Betriebsorganismus und Düngung - 2. Folge von Manfred Klett, 2018

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Vortrag vom 7. März 2018 von Dr. Manfred Klett: 2. Folge Betriebsorganismus und Düngung.Audio zum streamen, Video zum streamen

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Betriebsorganismus und Düngung - 2. Folge

Der Mensch wird zur Grundlage der Landwirtschaft gemacht 00:01:13

Wir haben gestern unseren Blick auf einen Sachverhalt oder einen Zusammenhang gerichtet, der scheinbar weit ab von der Landwirtschaft liegt. Dabei ist es eigentlich gerade der Hintergrund, von dem aus erst ein tieferes Verständnis für den biologisch-dynamischen Landbau möglich ist. Das erscheint zunächst sehr fremd, aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto deutlicher wird es, dass man den biologisch-dynamischen Landbau überhaupt nicht verstehen kann, als eben auf diesem Bildhintergrund, den ich versucht habe, gestern hier anzudeuten. Dem Gesichtspunkt folgend, dass der Mensch zur Grundlage gemacht wird, wenn es darum geht, ein Bild innerlich zu entwickeln, wie man einen landwirtschaftlichen Betrieb gestalten müsste. Wenn er wirklich alle Bedingungen erfüllen soll, die dem Tier gerecht werden, der Pflanze gerecht werden, dem Boden gerecht werden, beziehungsweise dem gesamten Weltenzusammenhang gerecht werden.

Gerade in der Landwirtschaft greift der Mensch wirklich in eine Wirklichkeit ein, die er nicht geschaffen hat. Er hat nicht die Bäume geschaffen, er hat nicht die Pflanzen geschaffen, er hat die Kulturpflanzen gezüchtet und alles das, gewiss. Auch die Haustiere, aber letztlich ist das eine Naturgegebenheit und in die greifen wir ein. Da sagt heute der Ökologe - der moderne Wissenschaftler - der sagt:

„Eigentlich greifen wir ein und machen tendenziell alles kaputt, was die Natur so schön geschaffen hat.“

Wir sind als Menschen eigentlich dazu verurteilt, indem wir als Menschen hier auf Erden leben, letztlich alles zu zerstören. Das ist nicht ganz unrecht, wenn man so auf die Verhältnisse schaut.

Ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss? Oder ist auch genau das andere möglich, dass wir nicht nur das was gegeben ist zerstören, sondern im Gegenteil, dass wir das weiterentwickeln, aufbauen?

Das ist ja die Grundfrage, die moralische Grundfrage, vor der die Menschheit heute steht. Da hat der biologisch-dynamische Landbau diesen Ansatz, dass er vom Menschen ausgeht, weil der Mensch dasjenige repräsentiert - innerhalb des gesamten Weltganzen heute auf Erden -, dass er nicht nur die Natur in sich trägt, sondern auch das in sich trägt, was ihn befähigt - nicht, dass er die Fähigkeiten schon alle hätte, aber zumindest befähigt - gerade den Gesichtspunkt zu entwickeln, wie man diesen Naturzusammenhang nicht nur erhält, nicht nur bewahrt, was geschaffen ist - die Schöpfung -, sondern dass man sie weiterentwickelt.

So wie wir uns als Menschen richtig verstehen, wenn wir uns weiterentwickeln wollen. Wenn wir stehenbleiben, da wo wir sind - jeden Morgen ein Bierchen und dann zum Mittag noch dicke Bratwurst und so, und irgendwo unser Leben auf diese Art pflegen - erhalten wir höchstens einen Zustand, aber da kommen wir nicht weiter auf diesem Felde. Der Mensch ist dazu geboren, sich selber weiterzubringen. Das ist eigentlich seine Aufgabe, weit mehr zu werden, als er ist. Und das aus sich heraus - nicht, dass ich Ihnen das sage, sondern das muss man sozusagen selber empfinden - das muss man selber als den Kern seines eigenen Wesens erfassen, dass man wirklich in der Lage ist, Schritte zu tun in seiner eigenen Entwicklung.

Landwirtschaftliche Gestaltung 00:05:05

Nun möchte ich jetzt auf diesem Hintergrund, den wir gestern betrachtet haben, mal auf unseren landwirtschaftlichen Betrieb schauen und sehen: können wir da aus diesen Einsichten von gestern, können wir da in irgendeiner Weise hineinschauen, hineingestalten, hineinbilden in den Naturzusammenhang?

Es gibt ja den berühmten Dichter, Zeitgenossen Goethes, jüngeren Zeitgenossen Novalis - Friedrich von Hardenberg - der heute nahezu unbekannt ist, obwohl er im Grunde genommen das Nonplusultra ist, neben Goethe und Schiller, dass er mal in seinen Fragmenten den Ausspruch getan hat,

"die Menschheit ist auf einer Mission, zur Bildung der Erde sind wir berufen."

Die Menschheit ist auf einer Mission zur Bildung der Erde, nicht nur zur Bildung des Menschen, sondern auch zur Bildung der Erde sind wir berufen. Das steht in den berühmten Fragmenten von Novalis.

Das sind lauter Ideenwürfe. Er ist mit 29 Jahren schon gestorben. In den jungen Jahren hat er ein Werk vor die Menschheit hingestellt, das ist geradezu überwältigend. In diesen Fragmenten sind eigentlich immer kurze Sätze, in denen eine Idee nach der anderen gleichsam vor einen hingestellt wird, wo man sagt, ja, so ist es, so müssen wir darauf hinarbeiten.

Nun also, wir haben gestern den Menschen sehr aphoristisch und sehr grobklotzig, möchte ich mal sagen, zunächst geschildert in einer Drei- und Viergliederung. Wenn wir uns jetzt vorstellen, wir hätten hier jetzt so einen landwirtschaftlichen Betrieb, voll arrondiert. Da stehen wir davor, was machen wir jetzt mit dem Ding? Vor dieser Situation steht man heute tatsächlich. Sie lernen jetzt alle auf biologisch-dynamischen Betrieben, da ist schon was da. Es gibt heute Beispiele genug, zum Beispiel in der ehemaligen DDR - eigentlich bis zum heutigen Tag - war plötzlich Plain Courant, da war bzw. eine Wüstenei hinterlassen vom Sozialismus. Das Land war enteignet und jetzt musste man irgendwie sehen, wie kriegt man das wieder einigermaßen in Kultur. Das ist da oder dort gelungen, aber heute sind es grundsätzlich Riesenflächen, heute stehen im konventionellen Landbau Extreme an Monokulturen, dass man eigentlich sagt, das ist ja fast der mittlere Westen Amerikas.

Wenn man dann nach Osten geht, nach Polen, wo ich noch ein Projekt betreue und nach Tschechien oder wohin Sie wollen, in den ehemaligen kommunistischen Ländern, in Russland ist es in dieser Hinsicht eine reine Katastrophe. Da stehen Sie plötzlich vor einem riesigen Land, devastiert, Halbwüste. Da wachsen die Bäume auf den Äckern, also wo man davorsteht, ein solches Land regelrecht urbar zu machen, neu urbar zu machen. Die Gebäude sind verrottet, die Maschinen, wenn sie überhaupt noch existieren, dann verrostet, einfach ungeeignet. Vor dieser Situation stand man noch im Jahr 2000, ich zum Beispiel in Polen. Das war ein Betrieb, heute von 1900 Hektar auf Sandboden, eine reine Wüstenei.

Einen Bild entwickeln und die tatsächliche Gestaltung 00:08:47

Da fragt man sich, was mache ich jetzt mit dem Ding? Welches Bild habe ich? Das hängt jetzt absolut von mir ab. Das sagt mir kein Mensch, die Natur sagt mir das nicht. Sondern ich muss in mir selber ein Bild hervorzaubern, mit dem ich jetzt an diese vorhandene Wüstenei herantrete und sage: dieses Bild möchte ich hier verwirklichen. Da fragt man sich, welches Bild habe ich nun wirklich? Dann greift man vielleicht auf irgendwelche Konventionen zurück, irgendwelche Erfahrungen anderer und es gibt ein paar ökologische Fingerzeige, man knüpft an Traditionen an, wie sie eben früher mal waren vielleicht, bestenfalls, oder man knallt konventionell einen Betrieb drauf, mit einer Biogasanlage, mit EU-Förderung und es wird auf Teufel komm raus Monokultur betrieben.

Das sind die Antworten, die man dann haben kann. Aber letztlich steht man doch als Mensch vor so einem Stück Erde und sagt sich:

"es hängt jetzt ausschließlich von mir selbst ab, welches Bild ich jetzt verwirklichen möchte auf diesem Stück Land."

Zunächst ist es so - kann man sich mal vorstellen - dass es einfach eine leere Fläche ist. (Zeichnung Tafel) Ich habe jetzt die Aufgabe, oder habe jetzt den Impuls, biologisch-dynamisch wirtschaften zu wollen. Das ist ja ganz schön, den Impuls zu haben, aber der Impuls muss einen Inhalt haben. Der muss lebenswirklich sein.

Wenn man jetzt versucht, einen solchen Lebenszusammenhang oder ein solches Stück Land sich jetzt vor Augen zu führen und mal aufzuzählen, was ist da, was ist wirklich von Natur aus da. Dann wird man zunächst mal sagen, ganz gewiss ist da etwas, was naturgegeben vorhanden ist. Das ist allemal der Boden. Das ist allemal das, was die mineralisch-physische Grundlage überhaupt jeden Hofes ausmacht. Man könnte sagen, das, was ich gestern gekennzeichnet habe, als den physischen Leib. Das findet man vor. Der ist bis zu einem gewissen Grad zerstörbar. Im Grunde genommen kann man allzu viel doch nicht kaputt machen. Die geologische Grundlage ist ein Fixum, was das Gestein aus dem Untergrund, was dann verwittert zu Boden und dadurch die verschiedenen Böden, Bodentypen hervorbringt. Das ist alles zunächst mal gegeben. Was da gegeben ist, was den physischen Leib eines landwirtschaftlichen Hofes komponiert - ich sage bewusst, nehme bewusst das Wort komponiert - denn es geht um eine Komposition, vor der ich hier jetzt stehe.

Die vier Elemente der Komposition 00:12:28

Da ist das Material, mit dem dieser Hof sozusagen zunächst mal komponiert ist, bei dem ich nicht allzu viel verändern kann. Das sind die sogenannten vier Elemente. Die vier Elemente, die heute nicht mehr im wissenschaftlichen Gebrauch sind, aber seit griechischen Zeiten, seit Empedokles - dem großen griechischen Philosophen und Wissenschaftler - sind die im Gebrauch gewesen bis in die jüngste Vergangenheit. Das ist einmal, dass das Physische konstituiert wird mit dem, was das Feste ist, die Erde. Und dem, was das Element des Wassers ist, also alles, was flüssig ist. Nicht nur das Wasser, sondern jede Art von Flüssigkeit, ob das das Blut ist, oder ob das die Lymphe ist, oder ob das ein Saft ist, ein Apfelsaft, oder was sonst. Alles, was flüssig ist, hat man eben mit dem Element des Wassers bezeichnet.

Dann das Element der Luft und das Element der Wärme. Das sind die Elemente, die im Grunde genommen, das Physische, den physischen Leib komponieren. Das ist das Material, durch das hindurch alle Wirkungen des Kosmos, alles, was nur irgendwie sonst wirkt in der Welt, wirkt auch zugleich durch diese vier Elemente hindurch. Das Feste der Erde, das ist die geologische Grundlage zunächst mal. Die muss man kennen. Wenn Sie heute einen Betrieb bewirtschaften, müssen Sie schleunigst sehen, dass Sie eine geologische Karte1:25.000 bekommen, dass Sie die anschauen. Wenn der Chef die nicht hat auf dem Hof hat, muss er dafür sorgen, dass die möglichst bald besorgt wird.

Das Feste der Erde - Geologische Kenntnisse 00:14:22

Auf dieser geologischen Karte können Sie genau feststellen, aus welchen Gesteinen jetzt Ihre Böden auf Ihrem Hof entstanden sind. Ob das eine Sedimentation ist, junge Sedimentation, zum Beispiel der Lös, oder ob das eine Wassersedimentation ist, ein Schwemmland, oder ob das tatsächlich kristalline Gesteine sind, die im Untergrund anstehen und die durch Verwitterung dann ihren Boden haben entstehen lassen. Das ist notwendig auf jedem Hof, diese Grundlage, die physische Grundlage zu kennen. Ich möchte jetzt schon sagen, die allergrößten Fehler, die in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft generell gemacht werden, das ist, dass die Kenntnisse auf diesem Feld zu gering sind.

Man kennt seine Böden nicht, weil man deren Ursprung nicht kennt. Woraus sie sich überhaupt entwickelt haben? Sie haben eine Entwicklung von über 10.000 Jahren hinter sich, seit den letzten Eiszeiten. Allmählich haben sich diese Böden zu diesen Standorten, zu diesen Bodentypen entwickelt. Also man muss da Kenntnisse haben auf diesem Felde und was wirklich im Untergrund ansteht an Gesteinen. Das gehört einfach dazu. Jeder Landwirt müsste darüber Kenntnisse haben.

Die Bodenentstehung und das Wasser 00:15:48

Aus dem Festen heraus entwickeln sich unsere Böden durch Verwitterung. Es ist jetzt nicht meine Aufgabe, mich hier über die Verwitterung weiter auszubreiten. Das ist ein weites Gebiet, wie unsere Böden entstanden sind, durch schrittweise Verwitterung des Untergrundes und meistens dann ein Bodenprofil entstanden ist von vielleicht 1,20 Meter Tiefe bis zu 2 Meter Tiefe, je nachdem, welche Art von Gestein da verwittert ist. So muss man auch den Wasserhaushalt seines landwirtschaftlichen Betriebes kennen. Solche Dinge werden heute gar nicht mehr ernst genommen, weil man so eine abstrakte Wirtschaft heute im konventionellen Landbau betreibt.

Wenn zu viel Wasser da ist, dann drainiert man es weg und wenn zu wenig Wasser ist, dann beregnet man mit irgendwelchen Maßnahmen technologischer Art. Aber man muss wissen, wie ist das jetzt mit den Quellhorizonten auf meinem Hof? Wo sind Feuchtbiotope? Wo bildet sich langsam aus Rinnsalen ein Bachlauf? Und schließlich, wo mündet das hin? In einen Fluss oder grenzt man an einem See oder baut man sich einen Teich auf dem Hof? Das sind alles Dinge, bei denen man ebenso aufmerksam wie man auf das Feste, man aufmerksam werden muss auf den Wasserhaushalt seiner Landschaft.

Das Erste, was man fragt, wenn man auf einen anderen Betrieb kommt: Was habt ihr hier für Niederschläge? Wie sind die verteilt über das Jahr? Wenn Sie das ungefähr wissen, die physische Grundlage und die Niederschläge, dann wissen Sie schon ungefähr, wie begabt Ihr Hof ist. Eine Landwirtschaft hat eine Begabung, so wie der Mensch eine Begabung hat, der eine ein bisschen mehr musikalisch, der andere mehr geht lieber mit Literatur oder mit Kunst und sonst was um. Jeder Mensch hat eine ganz spezifische Begabung, die ihn kennzeichnet. So hat auch jeder Hof eine spezifische Begabung, die wesentlich bestimmt wird durch die physische Organisation, durch das Zusammenspiel von dem festen, flüssigen, luftförmigen und wärmehaften einer Landschaft.

Luft und Wärme 00:18:20

Auch muss man Kenntnisse entwickeln in Bezug auf die Luft. Die Luft ist natürlich das beweglichste überhaupt unter den Elementen mit der Wärme. Sie streicht über die Lande, die ist ja nicht nur lokal gebunden. Die Luftströmungen, die Winde und Stürme und Gewitter und was da so kommt von oben. Dennoch muss man eine Kenntnis haben vom Großklima, in welchem Großklima befinde ich mich. Befinde ich mich in einer Trockenzone, in einem Regenschattengebiet, wie wir hier zum Beispiel auf dem Hof, wir liegen im Regenschattengebiet des Taunus.

So muss man schon ein bisschen großräumig denken, wie sich die klimatischen Verhältnisse gerade in einer solchen Landschaft ausgestalten. Wo sind Kältezonen oder Kälteeinbrüche, Spätfröste im Laufe des Jahres. Das hängt sehr stark mit dem Klima insgesamt zusammen. Davon hängen unsere Kulturen ab, die ich dann anbaue. So ist es mit der Wärme. Nun die Wärme ist natürlich etwas ganz Besonderes, weil man die Wärme gar nicht fassen kann. Man kann sie natürlich fühlen, wenn irgendwas warm ist, gewiss. Aber als Begriff, Element, wird sie heute über Bord geschmissen.

In der Physik gibt es heute den Begriff der Wärme als Wärme nicht mehr. Schon seit Francis Bacon, also Lord Bacon, der Baco von Veolam hieß er auch, der Begründer der Experimentalphysik, der hat die Wärme abgeschafft. Er hat einfach gesagt, die gibt es gar nicht. Das ist nur ein Bewegungszustand der Materie. Ein Bewegungszustand der Materie, das ist die Wärme. So wird sie heute definiert. Es ist nur ein Zustand, dass das Wasser warm wird. Dann bewegen sich die Moleküle des Wassers entsprechend stärker. So ist es mit der Luft. Sauerstoff und Stickstoff in der Luft, die fangen an, sich stärker zu bewegen durch Wärmeeinfluss. So ist es auch, wenn ich ein Gestein verschmelze. Da führe ich Energie zu und dann bewegen sich die Moleküle entsprechend. Die kommen plötzlich in Fluss. Das ist die Vorstellungsweise der materialistischen Auffassung heute. Die Wärme existiert gar nicht mehr. Dabei ist sie natürlich für uns - wir erleben die Wärme unmittelbar als eine Tatsache. Wir leben in der Wärme. Das Ich des Menschen, sein Geist, das Geistwesen, lebt in der Wärme von 37,5 Grad Celsius oder 36,6 Grad Celsius. Das ist unsere Wärme. Die halten wir auch.

Einfluss der Elemente 00:21:16

Wenn wir die nicht halten, dann werden wir krank. Sowohl wenn sie zu tief runter geht, als auch wenn sie zum Fieber aufsteigt. Da merken wir, das können wir so nicht ertragen. Also das Wärmeelement ist das Geheimnisvollste unter allem. Die Wärme durchdringt die Luft. Die Wärme durchdringt das Wasser, durchdringt das Feste der Erde. Jetzt muss ich bei meinem landwirtschaftlichen Betrieb fragen, wie sind die Wärmeverhältnisse hier? Wie ist der Jahreslauf vom Frühjahr über den Sommer? Habe ich da ausgesprochene Hitzeperioden? Muss ich, bestimmt mich die Wärme, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um das ein bisschen auszugleichen?

An der physischen Organisation, an dem physischen Leib unseres Hofes können wir verhältnismäßig wenig verändern. Natürlich, wir verändern heute nicht wenig. Durch die modernen Technologien. ZB. ist da ein Wasserüberschuss - der ist normalerweise immer im Grünland. Deswegen heißt es Grünland. Grünland kann sich nur entwickeln bei hohen Grundwasserständen, oder wenn genügend Wasser zur Verfügung steht. Zum Beispiel durch entsprechende Niederschläge. Der hohe Wasserverbrauch des Grünlandes ist dadurch gestillt, oder ist dadurch befriedigt, dass da eben genügend Wasservorräte vorhanden sind.

Deswegen finden wir Grünland klassisch immer in Vorfluter Nähe. Immer um die Seen herum, um die Flüsse herum, die Flüsse begleitend. Da kommt das Grundwasser relativ oberflächennah herangeströmt, und mündet dann ein in den Vorfluter. Wenn man nun meint, das Grünland bringt sowieso nichts, breche ich es um, drainiere das ganze Zeug, senke den Grundwasserspiegel ab und baue Mais an. Das ist so das übliche Verfahren gewesen in den 70er Jahren, 80er Jahren, heute ist es verboten. Wir dürfen kein Grünland mehr umbrechen. Wenn es da ist, dürfen wir es nicht mehr umbrechen.

Da hat der Gesetzgeber mal eine ganz gute Tat vollbracht, den Grünlandumbruch zu verhindern. Auf der anderen Seite ist es natürlich alles Murks. Alle Gesetzgebung in der Landwirtschaft ist letzten Endes Murks. Weil die immer ausgerichtet ist auf Fehlleistungen einer zu stark ökonomisierten Landwirtschaft. Zu stark einseitig ausgerichtet. Da entstehen die großen Probleme. Da macht man ein Gesetz, und das gilt dann für alle. Und da leiden dann z.B. die biologischen Artenbetriebe darunter gewaltig.

Freiheit und technische Überregulierung 00:24:17

Der Landwirt muss entscheiden, wo er was macht. Hier ist das ständig eingeschnürt. Deswegen hat man den Eindruck, als moderner Landwirt, man hat den Eindruck, dass da erstmal die Schnüre hier unten so herumgebunden werden. Die Schnüre werden immer dichter hier um den Brustkorb und zuletzt um den Hals. Dann kann man sich zuletzt noch aufhängen. Es ist unglaublich, was wir für eine Überregulierung heute in der Landwirtschaft haben. Aufgrund dieser Tatsache. Man ist nicht mehr ein freier Mensch in seinen Entscheidungen.

Also man kann bewässern, man kann entwässern. Das kann man. Das wird ja heute im grünsten Stil gemacht. Ich möchte sagen, die in Anführungsstrichen leistungsfähigste Landwirtschaft heute in der Welt ist die in Halbwüstenzonen. Die bewässerbaren Halbwüstenzonen. Da ist die eigentliche Produktion heute in der Welt. Da scheint das ganze Jahr die Sonne und das Wasser wird irgendwo hergeholt. 79 Prozent der gesamten Süßwasservorräte beansprucht die Landwirtschaft heute weltweit für sich selbst. Das ist irre.

Man kann bewässern und entwässern. Man kann terrassieren. Das ist eine klassische Methode auch in der Landwirtschaft immer gewesen zu terrassieren. Der Weinbau existierte nur auf der Basis der Terrassierung. Heute sind die Weinreben alle in Linien in der Falllinie des Hanges angelegt und nicht mehr quer dazu. Früher war das alles horizontal. Weinbergmauern, die haben die Wärme zurückgestrahlt und haben im Weinanbau für eine bessere Qualität gesorgt. Auch der Obstbau war terrassiert. So ist der ganze mediterrane Raum ursprünglich eine Terrassenwirtschaft gewesen.

Hier in Mitteleuropa spielt die Terrassenwirtschaft eine ganz große Rolle. Das erfordert, dass man Mauern baut. Das waren alles Feldsteinmauern. Das war eine Kunst, eine hohe Kunst. Die habe ich noch gelernt in meiner Jugend, wie man Weinbergmauern baut. Aber die mussten 50 Jahre halten. So hat man normalerweise gesagt. Dann musste man sie wieder erneuern und terrassieren. Sonst kann man keine Hügel, keine Berge versetzen.

Naturbegabung und Landschaftsgestalt 00:26:42

Sie finden eine bestimmte Geomorphologie, eine bestimmte Landschaftsgestalt vor und mit der müssen Sie sich jetzt zurechtfinden. Ebenso finden Sie ganz bestimmte Böden vor. Wenn Sie auf dem Sandboden hocken, dann sind Sie Ihr ganzes Leben lang mit diesem Sandboden verheiratet. Wenn Sie auf dem Tonboden hocken, dann ist genau das Gegenteil der Fall. Schwerer Boden, sehr kalt, mühsam in die Gänge zu bringen, usw. Dann sind Sie mit dem verheiratet. Oder Sie haben einen milden Lehm, schwarze Erde möglicherweise. Ja, da kann man drauf spielen. Wie auf dem Klavier. Variationen.

Man ist zunächst doch sehr weitgehend gebunden von dieser Naturbegabung des Hofes. Jetzt gibt es eben ein zweites Glied, abgelesen jetzt vom Menschen. Das ist seine Lebensorganisation. Oder sein Lebensleib. Das ist natürlich eine große Frage. Kann man überhaupt von dem Lebensleib eines Hofes sprechen? Wo finde ich den? Wo treffe ich den an? Ist es die Pflanzendecke? Gewiss, irgendwo ja. Und doch nicht. Die Pflanzendecke ist ja nur die Offenbarung von etwas.

Lebensleib des Hofes oder Pflanzendecke und Wachstum 00:28:11

Die Pflanzendecke, ich sehe ja nur die Oberfläche, ich sehe ja nur die wachsende Pflanze, noch nicht mal die wachsende Pflanze, sondern wie die Pflanze sich in der Zeit verwandelt. Daran entwickle ich den Begriff der Entwicklung oder des Wachstums. Ich sehe das, was da wächst, das sehe ich ja gar nicht. Dann gucke ich zur Sonne hoch und sage mir, offensichtlich wächst da nur was, wenn die Sonne scheint. Je intensiver die Sonne scheint und genügend Feuchtigkeit und so weiter, dann wächst es, dann wächst es. Wenn das alles nicht der Fall ist, dann wächst es eben nicht.

Irgendwo ist da ein Übersinnliches, ein nicht in die sinnliche Erscheinung Tretendes, was dieses Wachstum hervorbringt. Das nennt man den Lebensleib, die Bildekräfte. Die sind eben nicht nur irdischer Art, sondern sind kosmischen Ursprungs. Da merkt man plötzlich, da ist eine ganz andere Wirklichkeit als die hier, wenn man nur auf das Physische schaut. Jetzt ist es aber so, dass Sie als Landwirt, als Gärtner am allermeisten gefordert sind, jetzt diesen Lebensleib zu gestalten.

Sie müssen ein Übersinnliches gestalten, können es aber gar nicht, weil das für Sie zunächst keine Wahrnehmungssphäre ist. Aber Sie können gestalten an dem, was der Lebensleib schafft. Das sind die einzelnen Kulturen, die Sie anbauen. Die Bäume, die da auf Ihrem Gelände stehen. Das Grünland, die Gräser, die Kräuter, die da wachsen. Das ist eine ungeheure Fülle verschiedener Erscheinungsformen dieses verborgenen, Ätherisch-Lebendigen - ein Kräftekonglomerat, was da wirkt und sich schließlich in einer ganz bestimmten Pflanzengestalt äußert.

Der Landwirt wird in dem Augenblick Künstler - wirklicher Künstler -, wenn es darum geht, den Lebensleib eines landwirtschaftlichen Betriebes zu gestalten. Nun ist dieses Künstlertum, etwas ganz Eigenartiges, denn sie müssen erstmal alles kaputt machen - extrem gesprochen - sie müssen erst etwas, was naturhaft ist, seiner Naturhaftigkeit entkleiden. Eigentlich hat dieser Standort, wo sie ihren Hof haben früher mal ganz anders ausgesehen. Im Mittelalter waren das alles Sumpflandschaften, überwiegend in Deutschland.

Kultivierung; Natur in Kultur verwandeln 00:31:07

Die Flüsse waren nicht reguliert und das Wasser stand in den Landschaften, da war kaum ein Gefälle. Norddeutschland war ganz und gar davon geprägt, aber auch hier viele, viele Gegenden. Die keltischen Namen der Dörfer und Städte hier im Umkreis gehen alle auf keltische Ausdrücke zurück, die Sümpfe beschreiben oder sich auf Sümpfe oder Sumpfgebiete beziehen. Das ist - ich möchte sagen – das, was man den Menschen heute vorwirft von ökologischer Seite, dass er, wenn er eingreift in die Natur, erstmal alles irgendwie verändern muss. Er muss Bäume fällen, wenn da ein Wald steht, er muss eine Lichtung schlagen, das haben sie im frühen Mittelalter gemacht.

Alle Dörfer sind aus Waldgebieten heraus mehr oder weniger gewachsen. Wenn man von den schwarzerdigen Gebieten, den Lössgebieten Deutschlands absieht, ist das so. Da hat man den Wald gefällt, hat eine solche Lichtung geschlagen - hier so ein Riesending - und hat angefangen zu kultivieren. Die Art, wie man angefangen hat zu kultivieren, ist wiederum ein Menschheitserbe aus vorchristlichen Hochkulturen. Was sie gemacht haben, im 8., 9. Jahrhundert oder 7. Jahrhundert, wo dieses Prinzip entstanden ist - was ich hier schildere - was sie gemacht haben, ist nur das Ganze zusammengefasst, das ganze Erbe der vorchristlichen Hochkulturen.

Keine Kulturpflanze, kaum eine - könnte man sagen - unter den heutigen Kulturpflanzen, ist nach dem 3. vorchristlichen Jahrtausend entstanden. Alle davor. Zwischen dem 5. und 3. vorchristlichen Jahrtausend sind Kulturpflanzen entstanden und die Haustiere sind entstanden seit dem 8. vorchristlichen Jahrtausend. Das sind keine Schöpfungen von uns, da sind wir überhaupt nicht mehr in der Lage dazu. Wenn wir heute meinen, wir könnten züchten in der Landwirtschaft, ist das ein sehr flacher Begriff. Züchtung heißt ja heute - das Gegebene, was da ist - an Kulturpflanzen zu manipulieren oder in irgendeiner Weise zu verwandeln, Variationen herzustellen, eine neue Sorte zu schaffen.

Eine prinzipielle neue Kulturpflanze, das kriegen wir heute nicht hin. Da sind wir völlig außerstande. Das muss man sich klar machen. Wir arbeiten mit dem Kapital der Vergangenheit und variieren es im Wesentlichen. In der Haustierzüchtung ist es nicht anders. Wir müssen jetzt das Naturbiotop, was wir ursprünglich vorfinden, in ein Kulturbiotop verwandeln. Die Einseitigkeit, die wir hergestellt haben, dass wir alles hier beseitigt haben, müssen wir jetzt kompensieren, aber auf höhere Stufe gewissermaßen.

Fruchtfolge und Gartenbau 00:34:24

Dazu ist erforderlich, dass wir, weil wir ja noch den Boden bearbeiten, dass wir da Saaten vornehmen, Wintersaaten, Frühjahrsaaten, dass wir da Ackerbau betreiben. Innerhalb des Ackerbaus und Gartenbaus müssen wir die Einseitigkeit ausgleichen, kompensieren durch eine Fruchtfolge. Die hohe Kunst der Fruchtfolge. Dass wir jetzt die Fruchtfolge so aufbauen, nicht nach Verkaufsfrüchten, die nach außen auf den Markt gehen - möchte man natürlich gerne, weil die bringen Geld -, sondern die Fruchtfolge gestalten nach der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, nach dieser Maxime.

Insbesondere, um den Humusgehalt der Böden auf einem bestimmten Niveau zu halten oder gar zu steigern. Ich muss versuchen, um in der Gestaltung des Lebensleibes meine Kulturen so in einer Fruchtfolge zu ordnen, dass die Bodenfruchtbarkeit nicht abgebaut wird, sondern sich immer weiterentwickelt, mit meinen eigenen Maßnahmen weiterentwickelt. Ich kann jetzt nicht in Details gehen. Es geht darum - das ist auch entscheidend -, dass wir den Gartenbau, der ja sein eigenes Schicksal hat seit dem 19. Jahrhundert, wo er ausgegliedert worden ist aus der Landwirtschaft, heute wieder heimgeholt wird.

Eigentlich gehört der Gartenbau als Glied, als Organ in einen solchen landwirtschaftlichen Organismus. Der muss heimgeholt werden, so möchte ich mal sagen. Der ist heute dezentralisiert und intensiv betrieben, wo in Monokultur oder gar unter Glas oder noch gesteigert in Gebäuden, wo von obersten Stockwerken die Aussaat erfolgt und unten kommt der fertige Salat raus. Das sind Entwicklungen, die man heute anstrebt. Wenn man wirklich ordnungsgemäß vorgehen will, wenn man wirklich der Natur gemäß - im höheren Sinne - handeln will, muss der Gartenbau in diesem Gesamtzusammenhang eingebettet werden.

Er hat eine Organfunktion im Organismus. So wie die Niere oder die Leber oder der Magen, die Verdauungsorgane, was auch immer, das Herz, es sind Organe im Organismus und alle müssen zusammenwirken, ineinanderwirken, dass der Organismus lebensfähig wird. So müssen wir sehen, wie wird das Ganze lebensfähig machen. Da gehört nicht nur der Gartenbau dazu, also Feingemüse, Grobgemüse und Kräuter und Blumen, dass das ganze Jahr hindurch etwas Blühendes in der Landschaft ist, das kann man heute auch machen, dass man den Gartenbau in gewissem Sinne integriert in den Ackerbau mit Blühstreifen und solche Sachen, da hat man heute große Möglichkeiten.

Obstbau und Vielfalt 00:37:54

Es gehört auch der Obstbau dazu. Der muss wieder reintegriert werden auf die Höfe. Das ist ein Organ im Organismus der Landwirtschaft. Ein Hochstamm, 80-jährig oder 60-jährig da draußen, ein dicker Obstbaum mit einer Mordskrone oben, der heute überhaupt keine Bedeutung mehr wirtschaftlich, weil es viel zu teuer ist, den erstens zu schneiden und zu ernten und so weiter. Ein solcher Obstbaum beherbergt über 1000 Insektenarten. Das waren Forschungen Anfang der 50er Jahre, da hat man zum ersten Mal entdeckt, was für ein Ökosystem so ein Obstbaum alleine für sich selbst ist.

Über 1000 Insektenarten, die alle in einem Beziehungsverhältnis zueinanderstehen. Da differenziert man innerhalb dieses Kosmos, kann man fast sagen, Schädlinge und Nützlinge - furchtbare Begriffe, fürchterliche Begriffe. Das macht man einfach, spricht eben so, und wenn Sie mal so ein bisschen geschichtlich zurückschauen - das haben Sie alle selbst nicht erlebt, aber ich habe es noch erlebt - da hat man vom Volksschädling gesprochen, das war bei den Nazis der Fall, im dritten Reich. Der eine Mensch war ein Nützling und der andere war ein Schädling. So hat man sie behandelt.

So behandeln wir heute unsere Insektenwelt, unsere Vogelwelt - je nachdem - unter diesen Begriffen Nützling und Schädling. Die Denkungsart ist da kein bisschen anders. Der Obstbau hat eine ungeheure ökologische Bedeutung. Jeder Baum, jeder einzelstehende Baum irgendwo in der Landschaft hat - ob es jetzt ein Obstbaum ist oder ein anderer - eine Organfunktion im Gesamthaushalt des Hofes. Genauso ist es mit der Wiesen- und Weidewirtschaft. Auch diese gehören natürlich hier rein.

Die Wiesen - die spielen ja heute keine große Rolle mehr - aber die Weiden. Leider Gottes gibt es keine Wiesen mehr, sie sind ökonomisch zu teuer. Zweischürig und sehr kräuterreich. Sie geben keine große Masse, aber natürlich die beste Qualität, die man sich denken kann, Aber darauf legt man heute sowieso keinen großen Wert. Die Wiese ist verschwunden aus unseren Landschaften. Sie war früher landschaftsbeherrschend. Heute sind es die Weiden, die die Landschaften beherrschen.

Hecken und Wald 00:40:53

Hier geht es darum, dass wir wirklich die Feuchtbiotope oder alles das, was ich vorhin schon geschildert habe, dass wir die als Grünland pflegen, als Grünland, als Organe im Organismus der Landwirtschaft betrachten. Genauso ist es mit den Hecken und dem Wald. Der Wald gehört eigentlich der Landwirtschaft. Heute sind alles Staatswaldungen oder so. Es gibt noch Bauernwälder. Im Grunde genommen ist der Wald auch ein Organ der gesamten Kulturlandschaft. Auch als Gehölze, Einzelgehölze in der Feldflur draußen auf den Weiden. So kleine Waldungen sind von größter Bedeutung.

Insbesondere die Hecken. Die Hecken, da möchte ich ein Wort dazu sagen. Es gibt Gebiete wie hier - der Dottenfelderhof oder andere Orte - wo es so gut wie keinen Wald gibt, wie in großen Bördelandschaften von Natur aus nicht. Da kann man sich durchaus damit helfen, dass man Hecken anbaut. Die Hecke ist ein Wunderwerk. Die größte Verdichtung an Insektenwelt, an Vogelwelt, an Kriechtieren findet man in den Waldsäumen, den Waldrändern.

Da wo der Wald übergeht, wo die offene Landschaft, der Acker oder die Wiese, die Weide übergeht in den Wald, dort in dem Waldrand, da findet man die höchste Verdichtung insbesondere der niederen Fauna. Sodass die Waldränder eine unglaubliche ökologische Funktion haben in der Kulturlandschaft insgesamt. Da findet man krautartige Natur im Jahreslauf. Man findet buschartige, niedere Büsche, höhere Büsche, dann mittlere Stämme, dann Hochstämme. Das baut sich so auf. Da findet man die ganze Vielfalt versammelt.

Wenn Sie eine Hecke anlegen in der Landwirtschaft, dann machen Sie dasselbe. Aber doppelt, weil jede Hecke, wenn sie gut angelegt ist, diese beiden Seiten hat. Nach beiden Seiten ist ein Waldrand. Nach beiden Seiten hin korrespondiert jetzt diese Hecke mit dem umliegenden Land und schafft überall Ausgleiche, kompensiert Einseitigkeiten usw. in Bezug auf die ganze Fauna, die da in den Hecken lebt. Man hat gezählt, was in so einer guten Hecke an Tierwelt zu finden ist. Da kam man auf 3000 Arten.

Kulturlandschaft, der Landwirt als Gestalter 00:43:50

Auch das Niederwild sucht Schutz in den Hecken usw. Wenn Sie das zusammennehmen, baut der Landwirt die Kulturlandschaft, nicht der Naturschutz, nicht der Staat, nicht die Verordnung, sondern das Bild der Landschaft erfließt notwendigerweise aus diesem Prinzip. Wenn der Landwirt wirklich sein Handwerk richtig versteht, baut er die Kulturlandschaft. Er baut einen Lebenszusammenhang auf seinem Hof. Da ist nicht alles verkaufsfähig, was er da macht, sondern er ist wirklich mit einer Ganzheit befasst, die aus sich heraus produktiv wird in Bezug auf die Verkaufsfrüchte usw.

Er muss Sorge tragen, dass das hier eine lebendige Leibesbildung ist. Dass jeder Hof seinen Lebensleib bildet. Das ist unsere Aufgabe. In der Ökologie nennt man das einen Biotop. Die Natur baut Biotope. Jetzt machen wir das Biotop kaputt. Jetzt müssen wir selber ein neues schaffen. Ein Kulturbiotop. Das ist eine künstlerische Frage. Da muss man einen Blick haben für Landschaften und merken, dass man da Maße setzt, maßvolle Zusammenhänge!

Das ist gerade das, was der Mensch beitragen kann. Die Natur schafft sich ihr eigenes Maß. Im brasilianischen Urwald finden sie auf einem Hektar mindestens 100 Baumarten. Auf einem Hektar mindestens. Keine Baumart steht neben der anderen. Zuerst alle anderen. Heute ist man schon dazu gekommen zu sagen, bis zu 400 Baumarten, eine unglaubliche Vielseitigkeit. So schafft die Natur. Da ist sie uns ein Vorbild. Jetzt müssen wir sehen, wenn wir diesen Lebensleib wirklich zu einer Ganzheit entwickeln wollen, müssen wir diese Vielseitigkeit selber auch herstellen.

Aber in maßvollen Beziehungen, die wir selber setzen. Dann wird der Hof gesund. Wenn der Lebensleib vielseitig genug gestaltet ist, dann gedeiht das Ganze des Hofes. Dann gibt es keine einseitigen Krankheitszustände, also keine großen Einbrüche oder dergleichen. Vielseitigkeit ist hier angesagt. Jetzt gibt es noch ein drittes Glied in unserem Landwirtschaftszusammenhang. Das ist der Seelenleib.

Seelenleib und Tierwelt 00:46:51

Für den gilt dasselbe, was ich schon hier gesagt habe. Ich kann das Seelische nicht sehen. Ich kann nur sehen, wie es sich verkörpert in den einzelnen Tierarten. Selbst das kann ich noch nicht sehen, sondern ich kann nur sehen, was die Tiere machen, was ihre Wirkungen sind, wie sie sich verhalten. Das ist ein unmittelbarer Ausdruck dessen, was hier leibgebunden sich seelisch inkarniert hat. Jetzt muss man sehen, dass der Seelenleib - das was so unsichtbar ist, aber auch wirksam, es ist eine wirksame Welt, die ist höher anzusetzen als das bloß Lebendige oder das Physische -, dass diese Welt sich wiederum genügend äußern kann in aller Vielfalt.

Diese offenbart sich natürlich für uns zunächst einmal in der Tierwelt. Es gibt auch seelische Kräftewirksamkeiten, die sich nicht im Tier offenbaren. Deren Wirkungen aber für uns beobachtbar sind, das ist zum Beispiel, wenn eine Pflanze zum Blühen kommt. Das ist immer wieder aufs Neue unfassbar. Eigentlich ist die Pflanze dazu veranlasst, immer weiter zu wachsen. Immer weiter zu wachsen. Wenn ich ordentlich Stickstoff draufknalle, dann wächst sie auch tatsächlich immer weiter. Dann wird der Blühprozess sozusagen verhindert oder jedenfalls stark gedrosselt.

Solange die Pflanze wächst, lebt sie ihre ureigenste Natur aus. Plötzlich werden die Blätter immer kleiner und kleiner, verschwinden zuletzt im Stängel, dann sprüht der Stängel auf, wie das am Beispiel der Schafgarbe... Nee, das habe ich noch nicht gemacht. Wie man das beobachten kann, plötzlich sprüht der Stängel auf und teilt sich auf und dann bildet sich plötzlich ein Blütenschirm oder eine Blume. Das ist ein unglaublich faszinierendes Phänomen. Weil das für die Pflanze zunächst einmal widernatürlich ist. Eigentlich will sie immer weiterwachsen. Das ist ihr Element.

Die Wiederholung von Blatt zu Blatt immer weiter. Sie würde am liebsten bis zum Mond wachsen. Plötzlich kommt da ein Impuls von außen, nicht von innen. Beim Tier kommt er von innen. Bei der Pflanze kommt er von außen und berührt die Pflanze gerade sanft. Dann wird das Wachstum zurückgedämmt, eine Metamorphose findet statt und sie blüht in Farben, in Formen, in denen sie ihr eigenes Wesen seelisch offenbart, obwohl es gar nicht inkarniert ist wie beim Tier.

Pflanzen- und Tierwelt 00:50:02

Das Seelische der Pflanze - deswegen hat ja der Linné, der große Systematiker des Pflanzenreiches im 18. Jahrhundert - die Pflanzen allesamt systematisch nach den Blüten geordnet, weil in der Blüte das Spezifische einer Familie, einer Gattung, einer bestimmten Pflanzenart hervortritt. In der Blüte offenbart sich die Pflanze in ihrer eigentlichen höheren Wesenheit. Aber es ist nur Bild eines Bildes. Noch nicht mal Bild, sondern es ist ein Bild eines Bildes, was ich da anschaue, wenn ich eine Blüte anschaue. Da haben wir es mit der Astralität zu tun, mit Seelenkräften, die mit dem Sonnenlicht - da ist die Sonne sehr unmittelbar daran beteiligt - einströmen. In dem Sonnenlicht leben die Bildekräfte, die die Pflanze wachsen lassen, und es leben jene Kräfte, die sie ersterben lassen, in die Form, in die äußere Gestalt.

Ich möchte mich jetzt beschränken auf die Tierwelt. Wenn wir jetzt die Bedeutung der Tierwelt betrachten - in Bezug auf unseren Hof, den Hoforganismus - müssen wir da zwei große Bereiche unterscheiden. Das eine ist die Wildfauna. Die Wildfauna, das heißt alles das, was man heute nicht als Nutztier bezeichnet, was einfach da ist, oder auch nicht da ist. Was von Natur aus sich da einfindet, das ist die Wildfauna, das andere ist die Haustierfauna.

Das sind zwei verschiedene Paar Stiefel. Die möchte ich kurz charakterisieren. Schauen wir zunächst mal die Wildfauna an. Davon möchte ich jetzt mal absehen, von den Säugetieren innerhalb der Wildfauna, zum Beispiel den Hirsch, das Reh oder den Hasen. Was da so kreucht und fleucht auf unseren Höfen, ist ja wunderbar, wenn die da sind. Sie ziehen sich immer mehr zurück. Was hatten wir hier früher Hasen auf dem Hof! Heute muss man lange, suchen, bis man einen findet. Was hatten wir hier Rehe auf dem Hof!

Schutz bieten wir genügend an, auch Futter bieten wir genügend an. Aber diese Straße da oben, sie ist eine Todesfalle. Alles, was übrig ist, ist umbaut und da ist der Fluss. Plötzlich sind wir eine fast säugetierfreie Fauna geworden, hier innerhalb dieser ganzen städtischen Umgebung. Das ist ein Jammer. Kaninchen haben wir noch, Füchse haben wir noch. Lauter solche Sachen sind schon noch da.

Wildfauna Gruppen 00:53:30

Wirbellose und Regenwürmer 00:53:30

Davon abgesehen, möchte ich vier Gruppen einer Wildfauna nennen, die gerade unter der Pflege des Landwirts stehen sollten. Wie eben die gesamte Fauna. Wenn wir Hasen oder sonstiges Wild auf dem Hof haben, müssen wir Hege und Pflege betreiben. Das ist heute ein Begriff, der fast nahezu aus der Jagdwissenschaft verschwunden ist. Hege und Pflege. Wir können nicht einfach sich selbst überlassen, sondern müssen da eingreifen, dass das alles im Gleichgewicht bleibt. Diese vier Gruppen einer Wildfauna, die haben eine unendliche Bedeutung und bringen äußerlich gesehen so gut wie überhaupt keinen Nutzen.

Aber bringen einen überirdischen Nutzen von unendlicher Bedeutung, wenn man das Ganze ins Auge fasst. Da gibt es eine Gruppe, das sind die Wirbellosen. Das sind die, die in der Evolution eine sehr frühe Stufe bewahrt haben bis zum heutigen Tag. Die gehen bis zu den Amphibien, also Fröschen, Kröten und so. Sie fangen gerade an ein Skelett auszubilden. Die Frösche haben ein Skelett, aber zunächst haben sie keines. Zunächst sind sie Kaulquappen, die im Wasser schwimmen wie ein Fisch.

Diese ganze wirbellose Tierwelt findet in unserer Landwirtschaft einen besonderen Repräsentanten. Es gibt viele Repräsentanten, aber einen ganz besonderen, herausragenden. Das ist der Regenwurm, der Tauwurm, der Lumbricus terrestris, wie wir sie auf den Äckern haben. Der Tauwurm, der bis zu dieser Länge (35cm) werden kann. Es gibt natürlich die Kompostwürmer, das sind diese roten, kurzen und vielleicht so lang (5 cm). Das sind unterschiedliche Wurmarten, aber nehmen wir mal den Lumbricus terrestris. Also der Tauwurm, wie wir ihn draußen im Boden finden.

Es ist ja ein Wunder für sich, was der Wurm macht. Ich kann mich jetzt darüber nicht länger auslassen, ich kann nur so viel sagen: dass der sich nicht mit dem anorganischen Toten, aber mit dem Absterbenden im Boden beschäftigt. Alles, was abstirbt an Pflanzensubstanz, nicht die frische. Er frisst keine frische Pflanzensubstanz. Es gibt Ausnahmen, die ich beobachtet habe, aber das ist eigentlich nicht der Fall, sondern nur abgestorbene Substanz, die er innerlich in seiner Darmpassage verarbeitet.

Regenwurm und Fische 00:56:35

Wie gesagt, da müsste man länger darüber reden, das würde eine ganze Vormittagsstunde dauern, wenn man das im Detail verfolgt, was das für ein weisheitsvoller Vorgang ist, der sich da abspielt mit dem Regenwurm. Er frisst nicht nur Pflanzensubstanz, sondern frisst auch Tonmineralien und Feinsand. Das braucht er für seine Verdauung, für den Magen, mit Feinsand und Grobsand. Das alles wird zermahlen in seinen Magen. Er sorgt sogar dafür durch Kalkausscheidungen, den Säuregehalt seiner Nahrung zu neutralisieren.

Sodass der Regenwurm-Code immer ungefähr pH 7 hat, wenn auch alles andere noch unter pH 7 ist - der Säuregrad ist damit gemeint - bei pH 6 oder 6,5 liegt, dann neutralisiert der Regenwurm pH 7. Er holt von unten nach oben die Erde herauf - entgegen der Schwere - aus seinen langen Röhren - die im Löss bis zu 7 Meter Tiefe gehen können - holt er das Material hoch und lagert es oben ab, bis zu 100 Tonnen pro Jahr pro Hektar. Er verjüngt unsere Böden von Jahr zu Jahr. Wir merken es nicht. Beim Ackerbau merkt man es. Im Grünland bemerkt man es sehr wohl.

Ich habe mich immer wieder gefragt, warum in den alten Kulturstätten der Menschheit - im griechischen Tempel oder irgendwo sonst in Sizilien oder wo auch immer so Altertümer rumliegen - warum die halb überwachsen sind, warum man sie eigentlich ausgraben muss. Das hängt mit dem Regenwurmleben zusammen. Die Regenwürmer bauen jedes Jahr die Erde durch ihre Ausscheidungen auf, dafür sinken die Steine. Gerade in kalkreichen Gebieten ist das besonders deutlich zu sehen, und das trifft für den ganzen mediterranen Raum zu. Der Regenwurm, der ist ein Plastiker des Erdig-festen, der plastiziert den Boden. Der schafft Hohlräume, durch die der Boden umso intensiver atmen kann.

Der Boden atmet wie Mensch und Tier, er atmet CO2 aus und Sauerstoff ein. Der Regenwurm sorgt aktiv dafür, wenn er sich senkrecht im Boden hochbewegt: In seiner Röhre pumpt er das Kohlendioxid, was schwerer ist als Luft, aus dem Boden heraus. Wenn er runter saust in seiner Röhre ziehen die Regenwürmer die Sauerstoff-Außenluft wieder in den Boden ein. Er fördert aktiv die Bodenatmung usw. Es sei nur angedeutet, hier haben wir es mit einem Reich zu tun, und der Regenwurm ist nur Repräsentant von vielen, vielen anderen Arten, auch Insektenlarven und was da an Larven im Boden leben. Alle haben diese Tendenz, in ihrem Larvenstadium so zu wirken, ähnlich wie der Regenwurm. So, das ist die eine Gruppe.

Die zweite Gruppe sind die Fische. Man fragt sich wirklich, was haben die Fische eigentlich für eine Bedeutung? Außer, wenn sie auf dem Teller liegen, schön zubereitet. Die Fische haben eine unglaubliche Organfunktion im gesamten Haushalt der Landwirtschaft, weil sie dem Wesen nach die Plastiker des Flüssigen sind. Zu jedem Hof gehört irgendein Teich oder zumindest ein Bachlauf, wo man wirklich dafür sorgt, dass da Forellen drin sind, wenn es ein sauberes Wasser ist.

Fische und Vögel 01:00:42

Oder er grenzt an einen See oder, wie hier, an einen Fluss, dass man sein Augenmerk lenkt auf das Reich der Fische, deren Dasein eine Organfunktion der gesamten umgebenden Landschaft bedeutet, dadurch, dass sie das Wasser tatsächlich durch ihre Bewegung plastizieren. Wenn Sie mal an einen Schwarzwaldbach herantreten, da kann man das beobachten und sehen, wie die Forellen da drin rumhuschen. Man sieht fast immer nur so einen Schatten, der sich durch das Wasser bewegt. Keine Welle, kein Nichts oben zu sehen. Da bewegt sich doch ein ziemlich großer Körper mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch das Wasser hindurch und verbirgt sich dann schnell irgendwo am Ufer.

Oder aber, die Forellen stehen vollkommen ruhig - wedeln nur ein bisschen mit der Schwanzflosse - gegen die Strömung und lassen das strömende Wasser an ihrer Schuppenoberfläche vorbei gleiten. Alles, was auch immer in Bewegung ist an einem Festen entlang, erzeugt Wärme. Das ist ein Wärmephänomen. Die Forelle steht gegen die Strömung, lässt die Strömung an sich entlanggleiten, hält sich ganz ruhig und da empfindet sie jetzt durch das strömende Wasser an ihrer Oberfläche eine Wärmestimmung, eine Lichtstimmung. Die Sonne strahlt ja auch ein in das Wasser. Da merkt man, dass das ein Organ, ein Element ist, auf das wir gar nicht verzichten können.

Ich möchte jetzt nicht im Detail au die Elementarwesen zu sprechen kommen, die nämlich mit diesen hier genannten vier Gruppen zusammenhängen. Das würde zu weit führen, das würde vielleicht irritieren. Die Fische sind Plastiker des Wässrigen.

Jetzt gibt es eine dritte Gruppierung, das sind die Vögel. Die Vögel, die durchschwirren und plastizieren die Luft, das Element der Luft. Sie sind die großen Plastiker der Luft. Wenn Sie hier auf dem Hof oder auch wo immer Sie sind möglicherweise, da sind Schwalben über den Sommer, vom Frühjahr bis zum Herbst.

Jetzt beobachten Sie mal die Schwalben, was sie eigentlich machen. Oder die Mauersegler. Den ganzen Tag, solange sie draußen gucken können, fliegen sie durch die Luft. Die Mauersegler machen unglaubliche Lemniskaten in ihren Flügen so durch die Luft. Sie plastizieren förmlich durch ihren Flug und durch die Strömungen, die sie dann erzeugen, das Element der Luft. Und jeder Vogel anders. Der Vogel - durch seine Tätigkeit - plastiziert er und bewirkt etwas.

Vögel und Insekten 01:04:08

Für uns sind die Auswirkungen fast nicht wahrnehmbar. Aber man merkt, wenn man einen Hof hat - ich habe das am Dottenfelderhof hier beobachtet -, dass sich allmählich eine Art Vogelglocke über dem Hof entwickelt. Viele Ornithologen kamen auf den Dottenfelderhof, weil man hier Vögel sieht, die man sonst nicht mehr sieht. Also eine reichhaltige, artenreiche Vogelwelt durch das Vorhandensein von Hecken, von Obstbäumen. Sie brauchen ja immer Bäume, wo sie zielvoll hinfliegen können.

Es entstehen Beziehungszusammenhänge zwischen Pflanzennatur und Baumnatur und den Vögeln, die da hineinfliegen in das Innere des Baumes, dort ihre Nistplätze haben und herausfliegen in die Landschaft und so das ganze Element, über das Luftelement, alles miteinander verweben. Das ist ein atmosphärisches Element, was zur Gesundheit einer Landwirtschaft beiträgt. Zuletzt haben wir noch die Insektenwelt. Das ist natürlich die artenreichste Klasse überhaupt im Tierreich.

Die Insekten, viele, viele Arten, die wir überhaupt nie sehen. Nicht nur, weil sie im Boden leben, sondern weil sie so klein sind, dass sie in der Luft oder auch erst spätabends deutlich in Erscheinung treten, wenn die Sonne untergeht oder morgens früh oder eben am helllichten Tag. Es sind ganz unterschiedliche Lebensbedingungen, die sie aufsuchen. Diese Insektenwelt kann man am besten studieren, wenn man die Bienen studiert. Die Biene neben dem Seitenspinner ist das einzige Haustier so richtig aus der Insektenwelt.

Da kann man ja sehen, was die Insekten so machen. Jede Insektenart trägt irgendwo einen Tätigkeitssplitter bei zum Ganzen. Die Insekten bestäuben natürlich am deutlichsten. Da gehören die Bienen dazu, indem sie ihren Rüssel hineinsenken in den Boden der Blüte und da an den Nektarien saugen, dann tun sie mit ihren hinteren Beinchen, wo die Pollen daran hängen, tun sie gleichzeitig die Narbe bestäuben an der Pflanze. Das ist ein Vorgang, wo man merkt, dass in der Natur alles auf Beziehungen beruht.

Beziehungen und Haustiere, die Gegenseitigkeit in der Natur 01:07:04

Alles steht in einem Beziehungsgeflecht. Das eine steht im Dienst des anderen. Es ist nicht so, wie Darwin gesagt hat, der Stärkste gewinnt in der Evolution, sondern alles beruht auf Gegenseitigkeit. Das eine ist für das andere da. Nicht das eine dient mir, dass ich es auffresse, wie die Laus als Blutsauger, sondern das eine steht jeweils im Dienste des anderen, genau umgekehrt. Die Insektenwelt plastiziert die Wärme. Die Insekten sind Wärmewesen. Allein schon daran erkenntlich, dass sie die Eier mitten in die Sonne legen. Die Sonne brütet die Eier aus.

Die Wärme ist ihr ur-eigentliches Lebenselement, obwohl die Insekten sowohl im Festen, im Boden zu finden sind, als auch in der Luft, als auch im Wasser und in der Luft. Überall sind Insekten, aber das eigentliche Element ist die Wärme. Daran kann man erkennen, dieses Prinzip der Wärme, dass sie alles durchstrahlt, alles durchwirkt und so den Insekten die Möglichkeit bietet, in der Erde, im Wasser, in der Luft zu leben. Diese Welt müssen wir im Bewusstsein haben.

Der Landwirt hat die Aufgabe, sein Beobachtungsvermögen für diese Welt zu schärfen und sich diesen Beziehungen, die sich da im Stillen abspielen, bewusst zu werden. Seine Handlungen entsprechend darauf einstellen, dass er hier eine Hecke pflanzt oder dort einen einzelstehenden Baum oder sonst was da irgendwo in die Landschaft pflanzt, um den jeweiligen jetzt dort gerne sich ansiedelnden Insekten oder Vögeln eine Heimstatt zu gewähren. So ist es mit dem Boden in Bezug auf die Regenwürmer und allem Übrige. Das möchte ich kurz erwähnt haben, dass wir nicht nur Haustiere halten, zu unseren Nutzen, sondern dass wir auch eine Wildfauna halten.

Das heißt, der Begriff des Haltens - Halt bedeutet sehr viel. Ich halte etwas im Bewusstsein und aus diesem Halten gestalte ich etwas, dass es draußen in diesem Lebenszusammenhang sich halten kann. Verstehen Sie, was ich damit meine? Ich halte es hier in mir in einem Bild - der ganze Zusammenhang ist mir gegenwärtig - und gleichzeitig sorge ich durch manche Maßnahmen dafür, dass es sich da draußen in der Natur selber halten kann. So, aber jetzt noch ein Wort zu den Haustieren.

Haustiere und Dünger, und die Bedeutung 01:10:36

Ich muss mir eine kleine Stärkung einverleiben. Nun könnte man jedes einzelne Haustier in seiner Bedeutung im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang des landwirtschaftlichen Organismus schildern. Das würde hier bei Weitem zu weit führen. Gerade an den Haustieren kann man deren Bedeutung für das Ganze, des Hofes studieren, und zwar durch das, was sie sind und was sie tun. Die meisten unserer Haustiere haben zunächst ganz zentral die Bedeutung, dass sie den Dünger liefern für den Hof, für den Organismus, für den Boden. Jedes einzelne dieser Haustiere trägt in dieser Hinsicht jeweils etwas ganz Spezifisches bei.

Das bezeichnen wir im engeren Sinne als den Dünger. Man spricht zwar heute von Gründüngung in der Landwirtschaft, wenn man Pflanzen unterpflügt, aber das ist keine Düngung in diesem Sinne. Der Begriff der Düngung bezieht sich immer auf die Tiere, auf die Ausscheidungen von der Stufe des Seelischen über das Lebendige bis ins Physische. Das ist der eigentliche Dünger. Unter diesem Gesichtspunkt hat jede Tierart eine Erzeugung eines spezifischen Düngers.

Das Pferd, die Bewegung, der Pferdedünger 01:12:32

Schauen Sie sich ein Pferd an, arbeiten Sie mit dem Pferd oder reiten Sie auf dem Pferd und beschäftigen Sie sich mit so einem tollen Tier, dann werden Sie bemerken, dass das Pferd ein Wesen ist, das zweifellos beseelt ist. Es reagiert ganz verschieden auf die Art, wie Sie ihm begegnen. Entweder schlägt es hinten aus mit einem Huf oder schüttelt den Kopf oder macht sonst eine Bewegung. Man kann nicht voraussagen, wie ein Tier reagiert auf irgendeine Handlungsweise von mir selbst. Daran kann man erkennen, dass da ein Seelisches wirkt.

Das Tier wird sich einer bestimmten Sache bewusst, es schreckt vielleicht auf und handelt dann entsprechend. Das Pferd ist ein Wesen, das charakterisiert ist, dass es sich gerne bewegt. Seine ganze Natur ist eigentlich Bewegung. Wenn Sie ein Pferd auf die Weide lassen im Frühjahr oder ausspannen, wenn Sie von der Feldarbeit kommen und sich frei bewegen dürfen, geht es richtig los. Entweder im gemächlichen Schritt, im Trapp oder tatsächlich im Galopp. Querbeet, dass hinten die Fetzen fliegen aus den Hufen und schmeißt ein Stück Grasnarbe hinter sich. Da ist Vehemenz.

Das Pferd ist ein Bewegungstier, durch und durch und erlebt sich in der Bewegung. Die Bewegungen sind schön und edel. Die edelsten Bewegungen, die wir im Säugetierreich haben, finden wir bei den Pferden. Unglaublicher Adel, der sich da äußert in der Art, wie die Pferde jetzt ihren doch ziemlich großen, massigen Körper durch die Welt bewegen. Eine unglaubliche Harmonie ist in diesen Bewegungen drin. Da stimmt alles zusammen. Da muss man sagen, das ist jetzt ein Ausdruck ihres Seelischen. Ein Ausdruck ihres Seelischen ist diese Art von sich so oder so zu bewegen.

Wenn Sie jetzt sehen, was fressen diese Pferde, es sind auch Pflanzenfresser, aber keine Wiederkäuer. Sie haben einen spezifischen Verdauungsgang, der sehr seltsam ist, weil er nämlich sehr kurz, beziehungsweise sehr klein ist. Kleiner Magen, relativ kleiner Magen. Sie müssen deswegen bis zu 16 Stunden am Tag fressen. Die Pferde fressen mit am längsten am Tag im Vergleich z.B. zu den Kühen, weil der Verdauungsprozess ständig unterhalten werden muss. Dazu diese Bewegung nach außen.

Sie erzeugen über diesen - vor allen Dingen durch die Endverdauung im Blinddarm, im Riesenblinddarm, einem Sack - Enddarm einen Dünger, der sehr rohfaserreich und sehr stückstoffreich ist, also ammoniakhaltig ist. Man riecht den ätzlichen Geruch vom Pferdemist, der sehr hitzig ist. Das ist ein hitziger Dünger. Ich habe gesagt, man muss das Pferd anschauen in seinen Bewegungen, um zu verstehen, dass dieser Dünger hitzig ist. Dass dieser Dünger als Dünger unglaublich scharf und wirksam ist.

Ich habe ihn früher ins Frühbeet genommen, den Pferdedünger, und dann Erde darauf gepackt und die Frühjahrspflanzen schon im Februar rausgesät. Das war so gut wie ein Gewächshaus. Die Wärme hat die Pflanzen aus der Erde getrieben und das war Wärme aus dem Pferdemist. Ein hitziger Dünger.

Das Schwein und sein Dünger 01:16:57

Wenn Sie den Schweinemist nehmen, da haben Sie ein Tier, das ein Allesfresser ist. Omnivore. Die Schweine scheuen vor nichts zurück. Die heben nicht wie das Pferd den Kopf übers Rückgrat wodurch sie heller in ihrem Bewusstsein sind, sondern sie halten den Kopf runter und wühlen mit ihrer Schnauze die Erde durch. Das ist ein wühlendes Tier, das erlebt sich da, die Erde durchzupflügen und nach irgendwelchen Larven oder sowas zu suchen. Dieses Schwein ist auch erstaunlich lebendig.

Das ahnt man gar nicht mehr, wie lebendig die Schweine sein können, also schnell beweglich. Bei den heutigen Züchtungen können Sie das kaum noch erklären, nur bei den Ferkeln. Wenn die Ferkel geboren werden, dann haben die immer noch diese unglaubliche Schnelle. So zack, zack. Es gibt eine Geschichte, die ist angeblich verbürgt. Da hat der dolle Blomberg, das war im Ruhrgebiet einer, der alle möglichen Sachen gedreht hat. Der hatte mit einem Grafen, einem Rennstallbesitzer, eine Wette abgeschlossen, ob seine Rennpferde schneller sind als seine Schweine.

Der Rennstallbesitzer sagt, selbstverständlich, das ist gar kein Problem. Die Wette habe ich schon gewonnen. Da hat der dolle Blomberg dem Grafen gesagt: ja, ja, gib mir mal vier Wochen Zeit.“ „Na ja, die kannst du gerne haben, machen wir in vier Wochen.“ Was hat der Blomberg gemacht? Der hatte Schweine - das war das deutsche Edellandschwein - nicht die heutigen Züchtungen. Das war noch ein Weideschwein. Er hat jeden Tag den Futtertrog ein bisschen weiter von der Startstelle ausgerückt. Und so vier Wochen lang, immer weiter.

Jeden Tag mussten die Schweine ein Stück weiter laufen bis zum Futtertrog hin. Nach vier Wochen stand er an der Enddistanz. Dann ging das große Rennen los. Tatsächlich, die Schweine können ja rennen, man hält das nicht für möglich. Man sieht die Beinchen nicht mehr. Die stürmen los zu ihrem Futtertrog und haben die Rennpferde abgehängt. Die haben gewonnen. Das können die Schweine.

[Publikum:] Sie kennen doch das Wort Schweinsgalopp.

[Manfred Klett:] Wie bitte? Schweinsgalopp. Schweinsgalopp? Schweinsgalopp, nein das kenne ich nicht.

Schweine, Hühner und Rinder 01:19:57

Die Wildschweine haben heute noch in den Wäldern ein unglaubliches Bewegungsgebiet, wo sie sich über Nacht 40 Kilometer weit durch die Wälder schlagen. Das Schwein hat einerseits diese Bewegungsfähigkeit, andererseits ist es ein Tier, was ständig verdaut und hat die Tendenz, diese Energie, die da frei wird, in die Leibesbildung in sich aufzunehmen, also fett zu werden, Muskulatur anzusetzen und so weiter. Dieses Schwein als Omnivore verdaut nun so stark für das, was es tut, dass es sehr viel von der Nahrung verbraucht für sich selbst. Das ist wie bei einem Hund. Hundemist, da rümpft man die Nase. Beim Schweinemist - je nachdem, wie die Schweine gefüttert werden - rümpft man auch die Nase.

Das ist heute vielfach eine Verpestung der Landschaften bei den großen Schweinehaltungen. Das hängt damit zusammen, dass die Schweine viel mehr von den aufgenommenen Nährstoffen für sich selbst beanspruchen, für ihr ganzes intensives Leben. Schweine sind intensiv, sie haben ganz wache Augen. Wenn sie mal die Ohren so ein bisschen nach hinten schlagen, und gucken mal wirklich in die Augen, die gucken Sie an. Zwar nicht mit beiden Augen, aber mit einem. Die sind blau vielfach, blau gefärbt und haben einen ganz deutlichen Blick, ganz gezielt. Das ist ein sehr, sehr waches Tier.

Das ist heute ein Dünger, den man nicht gerne ganz allein als Dünger in der Landwirtschaft einsetzt, sondern als Untermischung mit allen übrigen. Der Schweinedünger wurde bezeichnet als der kalte Dünger im Verhältnis zum Pferdedünger. Der kalte Dünger, der insbesondere gerne auf Sandböden eingesetzt wird. Dann gibt es den Hühnerdünger.

[Publikum:]  Was ist die Erklärung vielleicht für einen kalten Dünger?  Die Erklärung für einen kalten Dünger, gibt es da irgendwie einen Ansatz?

[Manfred Klett:] Er erhitzt sich nicht so leicht wie der Pferdedünger. Der Stickstoff liegt da in anderen Verbänden. Das Schwein hat das Eiweiß, hat da alles rausgeholt, was da an Stickstoff ist, und für sich verbraucht. Daher setzt es ja Eiweiß an, in Form von Fleisch und so weiter. Der Schweinedünger hat zwar noch einen gewissen Stickstoffgehalt von 0,4%, wie auch der Kuhmist, aber da spielen sich zunächst keine Umsetzungen nachträglich ab, die erwärmend wirken. Also die Mikrobentätigkeit ist zunächst sehr zögerlich und daher eben kalt.

Hühnerdünger und Vögel 01:23:25

Jetzt der Hühnerdünger: Das Huhn ist wiederum ein Vogel, ein Laufvogel. Das Eigenartige bei allen Haustieren ist, dass - ob sie nun Tiere sind wie die Vögel, nämlich Kopftiere … Wenn Sie einen Vogel angucken, einen Adler, einen Bussard oder eine Meise, so werden Sie sehen, dass der Stoffwechselteil dieses Vogels sehr unterbelichtet, sehr unterentwickelt ist. Die Vögel verdauen rasend schnell und sehr schlecht, sodass die Ausscheidungen der Hühner vielfach so reichhaltig sind als Nährstoffe, dass man den Hühnerdünger trocknet und den Rindern zum Fressen gibt.

Das machen die Amerikaner, das machen die Israelis in den großen Massentierhaltungen. Die füttern als Teil, da kommt noch ein Luzernehäute dazu oder so, aber im Wesentlichen eben auch Hühnermist, weil der so nährstoffreich ist. Das ist natürlich die letzte Verrücktheit, sowas zu machen, aber so ist es eben. Die Vögel verdauen rasend schnell. Im Grunde genommen ist der Vogel seiner Natur nach, ein reiner Kopf. Schauen Sie sich einen Vogel an, da setzt sich der Kopf im übrigen Organismus fort, schließt sich ab, alles zusammengedrängt. Das Skelett vom Vogel ist verwachsen, das Brustbein mit den Rippen, mit dem Rückgrat, alles ist zusammengewachsen.

Das ist praktisch wie ein Kopf. Wenn Sie in die Augen eines Huhns oder eines Vogels schauen, dann werden Sie sehen, dass Ihnen da etwas begegnet, was Furcht erzeugen kann. Haben Sie mal einem Raubvogel in die Augen geguckt? Ein unglaublich stechender Blick. Also wirklich, da sind Sie selber schon fast Beute. Das sind reine Nervensinnestiere, die Vögel. Und jetzt durch die Haustierwerdung hat man den Vogel zu einem stoffwechselaktiven Tier gemacht. Das, was sonst in die Nervensinnesorganisation geht, hat man jetzt aufgebläht, in den Stoffwechselpol, durch entsprechende Fütterung, sodass ein heutiges Legehuhn, eine heutige Hybridzüchtung auf 220 bis 260 Eier pro Tier in einem Jahr kommt.

Eine wahnsinnige Stoffwechselleistung. Das widerspricht dem Vogel in dieser Weise. Der Mist, der dann entsteht - darauf wollte ich noch kurz zu sprechen kommen - ist praktisch fast ein halber Mineraldünger. Hoch stickstoffhaltig bis zu 10%, er hat auch noch relativ hohen Phosphorsäuregehalt, geringeren Kaligehalt, ist ein Dünger, bei dem die Endstoffe so mineralisiert sind, dass sie tatsächlich so zügig und unmittelbar wirken wie irgendein leichtlöslicher Mineraldünger. Deswegen muss der Hühnerdünger eingemischt werden, in die üblichen Dünger, die auf dem Hof anfallen.

Ziegen, Schafe und Rinder und spezifischer Dünger 01:27:13

Sie sehen, alle unsere Haustiere erzeugen gemäß dem, was sie selber sind, einen ganz spezifischen Dünger. So ist es mit den Schafen, so ist es mit den Ziegen. Man kann das schon äußerlich daran sehen und studieren, dass immer, wenn ein Tier den Kopf über dem Rückgrat hält, … die Ziege zum Beispiel, die Ziege ist fast wie ein Reh, das äugt so. Die Ziege ist ganz in den Augen der Umgebung, wie die Gämse. Während das Schaf, hängt den Kopf runter, die Ohren klappen über die Augen und sind ganz da unten und grasen da in aller Ruhe und Gemächlichkeit.

Die Ziege springt von einem zum anderen, kaum dass sie da ein Blättchen erwischt hat, ist schon interessiert woanders sich ein anderes Blättchen zu holen. Also ständige Bewegung im Fressen und der Kopf ist über dem Rückgrat. Wenn das der Fall ist, ist das ein Zeichen, dass der Nervensinnespol viel stärker ausgebildet ist bei diesen Tieren als der Stoffwechselpol. Der Nervensinnespol bedeutet Wachheit, während wenn der Kopf unter dem Niveau des Rückgrats ist, dann entsteht so etwas wie eine Art Dumpfheit des Bewusstseins, mehr ein träumendes Bewusstsein.

Das prägt die Düngerqualität. Der Ziegendünger ist sehr viel mehr ein Dünger, der die Pflanzen zum Blühen bringt. Während der Schafsdünger mehr ein Dünger ist, der die Pflanzen zum Wachsen bringt. Das sind zwei ganz unterschiedliche Vorgänge.

Das Rind als König 01:30:02

Unter den Wiederkäuern ist das Bedeutsamste aller Haustiere - die Königin oder der König aller Haustiere - das ist das Rind. Das Rind ist evolutiv ein großes Rätsel. Man kann heute sagen, wann ungefähr die Pferde zum ersten Mal in Erscheinung getreten sind. Im früheren Tertiär, zum Beispiel im Eozän, das ist eine geologische Angelegenheit. Sehr früh waren die Urpferde da, die waren so groß, die Urpferdchen. Das hat man hier gefunden bei Darmstadt, in der Grube Messel hat man die wirklich gefunden, diese Urpferdchen, also sehr alt.

Sie haben durch das ganze Tertiär eine Entwicklung genommen, dass sie erst im oberen Miozän langsam zu der Größe herangewachsen waren, wie heute die Pferde sind. Das Rind war damals noch überhaupt nicht da. Die ganze Entwicklung der Mammalia, der Säugetiere, die hat sich eigentlich entwickelt. Ganz zuletzt kommen die Wiederkäuer und als allerletztes das Rind. Und zwar im Übergang vom Tertiaire in die Eiszeiten, die frühen Eiszeiten, da taucht das Rind und taucht der Mensch auf. Der Mensch war schon immer da, wie auch das Rind immer da war, nur dass es jetzt erst in die physische Erscheinung tritt.

Die Heiligkeit des Rindes 01:31:48

Das ist ein Urphänomen der Evolution, dass die Rinder - die Wiederkäuer generell, aber insbesondere die Rinder - die Spätlinge der Evolution sind. Das andere Phänomen ist, dass das Rind zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte, soweit man das überhaupt überschauen kann, ein heiliges Tier war. Es war das Opfertier schlechthin und zwar seit frühesten Zeiten. Man kennt es heute noch bei den Hindus in Indien, dass das Rind gleichsam ein Anrecht auf das Dasein hat wie der Mensch. Wenn es irgendwo rumläuft auf der Straße, dann läuft es da rum, dann scheucht es niemand weg, auch auf der Autobahn nicht.

Da fahren alle außen rum und wehe, wehe, ein Mensch fährt ein Rind an. Das heißt, das Rind per se ist heilig. Wenn Sie die Mythologien der Völker in dieser Hinsicht durchforsten - zum Beispiel die ganze ägyptische Mythologie - dann spielt gerade in dieser Zeit, die ja unter dem Sternenbild des Stiers stand - die ganze ägyptische Kultur - erscheint das Rind sozusagen göttlich. Die Himmelsgöttin - Hathor, hieß die bei den Ägyptern - wurde dargestellt als Kuh mit nach oben geschwungenen Hörnern und zwischen diesen Hörnern war die Sonnenscheibe. Die Hörner umschlossen gleichsam die Sonnenscheibe, golden.

So findet man gerade in diesen älteren Mythologien der Völker eine ungeheure Nähe des Menschen zum Rind oder des Rindes zum Menschen. Die Hirtenvölker, die ja ihren Repräsentanten Abel haben - Altes Testament, der Abel war ein Hirte und er ist der Repräsentant der Hirtenvölker. Die Hirtenvölker haben sich im Wesentlichen mit dem Rind abgegeben, natürlich auch mit Schaf und Ziege, aber im Wesentlichen mit dem Rind, seit Urururzeiten.

Die Ackerbauvölker, das waren ganz andere, die haben sich nicht mit dem Rind abgegeben, die haben sich mit der Pflanze abgegeben. Man sieht daran, dass das Rind eine ganz eigene Evolution hat in Menschennähe. Seine Haustierwerdung ist natürlich verbunden mit der Sesshaftigkeit. Es war schon immer Herdentier unter den Hirtenvölkern, seit Urururzeiten. Aber dass es Haustier geworden ist, das bedeutet, dass der Mensch sesshaft wird. Das war eben im 8. bis 5. Jahrtausend v. Chr. der Fall, im urpersischen Übergang von der urindischen Kultur.

Dort wird die Menschheit immer mehr sesshaft und hält jetzt das Tier. Man hält das Tier. Es ist nicht mehr in der freien Wildbahn, sondern man hält das Tier. Man hält es bei sich, möglicherweise unter einem Dach, wie bei den Kelten und Germanen, aber die Menschheit hält das Tier. Dieses Rind - das kann man heute noch der Kuh ansehen, obwohl sie so verzüchtet ist, in vieler Hinsicht - ist ein Haustier, was absolut abhängig ist vom Menschen, dass man es gar nicht verantworten kann, es irgendwie in die freie Wildbahn zu entlassen, es ist nicht lebensfähig in freier Wildbahn.

Das Rind als Haustier 01:36:01

Es ist wirklich in viel höherem Grade als jedes andere Haustier - möglicherweise noch der Hund - abhängig von Menschen. Der Mensch entscheidet über seine Geburt und der Mensch entscheidet über den Tod. Bei allen Haustieren natürlich, aber da ist es ganz besonders. Das hängt mit dieser ganzen Opferungsfrage zusammen, in der früheren Zeit, dass man dem Tier - eben ganz bewusst, um den Göttern zu opfern - das heißt, dem zu opfern, zu dem diese Tiere eine besondere Beziehung hatten, daher die Göttin Hathor, Himmelsgöttin. Man hat noch im Tier etwas erlebt von seinem eigentlichen geistigen Ursprung, wo die Tiere eigentlich beheimatet sind, übersinnlich.

Diese Kuh halten wir in unseren Höfen als die eigentlichen Zentralorgane, gleichsam als die Herzen unserer ganzen Landwirtschaft. Das waren sie schon immer gewesen - zumindest seit es Sesshaftigkeit gibt - dass das Rind das eigentliche Herz gewesen ist, in einem landwirtschaftlichen Zusammenhang. Wenn man das Rind betrachtet, in seiner Funktion, in dem, was es tut, dann bemerkt man, dass es ja der zentrale Pflanzenfresser ist. Ungeheure Massen, die da verschwinden in diesem Rind, in diesem Riesenpansen. Acht Stunden am Tag frisst das Rind, und acht Stunden am Tag verdaut das Rind, was sie da in dem Pansen aufgenommen hat.

Wenn Sie rausgehen auf die Weide und verfolgen auf einem Hof eine gute Rinderherde - eine gute Rinderherde heißt, dass alle Tiere ungefähr dasselbe machen. Die heutigen Herden sind nicht mehr gute Herden, weil sie meistens von Auktionen zugekaufte Tiere sind, oder künstlich besamt von irgendwelchen Bullen von irgendwoher in der Welt. Wenn man wirklich eine Herde aufbaut - züchtet auf einem Hof, aus den Blutlinien der Mitte heraus, mit ab und zu Zukauf eines Bullen aus der Region, dann baut sich ein Herdenorganismus auf.

Das ist das Wichtige, dass man einen Herdenorganismus hat, dass die Tiere, die zu einer Herde zusammengefasst sind, alle in etwa zur selben Zeit dasselbe tun. Wenn Sie so eine Herde begleiten, raus auf die Weide - das Leittier vorneweg - dann ordnet sich das so hintereinander, ziehen einreihig erstmal über ihren Weg bis zur Weide, verteilen sie sich und fangen an zu fressen. Anschließend ziehen praktisch alle Tiere in eine bestimmte Richtung, und dann plötzlich in diese Richtung und wieder in eine andere Richtung.

Das Fressverhalten der Rinder 01:39:37

Die Tendenz ist da, dass die Tiere mehr oder weniger immer dasselbe tun, fressen, fressen, fressen, relativ rasch reißen sie, rupfen sie das Futter ab, sie beißen es ja nicht ab. Beißen können sie gar nicht richtig, weil sie im Oberkiefer keine Zähne haben, nur im Unterkiefer - drücken Kiefer aufeinander, und rupfen sie das Gras ab - also relativ schnell alle zusammen - plötzlich haben sie genug gefressen, dann gehen sie zur Tränke, eine nach der anderen. So ist da ein ganz bestimmter Herdenrhythmus, das macht eine gute Herde aus, dass da ein eigener Herdenrhythmus waltet. Darauf muss man sein Augenmerk lenken.

Die Kühe fressen relativ rasch im Vorwärtsschreiten. Sie laufen über die Weide. Da trampeln sie viel nieder, wenn es zu hochgewachsen ist. Da muss man aufpassen, dass man rechtzeitig genug weidet, also dass das Gras nicht mehr als 10 cm hoch wird, dann ist es schon fast zu spät, dann bilden sich schon Halme. Dafür muss man eine Herde haben, die noch viele ursprüngliche Qualitäten bewahrt hat. Die fressen auch das Halmartige. Die heutigen Hochleistungskühe, die fressen am liebsten das Futter, das zwischen 5 und 7 cm hoch ist. Aber es ist relativ rasch, und dieses Futter ist übrigens sehr eiweißreich. Das kann man verstehen, junges Futter. Die Kühe umfassen das Gras auch gerne mit der Zunge, und nehmen es auf ins Maul.  Die Zunge wischt dann über das Schlotzmaul. Haben Sie das mal beobachtet? Die wischen das Schlotzmaul - da hängen lauter feine Tröpfchen, die schwitzen sie förmlich aus oder sondern sie aus, aus den Drüsen des Schlotzmauls.  Schon da nehmen sie wahr, was sie da gerade gefressen haben.

Die Verdauung der Rinder 01:42:24

Schon über die Reaktion des Schlotzmauls scheidet sofort aus, denn über die Zunge schmecken sie, ist das was, oder ist es nichts. Deswegen haben die Kühe ein ausgesprochenes Selektionsvermögen für das Futter. Sie nehmen es auf, in das Maul. Die Schneidezähne spielen keine große Rolle mehr, sondern die Backenzähne. Da schieben sie das Futter ein paar Mal hin und her, von rechts nach links, malen, und scheiden aus diesen gewaltigen Drüsen - die hier sitzen, im Unterkiefer, im Oberkiefer, und unter den Ohren - aus diesen gewaltigen Drüsen scheiden sie ihren Speichel aus. Es geht alles ziemlich rasch, dann wird es abgeschluckt, ist es erstmal weg. Sie fressen weiter, dann kommen die nächsten Batzen, und es geht alles runter in den Pansen, durch die Schlundröhre.

Der Pansen ist jenseits des Zwergfells, unter dieser Trennung, von der mittleren Herz-Lunge-Region, in der Stoffwechselregion. Da ist das Zwergfell, da geht es durch, und dahinter, in dem Bereich des Stoffwechselorganismus lagert vom Zwergfell bis in die Beckenhöhle dieser mächtige Sack von 150 Litern Inhalt, der Pansen. Ein Riesensack. Da stopfen die jetzt das alles rein, über die Haube, es geht also über den Pansen, darauf sitzt die Haube, und der sogenannte Schleudermagen. Von dort wird das förmlich in den Pansen hineingeschleudert, und dort findet diese erste Vergärung statt.

Das Wiederkäuen 01:44:13

Dazu muss die Kuh ruhen. Wenn diese Vergärung ein bestimmtes Maß erreicht hat, holt sie aus dem Pansen eine Portion nach der anderen wieder herauf ins Maul und fängt an wiederzukäuen. Wenn die Kühe wiederkäuen, legen sie sich hin, dann fressen sie nicht mehr. Man sieht es oft, dass sie noch stehen, und wiederkäuen, oder eben im Liegen in vollständiger Ruhe. Ein Batzen nach dem anderen wird hochgeholt, und zwischen den Mahlzähnen jetzt hin und her geschoben.

Je nachdem, was für Futter es ist, 30 mal Wiederkäuakte, 40 mal bei Raufutter, 50 - 60 mal, dass es hin und her geschoben wird, und ständig eingespeichelt. Die Kühe haben ein Speichelvolumen bis zu 60, 80, 90 Liter am Tag. Unglaubliche Massen, die das Futter aufschließen und eine erste Anregung für die mikrobielle Verdauung abgeben. Dann schluckt die Kuh das Futter wieder ab. Wenn es genügend vorverdaut ist, geht es direkt in den Drüsenmagen am Pansen vorbei, durch den Psalter - das ist der Blättermagen - dann geht es in den Drüsenmagen, da geht die Verdauung weiter.

Abschluss und Ausblick 01:46:04

Ich würde sagen, wir machen jetzt Schluss, denn ich komme sowieso nicht zu Ende mit dieser ganzen Verdauungsfrage. Ich möchte morgen gerne diese Frage der Düngung durch das Haustier abschließen, und dann übergehen zu der Präparaten-Düngung und Präparaten-Fragen. Also dann, vielen Dank für die lange Aufmerksamkeit.

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