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Düngung - 1. Vortrag von Manfred Klett, Vortragsreihe 2017
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Düngung - 1. Vortrag von Manfred Klett, Vortragsreihe 2017
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Vorstellung und Einführung in die Düngungsfrage 00:00:35
Manfred Klett: Also mein Name ist Manfred Klett und ich bin hier auf dem Dottenfelderhof Mitbegründer gewesen, der damalige Betriebsgemeinschaft Dottenfelderhof 1968, aber bin mit dem Hof schon seit 1956 verbunden. Der war schon in dieser frühen Zeit nach dem Krieg bis 56 war der schon mal biologisch-dynamisch bewirtschaftet worden. Und dann kam so eine Interimssituation mit konventioneller Bewirtschaftung bis 68 und dann haben wir neu hier angefangen als Betriebsgemeinschaft. Und ich war hier dann 20 Jahre lang mit aufbauend die ganze Sache. Aus einer Räuberburg ist dann langsam das entstanden, was hier jetzt heute steht. Das war eine Räuberburg, kann man gar nicht anders sagen, das war völlig runtergewirtschaftet alles. Und dann hat mich aber mein Schicksal verschlagen vom Hof nach Süden, nach Dornach, ganz gute Erinnerung, wo ich auch 22 Jahre lang tätig war, dort in Vertretung der biologisch-dynamischen Arbeit weltweit und bin dann wieder zurückgekommen hier und bin jetzt wieder sieben Jahre auf dem Hof, verbringe hier sozusagen ein wenig geruhsame, geruhsame Zeit des Alterns. Also man hat immer noch genug zu tun.
Für diejenigen, die das noch nicht wissen, die Düngungsfrage. Das ist ja eine ganz zentrale Frage geworden, man möchte sagen geworden und heute redet auch kaum noch jemand drüber, weil das im Grunde genommen alles geritzt ist, was Düngung heißt. Und jetzt wollte ich mal einfach zunächst mal die Frage stellen, damit wir uns ein bisschen überhaupt erst sehen, welcher Hintergrund bei Ihnen so lebt, was Sie aus Ihren bisherigen Erfahrungen in der Landwirtschaft, in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft oder sonst wo, was Sie meinen, was man eigentlich unter Düngung zu verstehen hat. Oder was Ihr Bild ist. Dass Sie uns kurz mal austauschen, dass ich weiß, welcher Hintergrund da bei Ihnen lebt und möglicherweise welche Fragen da sind.
Publikum: Also für mich ist Düngung, so wie es auch im biologisch-dynamischen gesehen wird, dass wir schließen damit den Nährstoffkreislauf in unserem Hoforganismus. Genau und eben im Kontrast dazu, wie das heute viel gehandhabt wird in der eher industrialisierten Landwirtschaft, dass man eben Düngung als das bezeichnet, wo man guckt in der Tabelle, wie viel brauchen die Pflanzen, damit sie fett dastehen. Und dann kauft man von irgendwoher den sogenannten Dünger dann dazu und packt den dann da drauf. Und für mich ist das eher so das Glied in diesem Nährstoffkreislauf auf unserem Hoforganismus, wo wir eben auch aus dem Organismus selber die Bestandteile dafür nehmen. Und wir machen eben unseren Boden damit, geben die Fruchtbarkeit wieder rein, die auch aus ihm gekommen ist. Ja, das ist für mich Düngung.
Manfred Klett: Ja?
Publikum: Also kurz und knapp gesagt, ist für mich Düngung eigentlich nur für Masse bilden.
Manfred Klett: Wie bitte?
Publikum: Um Masse zu bilden, um große Früchte zu bekommen. Dass man einen großen Ertrag hat, um wirtschaftlich gut dazustehen. Das verstehe ich eigentlich unter Düngung, wie sie heute betrieben wird. Für mich ist Dünger Nahrungsmittel für den Boden, für die Bodenlebewesen.
Manfred Klett: Nahrungsmittel für den Boden. Und das ist aber dann immer die Frage, was ernährt oder was ist dieses Nahrungsmittel. Also wenn man das nimmt, man hat ja heute Nahrungsmittel für den Böden, die also maximale Erträge erzeugen. Da brauche ich gar nicht mehr viel denken, nicht mehr tun, sondern einfach das einkaufen und draufschmeißen. Das ist auch ein Nahrungsmittel. Also man muss dann das jetzt differenzieren, diese Frage, wie man das genau verstehen kann.
Publikum: Für mich ist Düngung oder auch, wie wir das auf dem Hof verstehen und auch was sichtbar wird für uns, eigentlich die Verlebendigung des Bodens. Der Boden ist ja auch schon ein Schatz, da liegt ganz viel drin. Und den eigentlich so zu fördern, dass ganz viel aus dem Boden, aus dem Organismus, dass der so gut funktioniert, das ist so mechanisch, aber dass es dem so gut geht, dass die Pflanzen ganz viel aus ihm holen können. Und dass die miteinander im Austausch sind.
Manfred Klett: Boden und Pflanze.
Publikum: Ich war gerade auf Marienhöhe zu Besuch, also ich bin dort nicht, aber da war das ganz deutlich mit dem Auge sichtbar.
Manfred Klett: Kann man denken. Das war schön, einfach toll. So, sind es noch irgendwelche Meinungen zur Sache?
Historischer Kontext und Streit um die Düngung 00:06:39
Manfred Klett: Im Grunde genommen hat man ja so den Eindruck, dass mit den Verfahren, die man heute so hat, die ganze Düngungsfrage eigentlich erledigt ist. Es wird auch gar nicht mehr drüber diskutiert, interessanterweise. Es war ja durch die Jahre seit dem Ersten Weltkrieg, war die Düngungsfrage, seit dem Ersten Weltkrieg, war die Düngungsfrage so eine zentrale Frage und eine eigentlich, möchte ich mal sagen, die Streitfrage schlechthin, auch zwischen der biologisch-dynamischen Bewegung und der konventionellen Landwirtschaft, die eigentlich die biologisch-dynamische Bewegung aufgefasst haben als einen Zentralangriff auf ihre eigene Weltanschauung. Die Existenz der biologisch-dynamischen Landwirtschaft wurde also ein Zentralangriff auf die wissenschaftlich begründete Weltanschauung, die man eben so technologisch ausgenutzt hat, eingesetzt hat in der Landwirtschaft, ein sozusagen ein Dolchstoß ins Herz.
Denn damit hat man eigentlich durch die Praxis der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, in den 30er Jahren, dann nach dem Zweiten Weltkrieg, hat man eigentlich, fühlten sich die konventionellen Landwirte so angegriffen, dass sie gesagt haben, die ziehen ja den Boden unter unseren Füßen weg. Dann müssten wir ja alles in Frage stellen, was da ist, aber was wir heute da praktizieren, ist doch so gegründet, wissenschaftlich zigmal gegründet und weiß Gott was, man sieht ja, wie die Pflanzen wachsen, also ist das alles Hokuspokus, was die biologische Landwirtschaft da zu verzapfen hat. Das ging da so Jahrzehnte hindurch, der Streit war enorm und es war wirklich gravierend und so verheerend in den 30er Jahren, insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus, so verheerend, dass das eigentlich uns heute irgendwo noch nachhängt. Und ich möchte nicht sagen, dass die konventionellen nur daran die Schuld tragen, sondern die biologische Landwirtschaft auch, weil sie natürlich gar nicht richtig begründen können, was sie machen. Zur damaligen Zeit, noch weniger wie heute, dass man das mit derselben Ratio begründen könnte, was die konventionelle Landwirtschaft da praktiziert mit ihrer Nährstoffgeschichte.
Also diese Frage ist heute gar nicht mehr so sonderlich aktuell. Aber damit ist es nicht gelöst. Sondern, jetzt fängt es eigentlich erst richtig an, dass wir unser Verständnis vertiefen müssen für diese Frage. Und da gibt es ja eine Bemerkung Rudolf Steiners, im Landwirtschaftlichen Kurs ist es abgedruckt, in dem ersten Vortrag, den er nicht in Koberwitz, sondern in Dornach gehalten hat, im Anschluss an seine Reise nach Breslau. Wo die Bemerkung steht, die Düngung ist ein so tiefes Geheimnis, dass es nur der Geistesforscher ergründen kann. Also nicht der Naturforscher. Dass es nur der Geistesforscher ergründen kann, ist ein so tiefes Geheimnis.
Und wenn man dann im Weiteren den Landwirtschaftlichen Kurs zur Hand nimmt, dann wird man ja nach und nach erst bemerken, man steckt ja heute auch in einer materialistischen Weltanschauung drin. Das sind wir alle, stecken da drin. Wir können uns da gar nicht freisprechen davon. Das Schlimme ist nur, dass wir es nicht merken. Dass wir doch letzten Endes irgendwo so denken, wie allgemein gedacht wird und das wenden wir ein bisschen dann auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft an. Also da gibt es ja natürlich alle denkbaren Übergänge, aber man muss sehr aufmerksam sein auf sein eigenes Denken, auf sein eigenes Wahrnehmen, auf sein eigenes Erkennen, um zu bemerken, wie tief ich im Grunde genommen, wie jeder Naturwissenschaftler heute, wir haben heute eigentlich ein naturwissenschaftlich gefärbtes Bewusstsein, wie jeder Naturwissenschaftler irgendwo heute tief, tief, tief, tief in einer materialistischen Weltanschauung drinsteckt. Die Wissenschaft und auch die Landwirtschaftswissenschaft ganz besonders, das trifft auch für die Medizin zu, die sind eigentlich als Wissenschaftler die gläubigsten Menschen gewesen, als je gläubige Menschen im Mittelalter gelebt haben. Man glaubt, man glaubt zu wissen oder man glaubt zu erkennen, aber im Grunde genommen glaubt man an irgendwelche fantastischen Ergebnisse, die man erzeugt hat und die Bestätigung, dass der Glaube richtig ist, ist dann die Maschine, die hinten rauskommt, die Technologie daraus entsteht. Dann funktioniert ja irgendwas.
Also im Grunde genommen sind wir in Bezug auf die Gedankenformen, die heute ganz wesentlich das wissenschaftliche Weltbild der Natur prägen und des Kosmos, die sind im Grunde genommen einfältig, so einfältig, in letzter Konsequenz in ihrer Intellektualität und Abstraktheit, so einfältig, wie nur je ein Glaubensinhalt war in früherer Zeit. Und da glaubt man dran. Und das ist gar kein Vorwurf, sondern das kann man nur erkennen, wenn man ein bisschen Selbsterkenntnis auf sich selbst richtet und sich prüft, woher hole ich meine Gedanken, zum Beispiel die Gedanken des Stoffkreislaufes oder Nährstoffkreislaufes, wo kommt der überhaupt her? Also alle Begriffe, die wir heute haben, müssen wir letzten Endes hinterfragen. Und insofern stehen wir gerade als biologisch-dynamischer Landwirt vor einer unglaublichen Herausforderung. Es geht nicht darum, dass man da irgendwas macht, ein bisschen anders als die anderen, sondern dass man das wirklich in Bezug auf die Begriffe hinein vor sich selbst rechtfertigen lernt.
Das Geheimnis der Düngung: Entwicklung statt Erhaltung 00:13:11
Manfred Klett: Und so ist die Düngungsfrage wirklich ein sehr, sehr tiefes Geheimnis. Und dieses Geheimnis kann ich Ihnen nicht lösen. Ich kann nicht also hergehen und sagen, so ist es, sondern ich möchte es nur auffächern. Ich möchte mal das ganze Spektrum dessen auffächern, was man unter Düngung verstehen kann, beziehungsweise in welche Richtungen man jeweils zu blicken hat. Nun kann sich bei der Düngung ja gar nicht darum handeln, dass man nur sozusagen eine Erhaltungsdüngung macht. Also irgendwas erhält, was da ist. Ein Zustand, der da ist. Sondern dass Düngung letzten Endes heißt, dass man den Entwicklungsgedanken hineinträgt in die Erde, in den Boden, was da eine Entwicklung inauguriert.
Als Mensch wissen wir ja in etwa, was Entwicklung bedeutet. Dass ich zum Beispiel als Kind ganz anders konfiguriert war in meinem Bewusstsein, als ich es heute bin. Und nochmal eine weitere Entwicklung durchlaufe, wenn ich älter werde usw. Ich lerne immer mehr Zusammenhänge verstehen, einsehen, handele danach. Also ich bin ja ständig in Wandlung begriffen als Mensch. Wenn ich mich denn richtig verstehe als Mensch. Ich bin ein ständig wandelndes, sich entwickelndes Wesen. Und wir betrachten aber die Natur als ein statisches. Und diese Statik, die liegt einfach vor, so ist es. Wir haben hier die Böden so und so und so, die klimatischen Bedingungen. Und jetzt kommt es nur darauf an, dass man die sozusagen auf diesem Niveau hält. Oder vielleicht ist es noch ein bisschen verbessert. Dass man die Humusgehalte steigert oder so. Aber das ist keine Entwicklung. Das ist nur sozusagen den naturgegebenen Standort etwas zu optimieren. Und ein anderes Ertragsniveau oder so. Also Entwicklung heißt, oder Düngung heißt im höchsten Sinne, eigentlich ein Gewordenes, nicht nur ein Gewordenes sein lassen, sondern es zu entwickeln. Weiterzuentwickeln, in die Zukunft zu entwickeln. Dass neue Möglichkeiten sich eröffnen. Im Hinblick auf das Pflanzenwachstum, im Hinblick auf die Qualitätsbildung in der Nahrung und so weiter.
Die Natur als Vorbild? Standortentwicklung vs. menschlicher Eingriff 00:15:47
Manfred Klett: Und nun ist es ja so, dass wir zunächst einmal beobachten, wenn wir hinausgehen in der Natur, dass jeder Standort anders ist. Dass man nicht sagen kann, der nächste Hof in der Nachbarschaft hätte schon dieselben Voraussetzungen und Bedingungen wie jetzt dieser Hof. Oder wenn wir noch weiter weggehen, merken wir, dass immer mehr sich differenziert.
Publikum: Ich finde das schon bei uns, weil wir schon mal einen Hektar gehabt haben. Bei uns am Hof ist ein Hektar zu bewirtschaften. Und auf diesem Hektar waren schon sehr viele verschiedene Erden vorhanden. Da allein habe ich schon nicht richtig bestimmen können, was ist das für eine Erde. Und ich finde, man muss eigentlich immer vor Ort an einem kleinen Fleck schauen und muss eigentlich Stück für Stück gehen und nicht einfach eine Reihe über 100 Meter ziehen.
Manfred Klett: Das ist das eine. An jeder Ecke ist es ein bisschen anders. Und die Böden sind andere. Wir haben sehr viele Bodentypen zum Beispiel hier auf dem Hof versammelt. Und trotzdem ist der Hof für sich genommen mehr oder weniger doch über das hinaus, dieses naturgegebene Verschiedenheit hinaus, eine Ganzheit. Und das ist jedenfalls anzustreben. Aber das ist jetzt ein Sonderthema. Da kommen wir vielleicht nochmal drauf zurück. Also jedenfalls. Die Natur schafft Standorte. Man nennt das ja Biotope oder auch ein Habitat, in dem heutigen Sprachgebrauch der Ökologie. Es schafft Standorte, die haben ganz typische Merkmale, wo die Natur quasi sich selber so düngt, aus ihren eigenen Bedingungen und Kräften heraus, dass jetzt eine bestimmte Assoziation, eine bestimmte Vergesellschaftung von Pflanzen und Tieren auftritt. Denken Sie mal an den brasilianischen Urwald. Der ist anders als der indonesische Urwald oder der von Kamerun oder so in Afrika. Aber es ist ein Standort, der aufgrund der gegebenen klimatologischen und sonstigen Standortsbedingungen des Bodens eben von Natur aus in eine solche Gestalt gebracht worden ist in der Vergesellschaftung von Pflanzen und Tieren, die für diesen Standort einmalig sind. Und so ist es mit der Wüste oder mit der Steppe oder mit der Prärie oder so ist es eben mit jedem Waldstandort plus minus, der noch naturbelassen ist. Ich möchte nicht die Sache vertiefen, denn der Mensch hat schon immer seine Hände im Spiel gehabt, auch im brasilianischen Urwald im Übrigen. Aber trotzdem kann man sagen, die Natur schafft sich gleichsam für den Standort eine bestimmte Assoziation von Pflanzen und Tieren, die für diesen Standort typisch sind.
Und die Ökologen sind dann vielfach der Auffassung, das ist doch das Optimum. Wir müssen uns belehren lassen von dem, was die Natur selber in der Lage ist, sich selber darzustellen in einem bestimmten Biotop. Und bitte, bitte greift da nichts Großes ein. Ihr macht nur alles kaputt. Das ist ja die Grundtenor, nicht mehr so scharf wie noch vor 20, 30 Jahren, aber immerhin immer noch, dass die Ökologie sagt, der Mensch ist im Grunde genommen der große Zerstörer aller Naturzusammenhänge. Wo er eingreift, macht er alles kaputt. Und diese Auffassung möchte aussagen, dass die Natur macht es richtig und wir machen alles falsch. Und also müssen wir genau hingucken, was die Natur da so richtig macht und uns daran orientieren. Und dann können wir nicht fehlgehen. Und das ist im Grunde genommen die Grundauffassung des sogenannten ökologischen Landbaus. Oder biologischen Landbaus. Organischen Landbaus, wie man sie auch immer nennen muss. Dass man sagt, letzten Endes müssen wir die ökologischen Gesetze kennen. Was macht die Natur? Die macht es allemal gut. Und das sind ja Gesetzmäßigkeiten, die wir verhalten. Also muss ich diese Gesetze erkennen, muss daran handeln und dann kann es schiefgehen. Oder ein bisschen was geht immer schief. Weil man nämlich sich sagt, ich kann mich nie als Landwirt so verhalten in der Gestaltung meines Hofes, auch im Hinblick auf die Düngung, dass ich der Natur auch nur annähernd näherkomme. Die Natur ist sozusagen das unerreichbare Ziel und ich kann mich dem nur annähern, asymptotisch. Das baut man sich selber Schranken auf.
Sondern wenn man den Entwicklungsgedanken jetzt dazunimmt, dann merkt man, warum soll man bei etwas stehenbleiben, was da ist. Soll sich das nicht mehr weiterentwickeln? Gibt es nicht Möglichkeiten, das, was geworden ist, zu verwandeln in ein zukünftiges? An uns selber können wir das vielleicht wahrnehmen. Aber kann man das auch in die Natur einpflanzen? Bedeutet, ist das nicht eine Aufgabe der Menschheit, wie Novalis, der Dichter hat es mal so ausgedrückt, zur Bildung der Erde sind wir berufen, als Menschen. Das ist ein wunderbarer Ausdruck. Die Menschheit ist auf einer Mission, zur Bildung der Erde sind wir berufen. Novalis. Da kann man sich mal fragen, was heißt das eigentlich? Dass man etwas weiterbildet, entwickelt, was noch nicht ist. Das ist im tiefsten Sinne die Aufgabe der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Im tiefsten Sinne. Von wem war das Zitat nochmal? Friedrich von Hardenberg, Novalis genannt. Novalis, Zeitgenosse Goethes und Schillers. Einer der wenig gelesenen und doch der bedeutendsten Dichter, die es überhaupt gibt auf der Welt. Novalis, mit 29 Jahren gestorben. Aber was er da geschrieben hat, gerade zum Beispiel die Fragmente, es gibt Fragmente von Novalis, ein ganzes Buch von kurzen, nur wenigen Sätzen, die Notizen sind zu einer Enzyklopädie aller Naturwissenschaften. Eine Enzyklopädie, ja nicht nur Naturwissenschaften, sondern aller Wissenschaften. Und das ist eine Fundgrube von Ideen. Das besteht nur aus Ideen, diese ganzen Darstellungen von Novalis. Kann ich nur empfehlen.
Die Düngung als Entwicklungsaufgabe und historische Perspektive 00:23:13
Manfred Klett: Und jetzt, wenn wir jetzt einsteigen in diese Frage, wie man an den Düngungsbegriff so herantreten kann, dass man in ihm letzten Endes die Aufgabe sieht, die Erde zu entwickeln, die Erde zu bilden, so wie man das Kind bildet in der Schule, oder der Mensch sich selber später bildet als Mensch, dass man diesen Bildungsbegriff mal vorsichtig heranträgt an das, was man heute in der Landschaft oder in einer Landschaft der Zukunft zu tun hat. Im Hinblick auf die Düngung vor allen Dingen. Ja, und jetzt aber muss ich doch einem Prinzip folgen, das heute sehr vernachlässigt wird. Wir sind heute Augenblicksmenschen. Wir sind im Übrigen Selfisten, wie ich es nenne. Also wir haben immer den Eindruck, dass man eigentlich ständig so einen Stab vor sich trägt mit einem Fotoapparat dran und fotografiert sich selbst. Das ist so ein wesentliches Merkmal unserer Zeit, dass jeder Mensch im Wesentlichen an sich denkt und sich selber sehen will, um sich zu überzeugen, das bin ich. Und insofern haben wir sozusagen ein Eintagsfliegenbewusstsein heute. Das Bewusstsein wird ständig gefüttert von allen möglichen Informationen von außen, aus den Medien, aus den Zeitungen und so. Alles Bruchstücke von Halbwahrheiten oder vielleicht sogar Fake News, also Unwahrheiten, kann man sagen. Und man muss herausfiltrieren, was ist davon eigentlich Tatsache? Wir leben in einer Welt, wo man ständig maßlos aufmerksam wach sein muss. Was will mir das jetzt sagen, was ich da zur Kenntnis nehme? Ich muss mich dazu in ein Verhältnis setzen.
Und um aus dieser Bewusstseinslage herauszukommen, ist es notwendig, dass man historische Kenntnisse hat. Und da hapert es heute gewaltig. Weil nämlich, wenn man keine wirklichen Kenntnisse hat von dem, was die Vergangenheit eigentlich bedeutet für den Menschen, dann irrt man. Man irrt durch die Welt. Und kann keinen Zukunftsblick entwickeln, keine Zukunftssicht. Ich kann Zukunft erst denkend, fühlend, erfassen, erfahren lernen, was eigentlich werden will in der Welt, je besser ich Vergangenheit verstehe. Und das ist ein Grundprinzip, möchte ich mal sagen, alles Menschseins. Dass wir Vergangenheit kennen müssen, um in der Gegenwart vollbewusst drin zu stehen. Und wenn wir das tun, dann entsteht vor uns auch ein deutliches Bild in Bezug auf das, was in Zukunft werden soll. In welchen Prozessen wir uns da schöpferisch selber hineinstellen müssen. Also das ist ein bekanntes Wort von Thomas von Aquin, eines mittelalterlichen Philosophen und Kirchenlehrer, Doctor Angelicus genannt, der gesagt hat, Zukunft ist sich verwandelnde Vergangenheit. Dem kann man mal nachspüren, was das eigentlich besagt. Zukunft ist sich verwandelnde Vergangenheit. Und ich kann ja nur etwas verwandeln, was ich kenne. Also muss ich doch ein bisschen den Schlüssel finden, wie ich mir eigentlich Vergangenheiten vergegenwärtige, so dass ich sie jetzt verwandeln kann in die Zukunft.
Und nun möchte ich, so gestatten Sie mir, und da knüpfe ich ja auch nochmal an etwas an, was ich schon mal in Landwirtschaft im Einführungskurs im Januar mal gesagt habe, aber jetzt im Bezug auf die Düngung gezielt. Seit wann praktiziert die Menschheit eigentlich eine Düngung? In welche Zeiten müssen wir da zurückschauen? Und je weiter wir zurückschauen in die Vergangenheit, also weit in die vorchristlichen Hochkulturen des ganzen Orients, wenn wir da zurückschauen, dann merken wir, dass eigentlich der Düngungsbegriff noch gar nicht wirklich da war. Dass man zwar auch schon düngend gewirkt hat, aber man hatte gar nicht irgendwie ein Bewusstsein davon, sondern man hat eigentlich nur noch der Natur im Wesentlichen nachgeholfen.
Publikum: Also ich muss mir zum Beispiel an das denken, wie bei den Nilschwemmungen, die es gibt. Also dass der Nil einmal im Jahr das Nil-Delta überschwemmt, das ist eine Fruchtbarkeit.
Manfred Klett: Da komme ich gleich drauf zurück.
Publikum: Wo das Bild eigentlich der Menschheit damals sein musste, zu sehen, was da in einem Augenblick passiert, und dort als Vorbild vielleicht auch irgendwo zu fahren.
Die frühen Hochkulturen und ihre Beziehung zur Natur 00:28:53
Manfred Klett: Da hat die Natur dafür gesorgt. Da komme ich gleich nochmal drauf zurück. Und wenn wir jetzt an die Anfänge gehen, der sogenannten nachatlantischen Hochkulturen, von denen ich ja schon immer wieder hier mal gesprochen habe, ich weiß nicht, ob sich der eine oder andere erinnert, da gibt es ja eine erste große Kulturblüte nach den Eiszeiten, nach der sogenannten biblischen Sintflut, die ja eigentlich nichts anderes ist als ein Ausdruck, dass die Eiszeiten jetzt zu Ende sind. Dass der Eispanzer hier in Nordeuropa abgeschmolzen war. Dass in dieser Folgezeit eine erste Kultur erblüht ist. In Nordindien, die urindische Kultur. Am Abhang des Himalaya in das indische Kontinent, da ist eigentlich die Urkultur der nachatlantischen Entwicklung, wo die Menschen nun halbsesshaft, halbnormadisierend waren, aber wo die Natur so wunderbar war, dass man gar nichts machen brauchte. Man hat sozusagen die Früchte von den Bäumen gepflückt. Das war die Kultur am Ganges. Der Ganges ist der Fluss, der am Fuß des Himalaya von West nach Ost fließt und in Bangladesch einen riesigen Delta dann einmündet in den dortigen Golf. Und dieser Ganges, der heilige Ganges, der heute noch heilig gilt, in den alle Flüsse aus dem Himalaya kommen, sind in den eingemündet. Der Brahmaputra ist einer von den größten dieser Flüsse. Und in diesem Bereich entwickelte sich eine unglaubliche Hochkultur. Ich kann mich da nicht jetzt länger darüber einlassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass diese Hochkultur eine war, die, man möchte mal sagen, dem Irdischen noch ferner stand als dem eigentlichen geistlichen Ursprung, den man in sich erlebt hat. Man hat sich noch mehr als ein kosmischer Mensch empfunden, noch nicht als ein wirklich irdischer Mensch. Damals herrschte sogar noch eine ganz instinktive, ganz dunkle, aber doch eine, also im dunklen Bewusstsein eine Hellsehfähigkeit. Die Menschen lebten noch mit der Natur. Die durchschauten alles. Die brauchten gar keine Wissenschaft oder irgendwas. Sondern die lebten mit den Naturwesen und waren dann hineinverwoben und das war's. Und die eigentlich hatten das Gefühl, die eigentliche Welt, zu der ich gehöre, die ist gar nicht hier auf Erden, die ist im Himmel. Der sogenannte Nirwana. Ich möchte darauf jetzt nicht näher eingehen.
Das ist sozusagen eine erste Kulturblüte, wo man merkt, offensichtlich bereitet sich da was vor, was dann auch in der Folgezeit zur Haustierwerdung geführt hat. Denn die ersten Hunde tauchen im 9. Jahrtausend vor Christus auf. In aller Vielfalt. Und dann im 8. Jahrtausend die ersten Rinder, die ersten Schafe, die ersten Ziegen. Also die Haustierwerdung fällt in diese frühe Zeit wo diese Kultur geherrscht hat. Also 9. bis 8. Jahrtausend vor Christus bis zum 7. Jahrtausend. Und da bereitet sich was vor. Mehr kann man nicht sagen. Man hat auch davon ja gar keine äußeren Zeugnisse. Die einzigen Zeugnisse, die auf diese Kultur hinweisen, ist die sogenannte Vedanta-Philosophie. Das sind die Veden, die indischen Veden aus dem 6. Jahrhundert vor Christus sind, die erst aufgeschrieben wurden. Also die stammen gar nicht aus dieser Zeit, aber sie verweisen auf diese Zeit. Das hat sich sozusagen in dem Erinnerungskosmos der Menschheit, die ja keine Schrift hatte bis dato, die Schrift ist vielleicht im 1000, 2000 vor Christus, mit den Hieroglyphen und so weiter, hat es überhaupt erst angefangen, ist das alles nur in der Erinnerung, in der mythischen Erinnerung weitergegeben worden, von Generation zu Generation, und dann auch niedergeschrieben worden, sodass unsere Kenntnis dieser urindischen Kultur eigentlich mehr oder weniger aus den Zeiten der Vedanta-Philosophie stammt, also 1000 vor Christus etwa.
Dann folgt aber, es glänzt leider Gottes so hier, ich weiß auch nicht, es ist so blöd diese Ecke, die hat sich also vollzogen hier in diesem Bereich, das ist Indien, hier oben am südlichen Abhang des Himalaya. Der Ganges, der fließt von hier von Westen nach Ost, Bangladesch. Und jetzt schließt sich eine zweite Kultur an, von Osten nach Westen, und zwar in dem Raum, der hier, in dem Raum, westlich von Indien in den heutigen Afghanistan. Das ist hier Afghanistan. Und bis in den Ostpersischen Raum hinein, das ist die sogenannte Urpersische Kultur. Und diese Urpersische, von der wissen wir schon ein bisschen mehr. Diese Urpersische Kultur, aus der stammen praktisch alle unserer Kulturpflanzen. Und dann auch die Haustierwerdung hat sich da im eigentlichen Sinne erst vollzogen. Die Urpersische Kultur ist die Kultur der Sesshaftwerdung der Menschheit im größeren Stil. Dass da Dorfschaften oder Ansiedlungen entstanden sind. Und immer dann, wenn der Mensch sesshaft wird, entsteht das Haustier. Vorher nomadisierte er noch mit den Tieren. Mit den Herden, durch die endlosen Steppen, Kaukasien, Kasachstan usw., weiter nördlich in diesen Gebieten, nördlich von Afghanistan, in den Steppengebieten. Da war noch eine nomadisierende Menschheit. Und jetzt, in dieser Urpersischen Kultur, werden die ersten Menschen sesshaft. Bauen sich Siedlungen, ganz verstreut, auch immer an Flussgebieten und fangen an, die Erde zu bearbeiten. Das gab es in der urindischen Kultur noch nicht.
Und am Anfang dieser ganzen Entwicklung steht Zarathustra. Diese große Eingeweihte der Urpersischen Kultur, die diese ganzen Kultur die Richtung gegeben hat. Und dieser Zarathustra, da geht die Legende. Ich möchte mal eine Legende erzählen. Dass zu Anfang dieser Kultur ein König zu ihm gekommen ist, der hieß Jamschid. Und das war ein König der Turanier. Und die Turanier, die saßen oben in der Kasachischen Steppe und darüber hinaus in der Mongolei, äußeren, inneren Mongolei. Die Mongolen sind noch ein bisschen Überbleibsel aus dieser Zeit. Das sind die sogenannten Turanier. Und der war ein König der Turanier. Und die Turanier waren die letzten Überbleibsel der eigentlichen atlantischen Kultur, also die vor der indischen bestanden hat in den Eiszeiten und den Zwischeneiszeiten usw. Die sogenannten atlantischen Kulturen. Und das waren Überbleibsel, die Turanier. Und dieser König Jamschid hat sich jetzt mit diesem, mit dem fortgeschrittensten Teil seiner damaligen Menschheit hat er sich nach Süden gewandt und hat sich dann angeschlossen an Zarathustra, den Begründer der urpersischen Kultur. Denn die Perser, die Urperser haben immer die Turanier bekämpft. Das war ein Jahrhundert während der Krieg, der da geherrscht hat. Und jetzt hat sich dieser König an Zarathustra gewandt und hat sich bekannt zu derselben Religion wie die Urperser damals, nämlich zu dem Zarathustrismus. Und das besagt, dass für den Urperser war, wie das für die damaligen Religionen alle der Fall war, aber ganz entschieden, da ist die eigentliche spirituelle Welt konzentriert in der Sonne. Und diese Wesenheit, die da in der Sonne, sozusagen Religionsinspirator ist, nannten sie Ahura Mazdao. Der Ahura Mazdao. Das war so die urpersische Welt. Und die ganze Menschheit hat da ehrfürchtig sozusagen die Sonne angebetet. In diesem Sinne als die Ursprung alles dessen, was nur an Weisheit in der Welt waltet.
Und der Jamschid, der kam jetzt zu dem Zarathustra und hat ihm eine Gabe überbracht. Das ist ein Mythos. Das ist immer ein Bild. Und Bilder muss man übersetzen. Man kann sie nicht direkt so nehmen, wie sie sind, sondern da spricht sich etwas aus, in einer Sprache, die dem damaligen Bewusstsein entsprach. Und nun überreicht er dem also eine Gabe, einen goldenen Dolch. Den habe er von Ahura Mazdao erhalten, Jamschid, und er reicht ihn weiter an Zarathustra. Und was ist das Bild des goldenen Dolchs? Der Pflug. Das ist das Urbild des Pfluges. Das heißt, dass man mit dem goldenen Dolch jetzt nicht nur, also sagen wir mal, Kriege führt und andere Menschen bekämpft, sondern dass man nimmt diesen goldenen Dolch und ritzt die Erde. Denn damals hat man ja noch nicht gepflügt mit dem wendenden Pflug. Der kam ja viel später erst auf. Sondern man hat die Erde nur geritzt. Und in diese Ritzen, da wurden aufgebrochene Boden, hat man jetzt von Hand den Samen reingelegt. Das gab es vorher gar nicht. Das hat das Bewusstsein, den Samen reingeritzt, wieder zugedeckt. So entstand der Ackerbau. Der Ackerbau stammt aus der urpersischen Kultur und damit die Entwicklung des Weizens, der Gerste, der Wintergerste, dann später des Roggens, des Hafers, aller Getreidearten. Der Mais ist ja in Amerika entstanden, als Graminee. Und so sind dann in der Folgezeit auch alle Blattgemüse, Pflanzen entstanden usw. In dieser urpersischen Kultur, die dort zwischen dem 6. bis zum 3. Jahrtausend, also bis zum 4. Jahrtausend eigentlich gereicht hat vor Christus. Also der Beginn aller Ackerbaukultur ist dieser ritzelnde Pflug. Und damit der Beginn aller Kulturpflanzenentwicklung, das heißt der Fruchtbildung, dass in den Pflanzen Fruchtbildung über das naturgegebene Maß hinaus entsteht. Dass der Weizen nicht nur ein dünnes Grassämchen ist, sondern in seinem Endosperm, in seinem Mehlkörper, sich aufquillt und da mehr Substanz einlagert, als es für die Pflanze notwendig wäre, um zu wachsen. Fruchtbildung, die von Menschenhand geschaffene Fruchtbildung, das ist ja die Entwicklung der Kulturpflanzen.
Nun, dieses Ritzeln des Pfluges, was bedeutet das eigentlich? Das ist nicht umsonst dieses Bild des Dolches. Denn mit dem Dolch verletzt man ja. Aber man ist ein goldener Dolch. Und Gold ist das Sonnenmetall. Und jetzt verletzt man mit dem etwas. Und man ritzt den Boden auf, man verletzt die Erde. Das war die Empfindung dieser damaligen Menschen. Man verletzt jetzt die Erde. Wenn ich sie aufbreche mit einem Instrument, dann zerstöre ich sozusagen die Fruchtbarkeit, die dort jetzt hier und jetzt, so wie sie geworden ist, an dem Standort eben herrscht. Denn das ist das Prinzip dann in der Folgezeit, durchgehend durch die ganze Entwicklung der Bodenbearbeitung, dass man sagen muss, jede Bodenbearbeitung verletzt die Erde. Egal was. Und warum? Wie kann man das verstehen? Weil sie immer Abbauprozesse veranlasst. Ob ich jetzt striegle, ob ich hacke oder ich pflüge oder was ich auch immer mache, jede Bodenbearbeitung bedeutet Sauerstoffzufuhr, Luftzufuhr zum Boden und ich fördere den mikrobiellen Abbau. Ich baue Fruchtbarkeit ab. Und das ist für unser Verständnis heute so, so dann der wissenschaftliche Verstand, der das so sagt. Damals war das für die Menschen noch gefühlt. Die haben das noch als Schmerzempfindung erlebt, dass man jetzt hier die Erde aufritzt, aber da etwas reinlegt, ein Sämchen, und die werden sofort pflanzen. Und so hat die Grundlage dann der Ernährung für die damalige Menschheit und die Erfolgezeit natürlich.
Nun, das ist das eine dieser urpersischen Kultur. Das heißt schon, dass man da erkennen kann, Bodenbearbeitung düngt. Bodenbearbeitung düngt. Indem ich die Erde verletze, baue ich Humus ab und da aus dem Humus durch den Abbau werden bestimmte Stoffe frei, die dann von den Pflanzen aufgenommen werden können. Jede Bodenbearbeitung ist ein Düngungsfaktor. Das muss man einfach wissen. Das ist die Kunst der Bodenbearbeitung, das zu handhaben zum richtigen Zeitpunkt. Sonst geht auch vieles verloren, wenn man es zu falschem Zeitpunkt macht.
So, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die vielleicht entscheidendere, dass diese Menschen angefangen haben, ganz bewusst Bewässerungen zu handhaben, mit dem Wasser zu arbeiten. Das kennzeichnet die gesamten vorchristlichen Hochkulturen bis in die griechisch-römische Zeit hinein. Kennzeichnet das, dass jetzt das Wasser der eigentlich düngende Faktor ist. Die haben keine Bewegung gehabt zunächst. Sie hatten die sogenannte Bodenbewässerung. Das haben die angefangen, jetzt mit einer solchen kunstvollen Art zu betreiben, in einer Landschaft von Afghanistan nach Norden, also vom Hindukusch, das ist das Zentralgebirge in Afghanistan, und das Pamirgebirge, das sind die Westausläufer, das Himalaya. Und dieses Gebiet setzte sich dann fort in die Steppengebiete, die vorgelagert sind nach Norden, Usbekistan und dann Turkmenistan, tendenziell bis zum Aralsee. Und da fließen ja zwei große Flüsse, ursprünglich waren das wirklich große Flüsse, die Griechen nannten die Oxus und Jaxartes. Zwei große Flüsse. Jaxartes fließt aus dem Pamirgebirge in den Aralsee, und der Oxus aus dem Hindukusch im Aralsee. Und diese Flüsse enden im Aralsee, der ja dann versalzt, verdunstet, und heute fließt da kaum noch Wasser, weil das alles unterwegs für Bewässerungszwecke verbraucht wird, deswegen versalzt der Aralsee so rasant, er verliert einfach schließlich seinen ganzen Zufluss. Diese Flüsse und auch die ganzen Wässer, die aus dem Hindukusch dann in das Vorland gelaufen sind und dann versickert sind in irgendwelchen kleinen Sumpfgebieten oder in Deltas, die wurden kultiviert, und da waren diese ursprünglichen Siedlungen dieser Urperser. Das war eine Kultur, die die tote Steppe oder Wüste durch Bewässerung fruchtbar gemacht hat. Also wo das Wasser als düngender Faktor eingesetzt worden ist, und auch in den ganzen Hochtälern des Hindukusch hat sich eine Bewässerungskultur entwickelt, schon in damaligen Zeiten, die bis heute besteht.
Ich möchte es nur kurz andeuten. Wenn Sie zum Beispiel hier so einen Gebirgsabhang haben, hier oben ist der Hindukusch, ein Fünftausender, und dann senkt sich dieser Felsklotz ab, hier unten irgendwo in einem Tal. Dieses Gebiet hier ist nun überdeckt von einer Schutthülle, Schuttmasse, in der jetzt der Fluss hier unten fließt. Und jetzt haben die Menschen angefangen, in diesem Abhang der Schuttmassen hier, diese Hänge zu kultivieren. Und da war natürlich keinerlei Wasser, sondern das Wasser des Flusses von hier oben unterirdisch, unter diesen Grobschuttmassen hier unten, floss das Wasser hier in Richtung Vorfluter. Und was haben die Leute jetzt gemacht? In diesen frühen Zeiten schon, die haben hier einen Stollen reingegraben und haben hier das Wasser gefasst, was von oben kommt, und haben es zum Stollen rausgeleitet, und dann konnten sie dieses ganze Gebiet hier bewässern, von oben. Stellen Sie sich mal vor, das war im vierten, fünften vorchristlichen Jahrtausend, und zwar das nicht im geringen Stil, sodass heute noch die Taliban in Afghanistan, wenn die sich zurückziehen irgendwo, um nicht entdeckt zu werden, dann verschwinden die in solchen alten Stollen noch, die natürlich weitergebaut worden sind durch die Jahrhunderte, ein ganz ausgedehntes System solcher Stollen, wo sie das Wasser abgeleitet haben, zu Bewässerungszwecken hier. Bodenbewässerung. Das war der Ursprung einer gezielten Bewässerungskultur im Urpersien. Und in den Hochtälern selber hat man das natürlich ausgenutzt, was dann später die im Niltal und in Mesopotamien überhaupt ausgenutzt haben, die jährlichen Sedimentationen bei Hochwasser, die entstanden sind, unter Ablagerung von sehr juvenilem, aufgeriebenem Gesteinsmaterial, das heißt also Schluffe, auch Tone, Humus, was abgetragen worden ist, sodass jedes Jahr quasi die Natur sich selber gedüngt hat, und die wurden dann kultiviert. Und da hat man natürlich einen sehr guten Standort gehabt für die Entwicklung unserer Kulturpflanzen. Die sind alle da entstanden, jedenfalls die Getreidearten.
Nun, das hat sich dann immer mehr natürlich verfeinert, und das prägte die ganze urpersische Kultur. Sie machen sich gar keine Vorstellungen. Man spricht ja heute von dem sogenannten Neolithikum. Haben Sie schon mal den Begriff gehört? Das ist die jüngere Steinzeit. Mesolithikum ist die mittlere Steinzeit, und Paläolithikum ist dann die Altsteinzeit. Und was hier sich abspielt, ist Neolithikum. Das heißt, da haben die Menschen noch, als Utensilien, mit denen sie umgegangen sind, hatten sie noch ihre Faustkeile. Oder hatten sie vielleicht, Eisen, Metall gab es noch gar nicht. Sie haben dann in den Betrieben die primitivsten Mittel, äußerlich gesehen, haben die da hantiert. Und hatten die höchsten Kulturleistungen geschaffen, die man sich überhaupt vorstellen kann, nämlich die Kulturpflanzen gezüchtet. Und die Haustiere sind da eigentlich wirklich erst Haustiere geworden. Den Stein interessierte die gar nicht, sondern das Lebendige. Wie kann ich das Lebendige plastizieren? Wie kann ich das Seelische der Tiere so plastizieren, dass daraus Haustiere und Kulturpflanzen entstanden sind? Aber man war nicht in der Lage sozusagen, schon den Stein zu plastizieren zu den Kunstwerken, die dann viel später erst entstanden sind. Das Wasser, das konnte man damit umgehen. Aber noch nicht mit der Erde, nicht mit dem Stein. Nur der ritzende Pflug, das war der Anfang. Am Ende des Neolithikums fing ja die Keramik an, die Bandkeramik. Die Menschen, die dann angefangen haben, den Ton zu nehmen, den zu kneten und darauf etwas zu formen, zu trocknen und dann zu brennen, und dann Gefäße zu haben. Das kam dann erst im Verlauf der urpersischen Kultur zustande. Also man fing an, es schon zu plastizieren, aber noch den formbaren Ton, noch nicht den Stein als solchen zu plastizieren.
Die Mesopotamisch-Ägyptische Kultur und der Beginn der Bewässerungskultur 00:52:52
Manfred Klett: Dann gibt es eine dritte Kultur, die sich anschließt an die urindische, an die urpersische. Das ist die Mesopotamische Ägyptische Kultur. Es ist die Kultur von Sumer, Babylon, Kaldea und Assyrien, die assyrische Kultur, die im Zwei-Strom-Land, also in Mesopotamien, stattgefunden hat. Und dann über den Isthmus der Levante, das ist heute Syrien im Wesentlichen oder Libanon. Dann Israel bis nach Ägypten rüber. Und dann das ägyptische Tal, das Niltal, von Nubien bis ans Delta runter. Das war eine große Kultur. Und die setzten in gewissem Sinne diese urpersische Kultur fort, und da war eben im höchsten Grade maßgebend für die damaligen Kulturleistungen, dass die Natur jedes Jahr über die Ablagerung der Flüsse den Boden regeneriert hat. Das galt für Mesopotamien. Der Name Mesopotamien rührt ja her von Mesopotamos, das heißt also zwischen den Flüssen, auf Griechisch, zwischen Euphrat und Tigris, dieses Land. Also wir rücken hier von Osten nach Westen und kommen jetzt hier nach Mesopotamien, also hier dieses Gebiet. Und dann eben das Niltal. Dieses ganze Gebiet. Wiederum hat die Natur dafür gesorgt, dass der Boden fruchtbar gehalten worden ist. Und wiederum ist es also die Bewässerungskultur, die eigentlich diese ganzen Kulturen hochgehalten hat und sich derart verfeinert hat, technisch möchte ich mal sagen, also in der Handhabe der Bodenbewässerung, dass natürlich, ich möchte mal sagen, das war ein wirklicher Kulturschritt, die urpersische Kultur weiterführend.
Und da möchte ich ein Beispiel nennen, dieser ausgefeilten und weitsichtigen Bewässerungskulturen, die sich da entwickelt haben. Das ist der sogenannte Yusufkanal. Den gibt es heute noch in Ägypten. Der Yusufkanal, das ist der Kanal des Josef. Und Josef war ein Sohn des Jakob. Einer der Jakob-Söhne. Und dann haben seine Brüder nach Ägypten verkauft, diesen Josef, so geht ja die Geschichte im Alten Testament. Haben ihn verkauft nach Ägypten und dort haben sie gemerkt, was das für ein intelligenter Bruder ist, der Josef. Und alsbald hat er außerordentlich, durch seine eigenen Leistungen und Traumdeutungen, er war ein großer Traumdeuter, hat er Anerkennung gefunden beim Pharao und wurde also immer höher gehoben am Hofe des Pharao und mit immer mehr Aufgaben betraut. Und der hat dann dem Pharao eines Tages, auch als Folge einer Traumdeutung, hat er ihm vorgeschlagen, dass um diese sieben reichen und sieben dürren Jahre zu überwinden, Lager zu bauen, dass wenn sie mal sieben Reiche ernten, dass man die einlagert, um die sieben dürre Jahre zu überwinden, die nicht genügend Wasser hat. Das war die Folge eines Traumes, den der Pharao hatte, die sieben fetten und die sieben mageren Kühe. Und da hat Josef vorgeschlagen, jetzt einen Kanal zu bauen, fast von Mittelägypten, 300 Kilometer südöstlich von Kairo, einen Kanal am Südrand des Nils entlang zu führen, mit einem so geringen Gefälle, dass er nördlich von Kairo, also ziemlich nah an Kairo, der Nilsrand ist eine gewisse Senke des Nilsrandes, sodass dieser Kanal diese Senke, diese Schwelle überwinden konnte, sodass sie mit diesem Nils-Seiten-Kanal, dem Josef-Kanal, die Oase Fayyum bewässern konnten. Die Oase Fayyum ist eine Senke und die war damals schon eine gewisse, das war ein Jagdgebiet vom Pharao gewesen, das war eine ganz wilde, versumpfte Gegend. Und die haben die dann erschlossen, im Zweiten, so 1900 vor Christus etwa, haben die dann erschlossen, der Josef, sodass die Kornkammer Ägyptens geworden ist. Nur durch Bewässerung, gezielte Bewässerung über den Josef-Kanal. Das ist so ein Beispiel, man stellt sich fast solche Leistungen vor, solche Weitsichtigkeit, so zu planen, dass man vom Oberlauf des Nils einen Kanal abzweigt, um jetzt ein ganz großes, wüstenhaftes Gebiet, weitgehend damals jedenfalls, so zu bewässern. Und das ist so ausgefeilt, ich habe mir das selber mal angeguckt, dass da Bewässerungskanäle geführt sind, das Ganze also vollkommen erschlossen, sodass alles bewässerbar ist. Und weil nun die Versalzung dort enorm hoch ist, denn dort regnet es keinen Tropfen im Jahr, sondern die Sonne scheint und scheint und scheint, ist natürlich eine enorme Verdunstung und dann eine Salifikation, das heißt also eine Versalzung der Böden zu erwarten, bei dieser Intensität der Bewässerung. Was haben die gemacht? Die haben im Untergrund Drainagen gelegt und noch mal Entwässerungskanäle geschaffen, um dieses versalzte Wasser wegzudrainieren, unten in einen Salzsee hinein, der am Ende dieser Oase Fayyum liegt. Die haben eine Bewässerungs- und Entwässerungskultur entwickelt, um der Versalzung der Böden entgegenzuwirken. Das ist unendlich weitsichtig. Das funktioniert heute noch im Übrigen.
Das kennzeichnet jetzt die mesopotamische Kultur, auch dass die Bewässerung der eigentliche düngende Faktor war, neben dieser letztlich weiterentwickelnden Bodenbearbeitung. Und vielleicht darf ich noch ein Wort dazu sagen, diese Bewässerung. Man hat ja da so bewässert, dass man jedes Jahr mit der Hacke, mit der Dreispitzhacke, so Dreispitzhacke, hat man entlang der Höhenlinien mit 2% Gefälle hat man jedes Jahr kleine Kanälchen gemacht. Also heute würde man das mit einem Pflug, ein- und auseinander, mit einem Häufelpflug machen, oder solche kleinen Kanälchen, aber exakt ausgeführt entlang der Höhenlinien. In ganzen großen Gebieten. Und da hat man dann das Wasser reinlaufen lassen, in diese Kanälen, ganz systematisch. Hier jetzt dieses Gebiet bewässert, dann später jenes Gebiet bewässert. Und da sickerte nun das Wasser tief in die Erde ein, sodass die ganze Erde in dem gesamten Bodenprofil durchfeuchtet war. Und dann hat man das nächste Gebiet gewässert. Und dann hat man gepflanzt, sodass da enorme Wassermassen auf diese Weise natürlich zur Bewässerung eingesetzt worden sind. Heute würde man das beregnen, heute würde man mit einer Schlauchberegnung oder dergleichen arbeiten, weil man gar nicht so viel Wasser hat. Also das war das System, die sogenannte Bodenbewässerung, durch diese ganzen Zeitalter hindurch.
Die Griechisch-Römische Kultur und die Anfänge gezielter Düngung 01:02:15
Manfred Klett: So, und diese mesopotamische ägyptische Kultur, die ja ihre unglaublichen Kulturleistungen gebracht hat, insbesondere, dass sie angefangen haben, den Stein zu bauen. Da fängt es ja erst an mit dem Pyramidenbau und dann diesen Riesengestalten, die sie da gemeißelt haben, diese Ramseszeit. Aber da fängt es erst so an. Und jetzt treten wir über in eine vierte Kultur. Also Urindisch, Urpersisch, dann die ägyptisch-kaldäische Kultur und jetzt die griechisch-römische. Und in dieser griechisch-römischen Kultur, die ja im mediterranen Raum sich abgespielt hat, Griechenland und dann rund um das Mittelmeer herum, das war nun eine Kultur des Übergangs. Und in den Anfangszeiten dieser Kultur, eigentlich des klassischen Griechenlands, da war das so eine Art Gartenkultur geworden. Also die Griechen, die haben sich nicht so sehr im eigenen Land um Getreidebau bemüht. Thessalien war das einzige Gebiet, wo sie ein bisschen Getreide erzeugt haben. Sondern um sich zu ernähren, da in den Stadtstaaten Athen oder Korinth, Theben oder wo es war, brauchten die Getreide. Und dann haben die angefangen, sind die Griechen ausgewandert nach Nordafrika oder nach Asien rüber oder den ganzen Mittelmeerraum besiedelt und haben dort das Getreide erzeugt, was die Griechen dann ins Inland, per Handel ins Inland beschafft haben. Und da fing dann der Handel an, der Lebensmittelhandel, der Getreidehandel, das gab es vorher alles in diesem Sinne nicht. Und die Griechen selbst haben eine wunderbare Gartenbaukultur gepflogen, Obstbau, Gartenbau, um diese Stadtstaaten herum. Also da hat sich eigentlich dieses Element des Gartenbaus stärker hervorgetreten.
Ähnlich die Römer in Rom, die hatten ja auf dem Apennin keine große Chance, solche Getreidemengen zu erzeugen. Das war ja sehr begrenzt. Also es gab natürlich schon Gebiete, wo sie auch seit Alters die Etrusker schon Getreide angebaut haben, keine Frage. Aber die Stadt Rom wuchs und wuchs und wuchs und da war natürlich eine enorme Versorgungsleistung zu erbringen. Und dann haben sie dann angefangen, auch das Getreide sozusagen aus dem ganzen Mittelmeerraum heranzubringen, auch aus Gallien im Norden, im heutigen Südfrankreich. Und dann eben aus Karthago, Nordafrika, im heutigen Tunesien gelegen. Und dann insbesondere Sizilien. Sizilien war die Kornkammer Roms. Und auch da haben sie überall für den Getreidebau die Orte, Standorte gesucht, die relativ eben sind. Und alte Schwemmlandböden sind. Man hat nicht mehr bewässert. Es gab genug Regen. Man musste das nur entsprechend künstlerisch, künstlich handhaben lernen, den ganzen Ackerbau. Aber dann gelang es eben ohne Bewässerung da den Getreidebau zu kultivieren. Aber die haben alles, die alle Techniken benutzt, die schon vorgearbeitet waren in die vorangegangenen Kulturen. Das haben die alles genauso studiert. Und es gibt die römischen Schriftsteller, die ja über den Landbau berichten, der damaligen Zeit. Das ist ja derart ausgefeilt schon, was die für übliche Überlegungen angestellt haben. Die Römer hatten nicht nur die Bodenbearbeitung weiterentwickelt, sie hatten die Kulturpflanzen, die haben sie einfach übernommen und haben aber die Fruchtfolge angefangen zu entwickeln. Und anfänglich eben auch mehr mit dem tierischen Dünger umzugehen. Aber sehr, sehr, sehr anfänglich. Also da gibt es eine Reihe römischer Schriftsteller, die das alles genauestens beschreiben und die sind fast so abgefasst. Columella zum Beispiel, auch Vergil in der Georgica. Wenn man die liest, dann meint man, das war im 19. Jahrhundert. So exakt, so genau, aus der Praxis heraus geschrieben. Also man merkt, auch jetzt ist eigentlich die Frage der Düngung nicht irgendwie stärker ins Bewusstsein gerückt, sondern man hat immer noch die Gunst der Natur ausgenutzt. Man hat die Bodenbearbeitung gezielter betrieben. In der Zeit taucht das auch. Also als wendender Pflug. In dem ganzen Orient hat man eigentlich nur immer geritzt und immer tiefer geritzt, natürlich, aber jetzt wirklich der wendende Pflug. Das haben die Römer aber nicht selber erfunden, das haben sie von den Galliern geklaut. Also die Gallier saßen ja in Südfrankreich und da hat sich natürlich auch die Landwirtschaft enorm stark entwickelt bei den Römern, aber man kann sagen, von einer gezielten Düngung kann gar nicht die Rede sein. Und ja.
Publikum: Aber auch durch die Fruchtfolge war keine beabsichtigte Düngung zu sehen, auch durch die Fruchtfolge, die da entstanden ist, war noch keine gezielte Beabsichtigung?
Manfred Klett: Und die Fruchtfolge, den Begriff kannte man in dem Sinne noch gar nicht, sondern man hat einfach gemerkt, man kann nicht immer dasselbe anbauen und hat dadurch ein bisschen Fruchtwechsel gemacht und hat auch gemerkt, dass der Klee schon auch was bewirkt im Wachstum der Pflanzen. Es war noch nicht irgendwie systematisiert oder in irgendeiner Weise und wir haben was eine besondere Erscheinung, also ein Phänomen ist, was in diese Zeit gehört, das tritt bei den Kelten auf. Und die Kelten, die waren schon weit über die Römer hinaus. Nicht nur, dass die Gallier waren Kelten. Die Kelten hatten ja vom Schwarzen Meer hier nördlich der Alpen bis nach Frankreich und nach Irland. Quer durch Europa saßen die Kelten und also im Südfrankreich waren es die Gallier. Und als Caesar wieder nach Norden gezogen ist, dann hat er bei den Galliern gesehen, wie die Bodenbearbeitung machen. Da war er ganz erstaunt und hat dann den zweischarigen Pflug nach Rom gebracht. Also zweischarig haben die da mit Pferden schon gearbeitet.
Naja und dann gab es aber noch ein anderes Phänomen bei den Kelten, dass die haben, das ist belegt, das ist aber gar nicht weiter verfolgt worden wissenschaftlich, dass sie von England über den Kanal nach die Normandie, also die Normandie ist ja auch Kreidekalk, dass sie Erden herübergefahren haben mit dem Schiff als Dünger. Tone, die haben mit Tonen gedüngt. Das ist also, das war ein erstmalig, das in der ganzen Menschheitsentwicklung Menschen angefangen haben nicht mehr mit Wasser zu düngen, sondern mit Erde zu düngen. Das ist ein unglaublicher Schritt und er ist schon in vorgriechischer Zeit hat es begonnen, hat dann eine Fortsetzung gefunden, sodass dann das zum ganz normalen Düngemaßnahme geworden ist im Mittelalter, dass man gemergelt hat. Das haben die Christdemokraten gehört. Das haben die Weinbauern noch in Süddeutschland noch bis noch ins 20. Jahrhundert hereingemacht. Mergel ist nichts anderes, als dass man das Zeug, was heute für die Zementindustrie her man braucht, dass man Mergel abgebaut hat. Mergel ist Ton und zwar fossiler Ton. Nichts aus der Gegenwart stammt, sondern aus fernen Vergangenheiten. Sehr kalkreich. Kalkreicher Ton, das ist Mergel. Und mit diesem Mergel-Ton hat man dann angefangen zu düngen, auch im Mittelalter im großen Stil, hat die Böden auf diese Weise aufgekalkt und hat eben die auch mit dem Tonelement versehen. Die hatten auch eine Ahnung, offensichtlich, dass der Ton eine ganz besondere Substanz ist. Die Kelten, die hatten da wohl Kenntnisse in diese Richtung. Die haben tatsächlich per Schiffsladung über den Kanal Tone nach Nordfrankreich gebracht, um die Böden zu düngen.
Da kann man sich immer wieder an diese Bemerkung von Steiner im Landwirtschaftlichen Kurs erinnern, im zweiten Vortrag, wo er darauf hinweist, wo er über den Ton spricht und dann aber sagt, ja, da könnte man sich vorstellen, dass man auch bestimmte Tone bestimmter Menge anwendet, um diesen Prozess, den es da geht, nämlich die kosmische Aufwärtsströmung in der Pflanze anzuregen, zu bewirken. Leider Gottes ist das nie dann noch ausgeführt worden im Landwirtschaftlichen Kurs. Aber das scheint so zu sein, dass wenn man mit Tonen in dieser Weise arbeitet, und zwar gezielt, Tone sucht, die dafür besonders geeignet sind, und es gibt ja sehr verschiedene Tonarten, also wenn man von Montmorillonit spricht, oder von den Quellfähigen Tonen, das fällt mir gerade nicht ein, wird heute auch eingesetzt bei der Kompostierung, das sind Quellfähige Tone, Quellen und Schrumpfen, bei Feuchtigkeitsaufnahme. Die haben eben eine ganz besondere Funktion im Haushalt der Natur, eben alles das, was aus dem Boden, dann im Laufe des Pflanzenwachstums nach oben rückt, bis in die Blüte darauf, das zu vermitteln. Also die haben mit Tonen gedüngt, die Kelten.
Die christliche Wende und das Erwachen des Ich-Bewusstseins 01:14:30
Manfred Klett: Und jetzt treten wir eben aus der griechisch-römischen Kultur heraus, in die nächsten Folgen. Und ich möchte nur noch mal zusammenfassen, die gesamten vorchristlichen Hochkulturen waren geprägt, erstens von dem Ältesten, was im Ackerbau Grundlage darstellt, auf der Grundlage der Bodenbearbeitung, eine ausgefeilte Bewässerungskultur. Das Wasser hat gedüngt, in Verbindung mit den Schwebestoffen, die da abgelagert worden sind. Und das wurde nur immer weiter entwickelt und weiter und weiter und weiter verfeinert, bis in die römisch-griechischen Zeiten hinein und dann kommt die große Wende. Und diese Wende ist eben, habe ich ja damals auch schon mal ausgeführt, charakterisiert durch die Entwicklung des Christentums.
Die vorchristlichen Hochkulturen waren alles noch Mondenkulturen. Da war noch, war sozusagen, die Sonne war noch sozusagen, der Ahura Mazdao, der am Himmel ist, die waren noch Inspirationsquelle in gewissem Sinne. Aber sie wurden durch die Bewässerungskultur immer zu Mondenkulturen, weil das Wasser ist der Träger der Mondenkräfte im Haushalt der Natur. Vermittelt die Mondenkräfte, nicht die Sonnenkräfte. Und die Bodenbearbeitung ist stärker eine Düngung durch die Sonnenkräfte, weil jetzt das Licht der Sonne und eben die Luft und die Wärme stärker den Boden durchdringen und diese Abbauprozesse erzeugen, die maßgebend sind für die Fruchtbildung. Und jetzt eben durch das Christusereignis, was man so nennen kann, dass da ein Einschlag kam in der Menschheitsentwicklung, wo die Menschen, die noch vorher wie traumhaft die Dinge instinktiv gemacht haben, noch ganz instinktiv wie von Göttern gelenkt und geleitet, man braucht ja nur die Mythologien zu studieren, diese frühen Völkerschaften. Alles war noch irgendwie gottgeführt und gottgeleitet. Man war nicht als einzelner Mensch bestimmt, das jetzt so zu machen und der andere macht es anders. Nein, die haben alle dasselbe gemacht. Aber eben unter einer geistigen Führung stehend, da hatten die noch Empfindungen dafür. Das alte Hellsehen war längst verklungen der ur-indischen Kultur. Längst weg, aber Reste blieben immer noch. Und man hat eine ungeheuer starke Empfindungskraft gehabt für das, was in der Natur gelebt hat. Und das dämmert auch immer mehr weg während der griechisch-römischen Kultur. Bei den Griechen ist es noch ganz stark da. Bei den Römern verduftet es vollkommen. Da intellektualisiert sich die Menschheit.
Und in diesem Zeitraum fällt dieses Ereignis, dass jetzt man kann da natürlich endlos drüber reden, aber ich möchte nur diesen Punkt nennen, dass jetzt ein Einschlag kommt, dass der Mensch zu sich selbst erwacht. Das ist der ganze Witz des Christentums. Das Christentum heißt nichts anderes als erwache, Mensch, erwache zu dich selbst. Erwache in deinem Ich. Schaffe in dir selber die Grundlage eines selbstständigen Urteils. Werde ein freier Mensch. Wenn man das mal unter diesem Gesichtspunkt sieht, dann merkt man, dass von diesem Zeitpunkt an des Mysteriums von Golgatha von dort an plötzlich eine vollkommen neue Entwicklung urständet und einen Ausgangspunkt nimmt in die Zukunft. Und die prägt fortan die ganze jetzt christlich-abendländische Kultur schon zu diesen frühen Zeiten, das dauert eine ganze Weile, bis es soweit ist, bis es zur Geltung kommt, aber dann prägt es in der Folgezeit die gesamte Kultur und insbesondere die Düngungskultur. Die Düngung in diesem gezielten Sinne, wie sie dann in der Folge eingetreten ist, da muss ich vielleicht morgen davon reden, die Düngung ist eigentlich in meinen Augen nichts anderes als ein Ergebnis des Erwachens des Menschen zu sich selbst. Und das er ganz gezielt und mit einem vollkommenen klaren, also immer klarer werdenden Bewusstsein versucht jetzt eine Landwirtschaft zu betreiben, die sich selber den Dünger zubereitet, die der Hof braucht. Zur Sicherung der Erträge der Kulturen. Das hängt mit der Ich-Entwicklung des Menschen zusammen.
Der Mensch, das ist heute so schwer, sich in ältere Zeiten zu versetzen. Versetzen Sie mal in so ein Ur-Inder in so einem Ur-Perser lesen Sie mal die sogenannten Gesänge des Zarathustra in Avesta. Das kann man heute lesen. Die sind auch erst später aufgeschrieben worden, erst 200, 100 vor Christus. Und diese Gesänge wenn man die liest, da fragt man sich, was soll das eigentlich? Da kann ich überhaupt kein Verhältnis dazu finden. Was da dargestellt ist, das ist so unglaublich, da ist der ganze Kosmos gegenwärtig, wie wenn man eben mit Händen greifen könnte. Wenn man die Geistwesen einfach so macht, dann hat man sie. So unmittelbar, geistunmittelbar haben die Menschen noch erlebt. Das kommt aus diesen Gesängen zum Ausdruck. Und das sind die zarathustrischen Gesänge, die durch die Jahrhunderte von Generation zu Generation weiter gereicht worden sind. Und das war ja gang und gäbe. Ich meine, all den Völkerschaften, die können welche Völker auch nehmen, nämlich die Finnen, die die Kalevala erst im 19. Jahrhundert aufgeschrieben haben. Das finnische nationale Mythos, wie es heute heißt, ist Unsinn, ist ein Menschheitsmythos. Aber hat sich natürlich an diesem Ort oben, das haben die in Gesängen noch ins 19. Jahrhundert hinein, haben die sich in den Wäldern Nordfinnlands vorgesungen, in tausenden von Versen aus dem Gedächtnis von Generation zu Generation, nie aufgeschrieben. Da kommt plötzlich einer und sagt, das muss ich jetzt aufschreiben. Das war der Lönnrot, der dann darauf hat sich da unter die Wanderungen durch diese Wälder gemacht und traf dann auf diese Menschen und dann hat er das aufgeschrieben, was sie sich im Dialog zugesungen haben. Sie saßen sich gegenüber und haben sich gegenseitig angesungen. Diese Inhalte der Kalevala. Und so war das eben in früheren Zeiten. Diese großen Mythen waren lebendig, die waren geisterfühlend, handlungswirksam, möchte ich mal sagen.
Und das ist ja alles weg. Wir sind ja heute Waisenkinder und Waisenmädchen geworden. Wirklich. Das ist ja alles ins Nichts verschwunden. Aber eins haben wir gewonnen dabei. Und das ist Ich-Bewusstsein. Und darauf müssen wir jetzt bauen. Und das war eigentlich der Impuls in der Zeitenwende, wo jetzt die Menschen aufgerufen worden sind, auf das zu vertrauen, was in ihnen lebt. Was aus ihnen herauskommt. Nicht mehr von außen, von den Mysterien, von der Priesterschaft, die damals führend war. Nicht mehr von den Einweihungsstätten, sondern den Mysterienstädten, von Delphi oder Eleusis oder von Olympia oder wie sie alle hießen. Nicht mehr von dort geleitet zu werden, sondern leite dich selbst. Oh Mensch, erkenne dich selbst. Das ist der neue Impuls. Und in dieser Entwicklung stehen wir drin. Und wenn man die weitere Entwicklung der Düngung dann verfolgen, morgen, dann werden wir bemerken, wie stark das ein Ich-Impuls ist. Mehr und mehr möchte man sagen, die Fruchtbarkeit hineinzutragen in die Natur durch die Düngung. Das machen wir dann morgen an der Stelle weiter. Also, schönen Tag in die Natur.
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