehen ja alle irgendwo in der Landwirtschaft drinnen, sind auf irgendwelchen Höfen, haben da ihre Erfahrungen gemacht und da gibt es vielleicht Kühe, da gibt es auch das und jenes und die Felder und Gartenbau da oder dort. Aber das hat sich alles so entwickelt, wie sich eben die Zeitverhältnisse ergeben haben, wie es die Marktverhältnisse ergeben haben in den letzten Jahren. Und die Frage ist immer:

"Hat man wirklich eine Idee dessen, was ein landwirtschaftlicher Organismus sein kann?" Was eigentlich die Grundlagen, die ideellen Grundlagen sind zum Verständnis dieses Begriffs Organismus?

Nun ja, und da möchte ich erst auf drei Hinweise Rudolf Steiners, den Begründer des biologisch-dynamischen Landbaus, aus seinem Landwirtschaftlichen Kurs zitieren und von dort meinen Ausgangspunkt nehmen. Also der erste, ich möchte sagen Initialsatz förmlich im Landwirtschaftlichen Kurs, im Hinblick auf die Aufgabe eines zukünftigen Landbaus, ist einer, den man eigentlich schier nicht verstehen kann. Und dennoch enthält er alles! Den möchte ich einfach mal zitieren. Da heißt es am Beginn des zweiten Vortrags, also letzten Endes den Kurs eröffnend, da heißt es:

"Eine Landwirtschaft ..." also stellen Sie sich mal irgendeinen Hof vor, "Eine Landwirtschaft erfüllt ihr Wesen ...", und dann setzt er hier nach: "im besten Sinne des Wortes erfüllt sie ihr Wesen, wenn sie aufgefasst werden kann...", völlig freilassend, "aufgefasst werden kann als eine Art Individualität für sich, eine wirklich in sich geschlossene Individualität."[1]

Annäherung an das Ideal der Individualität 00:22:10

Jede Landwirtschaft müsste sich annähern, diesem Ideal, eine solche Individualität zu sein. Jetzt muss man sich fragen: "Was soll das eigentlich? Was ist damit ausgedrückt?"

Da ist zunächst mal dieses gesagt: "Eine Landwirtschaft erfüllt nur dann ihr Wesen." Sie hat es gar nicht! Sie hat noch nicht ihr Wesen. Es sei denn, ich fasse sie auf als eine Art Individualität. Ich, also ich als Landwirt! Das ist nicht gegeben da draußen, sondern ich muss es auffassen, ich muss es mit Gedanken fassen. Das ist eine Anstrengung, eine Erkenntnisanstrengung. Ich muss erfassen - diesen Gedanken fassen - , dass eine Landwirtschaft eine Art Individualität ist, ja, eine wirklich in sich geschlossene Individualität!

Da hat man natürlich lauter Begriffe, mit denen man auch noch gar nicht so richtig zurechtkommt. Was ist überhaupt eine Individualität? Was ist denn da überhaupt die Geschlossenheit? Und so weiter. Und was ist das Wesen überhaupt?

Ein zweiter Satz im Landwirtschaftlichen Kurs, der nimmt noch mal Bezug auf diese ganze Sache und sagt aus:

"Im Grunde ist die volle Geschlossenheit in einem landschaftlichen Betrieb nicht zu erreichen".

Das ist verständlich, ich meine, der Wind weht hier über unseren Betrieb, der kommt von England rüber, ein Sturm oder so, da kommt alles von außen rein. Oder es regnet von Wolken, die voll beladen sind mit dem Dreck von Frankfurt hier auf den Dottenfelderhof. Oder wir kaufen Maschinen von außen dazu oder auch hin und wieder mal Vieh, oder was es auch sein mag. Also wir können nicht autark, total autark sein, als landwirtschaftlicher Betrieb nicht in voller Geschlossenheit. Aber er sagt, man müsse doch den Begriff der notwendigen Geschlossenheit haben. Wenn man den nicht hat, dann kann man auch keine Geschlossenheit eines landwirtschaftlichen Organismus schaffen, sondern ich muss den Begriff haben. Das heißt, in diesen beiden Äußerungen, die ich zitiert habe, ist schon klar: Der Mensch ist gefordert, sich mal ordentlich Gedanken zu machen, mein Gott! Und nicht nur so vor sich hin zu pfriemeln und nur seinen Egoismus auszuleben, sondern sich klare Gedanken machen:

Was heißt das eigentlich? Individualität? Kann denn hier jemals ein landwirtschaftlicher Betrieb Individualität sein? Es gebührt doch eigentlich nur dieser Begriff dem Menschen im strengen Sinne? Und ebenso: Wie steht es mit dem Begriff der Geschlossenheit?

Der Mensch als Grundlage 00:24:55

Das Dritte, was ich noch kurz zitieren will, ist: Am Ende des vierten Vortrages, wo gesagt wird: "In allem wird vom Menschen ausgegangen. Der Mensch wird zur Grundlage gemacht."[2]

Also in allem, was eigentlich in der Landwirtschaft gestaltungsmäßig sich vollziehen kann und vollziehen muss, da muss man die Kriterien von der Erkenntnis des Menschen hernehmen und kann sie nicht draußen in der Natur ohne Weiteres finden. Sondern ich muss da einen Begriff bilden, der abgeleitet ist vom Verständnis des Menschen selbst.

Das möchte ich jetzt tun, und zwar in aller Kürze. Es tut mir leid, solche Dinge müssten sehr viel ausführlicher dargestellt werden. Aber nur, um das Prinzipielle mal sichtbar zu machen. Gehen wir mal vom Menschen aus, und zwar unter dem Gesichtspunkt, diesen jetzt als Grundlage zu nehmen für den Begriff der landwirtschaftlichen Individualität bzw. des landwirtschaftlichen Organismus.

Also wir sind jetzt genötigt, ganz abzusehen von der Landwirtschaft um den Blick wirklich auf den Menschen zu lenken und zu sehen: Wie ist eigentlich der Mensch organismusmäßig konstituiert?

Wir können auch vom Tier ausgehen, aber da fehlt dann was. Wir könnten auch von der Pflanze ausgehen, da fehlt noch mehr, um den Organismusbegriff wirklich zu fassen. Wir können auch vom Mineral ausgehen. Und da fehlt am allermeisten. Aber der Mensch erfüllt sozusagen das, worum es hier geht, als Persönlichkeit, erfüllt das voll und ganz.

(Zeichnung an der Tafel): Wenn Sie sich mal den Menschen - so einen Strichmenschen vorstellen. Der steht sogar noch ein bisschen krumm. Aber eigentlich ist er natürlich sozusagen voll in der Achse Erde-Sonne vorzustellen.

Dieses eigenartige Gebilde Mensch zeigt nun eine ganz bestimmte physiologische und morphologische Gliederung als Grundlage für seine eigene geistig-seelische Entwicklung und Sein.

Das menschliche Haupt 00:27:45

Wenn wir zunächst mal den Blick ... Man sieht es schon hier an dieser Gestalt, das da oben ist völlig anders als was da unten ist. Wenn wir hier oben jetzt diesen Bereich anschauen, das menschliche Haupt. Das ist wie eine Kugel da oben auf den Halswirbeln und wäre für sich auch nicht die Spur lebensfähig, sondern eigentlich ist die Tendenz, dass das Haupt das vollendet, was es ständig erlebt, nämlich abzusterben. Im Haupte haben wir lauter physiologische Vorgänge, die nur und allesamt enden in einem Abbau-Prozess.

Wenn Sie zunächst mal darauf achten, dass das Haupt umgeben ist von einer harten Knochen-Substanz. Die ist nicht kristallin, sie ist so knorpelartig, aber knorpelartig verknöchert und dies ist ziemlich tot. Es wird ein bisschen durchblutet, aber fast zu vernachlässigen. Das Haupt ist umgeben - nun gut, das muss man ihm zugestehen, hier von einer dünnen Haut, und die ist stark durchblutet. Das ist das Einzige, was so richtig lebendig ist da oben. Da wachsen dann die Haare raus. Aber die Haare sind auch schon wieder ziemlich tot. Die kann man abschneiden, ohne dass man merkt.

Jetzt ist dieses Haupt erfüllt - zunächst mit einer Flüssigkeit, dem Gehirnwasser, das ist eine lympheartige Substanz. Dann ist es eben erfüllt hier vom Gehirn. Ich sehe jetzt mal ab von allem Übrigen. Erfüllt von dem Gehirn.

Das Gehirn setzt sich nach außen fort, in die Sehnerven, in die Hörnerven, in die Sinnesorgane, die wachen Sinnesorgane, mit denen wir uns am intensivsten mit der Welt in Beziehung setzen. Alles, was sich hier abspielt - selbst das Gehirnwasser - ist eigentlich tot. Das ist das reinste Wasser, was man sich überhaupt vorstellen kann. Aber es ist eben ganz mineralisch tot. Da bilden sich sogar ganz feine Kriställchen drin in dem Gehirnwasser. Wenn wir denken, in der Epiphyse - die sitzt hier oben auf dem Gehirn auf - da bilden sich lauter feine organische Kriställchen. Die schwimmen dann zum Teil in dem Gehirnwasser herum. Und wenn wir einen Gedanken vergessen, lösen die sich wieder auf. Das kann man heute medizinisch nachweisen. Jeder Gedanke bildet einen Kristall, bildet etwas. Und diese Form, die sich da bildet, also jetzt ganz im Physischen, die löst sich wiederum auf, wenn etwas in Vergessenheit gerät.

Das heißt, das Gehirn ist eine Bildung, wo ständig Materie abgebaut wird, organische Materie. Das Blut strömt hier vom Herzen hoch, hier in das Haupt und unterhält sozusagen gerade eben das Haupt noch lebendig, den Kopf, das Gehirn lebendig. Aber eigentlich ist es also fast an der Schwelle des Todes, des Absterbens.

Und aufgrund dieser Tatsache, dass hier ständig Abbau-Vorgänge sind ... das Gehirn hat die intensivste Atmung im ganzen Körper. Also Atmung geschieht immer dadurch, dass Kohlendioxyd entsteht durch Abbau Prozesse und dann durch den Atem wieder ausgeatmet wird. Und die intensivste Atmung findet hier statt. Abbau, das heißt eigentlich Todesprozesse.

Und wir sehen auch, dass das Haupt eigentlich dasjenige ist am Menschen, obwohl man den Kopf drehen nicken kann - glücklicherweise kann man das noch - es eigentlich der Ruhepol des Menschen ist. Dort befindet sich der Mensch eigentlich am meisten in Ruhe.

Aufgrund dieser Prozesse, die da im Kopf sich abspielen - natürlich muss man unter diesem Gesichtspunkt auch die Sinnesorgane mit einbeziehen, das Auge, das Ohr. Wenn Sie die anatomisch studieren, dann werden Sie bemerken, dass das eigentlich fast physikalische Apparate sind, zunächst einmal. Das Auge ist wie eine camera obscura. Und auch die Gehörknöchelchen, die die ganzen Schallwellen übertragen auf das Innenohr, das sind alles mechanische Vorgänge Plus und Minus. Dieses Haupt muss ständig von unten ernährt werden, damit es überhaupt existieren kann in dieser Form.

Gegenläufige Organisation vom Haupt 00:33:23

Jetzt haben wir gegenläufig zum Haupt eine Organisation, die wirklich das vollständige Gegenteil darstellt, in die wir im Grunde genommen überhaupt keinen direkten, erlebnismäßigen Einblick nehmen können. Das ist das, wo zu dem, was bisher geschildert worden ist - polar dazu - man könnte dazu sagen, dass das der Lebenspol des Menschen ist. Wo alle Lebensvorgänge lokalisiert sind, wo alles in einem ständigen Wechsel und Wandel begriffen ist, wo Aufbau-Prozesse stattfinden und wo Regenerationsprozesse stattfinden. Also der Lebenspol, kann man sagen, der Lebenspol des Menschen. Und hier ist alles in Bewegung. Denken Sie mal an die Gliedmaßen, die Arme, die Hände, Bewegung.

Man sieht von daher schon, dass der Mensch eigentlich ungeheuer polarisiert ist, in zwei Pole. Einen Todespol und einen Lebenspol. Aufgrund dieser Todesprozesse hier oben entwickelt der Mensch sein Denken oder werden ihm die Gedanken bewusst, so muss man es genauer sagen. Während wir uns hier unten im Willen erleben als wollende Wesen.

So ist der ganze untere Mensch organisiert in Bezug auf die Verdauungsprozesse, die ganzen Drüsenprozesse und was da sich abspielt, sie alle dienen dem Leben.

Nerven-Sinnesprozesse und Stoffwechsel-Gliedmaßen-System 00:35:31

Wir können hier oben vielleicht noch die Nerven-Sinnesprozesse, das Nerven-Sinnessystem hinschreiben. Und hier ist das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System. Von daher gesehen ist der Mensch ein zweigliedriges Wesen.

[Publikum:] Zuschauerfrage zur stillenden Brust einer Mutter. Die stillende Brust von einer Mutter. Gehört die jetzt zu den Lebensprozessen?

[Manfred Klett:] Wenn Sie ein Kind bekommen, oder wie?

[Publikum:] Ja, genau.

[Manfred Klett:] Ja, sicher. Das ist ja alles unterhalb des Zwerchfells. Das hier ist das Zwerchfell. (Zeichnung). Ich treffe jetzt keine Unterscheidung zwischen Mann und Frau, sondern das gilt einfach für den Menschen. Der Mensch ist Mensch, ob so oder so, Mensch ist er in erster Linie. Da haben wir hier diese Trennung zwischen diesem Oben und Unten und das ist das Zwerchfell. Unterhalb diesem spielen sich diese Lebensvorgänge insbesondere ab.

Jetzt haben wir hier dazwischen noch eine andere Wirklichkeit. Das ist da, wo nun Lunge und Herz beheimatet sind, wo der Mensch ein rhythmisches Wesen ist. Dieser mittlere Mensch, wo wir uns am allermeisten als Mensch erleben - wir erleben uns ja nicht im Kopf als Mensch so sehr, auch nicht im Bauch - sondern gerade in dieser mittleren Zone. Da erleben wir uns als am allermeisten als Mensch. Diese Organe, die hier als Zentralorgane in der Mitte angesiedelt sind, offenbaren sich in ihrer rhythmischen Tätigkeit. Und diese rhythmische Tätigkeit verbindet den Kopfpol mit dem Stoffwechselpol. Denken Sie an den Blutkreislauf. Der Blutkreislauf, der vom Herzen ausströmt mit dem arteriellen Blut in den Kopf strömt, in den Kopf durch die Schlagader in den übrigen Kreislauf durch den ganzen Körper hindurch. Also diese mittlere Zone bringt diese beiden Gegensätze, das Oben und Unten, in einen Ausgleich.

Fühlen und die Dreigliederung des Menschen 00:38:56

Und darin, in diesem Ausgleich, erleben wir uns als Menschen am allermeisten, wenn wir uns einmal selbst beobachten, prüfen. Das setzt sich natürlich fort, hier in die Gliedmaßen, in den Bewegungsmenschen. Wenn man zum Beispiel an die Blutentstehung denkt, dann muss man sich vorstellen, dass sich das Blut hauptsächlich in den Röhrenknochen der Gliedmaßen bildet. Das ist auch unmittelbar mit einbezogen in die ganzen Stoffwechselvorgänge. Hier nun - das habe ich noch vergessen zu sagen, im Zusammenhang mit dem rhythmischen System -entwickeln wir unser Fühlen oder werden wir unseres Fühlens bewusst.

Wenn man so auf den Menschen einmal schaut kann man es anatomisch bis in die letzten Details verfolgen. Man kann es morphologisch, physiologisch in jede Richtung hin verfolgen. Man wird sehen, dass dieses Prinzip des Dreigegliedertseins des Menschen einem förmlich überall entgegen springt und dass darauf eigentlich überhaupt letzten Endes eine Verständnisgrundlage geschaffen werden kann, für die Pädagogik, für die Medizin - also eine entsprechende Medizin - oder für die Landwirtschaft und für alles Übrige ebenso. Also man spricht hier von der Dreigliederung des Menschen. Auf diese Sache werde ich erst am Freitag noch mal zurückkommen. Und möchte jetzt ... Wollen Sie was sagen?

[Publikum:] Ich hätte eine Frage. Und zwar: Ich verstehe das nicht so ganz, dass der Kopf quasi ... den Tod da drin und den Abbau ... das verstehe ich halt nicht so ganz, weil im Gehirn ja auch ganz viele Aufbauprozesse ja auch wieder vonstattengehen. Also jeden Moment, wenn Synapsenverbindungen sich trennen, entstehen auch wieder neue. Und da kann halt auch im Laufe eines Zeitraums ein Aufbau entstehen. So Erinnerungen, die bleiben und neue, die dazukommen. Dann hat man ja im Endeffekt auch einen Aufbauprozess. Und genau das verstehe ich nicht so ganz, warum man vom Kopf als Abbauprodukt redet.

[Manfred Klett:] Der Abbau ist notwendig, damit wir überhaupt ein denkendes Bewusstsein haben. Das erleben wir ja gerade hier im Nervensinnessystem. Es muss natürlich auch erhalten werden, es muss sozusagen in einem Zustand erhalten werden. Man kann es nicht mehr steigern, man kann es gerade noch erhalten. Und das sind natürlich schon Regenerationsvorgänge auch im Gehirn, das ist keine Frage. Aber letzten Endes funktionell physiologisch ist es ein ständiges Abbauen und muss natürlich wiederaufgebaut werden, selbstverständlich. Aber dieser Abbauprozess als solcher ist ein Todesprozess. Durch den Tod entsteht überhaupt erst ein denkendes Bewusstsein. Ohne Tod gäbe es kein Bewusstsein. Das muss man sich mal versuchen klar zu machen. Anders gesagt: Wenn man eine Verletzung hat, am Kopf oder so ... dann sind möglicherweise so und so viele seelische Möglichkeiten ausgeschaltet. Und jetzt muss er sich natürlich wieder regenerieren in diese Richtung, dass es wieder möglich wird, dass diese Abläufe stattfinden. Es wird immer gerade am Leben gehalten, so möchte ich mal sagen. Also es steht im Vordergrund der Abbau. Und der Aufbau dient gerade, dass immer wieder abgebaut werden kann. Während hier im Stoffwechsel genau das Gegenteil der Fall ist. Von hier kommt alles, steigt herauf bis in die Nerven-Sinnes-Bereiche, um diesen Pol am Leben zu erhalten.

Diese Dreigliederung, die ich versuche hinzustellen - also zu aphoristisch fast, möchte ich sagen. Aber nur mal dieses Bild hinstellen und wir werden daran nochmal anknüpfen am nächsten Freitag.

Viergliederung des Menschen und Verbindung zur Natur 00:43:26

Jetzt möchte ich aber noch einen anderen Aspekt kurz schildern und das ist die Viergliederung des Menschen. Schauen Sie, man kann nämlich jetzt nicht nur unter diesem Aspekt des Aufbaus des menschlichen Leibes den Menschen betrachten, sondern auch:

Welche Verwandtschaft trägt er zu den ganzen Naturreichen? Wie steht er im Verhältnis zu der ganzen ihn umgebenden Natur? Ist er ein ganz fremdes Wesen oder ist er eben auch zugleich ein Naturwesen?

Da kann man zunächst feststellen, dass, wenn man den Menschen vergleicht mit all dem, was sich in der mineralischen Welt abspielt, die rein anorganisch ist, physikalisch tot ist - das Mineral unterliegt nur den physischen Gesetzen. Alles, was ich da stofflich, kräftemäßig im Zusammenhang des toten mineralischen Reiches abspielt, spielt sich auch im Menschen ab. Im Menschen sind alle die Stoffe, die Kräfte, die Gesetze wirksam, die auch im Mineralreich wirksam sind. Das kann man heute bis ins Detail förmlich verfolgen. Ja, das verführt einen geradezu, den Mediziner, den Naturwissenschaftler, zu glauben, das wären die einzigen Gesetze, die wirklich Geltung haben. Das ist eine Verführung, weil die Gesetze so schlüssig sind.

Alles, was sozusagen mineralisch, stofflich, kräftemäßig im Menschen wirkt, ist in sich so schlüssig, dass man darauf regelrecht eine medizinische Weltanschauung begründen kann. Oder generell eine Weltanschauung begründet hat, die nennt man heute den Materialismus. Der Materialismus hat seine große Bedeutung, aber nur auf dieser Ebene hier. Eine Verwandtschaft der mineralisch-anorganischen Natur mit dem Menschen. Man findet alles, was da draußen ist, auch im Menschen.

Ein äußerer Ausdruck dessen sind zum einen die Sinnesorgane und zum anderen das Skelett oder alle Stützgewebe. Da wirken dieselben Kräfte. Auch stoffliche Kompositionen wirken, wie man sie auch in der Außenwelt findet. Das ist nach denselben Prinzipien aufgebaut. Kann ich jetzt nicht in die Details gehen. Das würde zu weit führen.

Die Sinnesorgane sind wirklich – das habe ich schon gesagt - die Gehörknöchelchen zum Beispiel. Oder die Tatsache, dass das Licht durch die Linse hindurch gleichsam fixiert wird, durch den Glaskörper hindurch, hinten auf die Gelbkörper auf die eigentlichen Lichtzellen, auf dem Hintergrund des Auges. Das sind alles physikalische Vorgänge, wie man sie in der Kamera auch hat. Also insofern besteht hier eine tiefe Verwandtschaft, aber die bezieht sich eben nur auf das, was man den physischen Leib oder die physische Organisation des Menschen nennen kann. Wenn das nur Geltung hätte, dann wäre der Mensch ein Stein. Ein Stein. Also er hätte keine eigene Regsamkeit, gar nichts.

Wenn man jetzt sieht, dass der Mensch tatsächlich in der Lage ist, eine Eigenbewegung zu entwickeln, ja in sich Lebensvorgänge abspielen zu lassen, zeigt er eine Verwandtschaft mit den Pflanzen. Die Pflanze ist ja ein Gebilde, die vereint das Mineralische, die nimmt das Mineralische auch auf und verwandelt es auf eine höhere Stufe. Da entwickeln sich nun in der Pflanze Kraft von Substanzen und Kraften, die nicht mehr rein irdischer Natur sind, sondern wo der ganze Planetenumkreis mitwirken muss, dass die Pflanze überhaupt Leben erzeugt. Keine Pflanze kann leben, ohne dass die Sonne scheint. Das muss man sich mal klarmachen. Es gibt kein Leben auf der Erde ohne den ganzen planetarischen Umkreis. Insofern hebt sich die Pflanze gleichsam aus der toten, mineralisch-irdischen Sphäre heraus und wird zur Offenbarerin von Lebensvorgängen.

Verwandtschaft des Menschen mit der Pflanzenwelt 00:48:26

Auch in diesem erweist sich im Menschen eine Verwandtschaft. Und diese drückt sich aus im Drüsensystem. Das Drüsensystem ist natürlich überall im Menschen zu finden, aber hauptsächlich im unteren Menschen. Und das bewirkt, dass der Mensch einen Lebensleib hat, wie die Pflanze oder eine Lebensorganisation.

Man weiß ja, dass die Pflanzen von Natur aus eigentlich nur gesund sind. Es gibt eigentlich keine kranke Pflanze – streng genommen. Wenn man nicht selbst dafür sorgt, dass die Pflanze quasi äußerlich krank wird, also etwa abstirbt oder so, durch Infektionen, welche alle von außen kommen. Die Pflanze ist eigentlich ein gesundmachendes, durch und durch gesundes Wesen innerhalb der Naturreiche. Ein solcher Mensch wie Paracelsus, der einer der größten Ärzte in der ganzen Menschheitsgeschichte war, hat die Bemerkung gemacht, dass es kein Kräutlein gibt auf der Welt, das nicht irgendeine Krankheit beim Menschen heilen könnte. So benutzen wir ja die Heilpflanzen. Die Heilpflanzen in der verschiedensten Art benutzen wir, um irgendetwas, was hier derangiert ist - innerhalb der menschlichen komplizierten Organisation - gerade auf der Ebene des Lebendigen, dass das wiederum in ein ausgewogenes Verhältnis zu allem Übrigen kommen kann - gesundend also.

Verbindung des Menschen zur Tierwelt 00:50:14

Dann zeigt der Mensch eine Verwandtschaft zum Tier. Diese Verwandtschaft zum Tier ist ganz evident, denn das Tier hat eine Seele. Das ist ein beseeltes Wesen. Hier (Pflanze) ist nur Leben. Hier (Mineral) ist nur Tod. Das Tier ist ein beseeltes Wesen.

Das ist etwas, was dem modernen Bewusstsein so maßlos schwerfällt, das zu verstehen, dass wir einem Tier ein Seelisches zusprechen können. Uns Menschen können wir ein Seelisches zusprechen, wenngleich in den Wissenschaften man manchmal den Eindruck hat, da gäbe es auch keine Seele mehr. Aber im eigenen Empfinden, in der eigenen Erfahrung merken wir, dass wir ein beseeltes Wesen sind. Wir können denken, wir können fühlen, wir können eben jene Tätigkeiten wollen. Also wir haben ein Bewusstsein, dass wir neben dem, dass wir ein Lebendiges, auch ein beseeltes Wesen sind. Dieses Bewusstsein kann man sich wirklich erwerben. Es ist gar nicht so selbstverständlich, dass es immer im Bewusstsein gibt.

Beim Tier ist es nun so, dass es auch eine Seele hat. Stellen Sie sich mal vor, irgendeine Mücke fliegt da durch die Luft. Da sollen wir sagen, da ist eine Seele drin? Oder Käfer da im Boden, ein Regenwurm im Boden, da soll eine Seele drin sein? Man merkt ja, dass die Art, wie die Menschen mit den Tieren umgehen, in der Massentierhaltung und so - da fühlt man sich irritiert. Da stimmt etwas nicht. Aber man dringt nicht wirklich durch zu sagen: Das Tier hat eine Seele und diese Seele hat ihre eigene, geistig-wesenhafte Existenz in Welten, die gar nicht hier auf Erden nur ist, sondern eben die jetzt in diesem einzelnen Tier so inkarniert ist. Man dringt nicht bis zum Phänomen selber durch, sondern man bleibt immer davor stehen und merkt: Die Art, wie man heute mit den Tieren umgeht, das kann man eigentlich nicht verantworten. Ja, warum eigentlich nicht? Die Begriffe, die Gedanken in der Richtung zu verdichten, da scheut man immer wieder zurück. Weil man zurückscheut, wird man sehr leicht zum Fundamentalisten. Die größten Fundamentalisten, die heute herumlaufen, sind vielfach die Tierschützer. Leider Gottes ist das so, auch die Naturschützer. Dort entsteht sehr schnell ein Fundamentalismus, weil man sagt: "Nein, ich habe das Gefühl, da stimmt was nicht." Dann nagelt man das fest: "Du darfst nicht, du darfst nicht so ..."

Anschließend kommen moralische Forderungen ohne eine klare Erkenntnis der Zusammenhänge. Deshalb ist es gerade für den biologisch-dynamischen Landwirt so wichtig, dass er sich versucht hineinzuleben in das, was da eigentlich seelisch wirksam ist in dem Tier. Da werden Sie bemerken, dass dieses Seelische im Tier deswegen so schwer zu fassen ist, weil es ohne Rest aufgeht in die Leibesbildung. Ohne Rest.

Die Tragik der Tiere und ihre gebundenen Fähigkeiten 00:54:00

Das Tier kann nicht denken. Es kann keine Gedanken haben über die Welt, sondern es sind bestenfalls die Gedanken in ihm wirksam. Das, was sonst das Denken des Menschen ist, ist in ihm als weisheitsvolles Instrument des Tier-Seins in den Leib hinein gebunden. Und so das Fühlen und so das Wollen. Das Tier hat gar keine Möglichkeit, irgendwelche Freiheitsgrade zu entwickeln, sondern es ist notwendigerweise ein Pferd, eine Kuh, ein Elefant, ein Löwe oder was auch immer. Oder eben eine Mücke. Darin liegt eine gewisse Tragik der Tiere.

Man muss sich mal auf so eine Empfindung einlassen und den Blick ruhen lassen auf irgendeinem Tier und seinem ganzen Verhalten. Dann muss man einfach sagen: "Mein Gott, mein Gott, bist du festgelegt in deinem Sein, so festgelegt, so definiert. Du kannst gar nicht ausbrechen. Du bist nur zu diesen Handlungen fähig. Allerdings, wenn man auf die Handlung schaut, diese ist unendlich weise." Die Weisheit ist ausgebreitet im ganzen Tierreich. Es gab einen Zeitgenossen Goethes, Oken hieß der. Der hat gesagt:

"Würde man alle Tiere, Tierarten mal, Tierseelen, zusammen schmeißen in einen Topf und würde da ganz groß drin herumrühren, dann würde die menschliche Seele rauskommen. Und würde man die menschliche Seele zerstückeln in lauter einzelne Facetten und würde jeder einzelnen Facette einen Leib zusprechen, dann käme das Tierreich heraus."

Das ist ein Bild. Aber ein Bild, was sehr viel aussagt. Es zeigt sich eine Verwandtschaft des Menschen mit dem Tier, die ist da. Aber beim Tier ist das Seelische vollständig leibgebunden und das macht seine Tragik aus, aber gleichzeitig ist es die Offenbarung einer unendlichen Weisheit. Wenn man Weisheit - der Begriff ist ja heute auch schon nicht mehr sehr aktuell - also das Zusammenstimmen von verschiedenen Verhältnissen zu einem Ganzen, wenn man das wirklich studieren will, dann muss man das Tier studieren in dem, was es tut, in seinen Aktionen. Denn alles, was das Tier tut, ist nichts anderes als eine Offenbarung dessen, was seelisch, weisheitsvoll in diesem Leib gebunden ist. Es ist keine Freiheit da. Es ist ein Muss. Es ist eine Notwendigkeit, dass das Tier so handelt, wie es handelt. Wenn ich das Tierseelische wirklich tiefer verstehen will, mit meinem ganz normalen Bewusstsein -Vernunftbewusstsein allerdings - dann muss ich darauf hingucken:

„Was macht das Tier?“ „Was tut das Tier?“ „Was macht der Elefant in freier Wildbahn?“ Oder der Löwe? Oder wie verhält sich die Kuh?

Die Verhaltensforschung ist eine sehr, sehr junge Wissenschaft - eigentlich ganz erstaunlich - sie hat sich zuerst der Wildnatur angenommen in Bezug auf das Erforschen der Verhaltensweisen der Tierarten, zuletzt dem Haustier komischerweise.

Das Haustier ist lange Zeit hinten runtergefallen, das entdeckt man jetzt erst. Da ist man auch noch sehr, sehr unsicher, wie das überhaupt mit dem Haustier beschaffen ist. Deswegen hält man es ja als Nutztier. Dann stellen Sie sich mal vor, was der Begriff Nutztier eigentlich heißt. Da verneine ich jede seelische, besondere Eigenschaft im Tier. Ich verneine sie plötzlich, indem ich das Tier zum Nutztier degradiere, das nur noch mir nutzt. Wem nutzt es dann? Nicht, sich selbst, indem, wie ich es so mäste und zu Maximalleistungen zwinge, sondern es nutzt mir. Das ist der glatte menschliche Egoismus, der eigentlich dem Tier den Namen Nutztier verleiht.

Aber das Tier hat ein objektiv Seelisches in sich wirksam. Und das drückt sich in seinem gesamten Verhalten aus. Und wenn wir es verstehen wollen, müssen wir auf dieses Verhalten unser Augenmerk lenken. Darin können wir sehr weit kommen.

Moderne Ökologie und Tierverhalten 00:59:17

Es gab natürlich schon in den Naturwissenschaften immer Ansätze in diese Richtung. Die hat man dann weitgehend verloren. Heute kommt es langsam wieder auf, in der Ökologie, dass man plötzlich studiert, die Beziehungsverhältnisse innerhalb der Insektenreiches, innerhalb der Vögel und innerhalb des Edaphons, der Tiere im Boden. Und so weiter und so weiter. Man fängt jetzt an, nicht mehr nur das einzelne Tier zu definieren, wie viele Beine es hat und wie viel Knie oder wo eigentlich das Herz ist beim Tier oder die Sinnesorgane, wie die beschaffen sind, die Facettenaugen. Das hat man natürlich längst alles anatomisch genauestens rausgekriegt. Aber wie sich das Tier einfügt in die gesamten seelisch-lebendigen Zusammenhang des Tierreiches und welche Funktionen es in aller Spezialität hier und dort erfüllt, diese Zusammenhänge tauchen erst heute in der modernen Ökologie mehr und mehr auf. Vielfach immer noch unter dem Nutzaspekt.

Z.B. wie kann ich Nützlinge einsetzen im Glashaus, dass sie mir dort die Läuse auffressen? Das wird ja heute schon zu einer Technologie entwickelt, wie wird damit verfahren. Aber dennoch ist es so, dass man merkt: Eigentlich bedarf das nur noch eines kleinen Ruckes in der Erkenntnis und man würde erkennen: Das Tier hat eine Seele. Und diese Seele ist dominant. Die ist so wie das Leben in der Pflanze dominant ist über das Physische, so ist die Seele des Tieres dominant über das Lebendige und Physische des Tieres.

So hat auch der Mensch eine Seele, er hat einen Seelenleib. In der anthroposophischen Ausdrucksweise sagt man auch Astralleib. Und der hat nun seine physische Repräsentanz in all dem, was sich ausdrückt im Nerven-Sinnes-System.

Wenn wir jetzt unter diesem Aspekt auf den Menschen, auf die menschliche Seele schauen, dann ist es so, dass die menschliche Seele ja unendlich viele Rätsel aufgibt. Der alte Heraklit, das war ein griechischer Philosoph, der noch vor Sokrates gelebt hat - so um das fünfte Jahrhundert vor Christus - er hat die Bemerkung gemacht, er habe die Seele durchwandert, alle Straßen und Wege der Seele, soweit nur irgendwie möglich. Er ist an kein Ende gekommen.

Das war ein ganz bedeutender Geist. Er hat die Seele erforscht und hat kein Ende gefunden. Man geht Wege und Straßen. Überall verzweigt es sich in die ganze Welt. Aber er hat kein Ende gefunden. Die menschliche Seele hat kein Ende. Die tierische Seele ist leibgebunden. Die menschliche Seele ist auch leibgebunden bis zu einem gewissen Grad, weiß Gott, ja. Wir haben Hunger. Das ist ein Gefühl, Hunger zu haben. Wir haben Durst. Ein Gefühl, Durst zu haben. Das heißt, der Leib fordert da etwas. Und das drückt sich seelisch aus. Und so sind alle Emotionen, die man so hat, Zornesausbrüche oder weiß nicht was. Da merkt man ganz deutlich: Es hängt mit meiner Leiblichkeit zusammen.

In dem Falle ist mein Seelisches noch in den Leib gebunden, wie beim Tier. Und eigentlich hat man immer den Eindruck beim Menschen, bei sich selbst -ein bisschen Selbsterkenntnis muss man da üben - wird man bemerken: Man befindet sich eigentlich immer zwischen Himmel und Hölle. Das heißt: zwischen Himmel - das heißt, dass man befreit ist vom Leib in dem Seelischen - und Hölle - das heißt, dass man plötzlich untertaucht in eine Welt des Leiblichen, wo man sich nicht mehr ohne Weiteres unter Kontrolle hat.

Das ist dieses Spannungsfeld, in dem sich der Mensch erlebt und das Böse in der Welt - was man heute so hat - das wirkt durch den Menschen, als eine objektive Kraft durch den Menschen - immer dann, wenn er heruntersinkt in seine Leiblichkeit und keine Freiheitsgrade mehr zulässt. Dann entsteht das Böse in der Welt.

Leiblichkeit und menschliche Tugenden 01:04:33

Andererseits hat der Mensch sich zu befreien aus seiner Leiblichkeit. Das macht den Menschen zum Menschen. Das ist das Wunderbare. Dass, wenn ich versuche, mit einem anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, in Korrespondenz zu kommen, dann merke ich ganz deutlich: Da spricht nicht mehr nur der Leib, sondern da löse ich mich heraus. Dann entwickle ich lauter Tugenden. Also „Tugend“ ist heute auch schon kein Begriff mehr, nämlich Ehrfurcht zu haben, Liebeskraft zu haben für das andere Wesenhafte, was mir da begegnet. Oder aber in Hingabe etwas zu tun. Das sind alles Qualitäten, bei denen der Mensch sozusagen merkt: Das ist nicht mein Leib, der da arbeitet, sondern das bin ich losgelöst von meinem Leibe. Da ist ein Höheres in mir wirksam.

Zwei Seelen in der menschlichen Brust 01:05:33

Goethe hat dieses herrliche Gedicht geschrieben, wo er bemerkt:

"Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust."

Das heißt eine Seele, die leibgebunden ist, die andere Seele, die leibbefreit ist. Die ganze menschliche Entwicklung in alle Zukunft besteht darin, dass wir uns immer mehr üben darin, frei zu werden von unseren Emotionen. Frei zu werden von diesen Zwängen, die in uns walten, von diesen unkontrollierten Instinkten und so weiter, sondern frei zu kommen davon, nämlich das zu verwandeln. Nicht sie wegzuschieben, kein Asket zu werden, sondern sie zu erkennen, in sich zu erkennen, als wirksame Kraft und die zu verwandeln in etwas, was man dann als Leibfreies, als Seelisches erkennen oder handhaben kann. So, dass wir hier jetzt eine neue Trennungslinie ziehen müssen. Das leibgebundene Seelische (unter der gestrichelten Linie) und die leibfreie Seele. Die steht über dieser gestrichelten Linie.

Der Mensch als Naturwesen 01:07:06

Wenn man diese drei Naturreiche und deren Repräsentanz im Menschen verfolgt, wird man sagen: Der Mensch ist auch ein Naturwesen. Er ist völlig abhängig von alldem, was ich da geschildert habe. Auch er hat entsprechende Organe überall, hier oben im Kopf, wie im Bauch, wie Herz und Lunge, wie die Säugetiere sie haben.

Dennoch ist es so, dass sich dadurch, dass der Mensch mehr ist nur als eine Seele – nämlich, dass er ein Ich hat, dass er einen Wesenskern hat, dass er etwas hat, wo er sagt: „Ich" zu sich selbst und nicht: „Du" zu sich selbst, sondern „Du“ zu einem anderen Menschen, der wiederum zu sich „Ich“ sagt. Das macht man sich heute alles gar nicht so bewusst. Man handhabt das irgendwie. Aber das wirklich mal tiefer zu hinterfragen: Was drückt sich eigentlich darin aus, dass hier in mir etwas waltet, was dann die Kraft hat, irgendwo im Seelischen Ordnung zu schaffen? Und nicht nur im Seelischen, sondern was im Grunde genommen hereinstrahlt in diese Sphäre hier und versucht, das leibgebundene Seelische zu verwandeln, in leibungebundenes Seelisches, in höhere Tugenden.

Dass dieses „Ich“ herein kraftet hier jetzt tiefer noch in die Lebenszusammenhänge des Menschen und auch diese versucht zu verwandeln. Da geschieht vieles in tiefer, tiefer Unbewusstheit. Aber wir können uns darum bemühen, die Voraussetzungen, die Bedingungen zu schaffen, dass das Ich wirklich einwirken kann, noch unter das Seelische herunter oder über das Seelische in das Lebendige hinein, das Lebendige zu verwandeln, dass wir auch da die Kontrolle über uns selbst gewinnen und dass das Ich schließlich herein wirkt, bis in den physischen Leib herunter. Es durchstrahlt den ganzen Menschen.

Der Einfluss des Ichs auf den physischen Leib 01:09:30

Das kann man heute - mit den Methoden der modernen Naturwissenschaft förmlich nachweisen, dass die sogenannte DNA - so nennt sich eine bestimmte Desoxyribonukleinsäure, das ist eine Erbsubstanz - dass die einen Prägestempel hat, wodurch man durch Analyse der DNA den Menschen definieren kann. Jeder einzelne Mensch hat seine Komposition des Stofflichen. Der ganze Stoff als Leib ist natürlich aufgebaut. Da sind Eiweiße. Da sind Kohlehydrate. Da sind Fette. Da sind alle möglichen Hormone und Fermente wirksam - der ganze Organismus es ist alles da, muss da sein. Aber wie es da ist und wie es komponiert ist, stofflich, und wie es ineinander wirkt, da kraftet etwas herein, was den Menschen zu diesem bestimmten Menschen macht. Darauf muss man sein Augenmerk legen.

Da ist ein Höheres in uns. Das: „Ich bin“! Dass ich sage: „Ich bin“ und ich bin nicht jemand anders. „Ich bin nur der, der ich bin.“

[Publikum:] Aber, also jedes einzelne Tier und jede einzelne Pflanze hat ja auch ihre eigene DNA. Ich verstehe nicht so richtig den Zusammenhang zum Ich, zum individuellen des Menschen. Im Gegensatz zur Pflanze und Tier, in dem Fall.

Es ist so, dass beim Tier diese ganzen physiologischen Prozesse sehr viel einheitlicher sind. Also von den Arten natürlich unterschiedlich. Man kann sich eigentlich dieses Bild noch mal vor Augen stellen, dass, wenn man verstehen will, was das Tier eigentlich ist. Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten hier vor sich eine große Leinwand und die ist ziemlich undurchsichtig. Dann machen sie fünf Löcher rein und stecken durch die Löcher ihre Finger. Nun stehen Sie (andere Person) auf der anderen Seite und sehen plötzlich diese Finger. Die bewegen sich sogar. Jetzt müssen Sie sich klar machen: Es ist offensichtlich, dass sie sich bewegen, da muss hinter der Leinwand was sein, was diese Bewegungen hervorruft.

Beim Menschen ist es evident. Da steht der Mensch direkt hinter der Leinwand und streckt seine Hände, Finger da durch die Löcher. Dieses Bild kann man übertragen aufs Tierreich und sagen: Das, was da als Finger erscheint, sind die einzelnen Individuen. Löwen in der Serengeti, alle Löwen der Welt oder alle Rinder oder Kühe der Welt oder jede Art steht sozusagen verborgen hinter einer solchen Leinwand. Und was erscheint, sind die einzelnen Individuen losgelöst von ihrem eigentlichen wesenhaften ichhaften Urgrund. Auch das Tier hat ein Ich, aber es ist nicht inkarniert. Das ist das Problem des Tieres. Auch das Tier hat ein Ich, aber es ist nicht inkarniert.

Das Menschen-Ich hat sich mit dem Leib verbunden, aber nicht vollständig. Da ist sozusagen ein geistiger Überschuss im Menschen, der ihn Denken, Fühlen und Wollen lässt. Ähnlich ist es mit den Pflanzen. Bei den Pflanzen sind die Eiweiß-Strukturen zum Beispiel bei den Getreidekörnern oder bei der roten Rübe sehr ähnlich. Wenn sie die untersuchen, sind die Eiweiß-Strukturen sehr verwandt, sehr ähnlich. Im Prinzip eigentlich nicht zu unterscheiden innerhalb der Art. Das macht den Menschen eigentlich zum Menschen, dass da ein übersinnliches Wesen in uns kraftet. Das ist nicht irgendwo nur in der Welt, sondern es ist zugleich in uns. Das macht es, dass wir seelenleibfrei denken lernen können. Dass wir uns mit unserem Fühlen mehr dem Denken zuwenden können oder mehr den leiblichen Vorgängen. Wir können mithilfe des Denkens und Fühlens so in den Willen eingreifen, dass wir tatsächlich die Fähigkeit erreichen können zum freien Wollen. Stellen Sie sich so was mal vor. Wenn der Mensch von sich sagen kann, er ist ein frei wollender Mensch. Was gibt es eigentlich Erstrebenswerteres als das? Dass wir nicht nur durch unsere Triebe, Begierden und Leidenschaften sozusagen befeuert werden von unten, sondern dass wir in aller Ruhe aus unserem Denken, aus einem Bewusstsein heraus so hereinkraften können in unsere ganze Leiblichkeit, dass wir dadurch zum vernünftigen Handeln, zum sozialen Handeln, in solchen Sphären uns fähig machen.

Der Organismusbegriff und die Abgeschlossenheit 01:15:10

Dr. Manfred Klett Das Organismusprinzip in den Naturreichen, im Menschen und in der Landwirtschaft. Erstauflage 2024. Verlag am Goetheanum. ISBN: 978-3-7235-1781-9

Wenn wir jetzt diese drei Bereiche hier zusammen anschauen - das Mineralische, Pflanzliche und das Seelische des Tieres - ist hiermit der Organismusbegriff erfüllt. Das macht den Organismus zum Organismus. Hier herrscht eine Abgeschlossenheit. Das Tier führt es uns förmlich vor Augen, was eigentlich gemeint ist mit dem Begriff der Abgeschlossenheit. Da ist eine Haut, eine leibliche Abgrenzung. Der Elefant hat eine Haut, er ist begrenzt. Er ist riesig groß, natürlich ein riesiges Tier, aber er ist es doch irgendwo begrenzt mit der Elefantenhaut. Das Tier ist dadurch charakterisiert, dass es sich nach innen in eine bestimmte Organwelt gliedert. Das ist Ausdruck eines Seelischen. Das Seelische steht über dem Leben, steht über dem rein Physischen, obwohl es evolutiv noch sehr jung ist. Aber es steht darüber und steuert gewissermaßen oder prägt sich rein in das Lebendige, prägt sich rein ins Physische und lässt ein abgegrenztes Gebilde entstehen, mit einer Haut umgeben. Innerhalb der Haut sind bestimmte Organe, die auch in sich wiederum abgegrenzt sind, die dann überhaupt dem Seelischen die Möglichkeit bieten, anwesend zu sein, inkarniert zu sein. So dass man sagen kann: Der Organismusbegriff erfüllt sich. Die relative Abgeschlossenheit erfüllt sich, wenn ich sage, da ist ein Seelisches, das ist übersinnlich, was ich nur in seinem Verhalten und in seinen Phänomenen erfassen kann. Da ist ein Seelisches, das grenzt sich nach außen ab in einer Gestalt und gliedert sich nach innen in Organe. Da haben Sie so ein bisschen eine Art, ich möchte sagen, Definition. Es ist ein Begriff, eine Idee, die sich aber mit Inhalt erfüllt, wenn man darauf schaut. Es grenzt sich ab nach außen, in eine bestimmte Gestalt, die ist so spezifisch, dass sich dort schon so der Ausdruck des Wesenhaft-Seelischen repräsentiert.

Wenn das Reh aus dem Waldrand heraustritt und dann plötzlich den Kopf mit dem Gehörn anhebt. Oder der Hirsch sozusagen mit seinem Geweih da den ganzen atmosphärischen Umkreis abtastet. Wenn das Reh da heraustritt aus dem Wald und steht da und äugt. Das Bild muss man sich mal vor Augen führen. Da merken Sie: Das ist ein Atmosphärisches. Und alles Atmosphärische ist eigentlich nichts anderes wie eine Erscheinungsweise des Seelischen, was man in der Anschauung unmittelbar hat.

Und so kann das Tier unendlich viel über sich selbst sagen, wenn man auf die Formen hinschaut, auf die Gestalt hinschaut. Wie ist die Gestalt beschaffen? Und eben dann auch seine eigene Innenwelt, wie die organisiert ist und wie es sich nach außen hin gibt in seinem Verhalten.

Also das macht den Organismus aus. Dass da Mineralisches, Pflanzliches und Tierisches zusammenklingt zu einem höheren Ganzen. Alles, was da zusammenklingt, ist in sich weisheitsvoll. Da kann ich gar nicht dran rütteln. Das macht man natürlich heute. Ich versuche ja, mit der Gentechnik an allem zu rütteln oder mit der Art der modernen Düngung oder den Insektiziden, durch Pestizide, die ich einsetze in der Landwirtschaft rüttle ich ständig an der Weisheit der Natur. Wo aber genau hingeschaut wird: Diese Welt ist durch und durch weisheitsvoll. Da reicht keine menschliche Vernunft dahin.

Das greift, wenn das in ein richtiges Verhältnis zueinander gebracht wird, im Sinne eines Organismus. Dann wirkt diese Weisheit durch sich selbst.

Organismus und Individualiät 01:20:05

Wenn wir jetzt aufsteigen im Menschen, bis in diese Sphäre, dann erfassen wir das, was man Individualität nennt. Wenn wir von Individualität sprechen, dann reicht es nicht, nur vom Mineralischen, Pflanzlichen und Tierischen zu sprechen, sondern von dem zu sprechen, was eigentlich das Ich seiner tiefsten Natur nach ist. Also Geist. Realer, in sich ruhender Geist, der sich selbst in Bezug auf sein eigenes Wesen ausspricht.

Er spricht sich aus im Ich des Menschen. Jetzt stehen wir vor der Forderung der Aufgabe, im biologisch-dynamischen Landbau, unseren landwirtschaftlichen Betrieb in dem Sinne zu entwickeln, dass wir ihm eine Geschlossenheit verschaffen. Eine relative Geschlossenheit im Sinne des Organismusbegriffs und den Begriff der Individualität fassen, den wir nur durch uns selbst in Selbsterkenntnis fassen können und diesen mit diesem Begriff nun versuchen, so herreinzukraften in diese Sphären hier, dass. wenn ich es so auffasse, heißt es da in dem Satz, dann kann ich so arbeiten, so gestalten, so hineinwirken in die äußere Natur, dass etwas entsteht, was auch im Geiste dem Menschen verwandt ist. Was nicht nur auf dieser Stufe dem Menschen verwandt ist oder dieser oder dieser. Sondern hier in Freiheit, das heißt, dass es losgelöst ist von der Natur.

Kann ich einen Begriff versuchen, so zu erfassen, aufgrund der Erkenntnis meiner selbst, dass diese jetzt für mich zum Instrument werden kann, meinen landwirtschaftlichen Hof nicht nur zu einem Organismus in diesem Sinne hier durch Zusammenschluss der Naturreiche herstellen kann, sondern dass das Ganze durchstrahlt wird von meinen Intentionen, die nicht mehr leibgebunden sind. Meine Ideen, meine höchsten Gedanken, die ich denken kann, die kann ich jetzt investieren. Aber eben nur auf der Basis der Selbstlosigkeit. Denn sobald das Selbst nur so leibgebunden mitspricht, dann ist es eigentlich schon Egoismus. Das erfordert eigentlich eine Seelenverfassung vom Menschen, die er sich erübt, dass er sich erst in den Zustand, in den geistigen Zustand versetzt, in vollkommener Reinheit zu versuchen, herein zu wirken in den Haushalt der Natur, dass es nicht nur seinem Nutzen, dient, sondern dass er da eine Art Evolution, eine Entwicklung veranlagt, die mit ihm innigst verknüpft ist.

Fragen aus dem Publikum 01:23:28

Ja, also wir sind am Ende ... Aber Sie hatten noch eine Frage ...

[Publikum:] Die bezieht sich eigentlich nur auf diese Trennung zwischen der körperlich gebundenen Seele und der geistigen Seele. Da bin ich jetzt gerade wieder durch dieses Geistig-Individuelle drauf gekommen. Glauben Sie oder glaubst du, dass Tiere... also du hattest das beschrieben mit diesem: Wenn wir eine andere Seele erleben und mit dieser kommunizieren, dass das diese geistige Seele ausmacht. Glaubst du, dass Tiere das nicht können?

[Manfred Klett:] Wie?

[Publikum:] Na ja, so wie wir.

[Manfred Klett:] Durch sie selbst? Kann der Elefant mehr werden, als er ist?

[Publikum:] Können wir mehr werden als wir sind?

[Manfred Klett:] Ja

[Publikum:] Können wir mehr werden als ein Mensch?

[Manfred Klett:] Ja

[Publikum:] Können wir vielleicht auch einfach ein Adler sein? Wenn wir ein Adler sind, haben wir dann ein Ich?

[Manfred Klett:] Der Mensch ist in gewissem Sinne sogar ein Adler, wenn er denkt. Das haben früher die Menschen so erlebt. Da ist man Adler, wenn man die Gedanken in ihrer Höhe, der Höhe des Geistes, die Gedanken so denkt, dann haben sie sich als Adler empfunden. Wenn sie sich empfunden haben als kraftvoll tätiger Mensch, haben sie sich als Stier empfunden. Wenn sie sich empfunden haben, als jemand, der ganz aus der Mitte heraus wirkt und daraus tätig ist in der Welt, haben sie sich als Löwe empfunden.

[Publikum:] Aber was wir ja nicht können, ist, dem Tier in seinen Kopf zu gucken um zu wissen, als was sich dieses Tier empfindet. Ich denke mal nämlich, wenn eine andere Spezies sich uns als Mensch angucken würde, würde diese Spezies auch ganz klar uns sehen, so wie wir sind. Die würde uns nicht als Adler sehen und nicht als Löwe sehen und nicht als Bär sehen, sondern die würde uns als Menschen sehen und könnte vielleicht auch nicht nachvollziehen, wie wir uns vielleicht als Adler fühlen.

[Manfred Klett:] Wissen Sie, eines muss man sich eingestehen als Mensch. Wir können so denken, wie ich es jetzt mal so versucht habe, so hier vorzustellen. Aber wir haben bei weitem nicht die Weisheit, die im Tierreich liegt. Das Tier ist weit, weit höher weisheitsvoll. In seinen ganzen Tätigkeiten steht es weit, weit über dem Menschen. Aber eines hat der Mensch: Er kann das, was er kann, steigern durch die Kraft seines Ichs. Er kann lernen. Er kann lernen. Er kann sozusagen sich immer mehr zum Menschen machen.

Das ist, wenn ich sage: Kann der Elefant mehr Elefant werden? Er kann nur Elefant sein, auch innerlich, als dieses Wesen, das er geworden ist, evolutiv. Der Mensch hat die Möglichkeit, obwohl er eigentlich viel weniger weisheitsvoll ist, er ist viel zu stark emotionell, auch wie er sich gibt. So ist doch der Mensch einer, der lernen kann. Lernen, lernen, lernen, mehr zu werden als er ist. Diese Fähigkeit ist noch so zart, aber sie ist da. Kraft dessen, was in mir als Mensch ist oder mich zum Menschen macht.

Wir können uns nicht einfach nur so leichtfertig über die Tiere erheben und meinen, wie herrlich weit haben wir es gebracht. Wir haben aber eine Fähigkeit in uns, die uns die Möglichkeit gibt, das Tier in seinem wahren Wesen, den Adler in seinem Wesen, den Löwen in seinem Wesen, den Stier in seinem Wesen, so zu erkennen, dass wir erkennen, die sind alle in uns. Trotzdem ist da noch etwas, was sie zusammenfasst zu einem höheren Ganzen.

Fragen über Fragen. Aber es soll nur eine Eröffnung sein, was wir heute besprochen haben, für das Düngungsthema, was wir dann morgen anschlagen. Ich bin eigentlich leider Gottes noch nicht sehr weit gekommen. Also wir müssen dann morgen noch mehr Tempo anlegen. Ja, also dann wünsche ich noch einen schönen Tag heute. Und morgen sehen wir uns wieder.

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Glossar

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H


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J


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L


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P


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Q


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Einzelnachweise