Biodynamische Bienenkunde, Teil 2, ein Vortrag von Johannes Wirz, 2023

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Teil 2/4 Bienenkunde-Vortrag von Dr. Johannes Wirz am 18. Januar 2023 in der Landbauschule Dottenfelderhof. Auf das Bild klicken und zum Film auf youtube gelangen
Folge 1 - 2 - 3 - 4

Transkription des 2. Teil Artgerechte Bienenhaltung vom 18. Januar 2023

Bewusstsein und Spiritualität früher Kulturen 00:00:21

Johannes Wirz

Ich möchte in diesem zweiten Teil ein bisschen eine Art Kulturgeschichte oder Bewusstseinsgeschichte der Bienenhaltung machen und dazu muss ich ein bisschen ausholen. Bis vor kurzer Zeit hat man geglaubt, es hätte dieses Jäger-Sammler-Dasein gegeben und dann sei die Landwirtschaft entstanden. Ausdruck war die Neolithische Revolution. Heute wissen wir, dass es nicht so war. Es gab bereits Dörfer und Städte, bevor es Landwirtschaft gab. Und Landwirtschaft wurde an vielen Orten ausprobiert, zum Teil fortgesetzt, zum Teil wieder aufgegeben.

Aber das Grundprinzip war so, bewusstseinsmäßig – das ist jetzt nicht anthroposophisch, sondern anthropologisch und ethnologisch –, dass es eine Phase gab, die ganz sicher mit den Sammlerinnen und Jägern zusammengehangen hat, wo offensichtlich ein Bewusstsein so geartet war, dass man nicht nur Pflanzentiere, Berge, Steine und Flüsse gesehen hat, sondern auch die Geister in Pflanzentieren, Steinen und Flüssen. Also war es eine Art Mix von einem geistigen Wahrnehmen von Wesen in den Naturerscheinungen.

Und diese Kultur wurde von Claude Lévi-Strauss, es war ein wichtiger Anthropologe, der nämlich gesagt hat, wenn wir verstehen wollen, was die sogenannten primitiven Völker machen, müssen wir lernen, mit den Augen dieser primitiven Völker zu schauen. Und plötzlich hat man dann festgestellt, dass sie nicht primitiv waren, sondern unglaublich weise. Also es war nicht mehr so: Halbaffen und wir, vor allem die Europäer natürlich, die Höchstentwickelten, sondern man hat entdeckt, dass die zum Beispiel Landwirtschaft betrieben haben, Polykultur. Die ersten Anthropologen im Urwald haben gesagt, das ist ein totales Chaos, die kommen nicht raus. Dann hat man gemerkt, die kennen 90 verschiedene Pflanzenarten und wissen, wie das unsere Großeltern noch gewusst haben, wenn man Zwiebeln und Lauch zusammensetzt oder, ich weiß nicht wie, ist es gut, weil die gegenseitig ein bisschen Schädlinge abhalten und so weiter. Also hochentwickelt, aber eben in diesem Bewusstsein, dass sie immer nicht nur mit sozusagen materialtoten Objekten zu tun hatten, sondern mit Beseelten oder Begeisterten. Und es ist ganz klar, wenn das innere Verhältnis so ist, dass ich in einer Pflanze oder in einem Tier noch eine Art Wesen anspreche, gehe ich anders um, als wenn ich denke, es ist eine Milchmaschine oder eine Fleischmaschine, ganz klar.

Die Höhlenmalerei von Cueva de la Araña 00:03:25

Johannes Wirz

Gut, und ich finde es wunderbar, dass das erste Bild, das wir heute kennen, über eine Beziehung von Bienen und Mensch, dieses Bild ist. Es kommt aus der sogenannten Cueva de la Araña, Spinnenhöhle, in der Nähe von Valencia. Und ich finde es sowieso sehr speziell, dunkel, dass es knallt. Also wie die dort überhaupt Licht reinbringen konnten, um zu malen, ist mir schleierhaft. Sie hatten keine Pinsel, sie hatten keine Bleistifstifte, nichts. Und haben da so etwas gemalt oder Cro-Magnon, kennt man vielleicht auch, wunderbare Felsmalereien. Und diese Bilder zeigen etwas ganz Bestimmtes. Und ich möchte gerne einfach sagen, was fällt euch da auf, wenn ihr dieses Bild anschaut?

Publikum

Wenn ich es anschaue, ich stehe jetzt genau davor gerade, dann sehe ich dort eine Frau mit einem Korb, die Laufblätter, das sind Bienen, eine Bienenhöhle und Bienen fliegen dort herum. Vielleicht ist das auch eine Art Leiter, wie einige Deutsche es nennen, ein Baumstamm.

Publikum

Die Bienen sind interessanterweise ziemlich groß.

Johannes Wirz

Ja.

Publikum

Und das, was sie in der Hand hat, dieses Korbmäßige, das ist absolut spezifisch detailliert. Das ist nicht irgendwas.

Johannes Wirz

Es gibt also Gegenden, wo es wahrscheinlich wenig Bäume und dafür vielleicht mehr Höhlen und Felsen gibt. Und wenn wir hören, Valencia, keine kalten Winter. Also da war die Frage, wie geht man in einer sehr kalten Jahreszeit als Bienenvolk mit der Situation um, die ist dort nicht so streng, wie sie bei uns vor 100 Jahren noch war. Also es fällt auf, die Bienen sind sehr groß. Meine Kinder, als ich denen gezeigt habe, dass sie so waren, haben sie gesagt, das ist eine schlechte Zeichnung. Das kann ja nicht sein, dass so ein Männlein da ist und so ein Bien.

Das Zweite, das ist ja deutlich, dieses Bienenvolk ist auf Augenhöhe von dieser Sammlerin. Ich habe auch immer den Eindruck, es schaut wahnsinnig eher wie eine Frau aus, aber ich bin ziemlich sicher, dass Männer auf Strickleitern hochgeklettert sind. Und es gibt ja in Nepal noch eine Tradition, wo immer noch so geimkert wird. Da gibt es die sogenannte Apis dorsata, die Riesenbiene. Und die kann Waben machen, so groß. Also einen Meter Durchmesser. Und aus dieser Wabe haben sie Brut, haben die Vorräte und alles. Und Nepal, das ist ja sehr hoch, das sind also Bienen, die auf den Winter hin wegziehen aus den Bergen in die Täler runter. Und dort werden diese Riesenwaben geerntet und dann schmeißt man von den Felsen Strickleitern runter und klettert dann da runter dorthin. Das ist noch anspruchsvoller als die Waldbienenhaltung, von der ich gesprochen habe. Also ein ziemliches Unterfangen. Und eben dieses auf Augenhöhe bedeutet, ich stehe nicht drüber und nicht drunter, sondern ich bin dabei. Deshalb hat man gesagt, horizontale Kultur. Und ich bin überzeugt, dass in dieser Zeit tatsächlich man nicht einfach gesagt hat, hol ich Honig, sondern es wird gefragt, darf ich ein bisschen Honig ernten.

Exkurs: Der biodynamische Bisonfarmer 00:07:44

Johannes Wirz

Und ich möchte einen kurzen Einschub machen einer für mich wahnsinnig dramatisch berührenden Geschichte. Wir hatten mal in Dornach in einer landwirtschaftlichen Tagung einen Bisonfarmer, der Biodynamiker war. Also der hat Fleisch produziert mit diesen Wildtieren und aber seine ganze Grünlandwirtschaft und so weiter biodynamisch gepflegt. Und er hat erzählt, wie er auf die Weide geht. Und er hatte so aus Büffelknochen und Adlerfedern so ein Ding, das schaute fast aus wie ein Engel. Und dann hat er gesagt, wenn ich ein Tier schlachten will, dann muss ich mich drei Tage vorbereiten. Also nicht hoppla-hopp, sondern so eine Art innerer Weg gehen. Und am dritten Tag ging er dann mit diesen Knochen und Federn hin und hat irgendwie denen gewunken. Ich weiß nicht genau, das hat er gelernt von Indianern. Und dann erzählt er, dass eigentlich immer sich plötzlich ein Tier aus der Herde herausbewegt hat. Seine innere Frage war, darf ich ein Tier schlachten. Eines geht weg und dann geht er zu diesem Bison-Wildtier, Hand um den Hals und mit dem Messer Halsschlagader auf. Tönt irgendwie brutal und gleichzeitig ist da eine Art, fast eine sakrale Handlung. Und dann hat er erzählt, lasse ich das Tier liegen, damit sich die Herde verabschieden kann. Und wenn man ihm zugehört hat, hat man gemerkt, das stimmt, das ist nicht einfach so dahergesagt.

Und die Dramatik, die dann war, es gab ein Projekt bei uns in der Sektion für Landwirtschaft, wo Mitarbeiterinnen gefragt haben, wie funktioniert Biodynamisch auf verschiedenen Ländern in verschiedenen Kulturen. Und es ist eben spannend zu sehen, ob man so eine Grundlage hat, die überall gleich ist. Also Präparate, die Frage Tier pro Fläche, bla bla bla, das kennt ihr alle besser als ich. Das ist überall gegeben, aber das Wie ist anders. In Indien muss man unbedingt Kompost feucht halten in Gruben, sonst geht da nichts. Man kann nichts kompostieren. Und in Afrika versucht man, die traditionelle afrikanische Landbauweise der Agrikultur mit dem Biodynamischen zu verschmelzen. Und er da in den USA hat eben auch Versuche, einerseits diese traditionelle indianische Bisonhaltung mit der Biodynamik zusammenzubringen. Und ich sage das gerne, um zu zeigen, es gibt so viele Freiheitsgrade. Es gibt nicht das Schema wie Kartonschachteln X, Y und Z, sondern es gibt eine Art Rezept, eben Präparate, Kompostierung und so weiter. Und dann ist es so ein bisschen eine künstlerische Frage, wie mache ich es konkret. Und es kann an einem Ort ein bisschen anders sein als am anderen. Und ich weiß natürlich, dass das für Demeter Deutschland ein Horror ist. Also wenn jemand Richtlinien hat, die eingehalten werden müssen, in diesen deutschsprachigen Ländern, auch bei uns in der Schweiz. Das ist manchmal die Katastrophe. Der Stall ist zehn Zentimeter zu klein. Was soll ein Bauer machen mit einem alten Bauernhaus? Also unglaublich.

Auf alle Fälle zurück zu diesem Bisonfarmer. Die haben den besucht und eben das erfahren und es auch wunderbar beschrieben, so wie er das erzählt hat. Und dann, zwei Monate später, sitzt er so auf einer Bank, macht aus einem Bisonknochen wieder so ein Winkwerkzeug mit dem Messer, mit dem er die Halsschlagader aufschneidet, schnitzt da und schneidet sich hier die Beinarterie durch. Sagt, ich bleibe. Und verblutet wie die Tiere auf der Weide. Ich will da nichts draus machen, es hat mich so berührt irgendwie, dass er mit dem gleichen Instrument, mit dem er Leben genommen hat, dann auch sein Ende gefunden hatte. Und diese tiefe Verbundenheit, eben Augenhöhe, hat er dort gepflegt, wahrscheinlich wie Tausende von Jahren die indigenen Völker in den USA das auch gemacht haben. Und so stelle ich mir vor, war das eben auch hier zu Beginn. Natürlich hat man Honig geerntet und wir wissen, an vielen Orten, übrigens auch in Nepal, wo es diese Form gibt, das kann man auf YouTube sehen, Honey Hunters, und es gibt ein wunderschönes fotografisches Band, die wollten natürlich auch was. Und die haben nicht nur Honig gegessen, sondern auch die Maden, aber insgesamt war es eine Art heilige Handlung. Es war nicht einfach ruck, zuck, bumm, sondern das war noch verbunden mit dieser ganzen Sache, den Geistern, die das geschaffen haben und die in den Dingen leben.

Der Wandel in Ägypten: Von der horizontalen zur vertikalen Kultur 00:13:29

Johannes Wirz

Das ist der erste Schritt. Dann kommt ein zweiter, das war vielleicht 9.000 bis 11.000 Jahre alt, dieses Gemälde. Also zu Beginn dieser modernen Zeit, Landwirtschaftsesshaftigkeit. Und das ist jetzt 5.000 Jahre alt. Und was sehen wir da in Ägypten? Was hat sich verändert, was ist gleich geblieben? Könnt ihr das Bild lesen?

Publikum

Die Bienen und der Mensch sind näher zusammengekommen. Die muss nicht mehr irgendwohin klettern oder so, vielleicht sind die sogar schon wie Haustiere.

Publikum

Die sind immer noch viel größer.

Johannes Wirz

Ja genau, das ist geblieben, eine riesige Bien und der Mensch.

Publikum

Es sieht ein bisschen nach Kultivierung aus. Und ich verstehe seine Armhaltung nicht sicher, ob man ihn wieder anbetet oder empfiehlt. Die sind auf dem Boden, diese Tonkörbe, die sie haben. Und der Mensch rückt sich runter zu den Bienen.

Johannes Wirz

Er kniet sogar. Und habt ihr verstanden, das sind eindeutig Bienen. Das sind nicht Zellen, wo Puppen sich entwickeln. Sondern das soll darstellen, diese Lehmröhren aus Nilschlamm, die man bis heute in Ägypten noch verwendet, in der Bienenhaltung. Aber das Spezielle ist hier, beim ersten Bild war diese Haltung, ich bin auf Augenhöhe. Hier kniet einer nieder und hält die Hände hoch. Und es war offensichtlich, im alten Ägypten gab es Imker, Priester, Priesterimker. Und von dem ersten Bild zu dem ist etwas Gewaltiges passiert. Also die Anfänge dieser Sesshaftigkeit der Kultur, die zu unserer Kultur geführt hat, haben ja darin bestanden, dass dieses horizontale Bewusstsein zu einem vertikalen wurde.

Und ihr könnt alle Schöpfungsmythen lesen, es kommt immer der Moment, wo der geschaffene Mensch hört, von den Göttern da oben, nicht mehr hier, bearbeitet die Erde. Ob es in Persien ist, oder ob es in China ist, oder in Japan, immer das Gleiche. Also hier sind die Götter noch unter uns, überall zu finden. Und plötzlich sind die oben und sagen, ihr habt hier unten etwas zu tun. Und da spricht man vom Übergang von der horizontalen in die vertikale Kultur. Also die Geister im Himmel und der Mensch hier auf der Erde. Und offensichtlich betet er da etwas an und in der ägyptischen Mythologie heißt es, die Bienen seien aus den Tränen des Sonnengottes Re oder Ra entstanden. Also ganz klar nicht einfach Evolution, bla bla bla, und dann sind sie da, sondern von den Göttern geschaffen. Und diese Sache ist auch spannend. Ich sagte, es sind Röhren ungefähr so ein Durchmesser, so lang. Und die hat man dann geschichtet. Im alten Ägypten gab es Erden-Beekeeping, da waren 200–300 solche Lehmröhren in einem mit einer Mauer umgebenden Bienengarten. Da waren diese Bienenpriester unterwegs und bei Honig- oder Bienenraub stand die Todesstrafe. Also es war irgendwie so ein heiliger Hain, wo die gearbeitet haben. Und ich denke, es kommt hier unglaublich zum Ausdruck. Aber der große Wechsel von diesem Horizontalen noch mit den Geistern verbunden ins Vertikale. Und es war übrigens auch der Geburtsmoment der Religion. Religion heißt ja Wiederverbindung. Und als man noch sozusagen mit den Göttern oder Geistern die Suppe gegessen hat, brauchte man keine Religion, man war ja drin. Und erst im Moment, wo die sich zurückgezogen haben, kam die Frage, wie verbinde ich mich mit ihnen noch. Und das ist hier, finde ich, in diesem Übergang wunderbar dargestellt.

Die Biene in Antike und Christentum 00:18:14

Johannes Wirz

Und da könnte man natürlich tagelang drüber reden, weil es so speziell ist, wie sich dieses Verhältnis der Beziehung von Bienen und Menschen ändert. Das kennt ihr sicher. Wisst ihr, wo das gestanden hat? Wurde übrigens tausendmal kopiert, verrückt. Es gab schon früher Copy-Paste. Also das war in Ephesus und es zeigte Artemis, die Mutter der Demeter, woher der Name der Organisation kommt, Fruchtbarkeitsgöttin. Und man kann diese ganze Mythologie lesen. Und das Spezielle ist, dass sie hier sozusagen eine Art Vorausblick macht auf ein neues Paradies oder ein neues Jerusalem, könnte man sagen, obwohl das noch nicht christlich war. Dann hier diese komischen Teile, wo man nicht weiß, sind das Brüste oder sind das Auberginen oder Stierhoden. Also das moderne Bewusstsein versucht halt, Erklärungen zu finden. Und dann die Kleider voll mit Tieren. Und jetzt hier leider ein bisschen schlecht sichtbar. Bienchen, dann Ziegen, Schafe und so weiter. Also diese Fruchtbarkeitsgöttin stand in diesem Tempel in Ephesus, der dann abgefackelt wurde. Und die Priesterinnen und Priester hießen Melissai oder Melissa, Biene. Und waren die, die vom Heiligtum im Innern des Tempels in die Öffentlichkeit gehen konnten. Also so eine Art, was Bienen auch machen, in diesem Dunkel des Stockes hinaus ins Licht und wieder zurück. Und eben, ich habe gesagt, tausendfach kopiert. Es gab eine richtige Industrie. Ich war nie in Ephesus, aber ich habe solche Bilder in Rom gesehen und in anderen italienischen Städten. Da haben wohlhabende Leute gesagt, die will ich auch haben. Und dann hat ihnen ein Bildhauer wirklich mit höchster Präzision diese Artemis von Ephesus nachgehämmert. So dass man die eben auch zu Hause aufstellen konnte. Also ein weiterer Schritt, das ist 500 oder zwischen 500 und 600 vor Christus gewesen. Wo man auch sieht, die Bienen tauchen einmal mehr in einem rituellen, sakralen Zusammenhang auf.

Und dann geht es weiter. Jetzt sind wir bereits im Nachchristlichen, also Zeit nach Christus. Das ist der Heilige Apollinaris. Das war der Bischof in Ravenna. Und dieses Bild ist auch in Ravenna. Und man sieht, dass er auf seinem Umhang diese Bienen trägt. Der hatte wahrscheinlich mit Bienen wenig zu tun. Aber die Legende sagt, es war übrigens ein Märtyrer, der wurde dann umgebracht. Und man hat in den Mythen gesagt, dort, wo er kniete, wurde der Stein weich wie Wachs. Und dort, wo er sich an den Felsen oder die Mauer lehnte, wurde die Mauer weich wie Wachs. Also immer noch in diesem religiösen, geistigen Zusammenhang drin. Und ich finde es ganz wichtig, dass man merkt, dass es eine lange Kulturgeschichte gab, wo es nicht einfach Tiere waren, wo der Mensch etwas von ihnen wollte, sondern wo immer noch ein größerer, vielleicht heute nur noch erahnbarer Zusammenhang mit einer anderen Art von Welt vorhanden war. Also wir haben Riesenschritte gemacht, 11.000 vor Christus, 5.000 vor Christus, 500 vor Christus und das ist, ich weiß nicht mehr, 800 nach oder 1000 nach Christus.

Und das finde ich auch noch besonders, das ist der Heilige Bernhard, der Begründer des Zisterzienser-Ordens. Und die Zisterzienser haben eigentlich die europäische Landwirtschaft entwickelt. Und wenn ihr mal Gelegenheit habt, so einen Ort aufzusuchen wie Maulbronn, da wackeln einem die Ohren. Da wurden Hügel angelegt, da wurden Teiche gemacht. Wir haben auch in der Nähe vom Goetheanum eine solche Land- oder Wirtschaftsschöpfung von Priestern, Mönchen mit zwei Teichen, einen oben und einen unten. In einem wurde eine Ölmühle betrieben, das Wasser wurde wieder aufgefangen. In der zweiten Mühle weiter unten wurde Getreide gemahlen. Also sie haben echt Landschaften gestaltet, Landwirtschaften gestaltet und hatten ein besonderes, wie soll ich sagen, Hierarchieverständnis. Ein Mönch konnte sich aufarbeiten bis zum Vorsteher eines Klosters, zum Abt, blieb zwei Jahre Abt und dann musste er weiter ins nächste Kloster und dann war er wieder unten. Durfte sich hocharbeiten, vielleicht nochmal zwei Jahre ein Kloster leiten, dann wieder neu beginnen. Also man hat das, was heute die katholische Kirche so ausprägt, man bleibt Papst bis fast zum Ende, mit einer unglaublichen Machtfülle, das war am Anfang nicht so. Und eben, er war einer der Begründer dieses Ordens, die mit Landwirtschaft gearbeitet haben und Landwirtschaft entwickelt haben. Ich finde es wunderbar, das ist dann schon im Mittelalter, ich glaube 13. Jahrhundert, und es gibt die Legende, als Christus gestorben sei, habe sich das Blut in Honig verwandelt, und ich finde es so speziell, dass dieser Bernhard von Clairvaux einen Bienenkorb trägt, auf Herzhöhe, und man sieht, wie die Bienen da vom Gekreuzigten in den Korb zurückfliegen. Also auch da für mich ein sehr wichtiges Bild in dieser ganzen Kulturgeschichte der Beziehung Tier und Mensch. Und was auf diesem Banner da steht, das weiß ich nicht, könnte man herausfinden.

Die Aufklärung und das mechanistische Weltbild 00:24:43

Johannes Wirz

Und dann kommt ein entscheidender Moment, Aufklärung, also 17. Jahrhundert, und vielleicht der wichtigste oder bekannteste Denker dort, gut, es gab Galileo und es gab den René Descartes. Und der ist ja auf die Idee gekommen, es gibt zwar Geist, aber es ist nicht mehr ausgebreitet wie in der Vorzeit, sondern es ist nur noch im Menschen drin. Und draußen die Natur ist maschinenhaft, automatenhaft gebaut. Und aus dieser Zeit stammen viele Zeichnungen. Ich habe eine von mir, eine Ente, und drin schaut es aus wie in einer Art Fabrik. Dann ein Förderband, das Nahrung runterbringt, dann eine Art Schneidmaschine, die Nahrung zerkleinert, geht irgendwo hin, also alles so mechanisch gedacht. Geist nur noch im Menschen.

Und das ist auch das Geburtsmoment der Teleskope und das Geburtsmoment der Mikroskope. Und weshalb die zusammenhängen, ist ganz einfach. Ich weiß nicht, ob ihr als Kind auch mit Feldstechern gespielt habt oder Fernrohren. Wir haben das gemacht, wenn man in eine Richtung durchschaut, wird alles so groß, und wenn man so umdreht, wird alles sehr klein. Und das umgedrehte Teleskop ist eigentlich ein Mikroskop. Also man hat damals angefangen, Linsen zu schleifen, und die Geschichten sind einfach auch umwerfend. In Florenz gibt es ein naturhistorisches Museum, wo einige Dinge, die Galileo gebaut hat, ausgestellt sind. Und Galileo hat selber Linsen geschliffen, aus Glas, und dann hat er Teleskope gebaut, das waren Röhren aus Ziegenleder geformt, wo er einen Schlitz gemacht hat, und dann diese Linsen reingetan. Und so hat er den Himmel beobachtet. Er war, glaube ich, der Erste, der einen Jupitermond gesehen hat, und er war unter den Ersten, die die Sonnenflecken entdeckt hatten. Und was mich dort so berührt hat, ist, Galileo macht unzählige Versuche, um herauszufinden, woher das Dunkle kommt in der Sonne. Er glaubt Probleme mit den Linsen, er glaubt Unreinheiten in der Atmosphäre, und nach langem Hin und Her, und er schreibt, ich musste weinen, hat er gemerkt, dass der hellste Stern am Himmel das Dunkle in sich trägt. Also ich erzähle das, weil auch Wissenschaft eine Zeit lang wirklich herzbewegend war. Nicht so, ich gucke jetzt mal in die Sonne und dann sage ich euch, was ich dort sehe, sondern völlige Weltbilder neu gebaut werden mussten.

Und in diesem Zusammenhang, also die Holländer haben die Zellen entdeckt, man hat Tiere angeschaut, Pflanzen dünngeschnitten angeschaut, und das erste Insekt, das man auseinandergenommen hat, um im Detail zu zeichnen, war die Honigbiene. Also ich finde es spannend, wenn man diese Kulturgeschichte sieht, der Moment, das Wichtigste entdeckt vielleicht, neben dem Seidenspinner, den man auch schon tausende Jahre lang gekannt hat, wo man die Seide draus macht aus den Kokons, und da hat man angefangen, eine Art Wissenschaft zu machen, die versucht, in abgetrennten Details zu verstehen, was das Ganze ist. Also man könnte sagen, die Geburtsstunde einer primitiven Analytik, also man sieht hier die Untersuchung der Beine, ich weiß gar nicht, ob das der Saugapparat ist beim Bienchen, dann der Stachel bei der Biene, und so weiter, und so weiter, also es wird alles auseinandergenommen. Und wenn man beginnt, im Kopf die Dinge auseinanderzunehmen, dann ist der nächste Schritt, dass man auch beginnt, die Dinge in der Welt auseinanderzunehmen. Und ich war ein leidenschaftlicher Ausbauer von Uhren, das Auseinanderschrauben fiel mir sehr einfach, das Zusammensetzen war sehr schwer. Und ich habe es nur bei den größten Weckern, die damals noch tick, tick, tick gemacht haben, habe ich es geschafft, und bei den kleinen Uhren, die lagen dann einfach in Teilen rum. Und so ist es vielleicht mit der ganzen Wissenschaft insgesamt, wir sind Weltmeister im Auseinandernehmen, verlieren irgendwie das Ganze, und das Ganze wird nur noch das, was wir in der Lage sind, zusammenzusetzen. Ob es das ursprüngliche Ganze ist, wissen wir nicht.

Die Revolution der Imkerei im 19. Jahrhundert 00:29:28

Johannes Wirz

Und das will ich damit sagen, es kam dann, und die Imkerschaft, die war unglaublich langsam, aber diese Art des Denkens hat auch die Imker oder die Bienenhalter ergriffen, und dann erst im 19. Jahrhundert haben, und das ist erstaunlich, eben sehr viele Priester und Pfarrer die ganze Imkerei revolutioniert. Also in wenigen Jahren kam man vom Stabilbau, stabil heißt, die Waben sind fest an Wände oder die Tonröhren angebaut, zum Mobilbau. Das heißt, man hat die Rähmchen erfunden, und einer, der dabei war, der Johann Dzierzon, ein polnischer Priester, ist eigentlich der Vorläufer des Mobilbaus, also des Arbeitens in Bienenkästen mit Rähmchen.

Und jetzt kommt etwas Besonderes. Als der Bienenwaben stabil gebaut wurde, konnte man nicht richtig reingucken. Vielleicht habe ich da sogar ein Bild, wo, wenn man einen Korb hat, sieht man den Rand, ihr könnt euch erinnern, in der Klotzbeute, man sieht zwar ein paar Waben, aber was auf der Wabe ist, sieht man nicht. Und jetzt plötzlich kann man das alles ziehen und drehen und so, und Dzierzon war einer der Ersten, die gesehen haben, dass im Bienenvolk nicht ein König, sondern eine Königin lebt. Also der Ausdruck Weisel und Weiselzelle, den wir heute noch verwenden, weist auf ein männliches Wesen, das den Stock regiert. Jetzt hat er gemerkt, es ist ein Weibchen. Und das Zweite, er hat auch entdeckt, dass wenn man eine Königin, wenn sie geschlüpft ist, fängt und drei Wochen lang in einen Käfig sperrt und dann freilässt, legt sie zwar wunderbar Eier, und was entsteht aus diesen Eiern? Bitte? Nee. Drohnen, das ist ja das Besondere in der Genetik. Eine Königin, wenn sie unbefruchtete Eier stiftet oder legt, werden Männchen draus und wenn die Eier befruchtet werden mit einem Spermium, werden Weibchen draus. Und dieses Einsamen der Spermien, das muss in den ersten paar Wochen eines Königinnenlebens geschehen, sonst funktioniert es nicht mehr.

Das ist dieser Hochzeitsflug, von dem wir schon gesprochen haben, wo sich eine Königin unter idealen Umständen mit bis zu 20 verschiedenen Drohnen verpaart, fliegt also in die Wolke, die Drohne, die schnellste oder stärkste, man weiß nicht so genau wer, dockt an, das ganze Paar fällt auf den Boden, die Königin strampelt die Drohne ab. Das erfolgreiche Liebesleben eines Drohns ist genau einmal. Man weiß nie genau, ist es schöner, lieber viele Versuche, die nicht erfolgreich sind zu haben, als einen, der erfolgreich ist. Und dann kommt die nächste Drohne, entfernt den Geschlechtsapparat des Vorgängers, befruchtet, das Ganze fällt drunter und es geht 14–20 Mal. In der Schweiz hat man nachgewiesen, es können bis zu 40 verschiedene Drohnen eine Königin begatten. Übrigens zentral, je diverser der genetische Hintergrund dieser Väter ist, umso vitaler, umso gesünder das Volk.

Dzierzon stellt also fest, wenn man die Königin lang gekäfigt hält und sie dann Eier legen lässt, kommen nur Männchen raus. Er ist Pfarrer und erzählt das rum. Und dann wird er angegriffen von den Kirchenoberen, die sagen, es gab nur einmal unbefleckte Empfängnis, und zwar bei Menschen und nicht bei Insekten. Also man merkt so ein bisschen kulturgeschichtlich ein Ding. Und eben, ich habe Langstroth erwähnt, Lorenzo Langstroth, ein Priester, der auch den Mobilbau extrem vorangebracht hat. Man könnte Émile Warré nennen, einen französischen Priester, der so eine Volksbeute entwickelt hat. Wir werden über Beuten heute nicht sprechen, finde ich genial, arbeite auch mit denen. Und Gerstung, über den wird die Rede sein, ein Pfarrer in Weimar. Also komischerweise ist sozusagen von dieser Linie eines Sakralen noch etwas übrig geblieben, insofern sich sehr viele Pfarrer, Theologen mit Bienen beschäftigt haben.

Und das ist der Beginn einer Art Imkerei, wo alles möglich wird. Also mit Mittelwänden, Imkerei und den Waben, also mobilen Waben, kann man die rausnehmen, in ein anderes Volk stecken. Wenn man sieht, dass Königinnen sich entwickeln, kann man die Königin von A nach B reinstecken. Und dann kam sehr schnell eben dieser Mittelwandbau, wo man das Volk gezwungen hat, nicht mehr zwei Zellgrößen zu machen. Arbeiterinnen brauchen kleine Zellen im Brunnen, um aufgezogen zu werden. Drohnen brauchen größere Zellen. Also alles, das hat man nach Belieben unterdrückt. Und in einer gewissen Weise wurde die Bienenhaltung zu einem Art Baukastensystem.

Ferdinand Gerstung und das Konzept des „Bien“ 00:35:16

Johannes Wirz

Das ist die Situation. Und dann kommt eben so ein Moment, wo interessanterweise zwei Zeitgenossen, Gerstung und Steiner, Rudolf Steiner, angefangen haben, in einer neuen Art über Bienen nachzudenken. Und Gerstung hat zwar nicht den Begriff der Bien als Namen für das Volksganze erfunden, der war schon früher von einem Mähring so bezeichnet worden, aber er hat daraus abgeleitet, dass es weniger darum geht, die einzelnen Tiere ins Auge zu fassen, als dieses Volksganze. Und versucht dann zu beschreiben, was für ein Tier der Bien ist. Und er sagt, man könne sich vorstellen, die Arbeiterinnen strecken die Fangarme, wenn sie sammeln, sozusagen raus und bringen etwas rein. Und drinnen gibt es halt die Zellen, die helfen, Brut zu pflegen. Also ein ganz neues Bild des Biens. Das ist ein praktischer Teil in diesem Buch. Kann man heute sogar gratis runterladen, wenn man es lesen will. Den Titel habe ich im Moment gerade vergessen. Aber auf alle Fälle, der hat das eingeführt, hat sogar als Pfarrer in Weimar die Ehrendoktorwürde bekommen für seine Untersuchungen und seine Beschreibung dieses Volksganzes.

Und Steiner wiederum, als Nicht-Imker, ich komme dann nachher zu ihm, hat eigentlich inspiriert, was wir heute als wesensgemäß beschreiben. Und das erst 1995 ein Richtlinienwerk bei Demeter bekommen hat, für die sogenannte biodynamische Bienenhaltung. Und ich habe hier ein Bild kopiert, bei Gerstung. Und das möchte ich mit euch noch schnell anschauen, weil ich finde es so wunderbar. Er hat nämlich geschaut, wie legt eine Königin ihre Eier im Frühling. Und jetzt will ich euch sagen, wie dieses Bild entstanden ist. Er hat eine Kiste gehabt. Alle Imker bauen eigene Kisten. Und es gibt ein Sprichwort, jeder Imker muss eine Kreissäge haben zu Hause. Ich habe es nie verstanden, aber immer wenn die Imker nicht mehr wissen, was soll ich noch tun, erfinden sie eine neue Kiste. Hier ist das Flugloch. Und dann hat er hier sieben Waben drin gehalten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Waben. Ihr könnt es euch vorstellen, oder? Da hat er die erste Fläche, dann hier die zweite, die dritte und so weiter. Und dann hat er in dieser Kiste einen Schwarm einlogiert. Und dann hat er jeden Tag beobachtet, wo hat die Königin gelegt. Und er hat auch fotografiert, also das ist nicht einfach nur erfunden. Und was er hier gezeichnet hat, ist den Legegang der Königin in 24 Tagen.

Und jetzt müsst ihr euch vorstellen, dass er diese Waben nicht so anschaut, sondern so nebeneinander legt. Wabe eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Und dann hat er eben Folgendes beobachtet. Und ich meine, falls jemand von euch mal Balletttänzerin wird oder sogar, das müsste man mal tanzen. Finde ich so genial. Also hier ist das Flugloch. Die Kiste, da sind sie rein und raus. Und jetzt hat er dann entdeckt, am ersten Tag hat die Königin auf der mittleren Wabe ein kleines Brutnest angelegt. Die Königin läuft in Spiralen. Und ihr müsst euch vorstellen, das ist unglaublich. Bevor sie das Ei legt, geht sie mit den Vorderbeinen in die Zelle, misst die Größe. Kleine Zelle, aha, das Ei befruchte ich. Falls sie auf eine große Zelle stößt, in der Schwarmzeit, ah, große Zelle, lege ich ein Ei ohne Befruchtung. Im ersten, in der kleinen Zelle, entstehen Arbeiterinnen. In der großen Zelle entstehen Drohnen. Und spannend ist auch, dass sie auf der Wabe, auf der Vorderseite, so eine kleine Fläche legt und dann auf die Rückseite auch geht. Also es ist immer, wenn das die Wabe ist, ist hier ein kleines Gelege und hier. Und es macht Sinn vom Wärmen her, wenn man nicht nur einseitig legt.

Dann hat er festgestellt, also, und jetzt mache ich den Spiraltanz nicht mehr, am zweiten Tag hat sie auf dieser Wabe ein Nest gemacht, hüpft am dritten Tag hier hin, am vierten Tag hier hin, und jetzt haben wir das Prinzip schon verstanden, am fünften, genau, in die Mitte, am sechsten hier hin, am siebten, genau, da hin, am achten hier, am neunten hier, zehnten hier, elften hier, und jetzt könnt, ihr habt es verstanden, es ist also wie ein Pendel, das immer weiter und weiter und weiter ausschlägt, und dann, also, wenn ich das jetzt schnell fertig mache, sie macht das schöner als ich, geht hier wieder rüber, hier, hier, kommt hier zurück, und ich glaube, hier hüpft es dann wieder hier hin. Und Gerstung war es wichtig, er hat gesagt, es spielt eigentlich keine Rolle, wie sie legt, aber die Tatsache, dass sie 21 Tage lang dort, wo sie mal ein Ei gelegt hat, nicht legen kann, verlangt, dass sich eine bestimmte Gestalt ergibt. Und sobald hier frei wird, und 21 Tage heißt, das Ei wird gelegt, drei Tage Embryonalzeit, sechs Tage Larvalzeit, und dann noch zwölf Tage Verpuppung, Metamorphose, dann muss die Zelle geputzt werden, und wenn sie wieder sauber ist, kann die Königin wieder legen.

Und was man deutlich sieht, das Runde spielt eine ganz wichtige Rolle. Also man sieht im Frühling, und das ist für alle Imker, also für mich zumindest, immer sehr besonders, diese runden Flächen, und wenn man das jetzt noch zeitlich anschauen würde, gibt es Bereiche, das sind Eier, da gibt es Bereiche, so Ringe mit offener Brut, dann gibt es Bereiche wieder mit verdeckelter Brut, und vielleicht ganz außen auch nochmal Maden. Also man kann verschiedene Bienengenerationen in diesen Kreisen sehen, und wenn wir uns vorstellen, dass wir die Waben jetzt zurückhängen, dann, wenn man das Brutnest jetzt zeichnen würde, wäre das auch so rund. Also die Bienen sind ein Wesen, das ganz stark im Runden lebt. Und wenn man sich ein bisschen mit Fantasie überlegt, die Bienen sind in der Kiste, fliegen in die Umgebung, und wir lernen, der Flugradius der Bienen ist drei Kilometer, dann formen sie eigentlich so eine Art Halbkugel über den Kasten, mit einem Durchmesser von sechs Kilometern. Und das heißt, die sammeln auf einer Fläche von ungefähr 30 Quadratkilometern ihren Nektar und ihren Pollen.

Also das Runde ist das Element des Biens, in der Brut und im Honig, und wenn man das noch ein bisschen anguckt, kann man sagen, hier ist die Brut, und normalerweise ist auf der Wabe so ein Pollenkranz drauf, also der Blütenstaub, den die Ammenbienen brauchen, um die Kleinen zu füttern, wird nah angelegt, und dann hier über Brut und Pollenkranz noch eine Honigkappe. Also man merkt, das ist sozusagen die Einheit, die die Völker herstellen wollen. Und man kann sich ja dann gut vorstellen, man hat dann hier vielleicht noch das da, hier das da, und anteilsmäßig wird dann halt die Menge Honig, weil die Wabe ist überall gleich groß, es wird immer mehr, und man merkt, dass da über dem Brutnest Honig drauf ist, und wenn es noch mehr Honig wird, wird der auf brutfreien Waben eingelagert. Also das ist ein kleiner Eindruck, und das hat ja Gerstung dazu geführt zu sagen, der Bien ist anders als das Insekt nicht so ein dreiteiliges Kopf-Brust-Hinterleib, sondern eher ein sphärisches Wesen, und selbstverständlich ist die Zelle, wo die Bienen sich entwickeln, sechseckig, aber wie gesagt, die Zellen sind eigentlich Organe, die Bienchen sind eigentlich Organe oder Zellen dieses Gesamtorganismus.

Rudolf Steiners Lehren über die Bienen 00:45:40

Johannes Wirz

Und spannend ist es, dass Steiner das auch aufgegriffen hat, und da will ich euch noch ein paar Dinge erzählen. Ihr seht hier ein Bild vom Aufrichtefest des ersten Goetheanums. Da haben also ungefähr 350 Arbeiter, die meisten nicht Anthroposophen, geholfen, dieses Haus zu errichten in vielleicht fünf, sechs Jahren. Unglaublich. Also alles wahnsinnig gute Handwerker. 2022 in der Silvesternacht wurde es abgefackelt, und wir haben jetzt im letzten Silvester sozusagen eine 100-Jahr-Erinnerungsfeier gemacht an dieses erste Goetheanum. 1922. Ja, 2022 haben wir jetzt die 100-Jahr-Feier gemacht. Und es ist halt vom Licht her nicht so gut, aber man kann sehen, da stehen also ungefähr diese 300 Arbeiter auf dem Baugerüst bei diesem Aufrichtefest. Ein Kuppelbau, alles aus Holz, und man kann sich vorstellen, dass es ziemlich gut gebrannt hat. Und jetzt, das kann ich auch noch zeigen, diese Arbeiter, die sind auf Steiner zugegangen und haben gesagt, wir möchten doch wissen, wofür dieser Tempel ist. Und Steiner war bereit, seine Anthroposophie zu erzählen.

Die wollten wissen, wie versteht er die Entwicklung, und er sagt, diese siebenstufige Entwicklung von Saturn bis zum Vulkan, sie wollten wissen, wie denkt er über Mensch, Kopf, mitrhythmischer Mensch, Stoffwechsel, Gliedmaßen-Mensch usw. Denen hat er über alles erzählt, sie wollten wissen, wie geht man mit Alkoholismus um, muss ein großes Problem gewesen sein, Tuberkulose war ein Riesenproblem. Sie haben gefragt, was ist das? Sie haben gefragt, wie ist das mit Rachitis? Er kam rein in die Schreinerei, die standen dort, übrigens zur besten Arbeitszeit, nicht ein Lesestündchen abends, wenn man sowieso schon müde ist, und dann hat er gesagt, meine Herren, worüber wollen Sie reden? Und dann kam eben dieser Moment, wo ein Imker gesagt hat, Herr Doktor, wie denken Sie über die künstliche Königinnenzucht, die es damals schon gab? Und das war aber in dieser Zeit. Das ist das Bild vom 1. Januar 1923. Und da war also am 31.12.22 ein riesiges Feuer, das konnte man 60 km weit sehen, es gab viele Instrumente drin, die sind dann sozusagen in einen Plasmazustand gekommen, das muss gefunkt haben wie ein Feuerwerk bei uns an Silvester. Also die Katastrophe und dieses Werk in einer Nacht, einfach weg.

Und im November 1923 hat Steiner den Arbeitern etwa neun Vorträge über die Bienen gehalten. Und mit seiner Aussage auf die Frage, wie denken Sie über die künstliche Zucht, ist Steiner eigentlich fast weltberühmt geworden. 2006, 2007 gab es in den USA dieses Massen-Bienenvolk-Sterben, Colony Collapse Disorder, hieß es. Niemand wusste und bis heute weiß man nicht so ganz genau, was los war. Und da hat die Los Angeles Times, ich habe die Zeitung gesehen, einen Artikel gehabt auf der ersten Seite, wo drin stand, ein österreichischer Philosoph hat vor 100 Jahren schon die Voraussage gemacht, die Bienenvölker würden alle aussterben. Und der österreichische Philosoph war Steiner. Also sehr besonders. Also er hat das relativ kritisch gesehen, hat aber immer gesagt, man muss das nicht dogmatisch machen, wir können da nicht zurück. Aber es könnte so sein. Und dann hat er eben Dinge erzählt über die Bedeutung der Wabe als großes Organ des Bienenvolks, über die Bedeutung des Schwärmens, da komme ich später noch drauf, und eben den Verzicht auf diese künstliche Zucht. Die Königin für ihn war ein Herzorgan im Bienenvolk und nicht der Kopf. Und er hat gesagt, wenn man das zu mechanisch anschaut, dann fällt das auseinander. Und wenn man eben die Königin rausnimmt und wieder mit einer Fremden ersetzt, dann ist es so mechanisch, dass es nicht mehr zusammenhält.

Ich will da dann später, wenn ich noch zu wesensgemäß komme, noch etwas sagen. Und ganz speziell war, dass er ihnen dann so eigenartige Dinge erzählt hat. Also er sagt diesen Arbeitern, ihr müsst wissen, im Bienenvolk gibt es ganz viele Weibchen, aber nur eines lebt seinen Geschlechtstrieb aus. Alle anderen nicht. Und weil die da nicht Eier legen, diese vielen Arbeiterinnen, können die die Liebe im ganzen Bienenstock verströmen lassen. Und er sagt, eigentlich ist der Bienenstock von Liebe durchschwängert, und jetzt diese Männer, das würden wir ja nicht mehr wagen, deshalb müssen sie lernen, Bienenvölker seelisch zu beobachten. Und das heißt seelisch, nicht die Augen zu, sondern irgendwie mit Herz und nicht nur mit dem Kopf. Und ich kann es jetzt sagen, ich bin Wissenschaftler geworden, weil ich nicht rechnen konnte, und das Beste, dass du umgehst, ist eben, Helfer zu haben, die rechnen. Aber ich habe gelernt an den Bienen, dass manchmal der Kopf etwas anderes sagt als das Herz. Und von daher merke ich ein bisschen, was er damit gemeint haben könnte. Also wirklich auch darauf achten, wie reagiere ich empfindungsmäßig auf eine bestimmte Situation, wie reagiere ich, wenn ich das jetzt wissenschaftlich, analytisch anschaue, auf eine Situation.

Also da hat er ein langes Zeugnis gemacht. Er erzählt denen, ihr müsst lernen, das Schwärmen ist ein Todesprozess im Bienenvolk. Und ich kann euch sagen, das Schönste, was man als Imker erleben kann, ist, wie ein Schwarm auszieht und so am Ast zusammenkommt. Ich habe es einmal gesehen, weil ich bin ein fleißiger Arbeiter. Am Mittag geht es ja nicht bei den Bienen, sondern im Büro oder irgendwo draußen. Und ihr müsst euch vorstellen, da ist die Kiste, und plötzlich fließen Bienen raus, wie aus einer Quelle, einfach zum Loch raus, und dann geht es in die Luft, und dann ist es ein totales Chaos. Wahnsinnig, so wie Lichtblitze, wenn man gegen die Sonne guckt, fliegen die rum. Man hört den Schwarm in der Luft, und man riecht den Schwarm. Es ist unglaublich. Und dann mit der alten Königin, vielleicht nach 10 Minuten, 15 Minuten, 20 Minuten, merkt man, wie sich diese Bienen so an einem Ast sammeln. Die Königin führt weder den Schwarm hinaus, noch den Schwarm auf den Ast. Also die folgt einfach diesem Getümmel und Gewimmel. Und dann kommt dieses Zuruhekommen, und Steiner sagt, das ist fast tot, beinahe tot, es lebt ja dann noch weiter. Und natürlich haben wahrscheinlich die Arbeiter gestaunt, denn es ist dasselbe wie bei ihnen. Wenn ihr sterbt, geht die Seele raus, ihr lasst das Haus, die Kinder, das Geld, was ihr habt, müsst ihr zurücklassen, ihr habt nichts mehr. Und so ist die Situation bei diesem Schwarm. Und die Geburt eines neuen Volkes findet statt, wenn der Schwarm ein neues Zuhause gefunden hat, oder wenn der Imker ihm eine neue Kiste gegeben hat. Also eigentlich ganz eigenartig. Und man kann natürlich ein bisschen darüber nachdenken, Todesmoment, das einen freut, was heißt das genau? Ist es abartig oder nicht? Ich finde es eine spannende innere Übung, um dem ein bisschen nachzuspüren. Und dann hat man aber auch Anlass zu sehen, dass da irgendwie etwas drin steckt. Weil wenn der Schwarm mal so hängt, und der Ast nicht dick ist genug, ein leichter Schlag und die Bienen fallen kraftlos in den Eimer oder in die Schwarmfangkisten. Es wirkt, als ob alle Energie weg wäre. Und wenn man die dann in den Keller getan hat, so wie ich das mache, und dann in eine neue Behausung, legen sie los mit einem wunderbaren Wabenbau.

Und er sagt dann zum Wabenbau, Skelett. Und ein Skelett, im Normalfall, sollte der Organismus selber entwickeln. Und für mich ist Mittelwandbau in der konventionellen Imkerei eigentlich eine Art, ich setze Prothesen rein. Vorgefertigte Knochenteile, die dann eigentlich benutzt werden. Und dann kommt eben dieses letzte, Standbegabung und keine künstliche Zucht, Herzorgan. Und ich habe schon lange herumgemacht, was heißt Herzorgan. Wir wissen natürlich, wenn die Königin fehlt, im Stock, fällt das Volk auseinander. Es hört auf zu sammeln, es sitzt im Winter nicht mehr dicht genug. Und plötzlich ist mir in den Sinn gekommen, als ich ungefähr so alt war wie er, gab es die ersten erfolgreichen Herztransplantationen. Von einem Dr. Barnard in Südafrika. Früher haben die es schon auch probiert, und es war dramatisch zu lesen, haben die Herzchirurgen beschrieben, neues Herz rein, und bevor sie alles zugenäht hatten, zerfiel das neue Organ vor ihren Augen. Also die körpereigene Abwehr ist so stark, dass das Fremde einfach kaputt gemacht wird. Und der Durchbruch bei der ganzen Organtransplantation, und ich will die gar nicht bewerten, war möglich, als es gelungen ist, immunsuppressive Medikamente zu geben. Also Medikamente, die dann zeitlebens das Immunsystem des Empfängers runterschrauben. Und dann funktioniert es. Und plötzlich habe ich gemerkt, ja eventuell ist dieses Rausnehmen der Königin, eine Praxis, die viele Imker machen, durch eine Jungkönigin-Ersetzung, eine Art Herztransplantation. Und interessant ist, dass es bei den Biologen das sogenannte biologische Selbst gibt, oder Ich, und das ist das Immunsystem. Also auf Kosten dieser Unterdrückung dieses Selbstes ist es möglich, diesen mechanischen Herzersatz oder Königinnenersatz zu machen. Und selbstverständlich, ich habe Freunde, die haben ein anderes Herz, wunderbar, aber sie nehmen als Last mit diese permanente Unterdrückung der eigenen Immunabwehr. Und eventuell ist das der Grund, also Steiner wusste nichts über Herztransplantation, aber er konnte sagen, wenn wir das Herz einfach so ersetzen, dann passt es, obschon es eigentlich geht, doch nicht richtig in dieses Volk hinein. Also zu eigenartigen Bildern hat er über diese ganze Bienenhaltung gesprochen und immer wieder betont, werden wir nicht dogmatisch, wir können gewisse Schritte nicht rückgängig machen.

Die Entwicklung der Mensch-Biene-Beziehung im Parabelbild 00:58:34

Johannes Wirz

Und dann hat es, anders als bei der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, wo es 1924 den Kurs gegeben hat, die Landwirtschaft in Koberwitz und noch im gleichen Jahr wurde ein Forschungsring begründet und noch im gleichen Jahr kam darauf die Demeter-Organisation. Die wesensgemäße biodynamische Imkerei wurde 1995 erst mit einem Richtlinienwerk versehen und in den Kanon des Biodynamischen aufgenommen. Und wir können später noch darüber reden, weshalb es so lange gedauert hat.

Und ich möchte diesen Teil abschließen noch mit einem Bild. Ich sage immer ein bisschen spöttisch, Anthroposophen lieben Parabeln und so eine zeichne ich jetzt auch an. Und viele Anthroposophen sind gerne katastrophensüchtig, die Welt ist schlecht und es gibt nur jemand, der sie retten kann, das bin ich. Das heißt, man sieht, dass... Wow. Bitte? Ah, mache ich dann nach der Pause. Okay. Also was ich versucht habe, ist zu sagen, dass wir da eine Art Entwicklung haben. Ich habe das horizontale Kultur genannt. Diese ersten Anfänge der Beziehung von Mensch und Bienen auf Augenhöhe. Dann kommt Ägypten und das ist nicht nur bei den Anthros die vertikale Kultur, sondern es wird auch so bezeichnet in der Anthropologie und Ethnologie. Götter sind da und irgendwie gehen die immer weiter weg. Und dann kommt hier die Aufklärung und daraus entsteht eine moderne materialistische Naturwissenschaft, wie wir sie heute haben. Wir sind da tatsächlich, und das lieben die Anthroposophen, am tiefsten Punkt. Aber dieser Punkt ist ja nie... der ist nicht objektiv der tiefste, sondern subjektiv der tiefste. Weil von 1923 bis heute ist gewaltig viel gegangen in der Wissenschaft.

Und ich habe den Eindruck, man kann natürlich sagen, dieses materialistische, also materialistisch ist nicht herabsetzend gemeint, Denken, wenn wir alles verstehen im Kleinen, verstehen wir das Ganze. Das hat mich übrigens zur Molekulargenetik geführt und ich habe an einer Fliege Gene manipuliert, um herauszufinden, weshalb manchmal beim Kopf Beine herauswachsen als Antennen. Also ich war als junger Mensch überzeugt, wenn wir diese Details verstanden haben, wissen wir, was Leben ist. Und ich habe dann im Laufe dieser Doktorarbeit gemerkt, stimmt gar nicht. Ich verstehe immer noch nicht, was Leben ist. Es braucht einen anderen Ansatz. Und das hat mich dann per Zufall, ich kannte Anthroposophie nicht, per Zufall zum Goetheanum geführt. Also ich will sagen, das kann hier fortgesetzt werden. Da hat man angefangen mit Organismen zu spielen, jetzt im Bienenvolk. Heute überlegt man sich, kann man das Bienenvolk gentechnisch verändern, so dass sie gegen die Milbe was ausrichten können. Wir haben in der Pause kurz gesprochen, in den USA hat man einen Impfstoff entwickelt, den man gerne ins Königinnenfutter einmischt, um amerikanische und europäische Faulbrut zu verhindern, also so ein Totimpfstoff und so weiter. Also es kann eigentlich hier immer noch weitergehen, bis wir nicht nur Zellen anschauen, sondern ganze Moleküle.

Und ich glaube in dem Moment haben Steiner und Gerstung, es gibt eine Reihe von Denkern, die angefangen haben, ein bisschen ganzheitlicher zu denken, angefangen zu sagen, wir müssen nicht mehr vom Einzelnen ausgehen, sondern vom Großen aus und wissen, dass das in Einzelnes differenziert wird. Und diesen Gang, den können wir nicht machen, könnte es auch nicht so ganz gut, muss ich ehrlich gestehen. Aber ich bin überzeugt, dass wir insgesamt einen Entwicklungsgang machen, von dieser Verbundenheit mit dem Geist in dieses ganz Materielle. Und wenn ich Steiner richtig verstehe und glaube, dass es richtig ist, kommen wir an einen Punkt, am Ende einer längeren Entwicklung, wo wir uns eigentlich ein bisschen fühlen wie diese Menschen, aber nicht den Weg zurückgegangen, sondern vorwärtsgegangen. Also sozusagen eine Art Wiederentdeckung des Geistigen in uns und in der Welt. Und wie das mit den Bienen ausschauen könnte, das wäre noch eine andere Geschichte.

Was wir von den Bienen für die Gesellschaft lernen können 01:03:44

Johannes Wirz

Ich möchte nur am Schluss noch eine Sache sagen. Steiner meint ja dann nicht zu den Arbeitern, sondern mal irgendwo in einem Vortrag, die Bienen zeigen uns das Bild der Sozialgemeinschaft der Zukunft. Und ich habe lange darüber nachgedacht und ich gebe jetzt thesenartig wieder, wie ich das verstanden habe. Es gibt drei Dinge, die wir lernen können von den Bienen. Und es sind Dinge, von denen ich glaube, wenn wir sie nicht lernen in unseren Gemeinschaften, geht es wirklich nicht so gut voran. Und das erste heißt mit diesem alten Wort Brüderlichkeit. Das heißt teilen können. Und bei den Bienen lernen wir, dass Teilen nie eine Frage ist, wie viel habe ich, sondern bin ich bereit zu geben. Und es ist eigentlich dramatisch, wir lernen, dass die so eine Teilgemeinschaft bilden, Teilensgemeinschaft, denn, wenn ein Volk kein Futter mehr hat und stirbt. Dieser Tod ist kollektiv. Und ich habe es schon erlebt, die ermordeten Bienen, merkt nichts, zwei Stunden später, jede Biene tot. Also die letzten Futtervorräte aufgebraucht. Keiner hat noch ein kleines Rucksäckchen, das man noch mitnimmt, wenn es ganz schlecht geht. Sondern es wird alles verteilt und man geht gemeinsam zugrunde. Und das heißt teilen. Wir müssen nicht mit allen gemeinsam sterben. Aber wenn ich höre, 10 % des Reichtums unserer industrialisierten Nation würde ausreichen, um alle Probleme in der dritten Welt zu lösen, frage ich mich, wo stecken wir? Und wenn wir das nicht lernen, dann bin ich überzeugt, haben wir keine Zukunft. Und wie ich mal in einem Dokumentarfilm gesehen habe, die Leute sagen, wenn ihr nicht unten ein bisschen was abdrückt vom Reichtum, den ihr unter anderem durch uns bekommen habt, sei es in der Biodiversität, sei es bei den Rohstoffen, die man ausbeutet usw., dann kommen wir zu euch und holen uns diese Sachen. Also die Bienen zeigen uns, wie Brüderlichkeit funktioniert. Und aus dem Kopf, ich habe sowieso weniger als du, also gebe ich nichts, Bereitschaft, Dinge weiterzugeben.

Das zweite, was ich bei den Bienen gesehen habe, ist diese wahnsinnige Harmonie des Miteinanders im Stock und außerhalb des Stocks. Und wir wissen genau, dass eine Arbeiterin eine Biografie durchmacht. Das erste Verhalten, wenn sie schlüpft, ist Zellenputzen. Sie hilft mit, die eigene Wiege, aus der sie gekommen ist, sauber zu machen. Das zweite ist Füttern von Larven. Junge Bienen füttern ihre kleinen Schwestern. Das dritte, was dann ansteht, ist, glaube ich, Wachsschwitzen. Also die Wachsdrüsen aktivieren und am Skelett, an diesem Knochengerüst des Bienenvolkes bauen. Und dann kommt, ich habe jetzt keine Notizen dabei, aus der Erinnerung, die Arbeit beim Honig verarbeiten. Also ihr müsst euch vorstellen, eine Sammlerin kommt an, streckt ihre Zunge aus, eine Stockbiene, Schwester, kommt an, nimmt ihr den Nektar ab und bringt ihn in eine Zelle. Eine andere saugt diesen Nektar wieder auf und deponiert es in der nächsten Zelle. Und das machen die Bienen dann sechs bis sieben Mal. In diesem Vorgang wird dem Nektar, der etwa 60–70 % Wasser hat, das Wasser entzogen, auf 16–18 %, also der Nektar reift zum Honig. Und die Bienen geben spezielle Drüsensekrete in den Honig. Und Honig ist nicht nur Genussmittel, sondern ist auch Heilmittel. Also es ist unglaublich. Dann, wenn diese Tätigkeit durch ist, beginnt die Biene, zur Wächterin zu werden. Und ihr merkt, an dieser Grenze von innen und außen. Und wenn dieser Zustand durch ist, fängt sie an zu sammeln und dann wird sie immer erfahrener und erfahrener und erfahrener und am Schluss wird sie zu einer sogenannten Spurbiene, die nicht mehr sammelt, sondern neue Pollen- und Nektarquellen erschließt. Das ist sozusagen die Biografie von jeder Arbeiterin. Und jetzt ist das Besondere, dass unabhängig davon, was ich tue, kann ich beliebig auch wieder etwas anderes machen. Also die Bereitschaft, eine Art Rückentwicklung oder Vorentwicklung, vielleicht können wir das nach der Pause noch beschreiben, und jetzt vor allem das Entscheidende, es gibt keine Kontrolle. Es gibt keine Biene, die mit dem Zettel kommt und fragt, ob die Zelle sauber ist. Keine Frage, ob man die Milch gut zubereitet hat usw. Es ist absolutes Vertrauen im Blick auf das Ganze, das Beste zu tun.

Also erster Punkt, Brüderlichkeit. Zweiter Punkt, Vertrauen statt Kontrolle. Und der Dritte, das kann man in der Kürze auch nicht so richtig beschreiben, aber ihr müsst euch vorstellen, der Schwarm sitzt draußen und es gibt keinen Imker. Und jetzt muss dieser Schwarm entscheiden, wohin gehen wir, wo wollen wir uns wieder gebären. Und Tom Seeley, er wurde schon mehrmals genannt, hat gesagt, nein, nicht gesagt, beobachtet, bevor nicht zwölf verschiedene Möglichkeiten einer Behausung getestet werden, zieht kein Schwarm weg. Also man merkt eine wahnsinnige Sorgfalt in der Wahl von den Möglichkeiten. Und dann gibt es ein wahnsinnig kluges, weisheitsvolles System, wie 500 dieser 10.000 Bienen in einem Artfindungsprozess tatsächlich auf eine einzige Behausung fokussieren und dann der ganze Schwarm dorthin zieht. Also das ist jetzt sehr abstrakt, es gibt ein Büchlein von Seeley, das heißt Bienendemokratie, wo das im Detail beschrieben ist. Und dort merkt man, das Entscheidende ist, es gibt eine freie, wenn man bei Bienen überhaupt von freier Entscheidung sprechen kann, eine freie und nicht beeinflusste Entscheidung von Lobbyisten oder von Zwängen für die beste Option. Und ich denke, Brüderlichkeit, Vertrauen und Freiheit sind Eigenschaften, die in einer zukünftigen Gemeinschaft von Menschen nicht nur gesprochen, sondern auch gelebt werden müssen.

Abschließende Gedanken und Steiners Bild 01:11:20

Johannes Wirz

Und in dem Sinne ist es für mich mehr als nur so ein Parabelbild, wie wir es gerne haben, sondern es zeigt ein bisschen an, wir sind an einem Ort gestartet und kommen an diesen Ort dahin. Ob wir dann noch Imker sind, weiß ich nicht. Aber ich hoffe, dass wir dann diese Bienenfähigkeiten so verinnerlicht haben, dass wir auch noch hinleben. Gut. Ich würde sagen, ich gebe da noch ein schönes Bild. Steiner war nicht unbedingt ein Wahnsinns-Künstler, aber er hat geniale Bilder gemalt. Und es gibt tausende solcher Skizzen, die lagen in Dornach. Irgendwann haben die Leute damals angefangen, die Wandtafeln hier mit schwarzen Papieren abzudecken. Er hat aufs Papier gemalt. Oder es ist eben so, der Ursprung ist derselbe von uns allen mit der Natur. Die Zukunft ist auch derselbe. Und was Steiner hier zeigen wollte, wir finden Bildungsprinzipien, farbig dargestellt, hier in diesem Bienchen, hier in dieser Pflanze, man sieht es vom Licht her ein bisschen undeutlich, gelb-blau-weiß. Und man sieht es auch bei Menschen, dieses Gelb-Blau-Weiße und hier noch eine Art Bienenkorb. Also es ist einfach zauberhaft, wie er manchmal so Dinge versucht hat, ins Bild zu bringen und nicht nur intellektuell verarbeitet hat.

Es gibt mehrere tausend dieser Skizzen. In Dornach fehlt das Geld für eine wirklich gute Restauration. Und das heißt, es sind Auslaufmodelle. Eine soll das Bild restaurieren, sagt der Profi-Restaurator, 5.000 Franken. 3.000 mal 5.000, merkt man, wie viel Geld das wäre, um diese Zeichnungen zu erhalten. Und trotzdem, sie sind fotografiert, man kann sie anschauen, und es kann auch so ein bisschen Anlass geben, mal ein bisschen darüber nachzudenken, inwiefern ich mit einer Pflanze oder mit einem Bienchen verwandt bin. Nicht in Bezug auf Rückenmark oder Mark, Nerven, wir haben die Knochen innen, die Bienen die Knochen außen, also das kann es nicht sein, sondern es ist vielleicht mehr auf dieser Ebene, die ich vorhin versucht habe anzudeuten. Verhaltensweisen zu Fähigkeiten des Menschen werden lassen. Gut. Und jetzt würde ich vorschlagen, wir machen 10 Minuten, eine Viertelstunde Pause, und dann würde ich gerne wirklich jetzt zu dieser wesensgemäßen Bienenhaltung kommen. Aber es war mir wichtig, zu zeigen, es gibt diesen bisschen kulturellen oder bewusstseinsmäßigen oder geistigen Hintergrund in der Bienenhaltung. Gut.

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